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Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 6,1): Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Breisach, Emmendingen, Ettenheim, Freiburg (Land), Neustadt, Staufen und Waldkirch (Kreis Freiburg Land) — Tübingen u.a., 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.1225#0073

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AMT BREISACH. — BREISACH. 59

Stirne und dem unvermittelten Haaransatz sogar hässlich erscheinen, dürften darunter
gelitten haben und somit nicht dem Künstler allein alle Schuld aufzubürden sein. Besser,
ja vorzüglich sind die Köpfe Gott Vaters und Sohnes gelungen, in denen neben grosser
Naturwahrheit doch auch das Streben nach Idealisirung deutlichst hervortritt. Die Behand-
lung von Haupthaar und Bart ist an allen Gestalten zwar etwas konventionell, gleichwohl
aber durchaus originell und vollendet, wenn auch manchmal das Streben nach Bewegung
und Belebung zu gewissen TJebertreibungen veranlasst hat. Füsse und Hände gleichwie die
Gewandpartieen und der Faltenwurf namentlich an den dem Körper sich anschmiegenden
Theilen sind vorzüglich und von erstaunlicher Natürlichkeit. Weniger ist dies der Fall
in den vom Winde bewegten Gewandtheilen, besonders in den Kleidern der Maria, bei
deren Gestaltung der Künstler wohl beabsichtigte, die Beziehungen des Mantels der
Gottesmutter zu den Wolken des Himmels zu versinnbildlichen oder aber den Versuch
wagte, ein an und für sich unschönes Motiv, die vom Winde beim Emporschweben auf-
getriebenen Gewänder möglichst naturgetreu und doch künstlerisch darzustellen. Beides
ist ihm völlig missglückt, die Ausbildung namentlich der unteren Mantelpartieen der Maria
muss als unschön bezeichnet werden und wirkt in der Mitte des Bildes, dem Beschauer
direkt gegenüber, im höchsten Grade störend.

Die vier Heiligengestalten der Flügel sind nicht von derselben Vollendung wie die
Figuren Gott Vaters und Christi im Mittelbilde und offenbar von anderer, minder kunst-
fertiger Hand. Sicherlich ist dies der Fall bei den in Komposition und technischer Aus-
führung minderwerthigen Bildern der beiden Stadtpatrone, dagegen erscheint es bei
S. Laurentius und S. Stephanus, die in Stellung sowie Bewegung, in Gewand- und Haar-
behandlung den Figuren des Hauptbildes wenig nachstehen, einigermassen fraglich.

Die beinahe frei vorgearbeiteten vier Evangelisten der Predella sind ganz besonders
treffliche, technisch vollendete Schnitzwerke, die in ihrer äusserst lebensvollen Frische
bei dem Beschauer unwillkürlich den Eindruck erwecken, der Künstler schildere ihm hier
in direkten Porträts Männer aus seiner Zeit und Umgebung. Diese Beobachtung ist
schon frühe gemacht worden und hat zu der Sage Veranlassung gegeben, der Meister
habe in den Gestalten der vier Evangelisten sich selbst, seinen jüngeren Bruder, sowie
seinen Vater und Grossvater porträtirt.

Die Figuren des Aufbaus sind flüchtiger gehalten, nur an den Schauseiten völlig
ausgearbeitet und hinten abgeflacht sowie, um sie zu erleichtern, ausgehöhlt. Ihre kreis-
runden Nimben, die wohl bei der Restauration entsprechend den alten vorhandenen ergänzt
wurden, sind aus Pappdeckel und die Buchstaben der Heiligennamen darauf aufgelegt.
" Auf die Frage nach der Zeit der Entstehung und nach dem Meister des Altares
giebt das Werk selbst einige Auskunft.

Drei der Engelsfigürchen zu Füssen der Gestalten des Mittelbildes halten kleine recht-
eckige Täfelchen in den Händen, von denen das eine heute leer gelassen ist, während
die beiden anderen zwischen einigen Schnörkeln die Buchstaben H- L- enthalten. Weiter
liest links neben Gott Vater ein Engel aus einem aufgeschlagenen Buche, auf welchem
sich folgende, unbeholfen geschriebene Inschrift findet:

?vffo Domini

U97- p-
Renobatum
 
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