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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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er republikaniſchen Schweiz über die Frage der
Vertheidigung des eigenen Herdes. Dort hat der National-
rath in Bern den Bundesrath ohne jede vorherige Dis-
cuſſion ermächtigt, alle Kriegsmittel anzuſchaffen, die ihm,
dem Bundesrath, zur Sicherſtellung der Landesgrenzen für
den Fall kriegeriſcher Verwicklungen nur irgend nothwendig
erſcheinen.
Den Franzoſen koſtete es große Mühe, einen Mann
aufzutreiben, der das Portefenille des Auswärtigen über-
nahm. Unter den Diplomaten von Fach fand ſich Nie-
mand, der dazu bereit geweſen wäre. Faſt ſchien es, als
ſolle Frankreich das Schickſal zu Theil werden, auch einmal
ohne Miniſter des Auswärtigen regiert zu werden, da „erfand“
der Cabinetschef Goblet ſchnell einen neuen Diplomaten — es
wurde ein Herr Flourens, Vicepräſident des Staatsraths und
früherer Direktor der Kultusangelegenheiten, auf den leeren
Miniſterſtuhl geſetzt. In den Kreiſen der Deputirten und
der diplomatiſchen Welt berührte die neue Miniſtererſchei-
nung zwar eigenthümlich genug, aber man hat ihn wohl
oder übel in Kauf nehmen müſſen. Das ſo completirte
Cabinet Goblet hat übrigens bereits ſowohl in der Deputirten-
kammer, als auch im Senat eine kleine Niederlage erlitten;
in der Kammer wurde ſie Herrn Flourens, im Senat dem
Finanzminiſter Dauphin zu Theil. Von weiteren Folgen
werden dieſe kleinen Erſchütterungen vorläufig indeſſen nicht
begleitet ſein.
Italien verlor einen ſeiner hervorragendſten Staats-
männer und Patrioten, den ehemaligen Miniſterpräſidenten
Marco Minghetti.
Alle Welt überraſchend wirkte das bekannte Communi-
qué im ruſſiſchen Regierungsanzeiger, welches der ruſſi-
ſchen Hetzpreſſe gebot, gegen Deutſchland einen verſöhnlicheren
und gemäßigteren Ton anzuſchlagen. Dem Ukas ge-
horchend, nicht dem eigenen Triebe, nehmen die großmäu-
ligen Panſlaviſten⸗Blätter, wenn ſie von Deutſchland reden,
gegenwärtig den Mund auch etwas weniger voll. Wer
weiß, wie lange. Der gewaltſam verhaltene Groll bricht
in kurzer Zeit vielleicht wieder um ſo heftiger los.
Die auf der Reiſe befindliche bulgariſche Deputa-
tion iſt nunmehr in Berlin angelangt, wo ſie in
ähnlicher Weiſe wie vom Grafen Kalnoky in Wien
vom Staatsſecretär Grafen Herbert Bismarck empfangen
werden dürfte. Die Deputation tritt mit aller Energie
für eine Anwartſchaft des Prinzen Ferdinand von Ko-
burg auf den bulgariſchen Thron ein und betreibt ſie
mit allen Mitteln. Die Bulgaren würden in der Perſon
dieſes Prinzen auch ſicher einen Fürſten erhalten, wenn
— Rußland nicht wäre. So bemerkt das Journal de St.
Petersbourg anläßlich der Nachricht, daß die Candidatur
für den bulgariſchen Thron von der bulgariſchen
Abordnung dem Prinzen von Koburg angeboten und von
dieſem angenommen worden ſei, dieſe Nachricht könne nicht
ernſthaft genommen werden. Die bulgariſche Abordnung
ſei keineswegs in der Lage, den Thron von Bulgarien an-
bieten zu können, und es ſei zu bezweifeln, daß Jemand
unter ſolchen Verhältniſſen denſelben annehme. Es ſei dies
vielleicht ein Verſuchsballon der bulgariſchen Machthaber,
um ihre Kundgebungen gegen Rußland fortzuſetzen. Aber
die Behauptung, daß dieſer Candidatur keine Hinderniſſe
von Seiten irgend welcher Macht begegnen würden, ſei zu
abenteuerlich, als daß es nöthig erſcheine, über dieſelbe zu
reden. — Man kann allerdings kaum daran glau-
ben, daß Rußland einen öſterreichiſchen Offizier für den
bulgariſchen Thron acceptiren werde. ö
ſ.DODeutſches Reich
Karlsruhe, 17. Dec. (Amtlich.) Se. Königl. Hoh.
der Großherzog haben den Ingenieur II. Claſſe beim
Centralburean für Meieorologie und Hydrographie, Karl

Berlin, 17. Dec. Heute iſt gegen die Stimmen der
Nationalliberalen, der Reichspartei und der Conſervativen
die Vertagung der Militärcommiſſion und ſo-
mit die zweite Berathung der neuen Militärvorlage bis
nach Neujahr beſchloſſen worden. Zum Berichterſtatter
wurde ohne Widerſpruch der Abgeordnete Freiherr v. Huene
ernannt. Das Verlangen der Minderheit, unterſtützt vom
Kriegsminiſter, die zweite Berathung und den Abſchluß der
Commiſſionsarbeiten noch in dieſer Woche, beziehentlich in
den erſten Tagen der nächſten Woche vorzunehmen, rief eine
ſehr heftige zweiſtündige Debatte hervor. Der Abgeordnete
v. Benda gab der Ueberzeugung, daß durch die Beſchleu-
nigung der Berathung einer patriotiſchen Pflicht genügt
werde, warmen Ausdruck. Das Centrum machte als Haupt-
grund geltend, daß die Commiſſionsmitglieder ſich mit der
Fraktion vor der Berathung benehmen müßten, was der
Abg. Dr. Buhl im Laufe des morgigen Tages für durch-
aus thunlich erklärte. Bald wurde für die Vertagung als
Grund angeführt, daß die ſofortige zweite Berathung nur
das Reſultat der erſten beſtätigen, oder ein rein negatives
ergeben würde, wobei vergeſſen wird, daß auch der jetzige
Beſchluß, da die Regierung ihn für unannehmbar erklärt,
einer Verwerſung der Vorlage gleichkommt. Ueber den bis-
herigen Verlauf ber Commiſſionsarbeiten wollte der Abg.
Richter die Hauptſchuld an der verlängerten Behandlung
den langen Reden des Kriegsminiſters und ſeiner Vertreter
aufbürden, vergaß aber dabei, daß dieſe durch die ſtets
wiederkehrenden Einwürfe des Abgeordneten Richter ſelber
bei einer Reihe von Punkten hervorgerufen wurden, welche
ſchließlich ohne jede Anfechtung angenommen worden ſind.
Schließlich kam dieſe Geſchäftsordnungsdebatte noch auf
das Gebiet der Verfaſſungsrechtsfragen, bis nach der Ab-
lehnung des Antrags des freiconſervativen Abg. v. Hell-
dorf, die nächſte Sitzung morgen früh 10 Uhr abzuhalten,
von dem Centrum, den Deutſchfreiſinnigen, den Polen und

den Sozialdemokraten die Vertagung bis nach Neujahr nach

Gutdünken des Vorſitzenden angenommen wurde. In
ſeiner Befürwortung der Beſchleunigung
machte der Kriegsminiſter unter anderm gel-
tend, daß ſoeben eine wichtige, dafür ſprechende
Nachricht aus Paris eingetroffen ſei. Der
Abg. Richter fügte ſeinerſeits hinzu, daß die
wahrſcheinlich gemeinte Thatſache, die Vor-
wegnahme der Beſchlußfaſſung über zwei wich-
tige Abſchnitte des Bonlanger'ſchen Militär-
geſetzes zur Plenarverhandlung, auf den Ein-
druck der Moltke'ſchen Rede zurückzuführen
ſei. Der Kriegsminiſter ließ dies dahingeſtellt ſein, blieb
aber dabei, daß jener Vorgang in Frankreich jedenfalls
einen Grund für die Beſchleunigung, nicht aber für die
Verzögerung unſerer Maßregeln bilde. Der Antrag des
Abg. v. Huene betreffs der Zurückſtellung der Geiſtlichen
wurde vorbehaltlich ſeiner redactionellen Umgeſtaltung mit
großer Mehrheit angenommen. Außer von dem Antrag-
ſteller wurde derſelbe von den Abgeordneten v. Benda,
v. Stauffenberg und Dr. Marquardſen unterſtützt, nachdem
der Kriegsminiſter ſich günſtig für ihn ausgeſprochen hatte.
Der Abg. Richter trat demſelben entgegen, der diesmal mit
den Sozialdemokraten und zwei Conſervativen die Minder-
heit bildete. Die erſte Reſolution Huene, welche für die
Nationalliberalen und Conſervativen unannehmbar war,
weil ſie eine von ihnen abgelehnte Grundlage zum Aus-
gangspunkt hat, wurde ebenfalls vom Abg. Richter be-
kämpft und nur mit 15 gegen 13 Stimmen angenommen.
Die zweite Reſolution, welche theils die Anregung des
Abgeordneten Hobrecht im Intereſſe der Dispoſitions-
urlauber, die der Kriegsminiſter gebilligt hatte, wiederholt
und außerdem bittet, auf die möglichſte Beſchränkung der

Dienſtpflicht Bedacht zu nehmen, wurde im Sinne der ent-

iſt heute Mittag kurz nach 12 Uhr hier eingetroffen un
im „Kaiſerhof“ abgeſtiegen. — Bei dem geſtrigen Empfal

den Hofſtaaten, der Generalität und zahlreichen Offiziere

Miniſter Puttkamer, Maybach, Friedberg, Goßler, Luciu

gegenkommenden Aeußerung des Kriegsminiſters faſt ein-
ſtimmig gebilligt, wobei ſich Herr Richter vorbehielt, in der
zweiten Berathung auf eine ſchärfere Faſſung zurückzu-
kommen. Es verdient ganz befonders hervorgehoben zu
werden, daß gelegeutlich der von den Nationalliberalen an-
geregten Frage; der Ein ziehung von Dispoſitionsurlaubern
der Kriegsminiſter die Verſicherung gab, es werde dabei
ganz beſonders auf die perſönlichen Verhältniſſe Rückſicht
genommen werden. ö
Berlin, 17. Dez. Der Reichstag genehmigte heute
in dritter Leſung debattelos die Vorlage, betreffend die Ge-
nehmigung der Anlage von Albuminpapierfabriken, und
ſetzte dann die zweite Leſung des Etats beim Etat des
Reichsamts des Innern fort. Der Commiſſionsa ntrag auf
Unterſtützung des deutſchen Fiſchervereins wurde genehmigt-
Bei Berathung der Poſition zur Förderung der Hochſee-
fiſcherei ſtellte ſich Beſchlußunfähigkeit des Hauſes heraus
Nächſte Sitzung morgen 1 Uhr.
Berlin, 17. Dez. Der Reichsanzeiger publicit
folgende Verordnung:
§ 1. Perſonen, von denen eine Gefährdung der öffent-
lichen Sicherheit und der Ordnung zu beſorgen iſt, kann
der Aufenthalt in dem Stadt⸗ und Landkreiſe
Frankfurt a. M., dem Stadt⸗ und Landkreiſe
Hanau, dem Kreiſe Höchſt und dem Ober“
Taunuskreiſe von der Landes⸗Polizeibehörd!
verſagt werden. In dieſem Bezirk ſind das Tragen
von Stoß⸗, Hieb⸗ oder Schußwaffen, ſowie der Beſitz, das
Tragen, die Einführung und der Verkauf von Spreng'
geſchoſſen, ſoweit es ſich nicht um Munition des Reichs“
heeres und der kaiſerl. Marine handelt, verboten. Vol
letzterem Verbote werden Gewehrpatronen nicht betroffen-
Ausnahmen von dem Verbote des Waffentragens finden
ſtatt: 1) für Perſonen, welche kraft ihres Amts oder Be-
rufs zur Führung von Waffen berechtigt ſind, in Betreſl
der Letzteren; 2) für die Mitglieder von Vereinen, welchen
die Befugniß, Waffen zu tragen, beiwohnt, in dem Um-
fange dieſer Befugniß; 3) für Perſonen, welche ſich in
Beſitz eines Jagdſcheines befinden in Betreff der zur Aus“
übung der Jagd dienenden Waffen; 4) für Perſonen, welch-
einen für ſie ausgeſtellten Waffenſchein bei ſich führen, 10
Betreff der in demſelben bezeichneten Waffen. Ueber die
Ertheilung des Waffenſcheines befindet die Landespolizei
behörde; er wird von derſelben koſten⸗und ſtempelfrei aus
geſtellt und kann zu jeder Zeit wieder entzogen werden.
Vorſtehende Anordnungen treten mit dem 18. Dezen
ber d. J. in Kraft.
Die Frankf. Ztg. hatte die Mittheilung gebracht, daß
die Verhängung des kleinen Belagerungszuſtandes übe
Frankfurt a. M. mit der letzten Anweſenheit des Obel
bürgermeiſters Dr. Miquel in Berlin in Zuſammenha-
ſtehe. Dies erklärt Herr Oberbürgermeiſter Dr. Miaul
für völlig unwahr.
Berlin, 17. Dec.

Die bulgariſche Abordnun

auf der franzöſiſchen Botſchaft erſchienen auben

der Herzog von Ratibor, Fürſt Putbus, die Bolſchaft
Rußlands, Italiens, der Türkei, die Vertreter Belgien.
Rumäniens, Hollands, Portugals, Feldmarſchall Mol

Graf Herbert v. Bismarck, der Kriegsminiſter ſowie

der Präſident des Reichstages und viele hochgeſtellte PI
ſönlichkeiten. Graf Eulenburg und Major Rabe 1100
die Herren, Gräfin Eulenburg die Damen vor. 0⁰
Empfang war glänzend.
Ausland. 0
Paris, 17. Dee. Der „Temps“ macht zu der 26

Kupferſchmidt, zum Ingenieur I. Claſſe ernannt.

Karl Maria v. Weber.

Heute, am 18. Dezember, ſind es 100 Jahre her, daß
Karl Maria v. Weber zu Eutin das Licht der Welt erblickte,
und unſere Zeit, die Zeit der Denkmäler und Jubiläen, iſt
es ihm, wie weinigen andern Meiſtern der Töne ſchuldig, einen
Augenblick ſeinem Gedächtniß zu gönnen und mit Pietät zu
erwägen, was unſere Kunſt, was unſere Nation dem Schöpfer
des Freiſchützen ſchuldet. Wer je die Vergänglichkeit des
Schönen im Gebiet der Muſik und gerade der Oper, ge-
wiß nicht ohne einen Anflug von Wehmuth, verfolgt hat,
für den muß der Freiſchütz eine der merkwürdigſten Er-
ſcheinungen der Kunſtgeſchichte bilden, und hier, in dem
lebensfähigſten Werke Webers, muß das Geheimniß ſeines
Genies liegen. Nicht der Komponiſt der Euryanthe, ob-
wohl dies Werk in damals ungeahnter Weiſe auf die Ent-
wicklung der Oper Einfluß ausgeübt hat, nicht der Kom-
poniſt der anmuthigen Oberonmuſik, die er im Anhauch des
Todes geſchrieben, nicht der eigenartige Klavierkomponiſt —
der Schöpfer des Freiſchütz iſt es, den wir lieben, ſchwär-

meriſch lieben. In der Trias Zauberflöte, Fidelio, Freiſchütz

iſt der letztere das im edelſten Sinne des Wortes popu-
lärſte Werk und wird es bleiben, ſo lange deutſche Herzen
deutſch empfinden. Und dieſes Werk iſt bis auf den heu-
tigen Tag jung geblieben: es entzückt die Alten noch eben-
ſo, wie es den Knaben entzückt. Auch die gewaltigen Werke
Wagners, der das Erbe Webers angetreten hat, haben der
Wirkung des Freiſchütz nicht den mindeſten Eintrag gethan.
Und mit dem Freiſchützen werden jene herrlichen Melodien
zu Körners patriotiſchen Weiſen, die ſo bedeutungsvoll am
Eingange der Geſchichte des 4 ſtimmigen Männergeſangs,
dieſes mächtigen Vehikels patriotiſchen Gefühls, ſtehen, die
anderen Werke Webers lange überdauern. — Webers Leben
iſt eine erſchütternde Illuſtration zu dem oft ſalbungsvoll
vorgetragenen Gemeinplatz des Philiſters, gerade aus den
qualvollſten Lebensgängen müßten die größten Werke ent-
ſprießen. Als frühreifer Jüngling von einem abenteuern-
den Vater hier und dorthin geſchleppt, oft in die peinlichſten
Verlegenheiten gebracht „durch ſein empfindſames Gemüth
in alle möglichen Irrg änge verſtrickt, ſpäter trotz größter

Anerkennung kaum im Stande, ſein geliebtes Weib heim-
zuführen, und dann ein kurzes Glück, getrübt von der pein-
lichen Sorge um die Seinigen, die Reiſe nach London mit
todtkrankem Körper, nur um Geld und wieder Geld zu ver-
dienen, und ſchließlich ein Tod auf fremder Erde, fern von
der geliebten Familie — Künſtlers Erdenwallen! Und bei
all der Miſere — wie ſympathiſch und edel ſind die Züge
des Künſtlers: Reklame und Koterie, die ſich nirgends ſo
breit machen wie auf dem Gebiet der göttlichen Kunſt, hat
er zeitlebens verſchmäht, das Selbſt bewußtſein des ſchaffen-
den Künſtlers erſcheint bei ihm in Begleitung einer rühren-
den Beſcheidenheit, die allen Erfolg ſchließlich einer höheren
Macht zuſchreiben will. Und wie weich und zart empfindend
erſcheint der Künſtler als Menſch! Wer ihn als Vater und
Gatten kennen lernen will, der leſe die von ſeinem Enkel
herausgegebenen Briefe an ſeine Frau — in der ganzen
Literatur der Künſtlerbriefe findet ſich nichts ergreifenderes.
In ihm war Künſtler und Menſch eins: er war nicht bloß
ein großer Muſiker, ſondern auch ein liebenswürdiger,
ſeelenguter Menſch. Darum werden wir Deutſche — ganz
abgeſehen von ſeiner kunſtgeſchichtlichen Bedentung — dem
Menſchen in unſerem Herzen ein ganz beſonders Plätzchen
bewahren. — Er hat den Sieg der deutſchen Muſik auf
der Bühne im Freiſchütz antizipirt und in der Eurhanthe
angebahnt. Wir, denen gleichzeitig mit dem Sieg der
deutſchen Kunſt auf der Bühne das ſchöne Bewußtſein poli-
tiſcher Einigung werden durfte, wir können und werden den
Schöpfer des „Freiſchütz“ nicht vergeſſen!

§ Heidelberg, 18. Dec. (Kunſtverein.) Schon inſofern iſt es
gegenwärtig für den Kunſtverein ſchwierig, das gewohnte tiefe
Intereſſe zu erwecken, als Knecht Ruprecht das Scepter ſchwingt,
und die Gemüther ſich gern weltvergeſſen in die Poeſie des
Chriſtbaums, der ſchönen Weihnachtszeit verſenken. Dazir kommt
noch, daß die Tafel der Kunſtgenüſſe heuer ſo reichlich gedeckt iſt,
daß auch die kunſtbedürftigſte Seele ſich im Genießen eines ge-
wiſſen Maßhaltens befleizigt, um vor — Indigeſtionen bewahrt
zu bleiben. Deshalb erfreut ſich die Gemäldeausſtellung des
Kunſtvereins augenblicklich eines kleinern Zuſpruchs als zu andern
Zeiten des Jahres. Aber das iſt zu bedauern im Hinblick auf
die umfaſſende Ergänzung, welche die Ausſtellung gerade neuer-
dings wieder erfahren. Zu den vor einigen Wochen beſprochenen

ſind in den letzten Tagen eine Reihe hervorragender, wirlig
hochintereſſanter Werke hinzugekommen. Da iſt eine prachtvet
Alpenlandſchaft: „Motiv von Hechtſee“ von Luitpold Fauſtn
München, die ſich ſowohl durch eine ungemein poetiſche und ſte
mungsvolle Compoſition auszeichnet, als auch mit ſeltener Saub
keit und Sorgfalt ausgeführt iſt. Welch reizendes Idyll big
der kleine See mit ſeinen mooſigen und bewaldeten Ufern, die 10
einigen Rehen belebt ſind, im Gegenſatz zu der wilden Roma
und majeſtätiſchen Erhabenheit der himmelragenden Bergriaſch
Während um die zackigen Hänpter dieſer Rieſen zerriſſene Worgg
jagen, liegt er unten, weich und behaglich zu deren Füßen e
bettet, „ſtumm und regungslos in ſich verſchloſſen“. Die Wich
gabe des glatten Waſſerſpiegels iſt vorzüglich. — „Faſanenſu +
von Guido v. Maffei iſt ein feſſelndes Jagdbild. Der Künhh
bekundet darin eine kraftvolle, markige Darſtellungsweiſe. 10.
bietet das Bild in der koloriſtiſchen Behandlung und Schätfe
Zeichnung große Vorzüge. — Was in der Blumenmalerei
an Stillleben producirt wird, iſt man erfahrungsgemäß leg
geneigt, als minderwerthige Kunſtwaare zu betrachten. 616
Hervorragendes wird indeſſen auch auf dieſem Gebiete des I
ſolges ſicher zein. So die Arbeit, weiche uns W. Kreliig
München darbietet. Es iſt ein farbeuberauſchender, duf
Blumenſtrauß, der mit virtuoſer Technik gemalt iſt. — Profai
J. Wenglein⸗München iſt u. A. mit einem größeren Gegz
vertreten, das eine Landſchaft am Simmenſee darſtellt. 6 I
eine jener nebelverſchleierten, etwas melancholiſch angehau I
Landſchaftsbilder, die dieſer Künſtler mit großer Vorliebe gg
Vorwurf nimmt und die ſein genialer Pinſel ſo packend,
wirkungsvoll auf die Leinwand zaubert. — Julius Ru
München gibt eine Anſicht von „Genua“, wie es ſich vong
Seeſeite aus darſtellt. Als Staffage dienen Boote und naugf
lich ein großer Dampfer, der im Hafen vor Anker liegt.
Bild iſt im Einzelnen ſehr ſorgfältig ausgeführt, iſt aber in
zu matten Tönen gehalten. — „Am Weihnachtstiſch“ von
rich Proelß⸗München iſt eine freundlich anmuthende Ser
ſcene unterm Chriſtbaum. Derfelbe Künſtler hat das Po
einer jungen Tyrolerin ausgeſtellt. Es iſt ein ſinniges, auf
volles Mädchenantlitz, das uns entgegenſchaut; vortrefflich 606
dem Bilde die Behandlung des Fleiſchtones. Zu den Gemeh
von denen wir hier nur einige wenige erwähnt haben, gun
ſich noch eine große Anzahl von Zeichnungen, Aquarelle
Farbenſkizzen von dem verſtorbenen Maler Verhas, deſſen
me ja gerade in Heidelberg einen ſo ſympathiſchen Klang 0
und von Oskar Auer⸗Mannhein. Außerdem ſei zau 6
die nach Gemälden von Profeſſo Ed. Kanold t⸗ Karls.
fertigten Photographieen hingewieſen, die der Kunſtverer
Verlooſung angekauft hat.
 
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