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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0601

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Gratis⸗Aufnahmt
d. Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Nr. 280.

Montan, den 29. Ronember

1886.

——

*Politiſche Umſch au.
Heidelberg, 29. November.
Der friſche, fröhliche Wahlkampf im Wahlkreiſe
kMannheim — Weinheim — Schwetzingen kann nun
wieder von neuem entbrennen. Auf den 7. Dezember iſt
die Stichwahl zwiſchen Commerzienrath Diffen é und
Stadtrath Drees bach feſtgeſetzt. Die Stimmenzahl der
Sozialdemokraten iſt eine ſo reſpectable, daß es für die
Nationalliberalen gilt, alle Kräfte anzuſpannen, damit ſich
das Zünglein der Wage zu ihren Gunſten neige. Bei der
Stichwahl werden auch ſelbſtverſtändlich die Stimmen der
Keonſervativen Partei, welche mit ihrem ſelbſtſtändigen Vor-
Pgehen ſehr wenig Glück gehabt, erheblich ins Gewicht
fallen. Und die Landpoſt ſchreibt in dieſer Beziehung:
Daß der konſervative Kandidat ſeinen Einfluß dahin
eltend macht, daß die konſervativen Stimmen nicht den
Sozialdemokraten zufallen, iſt ſicher“ Auch aus dem
demokratiſchen Lager wird der nation.⸗lib. Kandidat auf eine
noch kräftigere Unterſtützung rechnen können. Aber der
Kampf bleibt gleichwohl ein ſchwerer, da die Sozialiſten
ſicher noch mit Reſerve auf der Wahlſtatt erſcheinen werden.
1Es wird nicht leicht ſein, der ſozialdemokratiſchen Hochfluth,
welche ſeit dem Jahre 1874 über den XI. Wahlkreis
hereingebrauſt iſt, einen Damm entgegenzuſetzen. 1874
rhielt der ſozialiſtiſche Kandidat 1000 Stimmen am
26. Novbr. cr. 6811, das iſt fürwahr eine Entwickelung
nd Kraftentfaltung dieſer Partei, die alle Gegner ſozia-
Hliſtiſcher Umſturzbeſtrebungen am 7. Dezember geſchloſſen
an den Wahltiſch führen ſollte. Zu jenen 6811 Stimmen
haben freilich auch die Demokraten nicht unweſentlich bei-
getragen, aber die Stärke der Sozialiſten offenbart ſich
darin in nicht zu verkennender Weiſe. Die Ultramontanen
haben für die Stichwahl Wahlenthaltung angekündigt. Es
werdes aber hier und da Zweifel laut, ob dieſe Parole
auch befolgt werden wird. Die le idenſchaftliche Bekämpfung
der Nationalliberalen, welche die Ultramontanen auf ihre
Fahne geſchrieben haben, läßt dieſe Zweifel ſicher nicht
ganz unbegründet erſcheinen.
ö Bekanntlich wird das Geſchick der Militär⸗Vor-
lage von der Haltung des Centrums abhängen. Von
Intereſſe ſind daher die Auslaſſungen der Centrumspreſſe.
Im Ganzen drückt ſich dieſelbe ſehr vorſichtig und unſicher
Haus und verräth, daß ihr die Situation recht unbehaglich
Fiſt. Am beſtimmteſten ſpricht ſich noch der Weſtphäliſche
Merkur aus, welcher zwar für's Erſte nicht glauben will,
daß das Centrum geneigt ſein wird, ſowohl das Sep-
tennat als neue erhebliche Mehrbelaſtungen für die Armee zu be-
willigen, dann aber gleichwohl empfiehlt, eine Ver ſtändigung
u ſuchen, die er auch für möglich hält, „ſofern nur der
Regierung etwas daran liegt.“
ö „Wünſcht dieſe den Streit,“ fährt das genannte Blatt fort,
um eine mittelparteiliche Mehrheit zu bekommen, welche das
Tabaks⸗ und Branntweinmonopol als Ausſteuer mitbringt, dann
iſt der Liebe Müh' natürlich überflüſſig. Da dieſes aber noch
Inicht feſtſteht, kann vorläufig noch nach einer Vermittelung ge-
ſtrebt werden und wir glauben, daß, wenn nicht die Streitluſt
überwiegt, nach dem engliſchen Dictum: „Where is a will, there
is a way, wohl eine Formel geſunden werden kann, welche den
Anſprüchen beider Theile entgegenkommt. Es läßt ſich nämlich
nicht leugnen, daß die politiſche Situation das
Verlangen der Regierung nach einer Vermehrung

der Friedenspräſenzſtärke als vollauf berechtigt
erſcheinen läßt. So traurig es iſt, ſo wahr iſt es auch, daß

ten nicht geſchehen kann.

Frankreich und Rußland uns zu größeren Rüſtungen einfach
zwingen. Es iſt leicht möglich, daß wir im nächſten Sommer
einen großen Krieg zu führen haben; ſollte das aber der
Fall ſein, ſo würde gewiß Niemand bedauern, jetzt die Präſenz-
ſtärke um 40,000 Mann erhöht zu haben. Daß wir a ber
innerhalb einiger Jahre wieder das Schwert ziehen
müſſen, iſt faſt als ſicher anzunehmen. Die deutſche
Laugmuth, Reſignation und Beſcheidenheit gegen Rußland wird
ſchließlich doch ein Ende nehmen, Fürſt Bismarck iſt kein Mann,
der ſich lange in dieſer gebückten Haltung gefällt, und wenn
das große Maß der deuiſchen Geduld endlich überläuft, ſo iſt das
Bündniß zwiſchen Panſlavismus und Revolntion fertig. Thun
wir das Unſerige, damit in dieſem großen⸗ Entſcheidungskampfe
den beiden mitteleuropäiſchen Kaiſerſtaaten, den Bollwerken der

conſervativen Intereſſen, der Sieg ſicher ſei.

Damit iſt nun einer Vermehrullg unſerer Streit-
kräfte das Wort geredet, wie es wirkſamer an andern Or-
Ebenſo bringt der Weſtph. Merk.
ſeinen eigenen Freunden bereits eine erſte⸗Möglichkeit ent-
gegen, daß ſie die Heeresziffern auf ſieben Jahre be-
willigen können. Auch der Bad. Beobachter erklärt, daß
er nicht als prinzipieller Gegner der Vorlage gegenüberſtehe.
Von den Betrachtungen über die deutſche
Thronrede und die neue Militärvorlage ſind die des
Auslandes und vornehmlich Frankreichs von beſonderer
Wichtigkeit. Sie laſſen ſich mit wenig Worten kennzeichnen.
Die ruhige, beſonnene Art, mit welcher die Thronrede über
Deutſchlands Stellung im Rathe Europas ſich ausſpricht
und über Frankreich ſich ausſchweigt, hat die Pariſer Preſſe
in offenbare Verlegenheit geſetzt, aus der ſich die enttäuſch-
ten Hitzköpfe mit der albernen Bemerkung, Deutſchland habe
Furcht, die Beſonnenen aber mit der Erklärung zu retten
ſuchen, die Kriegsbeſorgniſſe und die Friedenshoffnungen
könnten gleich viel oder gleich wenig Nahrung aus der
Thronrede ziehen. Damit haben ſie völlig das Richtige
getroffen. Wenn ſie dagegen weiter gehen und die Kriegs-
gefahr für den, wie ſie meinen, nahen Fall vorausſagen,
daß Oeſterrreichs und Rußlands Anſprüche im Orient un-
verſöhnbar würden, ſo verſchließen ſie die Augen vor der
eigenen Hand. Wenn Frankreich mit derſelben Aufrichtig-
keit und Friedensliebe wie Deutſchland beſeelt ſein wird,
Oeſterreichs und Rußlands Intereſſen zu verſöhnen und
auszugleichen, ſo wird auch die Orientfrage die Weſtmächte
in keinen Krieg bringen. Nur Frankreichs Hand könnte
leicht die Karten in einer Weiſe miſchen, daß das Spiel
mit Hader enden würde. Im Uebrigen fühlt man den
ſämmtlichen franzöſiſchen Auslaſſungen über die Thronrede
und die Militärvorlage ordentlich die geſpannte Neugier an,
ob und mit welcher Mehrheit die Militärvorlage zur An-
nahme gelangen werde.

Deutſches Reich. ö
Berlin, 26. November. Die Summe der durch die
neue Militärvorlage nothwendig werdenden neuen
Offiziersſtellen wird von der St. P. annähernd auf
6 Generale, 65 Stabsoffiziere, 172 Hauptleute und 468
Lieutenante veranſchlagt. Auf die einzelnen Waffen würden
ſich die Zahlen ungefähr folgendermaßen vertheilen:
Infanterie: 5 Oberſten, 35 Majore, 120 Hauptleute, 360
Lieutenante; Jäger: 1 Major, 4 Hauptleute, 12 Lieute-
nante; Artillerie: 21 Majore, 24 Hauptleute, 48 Lieute-
nante; Eiſenbahn: 3 Majore, 9 Hauptleute, 18 Lieutenante;
Pioniere: 1 Hauptmann, 2 Lieutenante; Train: 14 Ritt-
meiſter, 28 Lieutenante.

Berlin, 27. Novbr. Die Abgeordneten Rintelen,
Munckel, Träger und Letoch haben im Re ichstage
einen Antrag eingebracht, den § 107 des Strafgeſetzbuches
dahin abzuändern, daß, wer durch Gewalt oder Bedrohung
mit ſtrafbarer Handlung oder mit Nachtheilen für Leben,
Geſundheit, Freiheit, Ehre oder Vermögen einen Deutſchen
verhindert, nach freiem Willen zu wählen und zu ſtimmen,
gleichviel, ob die Bedrohung ausdrücklich ausgeſprochen
oder aus Umſtänden zu entnehmen, ob ſie gegen den
Wahlberechtigten ſelbſt oder einen ſeiner Angehörigen ge-
richtet iſt, mit Gefängniß oder Feſtungsſtrafe bis zu fünf
Jahren zu beſtrafen ſei. In dem jetzigen § 107 fehlen
die Worte: „oder mit Nachtheil für Leben, Geſundheit,
Ehre und Vermögen“, und ebenſo fehlt die weitere Aus-
führung „gleichviel ob u. ſ. w. bis .. gerichtet iſt“.
Es iſt nicht recht einzuſehen, was die erſte Einſchaltung
ſoll, da die darin angeführten Thatſachen ſchon unter die
ſtrafbaren Verſuche des § 107 fallen würden. Der letzte
eingeſchobene Zuſatz würde zahlreiche ſtrafrechtliche Ver-

folgungen zur Folge haben, deren Ausgang ganz von dem

ſubjectiven Ermeſſen des Richiers abhängig wäre und
in demſelben Falle zu den mannigfachſten Entſcheidungen
führen könnte. — Von dem Abg. Dr. Reichens-
perger als Antragſteller und unterſtützt von 54 Abgeord-
neten der Centrumspartei iſt ſoeben folgender Antrag ein-
gebracht worden:
Der Reichstag wolle beſchließen: 1) Die Erwartung auszu-
ſprechen, daß die verbündeten Regierungen dem immer weiter um
ſich greifenden Duellweſen mit entſprechendem Nachdruck, ſo-
wohl auf autoritativem Wege, als durch disciplinäre und ſtraf-
gerichtliche Repreſſion entgegenwirken werden. 2) Dem nachfolgen-
den Geſetzentwurf die verfaſſungsmäßige Zuſtimmung zu erthei-
len: „Geſetzentwurf betreffend die Ergänzung des Strafgeſetz-
buches des deutſchen Reiches vom 15. Mai 1871. Wir Wilhelm
u. . w. Herordnen; Einziger Artikel: Hinter dem § 210 des
Strafgefetzbuches wird der folgende § 210 a eingeſtellt: § 210 a.
Wenn zwei oder mehrere Perſonen übereingekommen ſind, daß ein
im voraus beſtimmter Zufall darüber zu entſcheiden habe, welcher
von ihnen ſich ſelbſt tödten ſoll, ſo ſind dieſelben mit Zuchthaus
bis zu 5 Jahren oder mit Gefängniß bis zu 3 Jahren zu be-
ſtrafen. Hat ſich infolge eines ſolchen Hebereinkommens ein Theil
ſelbſt getödtet, ſo tritt Zuchthausſtrafe bis zu 10 Jahren oder
Gefängnißſtrafe bis zu 5 Jahren ein. Die Aufforderung zu einem
ſolchen Uebereinkommen iſt als Verſuch zu beſtrafen. Die Theil-
nehmer unterliegen den Beſtimmungen der 88 48 und 49 des
Strafgefetzbuchrs des deutſchen Reiches.“
Berlin, 27. Nov. Die im Sommer 1883 vom Sultan
zur militäriſchen Ausbil dung nach Preußen
geſandten 10 türkiſchen Offiziere, von denen
3 der Artillerie, 1 den Pionieren, 3 der Cavallerie und
3 der Infanterie überwieſen worden ſind, werden nach
Meldung der „Poſt“ ungefähr noch ſechs Monate in
preußiſchen Dienſten bleiben und dann mit ihren ge-
ſammelten Kenntniſſen als Inſtructeure nach der Türkei
zurückkehren. Allen dieſen Offizieren wird von ihren Vor-
geſetzten das Zeugniß ausgeſtellt, daß ſie ſich in jeder Be-
ziehung ſtrebſam zeigen und ſich mit dem regſten Eifer
dem Dienſte widmen, auch gute Kameradſchaft halten. Drei
von ihnen, Ali Riſa vom naſſauiſchen Feld⸗Artillerie⸗Regi-

ment Nr. 27, Mehmed Faik vom 2. weſtfäliſchen Huſaren-

Regiment Nr. 11 und Mehmed Muſtafa Naſſir Bey vom
3. Garde⸗Regiment zu Fuß, ſind auf Vorſchlag ihrer
Regiments⸗Commandeure in dieſen Tagen vom Kaiſer zu
Premierlieutenants befördert worden. Die türk. Offiziere
tragen ſämmklich die Uniform der Regimenter, bei welchen ſie

—7:

—0 Seemannsblut.
Aus Briefen und Mittheilungen eines jungen Seemanns.
Von Balduin Möllhauſen.
(Fortſetzung.)
„Höchſtens noch 'ne Kabellänge war's bis zum Wohn-
auſe, das zwiſchen grünen Gärten lag, wie'n hartgeſottenes

„Gallion, das je ſeine Spitzbubenaugen auf 'nen ehrlichen
weißen Mann richtete. Ich befragte ihn um den Cours,
und da antwortete dies Reptil grinſend in verſtändlichem
Niggerengliſch: „Mich verſteht engliſch; mich ſein halber
eißer Mann, mich guter Freund von Arnoldo, von Se-
nora und Juana.“
„Zum Teufel mit Deinen Freunden und deren Namen,“
ſfuhr ich ihn an, daß er 'nen Schritt zurücktrat, „die kenne
ich ebenſo wenig, wie Dich. Sollſt mir nur ſagen, wo'n
weißer Mann wohnt, der Arbeit für mich hat.“
»„ Dieſe rauhe Anrede machte ihn geſchmeidig, wie 'ne
Flaggenleine; denn er erbot ſich, mich in's Haus zu lotſen
und bei dem Sennor anzumelden. nahm's an, und
nach einer und 'er halben Minute hatte ich das Haus voll
in Sicht. Vor demſelben lief ne Veranda hin, und da
ſaßen der Don, ſeine Frau und Juana. Ja, Dick, die
ſaßen da beim Schaffen — gutes Futter und Getränk war's
obenein — und erfreuten ſich zugleich des ſchönen Spät-
nachmittags. Ich kannte ſie Alle mit einander, mußte ſie
ertennen, ſo genau hatte der Kapitän ſie mir beſchrieben.
Zuerſt das gelbe Cormorangeſicht des Don, dann die alte

i im Spinat, als mir ſo'n Stück von 'nem Indianer ent-
egen kam; ich ſage Dir, Dick, das verdammteſte braune

Lady, die ſich ausnahm, wie 'ne vertrocknete Citrone, und

endlich Juana, und die ſaß da, wie 'ne zarte Schaumkrone
auf 'ner ſchlanken Fluthwelle. Ja, Dick, das Mädchen —“
Billy Railh verſtummte und neigte das Haupt etwas
tiefer über die Regelung, etwas tiefer krallten ſich ſeine
knochigen Fäuſte in das ſtruppige Haar. Was ihn ſonſt
ſo ernſt bewegte, ahnte ich nicht; wohl aber errieth ich,
was ich ihm nimmermehr zugetraut hätte, daß er ſich ſchwer-
müthigen Betrachtungen hingegeben hatte, welche zu ſtören
mir widerſtrebte.
Mehrere Minuten verrannen. Das Schiff arbeitete
regelmäßig. Regelmäßig rollten die Dünungen unter dem-
ſelben fort. Geheimnißvoll leuchteten die Schaumſtreifen,
welche von dem Bug ſeitwärts gedrängt wurden; geheim-
nißvoll die Fluthen, die ziſchend an der ſchwarzen Schiffs-
wand hinglitten. Es war eine Nacht, wie ſie der See-
mann von Zeit zu Zeit bedarf, um nach langanhaltendem
Kampfe mit den Elementen ſich mit denſelben gewiſſer-
maßen wieder auszuſöhnen. ö
Da richtete Billy Raily ſich empor. Still klopfte er
ſeine Pfeife aus. Ich reichte ihm meinen Tabaksbeutel;
er lehnte mein Anerbieten ab.
„Laß, Dicky,“ ſprach er eintönig, „die Pfeife würde
mir bald wieder ausgehen. Ich komme nämlich zu dem
Theil meiner Geſchichte, den ich am beſten nie erlebt hätte.
Verdammt, oft genug ſagte ich mir, daß mich unwiſſenden
Jan Maat — und das hat mit meinem Gewerbe nichts
zu thun — n' Wahnwitz gepackt habe, aber der Teufel
ſelber kann nicht gegen Wind und Strömung zugleich
ſchwimmen, geſchweige denn 'n ſterblicher Chriſtenmenſch,

und hätte er doppelt ſo viel Kraft in ſeinen Gliedern, als
ſie mir einſt zu Gebote ſtand.
„Ja, Dick, da ſaßen die Drei. Die beiden Alten hatt'
ich auf den erſten Blick weg; aber Juana — bei Gott,
nie ſah ich dergleichen. Wie'n Heiligenbildchen ſaß ſie da,
daß ich vor ihr auf die Kniee hätte fallen mögen und ihr
zu ſchwören, ſie brauche nur das Wort auszuſprechen, um
mich vor ihren Füßen ſterben zu ſehen. Es mag mit da-
von gekommen ſein, daß mir der Kapitän ſo viel von ihr
erzählte, bis es mir endlich den Kopf verwirrte. Und wie

'ne Sterbliche ſah ſie nicht aus, ſondern wie 'ne Waſſerfee,

die unten auf dem kühlen Meeresboden in Korallenſchlöſſern
wohnt; und doch ſprühte ſo viel Wärme aus ihren blauen
Augen, daß ich's unter ihrem Blick ſiedend heiß durch
meine Adern rieſeln fühlte. Ja, Dick, ſie ſah mich ſcharf.
aber freundlich an, und als ich entdeckte — und meine
Augen nahmen's mit denen einer Möve auf — daß ihre
rothen Wangen noch um 'ne paar Strich dunkler brannten,
da legte ſich's wie'n Nebel vor mein Geſicht, und durch
den Sinn fuhr mir's, als ob ich in meinem Leben nie
wieder froh werden ſollte.
„Thor, doppelt elender Thor, der ich war, zu
erwähnen, daß mein Anblick dem lieben Engelsbild-
chen mit dem goldenen Haar, das Blut luſtiger kreiſen
gemacht habe; nicht zu begreifen, daß ſie auf mein

Eintreffen vorbereitet geweſen, mich wohl gar ſchon er-

wartet hatte.“
(Fortſ. folgt.)
 
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