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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 1 - Nr. 9 (2. Januar - 30. Januar)
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ů —
damascirten, halhſeidenen Stoff zuſammengeſtellt. Natür-
lich dominirt, wo es ſich um das Tanzen handelt, das
kurze Kleid, und iſt der graziös drapirte Bauernrock eine
der beliebteſten Formen. In verſchwenderiſcher Fülle wer-
den Blumen angebracht. Als Tuffs und Ranken halten
und raffen ſie die Stofffülle der
Röcke, während eine volle Guir-
lande den unteren Rand umgibt
und eine feine Ranke den Taillen-
ſchoß ſäumt; auch ſind vollſtän-
dige Latz⸗Garnituren aus Blumen
ſehr beliebt. Im Haar tragen
ganz junge Damen häufig das
runde, ſeitwärts unter ſchmalen
Bandſchlupfen geſchloſſene Kränz-
chen, allgemeiner ſind jedoch ein-
zelne, ſchmal und hoch gebundene
Sträußchen, welche beliebig ſeit-
wärts oder in der vorderen Mitte
des hoch friſirten Haares ange-
bracht werden. Als auserleſene
Feinheit gilt als Vervollſtändi-
gung der eleganten Toilette ein
Fächer aus weißen Straußen-
federn mit einem Vogel oder
Schmetterling in der Mitte und
ſchönem Handgriff aus Gold-
bronze, Elfenbein oder Perl⸗ —
mutter, welcher jedoch nicht zuſammenlegbar ſein darf un
neuerdings die Form einer Lyra zeigt.
Mannigfacher und ernſter werden noch die Toiletten-
Sorgen, ſobald es ſich nicht nur um einen Ball, ſondern
um ein Masken⸗ oder Koſtüm⸗Feſt handelt. Phantaſie und
Geſchmack allein reichen hier oft nicht aus, und wenn bei
einem National⸗Koſtüm z. B. die Echtheit als erſte For-

derung aufgeſtellt wird, ſo gilt es vor allem ſich gute Vor-

lagen zu verſchaffen. Hier kommt nun
das bekannte Modenblatt „Die Illu-
ſtrirte Frauen⸗Zeitung“ nicht nur durch
die Darſtellung maleriſcher Volks-
trachten, wie die der Slavonier und
Rumänen, neben allerlei drolligen
Masken⸗Koſtümen zu
Hülfe, ſondern weſent-
lich auch durch die dem
Blatte beigelegten Ko-
ſtümbilder, welche, von
Künſtlerhand gezeichnet
und colorirt, den ſicher-
ſten Anhalt geben. Gute Vorlagen
für Koſtüme verſchiedener Zeit-
epochen geben ferner viele allgemein
bekannte Bilder. Wie kleidſam ſind
nicht die Schäferinnen⸗Koſtüme à
la Watteau in geſchmackvoller Zu-
ſammenſtellung aus roſa und weißem
Atlas und reich mit Roſen geſchmückt.
Ein kleidſames Koſtüm aus der Zeit
— der Renaiſſance beſteht z. B. in
einem eckig ausgeſchnittenen, im
Rücken geſchloſſenen Prinzeßkleide aus roſa Seide, deſſen
unteren Rand eine breite Stickerei aus Perlen und Gold-
ſoutache verziert. Auf den Hüften wird der Rock je durch
eine knotenartige Puffe leicht gerafft, ſodaß ein Futter aus
dunkelrothem Atlas und ein gleiches Untergewand zur Gel-
tung kommen. Den durch eine Puffe aus grünem Sammet
vervollſtändigten Aermel ſchmückt wiederum die Stickerei.
Aus grünem Sammet iſt auch die große Stola zu fertigen,
welche, herzförmig ausgeſchnitten, vorn den ebenfalls ge-

hellen Sonne glitzernde Schnee.

ſtickten Latz ſehen läßt und mit einem mächtigen, bunt-
farbigen Wappen (ſelbſtredend aus jener Zeit) geſchmückt
wird. Daſſelbe kann geſtickt, gemalt oder aus verſchiedenen
Stoffen oder gar Papier aufgeklebt werden. Das mit zwei
Adlerfedern geſchmückte Käppchen und die mit grünem
Sammetaufſchlägen verſehenen ſpitzen ö
Schuhe ſind aus rothem Sammet.
Rothſeidene Strümpfe, eine Gold-
kette mit ſchönem Schild und eine
Laute vervollſtändigen das Ganze.
Den meiſten Spaß bereiten jedoch
oft die Phantaſie⸗Koſtüme mit ihren
komiſchen Anſpielungen. Sehr drollig
kann z. B. der beſte Bube des gleich
dem Bier jetzt ſalonfähig gewordenen
Skatſpiels wirken. Der dunkle nicht
zu faltige Atlasrock erhält am un-
tern Rand wirkliche Treffkarten auf-
genäht, dagegen verzieren die vor-
deren Ränder und die Aermel der
wammsartigen Jackentaille von leder-
farbigem Plüſch ſchwarze, aus Sam-
met geſchnittene Treffzeichen, welche
man einfach mit flüſſigem Gummi
aufklebt. Die Kopfbedeckung, aus
weichem Filz, wird der des Treff-
buben möglichſt genau nachgebildet
und zur Vervollſtändigung des Ko-
ſtüms ein kurzes Wehrgehäng umgethan und eine Hellebarde
in die Hand genommen.
Wie viel von dem, was wir täglich ſehen, läßt ſich
ferner darſtellen, man muß nur offene Augen und Geſchick
haben. Wie nahe liegt uns z. B. gerade jetzt der in der
Für das Koſtüm „Schnee“
fertigt man einen mehrfachen Rock aus weißem Tüll, be-
näht ihn dicht mit Flocken aus weißem Schwan und rafft
ihn durch bereifte Zweige. (Der Reif läßt ſich gut durch
aufgelöſten Alaun, welcher ſehr ſchnell kriſtalliſirt, imitiren.)
Die Taille wird aus Atlas hergeſtellt und reich mit glitzern-
dem, weißem Schmelz benäht. Im Haar Diamanten; in

der Hand einen weißen Federfächer mit einem Spiegel in

der Mitte. Frau Sonne erſcheint in einem Koſtüm von
Goldgaze, deſſen Rock zum Theil durch ein zweites Röckchen
aus himmelblauer Gaze gedeckt wird, welches eine in
Strahlen auslaufende Scheibe aus Goldblech rafft; auf
dem Kopf eine Strahlenkrone. NM. St.

Verſchiedenes.

— (Die Erdbeeren der Königin von Italien.)
König Humbert von Italien iſt bekanntlich gleich ſeinem
verſtorbenen Vater Victor Emanuel ein ſparſamer Haus-
vater. Ueber dieſe mit der perſönlichen Bedürfnißloſigkeit
des Königs correſpondirende Genauigkeit circuliren in
Italien eine Menge Hiſtörchen. In Rom kurſirt jetzt —
wie man von dort mittheilt — folgende Anekdote über die
Sparſamkeit des Königs. Der König liebt es nämlich,
am Schluſſe jeden Jahres die Rechnungen über den kgl.
Haushalt ſelbſt durchzugehen. Bei dem diesjährigen Ab-

ſchluſſe fiel König Humbert die unverhältnißmäßig hohe

Summe des Poſtens „Deſſert“ auf. Bei genauer Durch-
ſicht fand es ſich, daß die Höhe dieſes Poſtens durch eine
ziemlich große für „Erdbeeren“ eingeſtellte Summe ver-
urſacht werde. Auf ſein Befragen wurde dem König die
Auskunſt, daß Königin Margherita befohlen habe, jeden
Tag, ohne Unterſchied der Jahreszeit, einen großen Teller
Erdbeeren auf ihre Tafel zu bringen. Der König, der
dieſe Leidenſchaft für Erdbeeren bei ſeiner Gemahlin nie
 
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