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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 1 - Nr. 9 (2. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53862#0030

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dagegen ſuchte meine Geſellſchaft um ſo eifriger, es ver-

ging kein Tag, an dem ich nicht entweder oben im Schloß

ſein mußte, oder er mich hier unten aufſuchte, und bald

fing er an, mir einen Einblick in ſeine Lage zu geben,
was freilich ſchlecht genug gelang, da ſein armer verwirrter
Kopf ſelbſt nicht aus noch ein wußte.
gelegenheiten heillos verwickelt wären, konnte ich daraus
entnehmen. ——
„So vergingen mehrere Wochen.
nehmen ſollte, war mir ſelbſt nicht klar. An einem Nach-
mittag, der Graf war wieder einmal zu ſeinem Rechts-
anwalt nach der Stadt gefahren, traf ich Elſa allein auf
der Terraſſe. Diesmal ging ſie dem Alleinſein nicht aus
dem Wege. —
„Dietrich,“ ſagte ſie, „wohin ſoll dies alles führen,
warum verlängern Sie für uns beide die Qual? Mir
können Sie nicht helfen, denn ich darf nicht von der Stelle
weichen, an der ich ſtehe. Wenn ich thäte, wie Sie wollten,
dann träte hier der völlige Zuſammenbruch aller Verhält-
niſſe ein, — und daraus ſollte uns beiden Glück kommen?
— Ich glaube, es entſtände nur grenzenloſeres Elend, als
wir es jetzt zu tragen haben.“
„Wenn Sie ſich in Ihren gegenwärtigen Verhältniſſen
ſo befriedigt fühlen, habe ich allerdings kein Recht, Sie zu
einer Aenderung zu drängen,“ ſagte ich hart.
„Sie zuckte zuſammen, antwortete aber nichts darauf,
ſondern ſagte nach einer Weile: „Sie erwähnten neulich
gegen Rauhenſtein, daß Sie aus Geſundheitsrückſichten
daran dächten, Ihre Profeſſur niederzulegen, faſſen Sie in
dieſem Moment keinen Entſchluß, der für Ihr Leben ſo
verhängnißvoll werden kann.
Sie werden allmälig wieder Befriedigung in Ihrem Beruf
finden. Ein Zuſammenfein wie jetzt kann mir und Ihnen
nur Schmerz bereiten.“ ö
„Ich empfand bei dieſem Geſpräch nichts als Bitterkeit
gegen ihre Sucht, ſich für Menſchen aufzuopfern, die deſſen
weder würdig waren, noch ihre Hingebung zu ſchätzen
wußten. Ich begriff damals noch nicht, daß es Naturen
gibt, die zu Grunde gehen würden, wenn ſie gegen das
handelten, was ſie als göttliches und menſchliches Geſetz
erkannt haben.
„Mich reizte ihr Widerſtand nur zu um ſo größerer
Hartnäckigkeit. Selbſt der verletzte Stolz war nicht mächtig
genug, mich zur Abreiſe zu treiben. Ich blieb — auf die
nichtigſten Vorwände hin; es iſt unglaublich, wie wenig
dazu gehörte, mein Verweilen vor mir ſelbſt und den Leuten
zu beſchönigen. ö
„Erleichtert wurde es mir durch des Grafen beſtändiges
Bitten, ſeine und der Kinder Behandlung weiter fortzu-
ſetzen. Elſas Zurückhaltung bildete dazu den größten
Gegenſatz. Die wenigen Menſchen, welche damals bei
Rauhenſteins verkehrten, gewannen dadurch den Eindruck,
daß ſie eine Abneigung gegen mich zu überwinden habe,
ſich erſt allmälig an mich gewöhnen müſſe; Niemand kam
darauf, wie die Sache wirklich zuſammenhing. Es war
ihr bitterer Ernſt damit, mich zum Fortgehen zu treiben;
ſie erreichte aber das Gegentheil. Selbſt die berechneteſte
Klugheit hätte mir den Weg zum Hierbleiben nicht beſſer
zu bahnen vermögen. ö
„Wenn ich mit meinem Bleiben unrecht that, wurde ich
ſelbſt dafür hart geſtraft, denn ich war mit mir ſelbſt in
dem ſchlimmſten Zwieſpalt. Oft wußte ich nicht, ob ich
ſie überhaupt noch liebte oder haßte wegen ihres Wider-

ſtandes und ihrer Aufopferung für einen Menſchen, der

auch in ſeinen beſten Zeiten wohl nie im Stande geweſen
war, ſie zu verſtehen, und bei dem ein Gehirnleiden un-
verkennbare Fortſchritte machte. ö

„Den Entſchluß fortzugehen, unſer Schickſal als unab-

änderlich getreunt zu betrachten, vermochte ich nicht zu faſſen.

Nur, daß die An-

Wie es ein Ende

Gehen Sie zurück, Dietrich,

Hier ſah ich ſie doch wenigſtens, und wenn endlich bei ihr
ein Umſchlag zu meinen Gunſten erfolgte, wenn ſie die

Thorheit ihrer überſpannten Pflichttreue einſah, war ich
zur Hand, um ſie mir für immer zu ſichern. Daß ich ihr
nicht gleichgültig war, daß in ihr noch etwas von der alten
Jugendliebe lebte, ließ meine Hoffnung immer wieder von
Neuem aufblühen, ſo wenig Nahrung ſie ſonſt auch fand.
„Hätte ſie äußerlich in müßigem Behagen gelebt, ſo
würde ich vielleicht doch geſiegt haben — aber ſie fand
eine mächtige innere Stütze in den Sorgen, die um dieſe
Zeit an ſie herantraten. Die Güter waren ſchwer ver-
ſchuldet, Veruntreuungen, Mißernten, ſchlechte Bewirthſchaf-
tung während ſeiner Abweſenheit hatten die Vermögens-
verhältniſſe Rauhenſteins bis nahe an den Zuſammenſturz
geführt. Der Graf war völlig unfähig, ſelbſt die Ent-
ſchlüſſe zu faſſen und die Maßregeln einzuleiten, welche
nothwendig waren, um das Schlimmſte zu verhüten und
allmälig wieder das Vermögen herzuſtellen. Aber in dem
Gefühl ſeiner Hilfloſigkeit war er fügſam, ließ ihr freie
Hand, und während ſie bis dahin kaum verſucht hatte,
einen Einfluß auf die Verwaltung der Güter zu erlangen
und ſich allein auf das Haus und die Erziehung der Kin-
der beſchränkt hatte, machte ſie ſich nun zunächſt daran,
einen klaren Einblick in die Lage zu gewinnen und trat in
perſönlichen Verkehr mit den Geſchäftsführern wie mit den
Gläubigern des Grafen.“
Fortſetzung folgt.)

Das Leben in den gräßten Meerestiefen.

Ueeber dieſes Thema hielt Herr Prof. Dr. Hertwig vor
einigen Tagen in München einen intereſſanten Vortrag,
über welchen „Der Sammler“ Folgendes berichtet: Wer
eine Schilderung nach Schiller's „Taucher“ erwartete von
all' den gräuelhaften See⸗Ungeheuern, welche in den Meeres-
tiefen hauſen ſollen, der durfte ſich bedeutend enttäuſcht
fühlen, dagegen wurde man im Verlaufe des lehrreichen
Vortrages mit Wehmuth an das leider ſo kurzlebige
Münchener Aquarium erinnert, deſſen Beſuch in Folge des
Vortrages ſicher eine erhebliche Mehrung erfahren hätte,
wenn auch nur für einige Tage. — Anknüpfend an die
augenfällige und leicht erklärliche Thatſache, daß die Flora
und Fauna, deren Repräſentanten in ihren Exiſtenz-
bedingungen gegenſeitig aufeinander angewieſen ſind, mit
der Zunahme der Höhe und Abnahme der Wärme in immer
geringeren Exemplaren auftreten, wovon uns die Alpen
das ſprechendſte Beiſpiel liefern, da eben die nöthigen
Exiſtenzbedingungen für Pflanzen und Thiere auf ein
Minimum zuſammenſchrumpfen, kommt der Vortragende auf
die Frage, wie es nun in dieſer Beziehung in der Meeres-
tiefe ausſehe. —*—
Noch vor zwanzig Jahren galt es für feſtſtehend, daß
der Meeresgrund in einer Tiefe von 2000 Fuß von keinem

organiſchen Weſen bewohnt werden könne und zwar wegen

des Mangels an Licht und des ganz enormen Druckes der
Waſſerſäule, die ein organiſches Leben nicht möglich mache.
Dieſer Druck iſt jedoch für die Tiefſeebewohner vermöge
ihres eigenartigen Organismus ſo wenig fühlbar, wie z. B.
für uns der Druck der Atmoſphäre; nur wenn dieſe Thiere
in die höheren Schichten des Meeres kommen, treten bei
ihnen Störungen ein, wie analog den Aeronauten in den

höheren Luftſchichten erhöhte Schwierigkeiten entgegentreten.

Außerordentlich wichtige Aufſchlüſſe über die Bewohner der
Tiefſee brachte das Jahr 1860, als das Kabel zwiſchen
Algier und Frankreich aus einer Tiefe von 7000 Fuß
herausgehoben wurde, das man mit einer Menge von See-
thieren beſetzt fand. Unſere Kenntniſſe vom Leben in der
Tiefe der See ſind aber immer noch ſehr beſchränkt.
 
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