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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0722

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Mitgliedern des Hofes die Chefs des Militär⸗ und Civil-
cabinets, die Botſchafter Italiens, Oeſterreichs, Englands,
Rußlands, Frankreichs und der Türkei mit den Militär-
bevollmächtigten bezw. den Militärattachés, ferner Ober-
ceremonienmeiſter Graf Eulenburg, Feldmarſchall Graf
Moltke und ein Vertreter des Auswärtigen Amtes Theil.
Berlin, 27. Dez. Der Gedanke, die Koſten der Mi-
litärvorlage durch eine Reichseinkommenſteuer zu
decken, wird in der klerikalen Preſſe bereits fallen gelaſſen
und durch die Forderung erſetzt, daß in den Einzelſtaaten
die großen Einkommen ſtärker zur Beſteuerung herange-
zogen werden ſollen. Man iſt nach der erſten Freude über
den neuen Stein, welcher ſich anſcheinend der Vorlage in
den Weg wälzen ließ, doch bald dahinter gekommen, daß
die Reichs⸗Einkommenſteuer einen „unitariſchen“ Charakter
haben würde, der ſie für das Centrum bedenklich macht.
Man will alſo die Sache jetzt nur ſo gemeint haben, daß
in den Einzelſtaaten die großen Einkommen behufs Deckung
der erhöhten Matricularbeiträge ſtärker beſteuert werden
ſollen.
Berlin, 28. Dez. Die erſte Sitzung der Militär-
commiſſion iſt auf den 5. Januar berufen. — Die
Deutſch⸗Freiſinnigen werden alsbald nach dem Zu-
ſammentritt des Reichstags einen Geſetzentwurf betreffend
die Erhebung einer Reichs⸗Einkommenſteuer ein-
bringen. — Der deutſche Militärbevollmächtigte in Peters-
burg, Oberſt Villaume, hat, wie die „Kreuzzeitung“
meldet, an ſeine Verwandten in Potsdam depeſchirt, daß
er ſich ganz wohl befinde. — Die egyptiſche Regie-
rung hat ſich damit einverſtanden erklärt, daß in Ber-
lin eine Zahlſtelle für egyptiſche Coupons
errichtet werde, falls die anderen Mächte nicht Widerſpruch
erheben; letzterer iſt nicht zu erwarten. — Die Einnah-
me der Poſt⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung
bis Ende November d. J. beträgt 116 457 984 Mark, da
ſind 4 463 961 Mark mehr, als in dem gleichen Zeitraum
des Vorjahres. Die Einnahmen der Reichseiſenbah-
nen bis Ende November dieſes Jahres betragen 31 484 000
Mark, um 240 200 Mark weniger, als im Vorjahre.
Poſen, 28. Dec. Der Landtagsabgeordnete Dr. Kan-
tak (Pole) iſt heute früh im Alter von 62 Jahren ge-
ſtorben. ö
Augsburg, 28. Decbr. Wie die Augsburger Abend-
zeitung meldet, werden ſich die commandirenden Generale
der beiden bayeriſchen Armeecorps, Freiherr v. Horn und
v. Orff, demnächſt zur Feier des 80jährigen Dienſt-
jubiläums Kaiſer Wilhelms nach Berlin begeben.
Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 28. Decbr. Gadban richtete eine Note an
die bulgariſche Regierung, worin er auf die Beſtrebun-
gen für die Rückberuf ung des Prinzen Alexander
von Battenberg verweiſt und erklärt, der Sultan werde
niemals die Rückkehr deſſelben geſtatten. — Das Mani-
feſt an das deutſche Volk Böhmens macht durch
die Kraft des Inhalts und die Mäßigung in der Form
einen günſtigen Eindruck. Die meiſten deutſch⸗böhmiſchen
Städte haben ſchon Zuſtimmungen geſandt. Die clericalen
Stimmen mißbilligen die Unachtſamkeit des Grafen Taaffe.
— Die Miniſter Tisza und Szapary werden heute
Abend hier erwartet, um nebſt dem Ausgleich die gemein-
ſamen Angelegenheiten, namentlich die Ausführung des
Landſturmgeſetzes, woran diesſeits eifrigſt gearbeitet wird,

zu berathen.
Ausland.
Paris, 28. Dec. Lieutenant Le Tellier iſt
wieder in ſeiner Garniſon eingetroffen. — Es heißt hier,
Flourens habe von dem Botſchafter Herbette ein
Telegramm erhalten, worin der franzöſiſche Botſchafter melde,
er habe vom Fürſten Bismarck die Verſicherung erhalten,
daß ſeine Politik niemals auf einen Angriff gegen Frank-
reich ausgehen werde, ſo lange dieſes nicht zuerſt die Feind-
ſeligkeiten beginne. Der Reichskaͤnzler ſehe zwei ſchwer zu
überwindende Hinderniſſe, nämlich den Kampf mit den
Socialiſten und mit der Geiſtlichkeit. Herbette fügt hinzu,
es heiße weiter, daß in Deutſchland nirgends außerhalb der
Grenzſtädte irgend welche Vorbereitungen getroffen werden,
welche Rüſtungen zum Kriege befürchten ließen. Es iſt
wohl möglich, daß der franzöſiſche Botſchafter Mittheilungen
ähnlichen Inhalts gemacht hat; doch iſt es durchaus un-
glaubwürdig, daß Fürſt Bismarck als beſondere Hinderniſſe
die Socialdemokratie und den kirchenpolitiſchen Streit an-
geführt hätte. Die Bedenken, die auf dieſen Gebieten liegen,
würden einen Krieg nicht hindern, wenn Deutſchland über-
haupt, was nie der Fall geweſen iſt, einen Angriff auf
Frankreich im Schilde führe. — Den Blättern zufolge hat
der franzöſiſche Botſchafter in Wien hierher berichtet, die
Angelegenheit der bul gariſchen Fürſtenwahl habe
viel von ihrer Schärfe verloren. Auf Deutſchlands Rath
ſei Oeſterreich geneigt, dieſe Frage, ſoviel an ihm liege,
fallen zu laſſen. — Der chineſiſche Geſandte iſt aus
Deutſchland hier angekommen. — Die Regierung erlaubte
ein Stiergefecht für die Ueberſchwemmten Südfrankreichs.
London, 27. Dec. Die bulgariſche Abordnung
iſt hier angekommen und im Alexandra⸗Hotel abgeſtiegen.
Heute erfolgt ihr Empfang im Auswärtigen Amte. Alle
drei Herren ſprachen ihre herzlichſte Befriedigung über
den perſönlich freundlichen Empfang, der ihnen in Berlin
durch den Grafen Bismarck zutheil geworden iſt, aus. —
Gutem Vernehmen nach beabſichtigt Lord Salisbury,
falls die Verhandlungen mit Lord Hartington über
deſſen Eintritt in das Cabinet ſcheitern ſollten, der Königin
die Auflöſung des Parlaments vorzuſchlagen.
Rom, 28. Dec. Der neue öſterreichiſche Bot-
ſchafter Freiherr v. Bruck hat heute dem Könige ſein
Beglaubigungsſchreiben überreicht.
Petersburg, 28. Dezbr. An Stelle Bunges iſt
Wyſchnegradski zum Finanzminiſter ernannt wor-

den. Damit iſt eine längſt erwartete, oft als bevorſiehend
angekündigte Verſchiebung eingetreten. Der neue Finanz-
miniſter Wyſchnegradski iſt ein Schützling Katkows, deſſen
Einfluß er ſeine überaus raſche Beförderung verdankt. Er
gilt für einen ſehr klugen Geſchäftsmann. Er hat die
Eigenſchaft eines ſolchen bisher zwar noch nicht in öffent-
licher ſtaatlicher Thätigkeit, wohl aber als Privatmann be-
wieſen, namentlich wurde er durch ſeine Thätigkeit in dem
Dienſte mehrerer Eiſenbahngeſellſchaften und bei der Peters-
burger Waſſerleitungsgeſellſchaft bekannt. Früher war er
Profeſſor an der hieſigen Univerſität, dann Director des
technologiſchen Inſtituts. In der letzteren Stellung errang
er ſich allerdings keine Lorbeeren; denn aus jener Zeit
ſtammen die nihiliſtiſchen Beſtrebungen in jener Lehr-
anſtalt. Man kann ſich jetzt jedenfalls auf große Reformen
im ruſſiſchen Staatsweſen gefaßt machen. Die öffentliche
Stimmung erwartet für Rußland viel Gutes von dem
neuen Miniſter. — In der letzten Verſammlung des
Generalſtabs erklärte Generaladjutant Drakomiroff,
die öſterreichiſchen Repetirgewehre ſeien unnütz und unſchädlich.
Sofia, 28. Dez. Das Amtsblatt enthält einen Ukas,
wonach für die Armee die ruſſiſche Sprache abgeſchafft und
dafür die bulgariſche eingeführt wird.

Aus Stadt und Land.
+ Zridellerg, 29. Dezbr. Geſtern Abend veranſtaltete die
Harmonie⸗Geſellſchaft ihren Mitgliedern eine Weih-
nacht sfeier, die — vomen et omen — in guter Harmonie
den Feſttheilnehmern Weihevolles und Ernſtes, Heiter es und
Fröhliches bot. Der Beſuch war ein ſehr ſtarker, namentlich war
der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Feier beſtand in
muſikaliſch⸗theatraliſchen Anfführungen, zu denen Fräulein Möbus
vom hieſigen Stadttheater in liebenswürdiger Weiſe ein ſehr werth-
volles Scherflein beitrug. Die erſte Abtheilung des Programms
brachte die „Heilige Nacht“, ein Tongemälde für Soli, gemiſchte
Chöre und Orcheſter, deſſen Componiſt Herr Capellmeiſter Fr.
Heber und deſſen Textdichter Herr Prof. Dr. Müller iſt. Das
Werk iſt gelegentlich einer Aufführung in der vorjährigen Weih-
nachtszeit bereits in dieſem Blatte näher gewürdigt worden. Es
athmet echte Weihnachtsſtimmung, deren poeſievollem Zauber ſich
der Hörer nicht zu entziehen vermag. Die Muſik iſt in der That
ein farbenreiches Tongemälde, an dem man ſich köſtlich erbauen
kann. Der Vortrag des Orcheſters, der Geſang der Soliſten und
des Chors, ſowie die lebensvollen pantomimiſchen Darſtellungen
vereinten ſich, um eine abgerundete, dramatiſch effektvolle Auffüh-
rung zu bieten, die verdientermaßen durch reichen Beifall ausge-
zeichnet wurde. In der zweiten Abtheilung ſang Fräulein Krauſe
mit vielem Erfolg die Schlummerarie aus dem Waffenſchmied;
gleicher Anerkennung hatten ſich ein Baß⸗ und ein Tenor-
ſolo zu erfreuen. Die dritte Abtheilung brachte das Luſt-
ſpiel: „Ein bengaliſcher Tiger.“ Es wurde flott geſpielt,
insbeſondere behandelte der eiferſüchtige Ehemann, den der
Dichter als bengaliſchen Tiger vor den Lampen toben läßt,
ſeine Rolle mit einer faſt fachmänniſchen Rontine. In der
Schlußabtheilung erfreute Fräul. Möbus durch einige reizend
vorgetragene Lieder. Das ſchelmiſche Liedchen „die Gefälligkeit“
entfeſſelte Stürme des Beifalls. Last, not least ſei des Stadt-
orcheſters gedacht, das ſich unter Leitung des Herrn Muſikdirector
Roſenkranz wie immer ſeiner Aufgabe in anſprechendſter Weiſe
beltrorgte und ſehr weſentlich zu dem Gelingen der ſchönen Feier
eitrug.
—= ördelbern, 29. Dec. Eine Weibsperſon beſchwindelte
in Schlierbach verſchiedene Perſonen dadurch, daß ſie denſelben
vorſpiegelte, ſie ſei beauftragt ein Kind von einer Dame für
25 %¾. monatliches Koſtgeld in Pflege unterzubringen. Dabei
ließ ſie ſich immer kleine Proviſionen geben, reſp. es waren die
Leute naiv genug, ihr ſolche freiwillig anzubieten. Nachdem die-
ſelben ſich geprellt ſahen, erſtatteten ſie Anzeige. — Einem Dienſt-
mädchen in Schlierbach wurde dieſer Tage ein Einthalerſtück von
ihrem Küchentiſch entwendet. Der Verdacht lenkte ſich auf
einen 13 Jahre alten Knaben daſelbſt, welcher im Hanſe kurz
vorher geſehen wurde. Derſelbe leugnete zwar zuerſt, die That
begangen zu haben, geſtand aber ſchließlich zu, das Geld von
einem andern Knaben empfangen und verloren zu haben. —
Geſtern Nachmittag wurde ein Dienſtknecht dahier verhaftet,
welcher von ſeinem Dienſtherrn in Dielheim beauftragt war, deſſen
Uhr zum Uhrmacher zu verbringen. Anſtatt den Auftrag zu
vollziehen, behielt er die Uhr nämlich für ſich und kehrte nicht
mehr in den Dienſt zurück. Er wird nun wegen Unterſchlagung
zur Verantwortung gezogen werden.
Aus den Murgihale. Die ungeheuern Schneemaſſen
brachten bei uns für den Wildſtand recht ſchlimme Folgen.
Beſonders ſind unſere Wildſchweine in keiner guten Situation.

Sie nähern ſich den Dörfern und werden hier — wie dies in

Bermersbach geſchehen — von den Bewohnern verfolgt und ſogar
mit Prügelſtreichen getödtet. In der über ein Meter hohen

Schneeſchicht können ſich die Borſtenthiere nur mühſam fort-

bewegen; ſie wählen deshalb zu ihrem Weg das Bett der in die
Murg fließenden Bäche. So ſieht man faſt täglich im Scheerbach
Wildſchweine herauf und herabkommen. 6 Stücke wurde in der
Nähe von Bermersbach erſchlagen.
§ Vaſalt, 27. Dec. Am erſten Chriſtfeſt wurde nach zehn-
monatlicher Unterbrechung der Gottesdienſt in der hieſ. Stadt-
kirche wieder aufgenommen. Morgens ½6 Uhr wurde das
Sanctiſſimum unter Prozeſſion und Begleitung eines Muſikkorps

von der Bernharduskirche nach der in großartiger und ſtilgerechter

Weiſe reſtaurirten Stadtkirche überbracht. In den Dekorationen

der Kirche tritt überall der Renaiſſanceſtil hervor und dieſelben machen

Hrn. Schurth in Karlsruhe alle Ehre. Das neue Geläute aus ſieben
Glocken beſtehend, erklingt gerade wie das Feſtgeläute des Frei-
burger Münſters im B-dur⸗Aktord. Herr Schweiger, unſer Mit-
bürger, erwarb ſich durch Fertigung des Geläutes die höchſte
Anerkennung und hat infolge deſſen ſchon wieder anderweitige
Beſtellung erhalten.
X Ralatt, 27. Dec. Das kathol. Stadtpfarramt hat an-
geordnet, daß von nun an, wie ſchon in vielen andern Städten,
in der Neujahrsnacht um 12 Uhr fünf Minuten lang mit ſämmt-
lichen Glocken der Stadtkirche geläutet wird.
Aus Haden. Das Verordnungsblatt der Zolldirection
Nr. 18 bringt unter Anderem eine Verordnung des Mini-
ſteriums der Finanzen wegen der Aufnahme von Sicherheiten für
gewährte Credite oder für die Erfüllung ſonſtiger Verbindlichkeiten
nebſt einer Bekanntmachung der Zolldirection dazu; daſſelbe
Verordnungsblatt Nr. 19 Bekanntmachungen, betreffend die Auf-
zeichnung und Verrechnung der Portoerſatzbeträge, die Anwendung
der Tarifnummer 3 des Reichsſtempelabgabengeſetzes auf Renten-
und Schuldverſchreibungen der Kirchen⸗ und Schulgemeinden, die
Reichsſtempelabgabe im Falle der Wiederbegebung der behufs
Herabſetzung des Zinsfußes eingegangenen Inhaberobligationen,
die Stempelfreiheit der Looſe von Lotterien zu mildthätigen Zwecken,
die Abfertigung der unter die Tarifpoſition 22 f. fallenden Fuß-
decken, die Abänderung von Tarifſätzen, die Verwendung von
Surrogaten bei der Tabakfabrikation, die Abfertigungsbefugniſſe
der Steuereinnehmerei Herbolzheim, ſowie Perſonalnachrichten. —
Für Errichtung eines Scheffel-Denkmals in Karlsruhe
ſind bis jetzt insgeſammt 27,459 ½. 11 zuſammen gekommen.
— Das vierjährige Kind einer Familie in Pforzhe im gerieth
am 24. ds. Mtis. in einen zum Putzen hergerichteten Kübel heißen

Waſſers und verbrühte ſich den Unterkörper derart, daß es
am 27. d. nach ſchmerzhaften Leiden den Geiſt aufgab.— Der frühere
Ortsdiener von Heuweiler (Amt Waldkirch), der ſeit einigen Tagen
vermißt war, 11585 auf der Gemarkung Wildthal todt aufge-
funden. Derſel wollte dem Anſchein nach einen nähern Weg
einſchlagen, verirrte ſich aber und erfror. — Vom Hochberg'ſchen,
27. Dec., ſchreibteman der Freiburger Zeitung;: Die Funde in dem
wiederaufgenomme e Bergwerk Niederthal (Gemeinde Freiamt)
ſind ſehr lohnend. In letzter Woche wurden zwei bedeutende,
viele Meter hohe und circa 30 cm. breite Silberadern entdeckt,
und wurde hievon eine große Kiſte zur Läuterung und Feſtſetzung
des Silberwerthes nach Frankfurt a. M. geſandt.

Vermiſchte Nachrichten.
ganberg, 24. Dec. Ein geheimnißvoller Vorfall er-
eignete ſich am vergangenen Freitag auf dem hieſigen Friedbof.
Der ſeit einigen Jahren hier wohnende freireſignirte Profeſſor der
Philoſophie Dr. Pfannenſchmidt erſchoß auf dem Grabe
ſeiner vor ungefähr acht Monaten verſtorbenen Gemahlin ſein
reizendes fünfjähriges Töchterchen und hierauf ſich ſelbſt. Das
Aufſehen, welches dieſe offenbar im Wahnſinn verübte unſelige
That an und für ſich hier macht. wird durch den Schleier, welcher
ſich ſchon zu Lebzeiten über die Perſon des Herrn Dr. Pfanneu-
ſchmidt breitete, noch bedeutend erhöht. Der Verſtorbene erregte
ſ. Z. den größten Unwillen der ultramontanen Preſſe, weil er
ſeine Frau nach dem Ritus einer Secte, welcher das Ehepaar an-
gehörte, ſelbſt beerdigte. Herr Dr. Pfannenſchmidt lebte ſehr zu-
rückgezogen und außer einigen jüngeren Leuten, denen er in fremden
Sprachen Unterricht ertheilte, betrat Niemand ſein Haus. Die
Schüler des Verſtorbenen rühmten Herrn Dr. Pfannenſchmidt als
hochgebildeten und äußerſt liebenswürdigen Mann und ſchätzten
ihn hoch. Das Familienleben des Verlebten war muſterhaft.
Der Schmerz um ſeine von ihm abgöttiſch geliebte dahingeſchiedene
Frau dürfte ſeinen Geiſt umnachtet und ihn zum Mord und Selbſt-
mord getrieben haben.
— Auch eine Duellaffaire. Der Danz. Zig. berichtet
man von Roſenberg in Weſtpreußen folgende Duellgeſchichte, welche
kürzlich in einem der Nachbarſtädtchen ſpielte. Ein als ſchlag-
fertig bekannter Beamter ſah ſich genöthigt, einem mit mehr
Lärm als Erfolg auch auf volitiſchem Gebiet auftretenden jungen
Lieutenant a. D. eine gebührende Abfertigung zu Theil werden
zu laſſen, worauf dieſer erwiderte: „Mit der Feder ſind Sie
mir zwar überlegen, aber ich habe zu Hauſe verſchiedene Säbel,
mit denen ich beſſer zu ſchreiben verſtehe!“ Der Beamte ſagte:
„Solch' gefährliches Spielzeug ſollte man vor Kindern doch ſorg-
fältig verſchließen, daß dieſelben damit kein Unglück an-
richten können.“ Der erboſte Gegner forderte nunmehr den Be-
amten auf Piſtolen. Ruhig ſagte dieſer: „Ich nehme die For-
derung an, jedoch ſtelle ich eine Bedingung. Sie wiſſen, ich habe
Frau und Kinder, für welche ich ſorgen muß. Mein jährliches
Einkommen beträgt 4500 %¾ Deponiren Sie daher ein Kapitul,
deſſen Zinſen meinem Einkommen entſprechen und welches, ſollte
ich im Duell fallen, meiner Familie ausgezahlt wird. Es wären
alſo 90 000 . erforderlich.“ „Dazu bin ich autzer Stande“,
ſagte kleinlaut der Duellſüchtige, „denn ich beſitze kein Vermögen“.
„Ja“, autwortete der Geforderte, „dann kann aus dem Duell
leider nichts werden. Wer nichts verlieren kann, der kaunn doch
unmöglich verlangen, daß ich mich von ihm ſoll niederſchießen
Riſeen Sprachs und wandte dem verblüfften Duellanten den
ücken.
Wien, 28. Der. In dem Pro ze ſſe gegen die Silberarbeiter
wegen Herſtellung falſcher Münzen zu anarchiſtiſchen
Zwecken wurden die Angeklagten zu 5 bezw. 3 Jahren Kerker
verurtheilt.
Yaris, 28. Dee. Dem Matin zufolge iſt der Berliner
Kurierzug infolge einer Entgleiſung mit vierſtündiger
Verſpätung geſtern Abend 11 Uhr hier eingetroffen; der Zugführer
ſei ziemlich ſchwer, von den Reiſenden und dem übrigen Zugper-
onal Niemand verletzt.

Handelsnachrichten.
Börſenbericht. (Effectenſocietät.) Frankfurt, 28. Dec.
Umſätze bis 6¼ Uhr Abends. Creditactien 236¼, ½, 5, b. u. G.
Staatsbahn 202 b. u. G. Lombarden 82½, ½ b. u. G. Dis-
conto⸗Commandit 213.50 b. u. G. Darmſtädter Bank 141.50 b.
Badiſche Anilin 230 b. u. G. Laurahütte 86,30, 20 b. u. G.
Marienburger 34.10 b. u. G. Gotthard⸗Actien 96.40 b. u. G.
Schweizer Central 98.30 b. Schweizer Nordoſt 68.80, 70 b. u. G.
Union 81 b. 4pCt. ungar. Goldrente 83.70, 80 b. 1871er bis
1873er Ruſſen 95.45 b. Egypter 75.40 b. u. G. Zproc. Portun-
gieſen 54.90 b. u. G. 5proc. dto. 91.25 b. u. G. Buenos Ayres
84 b. u. G. Spanier 65.65 b. Sproc. Italiener 99.50 B. 40 G.
Serb. Tabak 85 b.
6½ Uhr: Creditaktien 236¼.
Bei ruhigem Verkehr veranlaßten Pariſer Notirungen auf den
meiſten Gebieten mäßige Coursbeſſerungen.
* Mannheimer Börſe. 28. Decbr. Badiſche Bank 117 B.
Rhein. Creditbank 122 G. Rhein. Hypoth.⸗Bank 127 G. Bad.
Anilin⸗ u. Sodafabrik 230 b. u. G. Weſteregeln, Alkali 156 G.
156.50 B. Waghäusler Zuckerfabrik 81 B. Heidelberger Aktien-

Branuerei 133 B.
gerlin, 28. Dez. Schlußcourſe um 3 hr. Oeſter.
Credit⸗Actien 477. Staatsbahn 407. Lombarden 167.
Galiz. Karl Ludwigsbahn 79½8.

Disconto⸗Commandit 213 ½/.
Tendenz: —.
Heldelderg, 29. Dezember.
Amangs-Ganrit der heurigen attiags⸗mären.
nrtaetheilt von der Piliale der Kheintiche Krreritre
in Heidelnerg.

Fraukfurt Bertin.
Oeſterr. Credit⸗Actien 237½ 477⁷7½
Staatsbahn . 202½¼½ 408 ½
Lombarden 282½J 168½
Disconto⸗Commandit..413.90 2¹³3½
Galiz. Karl⸗Ludwigsbahn . 157½ 79.10
4vCt. Eaypvter 75.60 75½
4pCt. Spanier . . 6ʒ6t5.90 —
1pCt. Türkennn .. 14 40 —
5pCt. Buenos⸗Aires 84 —
5PCt. Portugieſee 91.²⁰ —

„Wiener Communal⸗Anleihe von 1867 I., II., III. u. IV. Em.
Die nächſte Ziehung findet am 3. Januar 1887 ſtatt. Gegen den
Coursverluſt von ca. 3 péEt. bei der Auslooſung übernimmt das
Bankhaus Carl Neuburger, Berlin, Franzöfiſche Straße 13, die
Verſicherung für eine Pramec von 6 Pf. pro 100 Mark.
Mannhrim, 27. Dec. Der heutige Fettviehmarkt war mit
32 Ochſen, 228 St. Schmalvieh, 5 Milchkühen, 115 St. Kälber,
2 Hämmel, 444 Schweinen befahren und koſtete: Ochſenfleiſch per
100 Kilo 1. Oual. . 140, 2. Oual. ν 130, Schmal⸗ oder
Rindfleiſch 1. Qual. . 120, 2. Qual. 100, Milchkühe 450
bis 250 ., Kälber 1. Qual. 140— 130 ., Hämmel 36—20 .,
Schweine 112—110 Zuſammen 826 Stück mit dem Ge-

ſammterlös von 105 749 . (Milchkühe und Schafe Preis bro

Stück.)

Verlooſungen.
Stadt Paris 300 Fr.⸗Looſe vom Jahre 1865. Ziehung
am 15. December 1886. Auszahlung am 1. Februar 1887.
Hauptpreiſe: Nr. 395779 a 150,000 Fr. Nr. 513582 a 50,000
Fr. Nr. 58638 219420 226542 414549 a 10,000 Fr. Nr. 81674
142737 290077 383263 418142 a 5000 Fr. Nr. 140498 1645⁶
227987 230082 278837 329913 362643 505221 539312 583471
a 2000 Fr.
Stadt Lüttich 100 Fr.⸗Looſe vom Jahre 1879. Ziehung

Ham 15. December 1886. Auszahlung am 1. Mai 1887. Haupt-
 
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