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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0650

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Sitzung Montag 1 Uhr.
geordneten Reichenſperger über die Abänderung des Straf-
geſetzbuchs betreffend das Duellweſen; Anträge der Abgg.
Lieber, Hitze und Blos über den Normalarbeitstag und die
Frauen⸗ und Kinderarbeit.

Tagesordnung: Anträge des Ab-

Berlin, 10. Decbr. Der Reichsverweſer Bayerns,
Prinz Luitpold, ſowie der Herzog Max Emanuel
in Bayern nahmen Vormittags 11 ¼½ Uhr das Frühſtück
bei den kronprinzlichen Herrſchaften ein. Der Kaiſer
und die Kaiſerin begaben ſich 12¼ Uhr ebendahin,
woſelbſt die Kaiſerin ſich vom Prinzen Luitpold verab-
ſchiedete. Der Kaiſer begleitete ſeinen hohen Gaſt bei
ſeiner Abreiſe nach Dresden auf den Anhalter Bahnhof;
außer dem Kaiſer waren noch der Kronprinz, Prinz Wil-
helm, dann der Polizeipräſident v. Richthofen, ſowie zahl-
reiche bayeriſche Offiziere auf dem Bahnhofe. Prinz Luit-
pold verabſchiedete ſich auf's herzlichſte vom Kaiſer, der
ihm, als der Zug ſich in Bewegung ſetzte, nochmals die
Hand reichte. — Nachdem heute der Fürſtbiſchof von
Prag vom Kaiſer empfangen, wird derſelbe auch von der
Kaiſerin empfangen werden.
Berlin, 10. Dec. Die Militär⸗Commiſſion ſetzte
heute die Generaldiscuſſion fort. Den Haupttheil der etwa
dreiſtündigen Verhandlungen nahm der Abg. Richter in
Anſpruch, welcher mit großer Ausdauer die vom Kriegsmi-
niſter gegebenen Zahlen zu entkräftigen ſuchte. Der Kriegs-
miniſter Bronſart v. Schellendorff hielt ſeine An-
gaben nach allen Seiten hin aufrecht und erklärte, daß
ſeine Commiſſarien in der Spezialberathung noch viele in's
einzelne gehende Aufſtellungen und Berechnungen zur Verglei-
chung bringen würden. Der Behauptung des Abg. Richter
gegenüber, daß bei denfranzöſiſchen Batterien eben-
falls nur 4 Geſchütze im Frieden beſpannt ſeien, wurde ſei-
tens des Kriegsminiſters hervorgehoben, daß dieſe Angabe
in der aufgeſtellten Form nicht zutreffend wäre. Zu-
nächſt hätte Frankreich an der Oſtgrenze überhaupt
bei den Batterien je 6 Geſchütze beſpannt. Dann hätte
man allerdings in den übrigen Landesgebieten überall nur
vier beſpannte Geſchütze, doch bei jeder Batterie wären zwei
Munitionswagen beſpannt, die bei der deutſchen Armee feh-
len. Dadurch wäre man franzöſiſcherſeits im Stande, ſofort
2 weitere Geſchütze mit geübten Pferden und ebenſolchen
Mannſchaften einzuſtellen. Die Militärcommiſſion beſchloß,
morgen die Generaldiscuſſion fortzuſetzen und Montag in
die Specialdiscuſſion einzutreten.
Dresden, 10. Dezbr. Prinz Luitpold von
Baiern iſt nachmittags halb 5 Uhr hier eingetroffen und
auf dem böhmiſchen Bahnhofe von König Albert, den
Prinzen Georg und Friedrich Auguſt empfangen worden.
München, 8. Dec. In ſeinem Werke „Der Alt-
katholizismus“ veröffentlicht Prof. Dr. v. Schulte
zwei Briefe des verſtorbenen Königs Ludwig II.
von Bayern an Stiftsprobſt Dr. J. v. Döllinger. Der
erſte Brief — vom 28. Februar 1870, — dem Geburts-
tage Döllingers — lautet:

„Ich hoffe zu Gott, er möge Ihnen noch viele Jahre in un-
getrübter Friſche des Geiſtes und der Geſundheit des Körpers
verleihen, auf daß Sie den zu Ehren der Religion und Wiſſen-
ſchaft übernommenen Kampf zu wahrer Wohlfahrt der Kirche und
des Staates glorreich zu Ende führen können. Ermüden Sie
nicht in dieſem ſo ernſten und folgenſchweren Kampfe und mögen
Sie ſtets von dem Bewußtſein getragen werden, daß Millionen
vertrauensvoll zu Ihnen als Vorkämpfer und Hort der Wahrheit
emporſchauen und der ſicheren Hoffunng ſich hingeben, es werde
Ihnen und Ihren unerſchrockenen Mitſtreitern gelingen, die jeſui-
tiſchen Umiriebe zu Schanden zu machen und dadurch den Sieg
des Lichtes über die menſchliche Bosheit und Finſterniß zu er-
ringen. Das walte Gott, und darum will ich ihn bitten aus
Grund der Seele.“
Der zweite Brief, ein Jahr ſpäter, nach dem Vati-
canum geſchrieben, vom 28. Februar 1871, lautet:
„Gleich dem Lande bin ich ſtolz, Sie den Unſrigen nennen zu
können und hege die frohe Zuverſicht, daß Sie wie bisher als
Zierde der Wiſſenſchaft und in erprobter Anhänglichkeit des
Thrones noch lange Ihr ruhmreiches Wirken zum Beſten des
Staates und der Kirche bethätigen werden. Kaum habe ich nöthig,
hervorzuheben, wie hoch mich Ihre ſo entſchiedene Haltung in der
Unfehlbarkeitsfrage erfreut. Sehr peinlich berührt mich dagegen,
daß Abt Haneberg ſeiner inneren richtigen Ueberzeugung zum
Trotz ſich blindlings unterworfen hat. Er thut es, wie ich ver-
muthen darf, aus „Demuth“. Dies iſt meiner Anſicht nach eine
ſehr falſch verſtandene Demuth, es iſt eine niedrige Heuchelei,
officiell ſich zu unterwerfen und nach Außen eine andere Ueber-
zeugung zur Schau zu tragen, als jene, von welcher das Innere
erfüllt iſt. Ich freue mich, daß ich mich in Ihnen nicht getäuſcht
habe und ich habe es immer geſagt, daß Sie mein Boſſuet, er
dagegen mein Fenelon iſt. Jammervoll und mitleiderregend iſt
die Haltung des Erzbiſchofs (Scherr von München), der ſo bald
ſchon in ſeinem Elan nachließ; ſein Fleiſch iſt eben ſtark und ſein
Geiſt iſt ſchwach, wie er aus Verſehen einſt ſelber in einem ſeiner
Hirtenbriefe verkündet hat. Sonderbare Ironie des Zufalls!
Stolz bin ich dagegen auf Sie, wahrer Fels der Kirche, nach
welchem die im Sinne des Stifters unſerer heiligen Religion
lebenden Katholiken in unerſchütterlichem Vertrauen und hoher
Verehrung blicken dürfen. Ich verſichere Sie ꝛc.
Es muß hiebei angefügt werden, daß König Ludwig
zur Zeit der Abfaſſung dieſer beiden Briefe ſich noch der
vollſten und beſten geiſtigen Geſundheit er-
freute!!
Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 10. Dec. Die bulgariſche Abordnung
iſt heute Nachmittag vom ruſſiſchen Botſchafter Lo banow
und dem türkiſchen Botſchafter Sadullah empfangen
worden. ö
Ausland.
Bern, 10. Dezbr. Der Nationalrath hat das
Branntweinmonopol nach der Einzelberathung bei
der Generalabſtimmung mit allen gegen 6 Stimmen ange-
nommen. Die Annahme der Vorlage durch den Stände-
rath gilt als geſichert.
Paris, 10. Decebr. Für das Unterrichtsminiſterium
wurde ſtatt Burdeau Senator Berthelot ernannt, der
heute Abend 5 Uhr dem Miniſterrathe im Elyſée anwohnt.
Berthelot iſt Chemiker und war Mitglied des Senatsaus-

ſchuſſes für das Elementarunterrichtsgeſetz. Da Baron

Courcel die Uebernahme des Miniſteriums des Aeußern
endgiltig abgelehnt hat, bot Goblet dasſelbe nochmals
Duclerc an, der dann zur Berathung des ſeit zwei
Stunden im Unterrichtsminiſterium verſammelten Miniſter-
rathes beſchieden wurde, aber Duclerc lehnte zum zweiten
Male ab. Das Miniſterium des Aeußern iſt ſo-
mit noch unbeſetzt. — Oberſt Bruyôre, der zum
Amte eines Generalſecretärs des Präſidenten der Republik
an Stelle des verſtorbenen Generals Pittié berufen wurde,
wird am Neujahrstage zum General ernannt werden. —
General Boulangers Geſammtplan zur Ver-
beſſerung der Armeebewaffnung erheiſcht 360
Millionen. Eine officiöſe Note erklärt, Boulanger gedenke,
den Parteifragen fern zu bleiben und ſich ausſchließlich den
Armeefragen zu widwen.
Rom, 10. Dec. Der frühere Miniſterpräſident Ming-
hetti iſt geſtorben. Die Deputirtenkammer hob
zum Zeichen der Trauer die Sitzung auf.
Petersburg, 10. Dec. Der Regierungsanzeiger ver-
öffentlicht eine Mittheilung, welche auf das bekannte Rund-
ſchreiben des Auswärtigen Amtes an die ruſſiſchen Ver-
treter im Auslande Bezug nimmt und die Ergebniſſe der
Anweſenheit des Generals v. Kaulbars in
Bulgarien, ſowie das Verhalten der bulgariſchen
Regierung beſpricht. Die kaiſerliche Regierung habe,
wenn ſie auch ihre Geſchäftsträger aus Bulgarien abbe-
rufen, gar nicht die Abſicht, das Band, welches Bulgarien
mit Rußland verknüpfe, zu löſen. Mit jener Maßnahme
wolle ſie nur bekunden, daß ſie ablehne, die Geſetzlichkeit
der gegenwärtigen Lage der Dinge anzuerkennen, bei welcher
eine geringfügige Minderheit, die ſich der Landesgewalt be-
mächtigt habe, berechtigt zu ſein glaube, das Schickſal des
bulgariſchen Volkes nach ihrem perſönlichen Ermeſſen zu
lenken und das Volk zum Werkzeug revolutionärer Leiden-
ſchaften zu machen, welche vbernichtend auf die öffentliche
Sittlichkeit einwirken. Das bulgariſche Volk zeichne ſich
ohne Zweifel durch friedliche Neigungen und Liebe zur
Arbeit aus. In dieſen Eigenſchaften liege das Unterpfand
für das künftige Gedeihen des bulgariſchen Volkes und
dank derſelben hatte der Wohlſtand Bulgariens bereits
ſchnelle Fortſchritte gemacht, als der Umſturz in Philip-
popel plötzlich das Land auf den Weg gefährlicher poli-
tiſcher Abenteuer ablenkte, die vom Lande ſchwere, ganz
unnütze Opfer forderten. Die gegenwärtige Lage der Dinge
ſei die unmittelbare Folge jenes Umſturzes; dauere dieſelbe
fort, ſo müſſe Bulgarien nicht nur neuen Widerwärtig-
keiten begegnen, ſondern werde auch nicht verfehlen, ſich
in einen Herd der Anarchie und revolutionärer Leiden-
ſchaften umzuwandeln, welche die Ruhe und den Frieden
im Orient fortwährend bedrohen werden. Die Mitthei-
lung ſchließt: Da die kaiſerliche Regierung es als ihre
Pflicht erachtet, für die Aufrechterhaltung der Ruhe im
Orient zu ſorgen, und da ſie auf dem Boden des Ver-
trags beharrt, ſo beabſichtigt ſie, nach wie vor ihre An-
ſtrengungen auf Aufhebung des ſchwer auf Bulgarien
laſtenden Druckes, ſowie auf Wiederherſtellung der geſetz-
lichen Ordnung desſelben zu richten. Letztere könnte als
zuverläſſiges Unterpfand für das künftige Gedeihen Bul-
gariens dienen und jene ſchweren Opfer rechtfertigen, welche
Rußland für das Land gebracht hat. Indem die kaiſer-
liche Regierung von jeglichen eigennützigen Abſichten weit
entfernt iſt, beabſichtigt ſie, ſich mit keiner Combination
einverſtanden zu erklären, die unter dem Deckmantel der
Geſetzlichkeit nur dazu dienen würde, den regelwidrigen
Zuſtand der Dinge zu befeſtigen, in welchem Bulgarien
ſich jetzt befindet.
Burgas, 10. Dec. Eine Abordnung aus den um-
liegenden Dörfern iſt hier eingetroffen und hat eine Er-
klärung für die Wiederwahl des Fürſten Alexander
überreicht, die man ernſtlich überhaupt noch nicht aufge-
geben habe. Eine ähnliche Bewegung ſcheint auch ander-

wärts vorhanden zu ſein.

Konſtantinopel, 10. Dec. Das türkiſche Rund-
ſchreiben wurde nicht an Rußland gerichtet, weil dieſe
Macht augenblicklich in Sofia keinen Vertreter beſitzt. Die
übrigen Mächte wurden eingeladen, die Schritte der Pforte
in Sofia zu unterſtützen. Alle Mächte haben geantwortet,
ſie würden ſich untereinander ins Einvernehmen ſetzen.
Einige Mächte fragten zugleich an, welche Schritte die
Pforte zu unternehmen gedenke. Die Pforte gab darauf
mündlich Auskunft, ſie gedenke den Rücktritt der bul-
gariſchen Regentſchaft auf dem Wege des diplo-
matiſchen Druckes herbeizuführen. Gadban Effendi
hat in Sofia bereits die erſten Vorſtellungen in dieſem
Sinne gemacht. Die Regentſchaft hat ſich jedoch in aller
Form geweigert, abzudanken.
Waſhington, 8. Dezbr. Der Kongreß wurde mit
einer Bot ſchaft des Präſidenten eröffnet, worin es
heißt, mit dem Auslande hätten ſich in dieſem Jahre keine
Fragen ergeben, welche außerhalb des Bereiches einer
freundſchaftlichen Regelung gelegen. Die Einweihung der
Freiheitsſtatue gab den Sympathien zwiſchen der Union
und Frankreich einen neuen Impuls. Die Botſchaft em-
pfiehlt, den Präſidenten zu ermächtigen, behufs Ausliefe-
rung der in Haft befindlichen Perſonen dieſelben freizu-
laſſen, wenn deren Auslieferung dem Präſidenten ange-
meſſen erſcheine; ferner wird die Aufhebung des Zolles
auf fremde Kunſtwerke empfohlen. Das Staatsein-
kommen überſteigt mehr als jemals die öffent-
lichen Bedürfniſſe; die ganze jetzt zahlbare Schuld
werde in Jahresfriſt bezahlt ſein, wenn die gegenwärtigen
Verhältniſſe fortdauerten. Im Falle das gegenwärtige
Syſtem der Staatseinkünfte beibehalten würde, dürften
die Einnahmen weit größer ſein, als noth-
wendig iſt, um die Ausgaben zu decken. Eine
Aenderung der beſtehenden Politik, wonach die Hauptein-
künfte durch Einfuhrzölle aufgebracht würden, ſei nicht

wünſchenswerth. Der Präſident ſieht keinen Grund, ſeine
früheren Anſichten gegen die obligatoriſche Silberprägung
zu ändern und empfiehlt deren Einſtellung. Von den bis
zum 1. Dez. geprägten 247 Mill. ſeien noch 20 Mill. im
Schatzamte, trotz aller Anſtrengungen dieſelben in Umlauf
zu ſetzen. Der Präſident weiſt hin auf die Zunahme der
Goldausfuhr aus der Union. Nach dem letztjährigen Be-
richt des Schatzſekretärs betrugen die Einnahmen des mit
Juni cr. abgeſchloſſenen Jahres 336 440 000, die Aus-
gaben 242 480 000 Dollars, die Einnahmen betrugen mehr
12 750 000, die Ausgaben weniger 17740000 als im
Vorjahre. Nach den gegenwärtigen Anzeichen werden die
Einnahmen des laufenden Fiskaljahres die Ausgaben um
90 Millionen überſteigen.

Aus Stadt und Land.
geidelberg, 11. Dec. (Sitzung des Bürgerausſchuſſes
in der Aula der Realſchule am 10. Decb.) Der Vor-
ſitzende, Hr. Oberbürgermeiſter Dr. Wilckens, eröffnete die
Verhandlungen, welchen eine kurze Vorbeſprechung wegen der
Wahl eines Stiftungsrathes für die Verwaltung der Stiftung
für die Kleinkinderbewabranſtalt vorausgegangen war, in An-
weſenheit von etwa 90 Mitgliedern Nachmittags 4 Uhr mit der
bedauerlichen Mittheilung, daß ſich Hr. Wilhelm Landfried aus
Geſundheitsrückſichten genöthigt geſehen habe, aus dem Stadt-
verordneten⸗Collegium auszutreten. Redner glaube im Sinne aller
Anweſenden zu handeln, wenn er die Hoffnung ausſpreche, es
möge ſich die Geſundheit des Hru. Landfried bald ſo kräftigen,
daß er ſich wieder an den Arbeiten der ſtädtiſchen Verwaltung
wie ſeither betheiligen könne Den erſten Gegenſtand der Tages-
ordnung bildete der mit dem ſeitherigen Grund⸗ und Pfandbuch-
führer, Hrn. G. Hofmeiſter, abgeſchloſſene neue Dienſtvertrag.
Wir haben das Weſentlichſte aus der Vorlage des Stadtraths
bereits in Nr. 287 d. Bl. mitgetheilt. Der Vertrag wurde, nach-
dem der Obmann des Stadtverordneten⸗Vorſtandes, Hr. Pirſch,
denſelben zur Annahme empfohlen, mit einem vom Stadtverord-
neten⸗Vorſtand vorgeſchlagenen kleinen Zuſatz ohne weitere Be-
ſprechung einſtimmig genehmigt. Ebenfalls ohne weitere Debatte
wurde der mit den Ph. Werner Erben abgeſchloſſene Vertrag
wegen Zurückverſetzung ihrer Gartenmauer behufs Verbreiterung
der Unteren Faulepelzgaſſe, bezw. die Erhöhung des hiefür unterm
23. Juli d. J. bewilligten Credits von 1000 auf 1800 ein-
ſtimmig gutgeheißen. Zum folgenden Gegenſtand der Tages-
ordnung, den Umbau des Rathhauſes betreffend, übergehend, fügte
der Vorſitzende dem gedruckten Bericht des Stadtraths über die
Vorlage, aus dem wir die hauptſächlichſten Punkte ebenfalls ſchon
in Nr. 287 und 288 d. Bl. mitgetheilt, noch einige beſondere,
empfehlende Worte hinzu. Er verkenne nicht, daß die für den Umbau
zu verwendenden Mittel ſehr erhebliche ſeien; wenn man bedenke,
daß für den Umbau in der Hirſchſtraße 92 000 bewilligt ſind,
für den Umbau des Schützendorff'ſchen Hauſes 73 000 und für
den Ankauf des Popp'ſchen Hauſes 91 500 ¾¾. verlangt werden,
ſo ſtehe man jetzt ſchon vor einem Aufwande von 256 500 7
dazu komme noch der Aufwand für den in ſpäterer Zeit zu be-
wirkenden Umbau des Popp'ſchen Hauſes mit 70 000 α und
die Bauveränderungen am alten Rathhauſe mit reichem figürlichem
Schmuck der Façade mit circa 25 000 , ſo daß ſich der Auf-
wand für den Umbau des ganzen Rathhauſes einſchließlich der
Erwerbung des Popp'ſchen Hauſes auf ungefähr 350 000 ¾¾ be-
laufen dürfte. Soll aber gebaut werden, ſo iſt der Stadtrath
der Anſicht, daß auch etwas Rechtes gebaut werde. Auch ſei die
Sache in jeder Beziehung ſo vorſichtig wie möglich behandelt
und werde der Aufwand für den Rathhausumbau — wie
dies ſchon in der Vorlage näher ausgeführt iſt — auf eine
Reihe von Jahren vertheilt worden. Redner wendet ſich ſo-
dann gegen den Eiuwurf, daß noch keine Piäne für den Um-
bau des Popp'ſchen Hauſes und des alten Rathhauſes vorhanden,
indem er darauf hinweiſt, daß das Projekt für den ganzen Rath-
hausneubau durchaus feſtſtehe. Alle Einzelheiten hiunſichtlich des
Umbaues des alten Rathhauſes und des Popp'ſchen Hauſes, ein
Bau, der vielleicht erſt in 5 oder 6 Jahren in Augriff genommen
werden könne, jetzt ſchon feſtzuſtellen, dürfte überhaupt kaum aus-
führbar ſein. Der Entwurf der Façade des Schützendorff'ſchen
Hauſes ſoll von einem Sachverſtändigen, etwa von Oberbaurath
Durm, vor der Ausführung noch durchgeſehen werden. Das
Geſammtprojekt für den Rathhausumbau iſt durch den vorjähri!
gen Beſchluß in der Hauptſache ſchon gutgeheißen worden, wenn
allerdiugs die Zeit, in welcher er auszuführen, offen blieb. Der
Umbau des Schützendorff'ſchen Hauſes habe ſich aber dringlicher
erwieſen als vorgeſehen war und mit dem Umbau de
Schützendorff'ſchen Hauſes müſſe auch die Popp'ſche Frage
zur Entſcheidung kommen. Herr Pirſch erklärt Namen
des Stadtverordnetenvorſtandes, daß ſich derſelbe den Grün-
den des Stadtraths angeſchloſſen habe, obgleich der Preis
für das Popp'ſche Haus ſehr hoch und die weitere Entſchädigung
von 1500 . kaum zu rechtfertigen ſei. Herr Rath Mays er“
klärt ſich zwar mit dem Umbau des Schützendorff'ſchen Hauſes
einverſtanden, nicht aber mit dem Ankauf des Popp'ſchen Hauſes.
Der Preis, den die Stadt dafür zu zahlen habe, ſei zu hoch.
Um den jetzt geforderten Betrag könne man das Haus immer
haben, man ſolle es alſo erſt kaufen, wenn man es dringend
nothwendig gebrauche. Die Rückſichten auf die Schönheit ſollte
man nicht zu ſehr betonen. Auch wäre der Zuwachs zu den
Rathhausräumlichkeiten durch das Popp'ſche Haus nicht bedeutend-
Nachdem Redner noch die Errichtung eines 4. Stockes aus Schön-
heitsrückſichten bemängelt, weiſt er darauf hin, daß in nächſter
Zeit dringende Ausgaben für Gebäulichleiten in Ausſicht ſtehen ,
die nicht zurückgewieſen werden dürften, ſolle Heidelberg anderen
Städten gegenüber concurrenzfähig erhalten bleiben. Wir müßten
hiezu über große Mittel verfügen können. Hr. Oberbürgermeiſter
Dr. Wilckens tritt den Ausführungen des Vorredners ent-
gegen. Die Façde des Rathhauſes nach den Lender'ſchen Plänen
laſſe ſich ohne im Beſitz des Popp'ſchen Hauſes zu ſein, nicht aus,
führen. Wenn Herr Mays meine, man könne das WPoppiſche
Haus ja ſpäter erwerben, ſo möchte er, Redner, die Stadt einer
ſolchen Eventualität nicht ausgeſetzt wiſſen. Der Kaufpreis des
Popp'ſchen Hauſes, welches wir brauchen, könne nicht einfach na
Quadratmetern berechnet werden. Bezüglich des 4. Stockes be-
merkt Redner, daß der Neubau in der Hirſchſtraße bereits vier“
ſtöckig ſei, weßhalb man jetzt nicht wieder dreiſtöckig bauen könne,
auch habe ſich die befragte Sachverſtändigen⸗Commiſſion mit der
Erbaunng eines vierten Stockes einverſtanden erklärt, wie jich
auch der Erbauer des alten Rathhauſes daſſelbe vierſtöckig gedacht
habe. Herr Kirchenbauinſpector Behaghel ertennt zwar die
finanzielle Fürſorge des Herrn Mays an, iſt aber in techniſchet
Beziehung nicht ſeiner Meinung und glaubt, daß in kurzer Zei
die Nothwendigkeit herantreten werde, neue Büreaus zu ſchaffen,
und das Popp'ſche Haus für die ſtädtiſche Verwaltung nutzbal
zu machen. Die Errichtung eines 4. Stockes auf dem Rathhau
ſei, wie Redner näher erläutert, ſchon in äſthetiſcher Beziehung
zu einer Nothwendigkeit geworden. Er ſei mit den Lender'ſche-
Plänen durchaus einverſtanden. Wir müſſen dafür ſorgen, dan
das Rathhaus eine Zierde der Stadt und nicht durch einen kleinen
daneben angebauten Käfig verunſtaltet wird. Herr Franz Ma.
erklärt, daß er ſich hauptſächlich deßwegen entſchloſſen habe, fü
die Vorlage zu ſtimmen, weil die Gelegenheit nicht verſäumt wer
den ſolle, dem öſtlichen Stadttheil, der ſich durch die Eutwickelund
der Stadt nach Weſten benachtheiligt fühle, etwas Schönes 3
ſchaffen. Auf eine Anfrage des Herrn Kreisſchulrath S trübe,
wie — im Hiublick auf die Ausführungen des Berichts, daß ein
neuerliche Echöhung der Gemeindeumlage nicht eintreten ſolle —
 
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