Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0730

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mit ſicherer Hand das gefährdete Staatsſchiff durch die hoch⸗ liches Daſein friſte. — In Bezug auf die Altersver-

gehenden Wogen der Erregung hindurch leitete.
Der Rahmen dieſer kurzen Betrachtung reicht nicht aus,
um auch der Vorgänge des Auslandes näher zu gedenken.
Wir wollen daher nur die wichtigſten derſelben mit einigen
Worten ſtreifen. In Oeſterreich⸗Ungarn war die
Stärkung der Wehrkraft durch Bildung des Landſturms ein
hochwichtiges Ereigniß. Gedacht ſei dann noch der hochbe-
bedeutſamen Erklärungen, welche der Miniſter des Aus-
wärtigen Graf Kalnoky im November in den Delegationen
zu Peſt anläßlich der bulgariſchen Kriſis abgab. — Frank-
reich begann das Jahr 1886 mit einer Miniſterkriſis und
ſchließt es auch damit, denn das vor einigen Wochen zu-
ſammengeflickte Cabinet gilt nur als Lückenbüßer. Viel
von ſich reden gemacht hat die Perſönlichkeit des Kriegs-
miniſters Boulanger. Trat er bislang ſehr kriegeriſch und
drohend auf, ſo gefällt er ſich jetzt mit dem Oelzweig des
Friedens in der Hand. Gleichviel, ob er ſich als Boulanger
des Kriegs oder Friedens aufſpielt — er genießt die Sym-
pathien der großen Maſſe des franzöſiſchen Volks. — Im
innerpolitiſchen Leben Englands ſpielte die iriſche Frage
die Hauptrolle. Der alte Gladſtone mußte in Folge ſeiner
Home⸗Rule⸗Politik von der Leitung der Regierung zurück-
treten, da die der Parlamentsauflöſung im Juni folgenden
Neuwahlen zu ſeinen Ungunſten ausfielen. Es konſtituirte
ſich darauf das Cabinet Salisbury, das in neuerer Zeit
durch den Rücktritt Lord Churchills einen bedenklichen Stoß
erlitten hat. In der überſeeiſchen Politik machten den Eng-
ländern die Zuſtände in Birma und auch die egyptiſchen
Verhältniſſe einige Sorge. — Bel gien wurde im Früh-
jahre von einer ſocialen Revolution erſchüttert. Die Re-
gierung mußte umfaſſende militäriſche Maßnahmen treffen,
um der Bewegung Herr zu werden. Die belgiſche Induſtrie
trug ſchwere, nur langſam überwindbare Schäden davon.
In Folge der Unruhen beſchäftigte man ſich mit Reform-
plänen, die die Lage der arbeitenden Bevölkerung zu beſſern
beſtimmt ſein ſollten. Sehr viel iſt dabei bis jetzt nicht
herausgekommen. — In ganz beſonderem Maße hat Ruß-
land und der Orient die öffentliche und allgemeine
Aufmerkſamkeit beſchäftigt. Wie eine Bombe, die in ein
friedliches Bivouak ſchlägt, wirkte die Nachricht von dem
auf ruſſiſchen Antrieb ausgeführten Staatsſtreich gegen den
Fürſten Alexander von Bulgarien. Der Sieger von
Slivnitza wurde vertrieben, kehrte noch einmal unter dem
Jubel des bulgariſchen Volkes in ſein Land zurück, um
dann, nachdem er ſich durch den bekannten Depeſchenwechſel
mit dem Czaren davon überzeugt, daß mit Rußland keine
Verſtändigung zu erzielen, freiwillig auf die Fürſtenkrone
zu verzichten. Seine letzte Regierungshandlung war die
Einſetzung einer proviſoriſchen Regentſchaft, welche die Lei-
tung der Staatsangelegenheiten bis zur Neuwahl eines
Fürſten beſorgen ſollte und die dieſe Leitung noch heute
inne hat, da eine Wiederbeſetzung des bulgariſchen Thrones
bis jetzt nicht erfolgen konnte. Die Regentſchaft hat ſich
mit bielem Geſchick ihrer Aufgabe entledigt und kein Mittel
unverſucht gelaſſen, dem Lande einen Fürſten wiederzu-
geben, aber ihre ernſtlichſten Bemühungen waren vergeblich
— ſie hat das Unglück, dem Gewaltigen an der Newa
verhaßt zu ſein. Die bulgariſche Frage und in ihrer Be-
gleitung die Intereſſengegenſätze zwiſchen Rußland und
Oeſterreich gehen unentſchieden hinüber in's neue Jahr.
Wie werden die Orientverhältniſſe, die in Verbindung mit
den franzöſiſchen Gelüſten die Achillesferſe des europäiſchen
Friedens ſind, ſich weiter entwickeln ?.
So gehen wir mit inhaltſchweren, bangen Fragen der
Zukunft entgegen. Hoffen wir, daß ſie eine Antwort fin-
den, die alle Beſorgniſſe zerſtreut und die Ruhe Europas
nicht gefährdet. Möge das Jahr 1887 ein ſolches werden,
das den Wunſch erfüllt, der morgen von Mund zu Mund
ertönt: Ein frohes neues Jahr!

Deutſches Reich.

Berlin, 30. Dec. Die Führung der Generalität
bei dem achtzigjährigen Dienſtjubiläum des Kaiſers wird
der Kronprinz übernehmen. — Herr von Villaume
hat einem Deutſchen, welcher am Montag Petersburg ver-
laſſen hat, ſeine Verwunderung darüber ausgeſprochen, daß
das böswillige Gerücht in Berlin noch immer ſein kläg-

u. ſ. w. Mein Geburtstag war allerdings, aber der ſiebzigſte?
. . . Das war doch zu arg. Nun, ich beſchwichtige mich nach und
nach und gehe wieder ſchlafen. Kaum bin ich ein wenig einge-
duſelt. ... kling, kling; bum, bum! Himmel Herrgott u. ſ. w.
Was iſts ſchon wieder? Ein Telegramm: Der Verein Malkaſten
in Düſſeldorf wünſcht dem hochverehrten Altmeiſter zu ſeinem
Rebzigſten Geburtstag ein langes Leben in Glück und Geſundheit.
Er lebe hoch!“ Himmel Herrgott u. ſ. w. Eine halbe Stunde
ſpäter weckt mich ein drittes Telegramm: die Akademie der bil-
denden Künſte in Karlsruhe gratulirt mir zu meinem ſiebzigſten
Geburtstage! ... Jetzt war ich ſchon auf alles gefaßt. Ich warf
mich in meinen Schlafrock und ging gar nicht mehr zu Bette,
ſondern wartete. Und ich wartete nicht umſonſt, denn meine
Klingel kam die Nacht gar nicht mehr zur Ruhe. Der Reihe nach
trafen telegraphiſche Glückwünſche der Künſtlerſchaften von Han-
nover und Breslau und Bremen und Stuttgart und von Gott
weiß wo noch ein, alle zu meinem Siebzigſten! Aber damit war
es noch nicht abgethan. Die Handelskammer in Brody kam auch,
und der kaufmänniſche Verein in Tarnow, und der iſraelitiſche
Gemeindevorſtand in Rzeszow, u. die Anſtreicher⸗Innung in Prag
Uund die Tiſchler⸗Innung in Innsbruck, . .. es nahm gar kein
Ende. Gegen Morgen endlich hörte die telegraphiſche Belagerung
auf und ich konnte wieder zu Bette gehen. Vormittags noch ganz
verſchlafen ſetzte ich mich dann hin und machte unter allerlei
paſſenden Verwünſchungen einen Aufſatz voll dankbarer Rührung,
den wollte ich ſo und ſo viele Mal abſchreiben und an alle meine
Gratulanten einſenden. Wie ich aber die erſte Adreſſe aufs Couvert
ſchreiben will, Himmel Herrgott u. ſ. w. ſehe ich, daß das Tele-
gramm aus Brünn kommt. Lauter in Brünn aufgegebene Tele-
gramme, vom erſten bis zum letzten! Das Ganze ein Jux! Da

ſoll doch einer gleich das und jenes!“ ... Und mit einem Griff

holte der „Siebzigjährige wider Willen“ das ganze Packet Brünner
Telegramme aus der Taſche und legte es auf den Tiſch des
Hauſes. Er hat geſchworen, nie wieder einen ſiebzigſten Geburts-
tag zu feiern.

ſorgung der Arbeiter führen die Berliner politiſchen
Nachrichten aus, durch dieſelbe werde den Gemeinden
ein gutes Theil der Armenlaſt genommen, es ſei daher
nicht mehr als billig, als daß die Geſammtheit der
Gemeinden des Reiches, alſo dieſes letztere ſelbſt,
ein Aequivalent zu den Koſten der Altersfürſorge bei-
ſteuere. Das Inſtitut der Altersverſorgung müſſe an Cor-
porationen des öffentlichen Rechts, wie ſie in den Berufs-
genoſſenſchaften und Krankenkaſſen beſtehen, anknüpfen.
Breslau, den 30. Dec. Die feierliche Beiſetzung
der Leiche des Fürſtbiſchofs Dr. Herzog fand heute
Vormittag 10 Uhr im Dome ſtatt unter Theilnahme des
Oberpräſideuten, der drei Regierungspräſidenten der Provinz,
der Vertreter der Stadt und der Malteſerritter. Der Erz-
biſchof Dr. Dinder aus Poſen eelebrirte das pontificale
Requiem, Prälat Spieske hielt die Trauerrede.
Stuttgart, 30. Dez. Oberſt v. Finkh, Chef der
Militärabtheilung des Kriegsminiſteriums, iſt geſtorben.
Oeſterreichiſche Monarchie.
Pilſen, den 30. Dec. Gegen den Redacteur
Bachmann von hier, welcher kürzlich in Stuttgart
über die Lage der Deutſchböhmen einen Vortrag hielt,
wurde in Folge direkter Einflußnahme des Statthalters
Kraus ein Hoch verrathsproceß eingeleitet.
Peſt, den 30, Dec. Der „Lloyd“ erklärt, wenn Graf
Taaffe unter den jetzigen Umſtänden die Ausgleichs-
Berhandlungen nicht im Namen Oeſt erreichs führen
könne, ſo müſſe er ſchleunigſt die Zuſammenſetzung
des Cabinets derart ändern, daß dieſes befähigt ſei,
den Staatsgedanken auch gegen die Aſpirationen der
Landsmannſchaften zum Ausdruck zu bringen.
Ausland.
Paris, 30. Decbr. Die „Revanche“ bringt in ihrer
Nummer vom 28. ds. Mts. einen köſtlichen Artikel über
— — ja, nun rathe man einmal — über .... es iſt
wirklich kaum zu glauben, über: Die Thatſache, daß
die franzöſiſche Regierung und das franzö-
ſiſche Parlament von Deutſchland beſtochen
ſind! Der Artikel, den ein unter den Buchſtaben E. R.
verhüllter wilder Mann in Abweſenheit des Wärters nieder-
geſchrieben zu haben ſcheint, beginnt mit dem im tiefſten
Bruſtton vorgebrachten Klageruf: „Die Schleier zerreißen!
Die Wahrheit zeigt ſich, die nackte, klare Wahrheit. Sie
zeigt ſich auch dem Ungläubigſten heute in ihrer abſchrecken-
den Häßlichkeit. Zwei Thatſachen ſind es. Sie zeigen
das volle Maß der Schmach, zu der wir herniedergeſtiegen
ſind, dank der Feigheit, welche die Herrſcher der herrſchen-
den Claſſen erfüllt.“ Nach dieſen Poſaunenſtößen theilt
E. R. dem ſtaunenden Gallien mit, daß es Bismarck
gelungen ſei, eine deutſch⸗franzöſiſche Verſchwörung anzu-
zetteln. Durch Vermittelung ihm ergebener Perſönlichkeiten
im franzöſiſchen Miniſterium des Auswärtigen habe er den
Conſeilspräſidenten Goblet, ſämmtliche Mitglieder des Mi-
niſteriums (alſo auch wohl Boulanger?) und die einfluß-
reichſten Mitglieder des Senats und der Kammer beſtochen.
Dieſe mit ſchnödem Mammon erkauften feilen Geſellen
hätten jetzt nichts anderes mehr zu thun, als den geheimen
Befehlen von Berlin zu gehorchen, die ihnen eben durch
die vorgenannten Beamten des auswärtigen Miniſteriums
zugetragen würden. Vorläufig habe Bismarck den Befehl
ertheilt, die von dem Kriegsminiſter und dem Marineminiſter
beantragten außerordentlichen Credite abzulehnen. Da beide
Miniſter und die einflußreichſten Mitglieder des Parlaments
beſtochen ſeien, ſo werde der Wille des eiſernen Kanzlers
pünktlich erfüllt werden. Außerdem habe Bismarck be-
fohlen, daß das Spionengeſetz nicht angewendet werden
dürfe. Auch dieſer Befehl werde befolgt. Nicht wahr,
das iſt ſtarker Tabak? Aber nur Geduld, es kommt noch
beſſer. Denn E. R. theilt uns weiter mit, daß die vorher
bezeichneten Beamten des auswärtigen Miniſteriums nur
vorgeſchobene Perſonen ſeien, hinter denen kein anderer ſtecke,
als der Graf von Paris, der mit Deutſchland einen
förmlichen Vertrag abgeſchloſſen habe, kraft deſſen er als
Philipp VII. den Thron beſteigen ſolle. Er regiere jetzt
bereits, denn die angeblichen republikaniſchen Miniſter ſeien
in Wirklichkeit ſchon ſeine Miniſter, und die Unterſtützung,
welche die monarchiſche Preſſe dem Plane der Abrüſtung
gewähre, ſei das erſte Anzeichen der Revolution, welche
demnächſt losbrechen werde. Und ſo geht es dann noch
eine ganze Weile weiter fort.. .... In der That:
Impossible n'est pas un mot frangais
Paris, 30. Dez. Der franzöſiſche Botſchafter in
Berlin, Herbette, wurde zum Großoffizier der Ehren-
legion ernannt. — Wie es heißt, wird Präſident Grevy
in ſeiner Neujahrsanſprache an das diplomatiſche Corps
eine „discrete Anſpielung“ auf Frankreichs Wunſch
für die Erhaltung des Friedens machen. — Auf
Befehl des Kriegsminiſters Boulanger wurde bei dem
Bankett, das er den Befehlshabern der Armeecorps gab,
keine Rede gehalten. Es war nämlich vorher in dem Mi-
niſterrathe der Beſchluß gefaßt worden, daß der Kriegs-
miniſter ſich des Redens bei Feſtlichkeiten enthalten ſolle.
— Laut amtlichen Berichten iſt in den Geſchäften infolge
der Kriegsgerüchte eine bedeutende Stockung.
Brüſſel, 27. Dez. Der Millionenpoſtdiebſtahl
bekommt allmählich ein politiſches Gepräge, ſeit in London
einige der Verbrecher als bekannt beobachtet, aber wegen der
engliſchen Geſetze nicht verhaftet und ausgeliefert werden
können. Der Allg. Ztg. ſchreibt man darüber:
Staatsanwalt Willemaers iſt nach London abgereiſt, um die
Auslieferung der drei daſeloſt entdeckten engliſchen Diebe an die
belgiſchen Behörden zu betreiben. Die hieſige Regierung ließ be-
reits durch den belgiſchen Geſandten, Baron Solpyns, der engli-
ſchen Regierung eine Note überreichen, in der die erwähnte Aus-
lieferung auf Grund des belgiſch⸗engliſchen Auslieferungsvertrages
von 1876 begehrt wird. In dieſem Vertrag hat ſich zwar Eng-

land die Frage der Auslieferung eigener Unterthanen an fremde
Staaten vorbehalten. Jedoch iſt eine ſolche Auslieferung ſchon

im Jahre 1878 thatſächlich vorgekommen. Dieſen Fall macht nun
Belgien heute geltend. Die Newyorker Poſtverwaltung hat die
engliſchen Behörden davon verſtändigr, daß im Ganzen 142 ein-

geſchriebene Briefe fehlen. Der Inhalt von einigen fünfzig der-
ſelben iſt bereits bekannt. Er beſteht aus Checks, Bankuoten und
mehreren Schiffsfahrkarten Hämburg⸗Newyork. Da die Checks
natürlich nicht hehoben werden konnten, ſo ſtellt ſich die Höhe der
geſtohlenen Werthe weit niedriger, als man urſprünglich annahm.
Von den drei der Theilnahme am Poſtdiebſtahl verdächtigen
Deutſchen wurden zwei, welche ſich Eberhard und Ditmar nennen,
verhaftet. Im Beſitze des Erſteren wurde die Summe von 15 000
Franken in engliſchen und belgiſchen Banknoten gefunden. Der
dritte Genoſſe, welcher Herzog heißen ſoll, wird geſucht.
Petersburg, 30. Dezbr. Generalmajor Kaul-
bars wurde zur Verfügung des Obercommandirenden der
Gardetruppen und des Petersburger Militärbezirks geſtellt.
Warſchau, 28. Dec. Die Spionenriecherei wird
auch von den Panſlaviſten genau nach franzöſiſchem Muſter
betrieben. Herr Katkoff „riecht“ die verborgenen Feinde
bereits ſo virtus wie Herr Deroulede. Der Rathgeber
des Czaren tiſcht in ſeinem Blatte ein Märchen von un-
glaublicher Tollheit auf. „Auf den Bahnſtrecken in Ruſſiſch-
Polen,“ erzählt er, „wohnen eine Maſſe Ausländer,
die viele der Fabrikinduſtrie dienende Gebäude er-
richteten. Einige dieſer Gebäude haben ganz das Aus-
ſehen von Redouten. Im Falle eines Krieges braucht
man nur Erde aufzuſchütten, die Dächer abzunehmen und
ein Vertheidigungspunkt iſt fertig.“ Nun meint Katkoff, es
ſei ja auch kein Geheimniß, daß längs der Grenze in Ent-
fernungen von 50 —90 Werſt zahlreiche ruſſiſche Kavallerie-
regimenter ſtehen, deren Bedeutung nicht unklar ſein kann.
Es dürfen daher an der Grenze derartige „Sperrforts“
nicht geduldet werden, „die unſere Kavallerie beim Ueber-
ſchreiten der Grenze aufhalten könnten.“ Man ſollte
in der That meinen, daß die ganze politiſche Geſellſchaft
in Rußland — verrückt ſei oder doch ihrem Meiſter zuliebe
verrückt thue.
Konſtantinopel, 29. Dez.
hierher berufen worden.
Sofia, 30. Dez. Bei der Erledigung der Bregowo-
Frage durch die Abtretung des ſtreitigen Landſtrichs an
Serbien wurde der ſpätere Austauſch Bregowos gegen ein
anderes Stück Land vorbehalten.

Aus Stadt und Land.
** gridelberg, 31. Decbr. Geſtern Abend fand die Jahres-
verſammlung des Kunſtvereines ſtatt. Herr Profeſſor Wolf,
der ſich großes Verdienſt um den Verein ſeit Jahren erworben,
leitete die Verſammlung. Zunächſt wurde von dem 2. Vorſitzen-
den, Herrn Dr. A. Eiſenlohr, der ſich ſtets der Mühe der
ſchriftlichen Arbeiten unterzieht, der Bericht erſtattet, dem wir
Folgendes entnehmen: Mitglieder zählt der hieſige Verein
236 mit 264 Actien, Halbjahrskarten wurden 46 ausgegeben,
von einmaligen Beſuchern 4. 138.40 Eintrittsgeld eingenommen.
Ausgeſtellt waren im Laufe des Jahres 702 Kunſtwerke, darunter
196 im Turnus des Rheiniſchen Vereins, 294 meiſt guter, oft
trefflicher Bilder im Verband mit Mannheim. Im Ganzen
gelangten zur Ausſtellung 458 Oelgemälde, 116 Oelſkizzen, 22
Aquarelle und Paſtelle, 5 Zeichnungen, 66 Stiche u. Radirungen,
16 Photographien und 19 Werke der Plaſtik. Sachverſtändige
werden den hierzu nöthigen Aufwand an Zeit, Mühe und Koſten
zu beurtheilen wiſſen und den Leiſtungen unſeres kleinen, mit
ſchwachen Mitteln ausgeſtatteten Vereins gerecht werden. An-
gekauft wurden vom Verein Kunſtgegenſtände für 1475 Mark,
von Privaten nur für 925 Mark. Der verdiente Rechner, Herr
Buchhändler Weiß, erſtattete den Rechnungsbericht, worauf die
Verlooſung der 12 Gewinne im Werth von 1435 Mark vollzogen
wurde. Das Ergebniß derſelben theilt eine beſondere Bekannt-
machung mit. Als Mitglieder in den Ausſchuß wurden die bis-
herigen Mitglieder wiedergewählt reſp. kooptirt. Hoffen wir, daß
dem Verein recht viele neue Freunde und Käufer gewonnen wer-
den, damit er gedeihen könne zur Freude der Mitglieder, zur
Förderung der Kunſt! Beſonders ſcheint uns der Zuſammenbang
mit Mannheim, wo in den letzten Tagen allein für 24 000 Mark
Bilder angekauft wurden, wichtig. Denn dahin, wo ſo viel Ab-
88 möglich, ſenden die Künſtler begrei flicherweiſe gerne ihre
ilder.
— Zeidelberg, 31. Dec. (Schöffengerichtsſitzung vom 30. d.)
Jakob Link hier, wegen Thätlichkeiten angeklaͤgt, hat ſich der be-
zirksamtlichen Strafverfügung unterworfen. Johann Ellwanger
und deſſen Ehefran hier werden von der Anklage wegen Bettels
freigeſprochen. Adam Fiſcher von Heddesbach wird wegen Körper-
verletzung zu 8 Wochen Gefängniß, Johann Kling und Johann
Ritter von Altenbach wegen Ruheſtörung und groben Unfugs
erſterer zu 10 Tagen, letzterer zu 3 Tagen Haft verurtheilt. Die
Klage gegen Ludwig Vorholzer, Taglöhner in Doſſenheim, wegen
Beleidigung, wird durch Vergleich erledigt.
* Heidelberg, 31. Dec. Wie ſonſt wollen wir auch heute beim
Jahreswechſel unſere Leſer an die Brief⸗ u. Packetträger
erinnern. Man laſſe ihnen, die in Ausübung eines ſchweren und
verantwortungsvollen Dienſtes, der uns ſo direkt ſo gute kommt,
Tag für Tag unermüdlich und pünktlich unſer Haus aufgeſucht,
zum Neujahrsfeſte eine angemeſſene klingende Aufmunterung zu
Theil werden. Wir zweifeln nicht, daß dieſe kleine Anregung ge-
nügen wird, unſern braven Poſtboten die üblichen Neujahrsgrati-
fikationen in reichem Maß zuzuführen.
§ Heidelberg, 31. Decbr. Zu gutem Schluſſe ſcheint das alte
Jahr nun doch — nach ſo vielen trühen, naſſen Tagen — einen
freundlichen Abſchied nehmen zu wollen. Zwar fielen auch heute
noch einige Schneeflocken, doch jetzt, während wir dies ſchreiben,
erfreut uns der Himmel mit frenndlichem Sonnenſchein. Da der
Wind ſich gedreht und der Barometerſtand ein hoher, während
das Thermometer nur wenig über Null zeigt, ſo iſt vielleicht
Ausſicht, daß ſich das ſchöne Wetter einige Zeit hält und wir
mit frohen Hoffnungen in das neue Jahr eintreten können.
— Hridelbers, 31. Dez. Ein Bäckergeſelle und ein Lehrling, die
zuſammen in einem Geſchäfte thätig ſind, geriethen geſtern Abend,
als ſie ſich auf dem Wredeplatz begegneten, mit einander in
Streit. Dabei verabfolgte der Geſelle dem Lehrling ſchließlich
einige Ohrfeigen. Der Geſelle gab an, durch Beſchimpfung
Seitens des Lehrlings zu dieſer „ſchlagenden Meinungsäußerung“
gereizt worden zu ſein. — Ein Handwerksburſche kehrte in der
Herberge, wo er beſte Unterkunft gefunden, ſo ſehr den Unge-
müthlichen heraus, daß er vom „Vater“ an die Luft geſetzt wer-
den mußte. Darüber aufgebracht, kraͤkehlte er auf der Straße
erſt recht. Durch ſeinen Lärm citirte der Skandalmacher einen
Schutzmann, der ihn mit zur Wache nahm.
* Manunheim, 31. Dec. An Stelle der bisher einzeln beſtan-
denen Ortskrankenkaſſen der Bauhandwerker, Belleidungsgewerbe,
Druckereigewerbe, Holzarbeiter, Metallarbeiter und Nahrungs-
mittelgewerbe tritt dahier mit dem morgenden Tage eine gemein-
ſame Ortskrankenkaſſe unter dem Namen Ortskrankenkaſſe
Mannheim I1 ins Leben. Das errichtete Statut erhielt unterm
23. December die Genehmigung des Bezirksraths.
Farlornhe, 30. Decbr. Der Karlsr. Zig. zufolge hat ſich der
Großh. Geſandte am königl. preußiſchen Hofe, Freiherr von
Marſchall, mit ber Freiin Marie v. Gemmingeu, Tochter

Gadban Effendi iſt
 
Annotationen