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Heidelberger Familienblätter — 1886

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Nr. 1 - Nr. 9 (2. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53862#0031

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Norwegiſche Zoplogen fanden in ihren Forſchungen ein

reiches Thierleben in einer Tiefe von 3—8000 Fuß, ebenſo
der Naturforſcher Agaſſiz, der mit dem Grafen Pourtales
erfolgreiche Sondirungen der Meerestiefe und Unterſuchungen

des Thierlebens in derſelben vornahm. Ueberaus bedeu-

tungsvolle Reſultate lieferte auch die Expedition des eng-
liſchen Kriegsſchiffes „Chelſea“ unter Capitän Nares (2)
auf dem Gebiete der Tiefſee⸗Unterſuchung, durch welche das

zoologiſche Wiſſen weſentlich bereichert und neue Probleme

aufgeſtellt wurden. Dieſe Forſchungen ſind ungemein müh-
ſelig und zeitraubend. Mittelſt eines Schleppnetzes, das
mit ſeinen Fangapparaten und Schwergewichten über einen
Centner wog und an einem mehrere Zoll dicken Rieſentau
in Tiefen bis zu 24 000 Fuß hinab gelaſſen wurde, holte
man reiche Ausbeute aus dem Meeresgrunde herauf, was
allerdings nur an ſehr ruhigen Tagen möglich war. Auf
dem Meeresgrund fehlt die kaleidoſkopiſche Verſchiedenheit,
die wir auf der Erdoberfläche bewundern. Bei einer Tiefe
von 2000 Fuß herrſcht eine große Gleichförmigkeit im
Meere. Zahlreiche über das Meer hin vertheilte Beobach-
tungsſtationen haben zu allen Zeiten dieſelben Reſultate
geliefert. Wenn wir uns an der Hand der Erfahrungen
eine Vorſtellung von der Beſchaffenheit des Meeresbodens

machen wollen, ſo entrollt ſich uns ein Bild troſtloſeſter

„Einförmigkeit. Es fehlen die vielen Gebirgszüge; es fehlen
die Pflanzen, die Schluchten und Thäler: ein langweiliges
Hügelland dehnt ſich aus, hier ſich um einige Tauſend Fuß
zu einer Art von Plateau erhöhend, dort zu einer. Mulde
ſich vertiefend. ö ö
Der Meeresboden iſt bis zu einer Tiefe von 13000
Fuß von weiß-röthlichem Schlamm gebildet, welcher zum
größten Theil von Milliarden von abgeſtorbenen Schalen-
thierchen beſteht, die lebend an der Oberfläche ſich befinden
und abſterbend flockenartig zu Boden ſinken. Weiter in der
Tiefe befinden ſich Maſſen von Kalkſchalen, Skeletreſten,
ein Ablagerungsprozeß, der ſich ſchon ſeit Jahrtauſenden
in gleichförmiger Weiſe vollzieht. Bei einer Tiefe von 18⸗
bis 24 000 Fuß bewegt ſich die Temperatur um den Ge-
frierpunkt, nahe dem Aequator beträgt ſie ſogar faſt 1 Grad
Kälte. Der Meeresgrund kennt nur die eiſige Winternacht,
hie und da erhellt durch das blaue Licht eines Tiefſee-
thieres, das eine Art bengaliſche Beleuchtung gewährt.
Dieſe Einförmigkeit ſpiegelt ſich auch im Charakter der
Thierwelt, deren Spuren wir bis zu einer Tiefe von 24 000
Fuß wahrnehmen. Wir finden Seeſterne, Seeigel, Krebſe
und Fiſche gleicher Gattung an Orten, die durch Hunderte
von Meilen von einander getrennt ſind. Ihr charakteriſtiſches
Gepräge erhält die Tiefſeefauna durch ihre feſtſitzende Le-
bensweiſe. Glasſchwämme, Seefedern, bunte Seeroſen er-
ſetzen gleichſam das fehlende Gebüſch; die Haarſterne der
Krinoiden wiegen ähnlich den Palmen ihre Kronen auf
Stengeln; dazu das geheimnißvolle Leben der Korallen, der
Stachelhäuter, Würmer, Schnecken und Tintenfiſche, von
welch letzteren man in neueſter Zeit an der Küſte von Neu-
foundland Exemplare von 10 bis 15 Fuß Höhe geſtrandet
auffand. Solche Thiere würden auch dem ſtärkſten Schlepp-

netz Widerſtand leiſten, während kleinere Exemplare in ſehr

verändertem Zuſtand aus der Tiefe herausgebracht wurden,
da ſie nur in den größten Tiefen exiſtenzfähig ſind.
Zu den Tiefſeebewohnern gehören noch die glocken-
artigen Meduſen, ſowie die ungemein zarten Gebilde der
Syconophoren, die im natürlichen Zuſtande vollkommen
glashell ſind. Die Tiefſeefauna iſt eine Welt für ſich und
durch ihre ganze Zuſammenſetzung von der Küſtenfauna ge-
trennt; ihre Grenze iſt durch die Tiefe von 2000 Fuß
gebildet: der Unterſchied beruht in den eigenthümlichen
Eriſtenzbedingungen dieſer Thiere, ſowie in der beſonderen

Abſtammungsweiſe derſelben. Die Thierwelt des Meered-

8*8*.*.

bodens trägt ein ſehr alterthümliches Gepräge, welches an

vergeßlichen Genuß bereitet habe.

der Wälder.
ſchenke gerettet und ſetzte unbeläſtigt ihre Reiſe fort.

frühere Perioden erinnert. Nach Hunderttauſenden von
Jahren iſt die Zeit zu beſtimmen, da dieſe Thiere die
Tiefen des Meeres beleben, während die Küſtenfauna in
Folge der ſtattgehabten Umwälzungen gewechſelt hat. Die
Tiefſeefauna bietet den Zoologen, Paläontologen und Geo-
logen die wichtigſten Probleme, ſie iſt wichtig für die Tages-
frage des Darwinismus, für das Lehrgebäude der Ent-
wicklungstheorie; auch ſie fördert das Beſtreben, überall

den Zuſammenhang in den Erſcheinungen aufzudecken und

eine alle Organismen beherrſchende Geſetzmäßigkeit nachzu-
weiſen. — Der Vortrag, von dem hier nur Einiges mit-
getheilt werden konnte, fand' den lebhafteſten Beifall.

Abenteuer einer Tänzerin.
„Im erſten Viertel des Jahrhunderts machte in Ruß-
lald die Räuberbande Triſchkas (eines vormaligen Inten-
danten des Fürſten Paskiewicz) die Straßen; zwiſchen
Petersburg und Warſchau unſicher. Im Winter von 1824
bis 1825 gaſtirte die berühmte Tänzerin Maria Taglioni
in Moskau und in Petersburg mit ungeheuerem Erfolg
und erhielt vom Kaiſer und von vielen anderen Perſonen
des Hofes ſo koſtbare Geſchenke, daß ſie nach Schluß der
italieniſchen Oper Petersburg mit reichen Schätzen verließ.
Ihre Freunde gaben ihr Stunden lang das Geleit. Die
Tänzerin bediente ſich zweier Reiſewagen zu ihrer Fahrt
und war begleitet von zwei Dienerinnen und zwei Muſikern.
Jeder ihrer Wagen war mit ſechs Pferden beſpannt. Auf
dem Wege nach Dünaburg wurden in der Nacht inmitten
der ruſſiſchen Wälder die Wagen durch eine Bande wild
ausſehender Männer angehalten, und Triſchka, der berüch-
tigte Räuberhauptmann, riß den Wagen dauf, in welchem
ſich die Tänzerin und ihre zitternden Begleiter befanden.
Triſchka wendete ſich ſofort an die ſchöne Tänzerin und
fragte nach ihrem Namen. „Ich bin die Tänzerin Tag-
lioni,“ antwortete jene. „Ei, das trifft ſich ja herrlich!“
rief Triſchka. „Es war mir bisher unmöglich, Sie im
Opernhaus tanzen zu ſehen, nun kann ich hier mitten im
Walde das Verſäumte nachholen. Ich hoffe nämlich, daß
Sie mir Gelegenheit geben werden, über Ihr Talent ur-
theilen zu können.“ „Wie?“ rief die junge Tänzerin,

„ich ſollte hier, auf offener Landſtraße — ganzzunmöglich.“

„Leider ſteht mir kein Salon zur Verfügung,“ ſagte
Triſchka, „aber“ — und dabei entblößte er ſein Haupt —
„ich hoffe doch, daß Sie mir und meinen Kameraden das
Vergnügen bereiten werden, Sie tanzen zu ſehen, ich müßte
Sie ſonſt Ihrer Bagage berauben. Wir breiten Teppiche
über den Weg, und ſo wird es Ihnen wohl möglich wer-
den, uns Ihre Kunſt zu zeigen.“ Die Taglioni ſprang

aus dem Wagen; ſie wollte lieber tanzen, als ihr Ver-
mögen verlieren.

Triſchka's Leute breiteten einen Teppich
aus, die beiden Muſiker nahmen eine Violine und eine
Harfe hervor und ſpielten zu einem Mazurka auf. In

vollem Mondlicht begann Maria Taglioni zu tanzen. Im
Kreiſe der Räuber führte ſie ihre Tänze mit ebenſoviel
Grazie und Feuer aus, als ob ſie ſich der Loge des

Kaiſers gegenüber befunden hätte. Triſchka war entzückt.

Er führte die Tänzerin achtungsvoll zur Kutſche zurück,

küßte ihr die Hand und verſicherte, daß ſie ihm einen un-
Als ſich die Reiſewagen
in Bewegung ſetzten, verſchwand die Räuberbande im Dunkel
Die Taglioni hatte ihr Geld und ihre Ge-

Verſchiedenes.
— Ueber das Alter der Vögel macht die Dſch.

Thierſchutz⸗Zig. folgende zuſammenſtellende Mittheilungen:
Der das höchſte Alter erreichende Vogel iſt der Schwan.
 
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