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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 21 - Nr. 30 (25.Januar - 5. Februar)
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in einem kiesigen Schreibwaaren-Geschäft zu 1,20
Mk. die Schachtet zu kaufen ist.
* Reihen, 26. Jan. Die Gegner der Eisen-
bahnvorlage von ksier beobachten gegenüber dem
agitatorischen Treiben der Freunde desselben eine an
Eisigkeit grenzende Ruhe; sie begnügen sich damit
im Bürgerausschuß den moralischen Sieg errungen
zu haben; auf den praktischen Werth halten sie
nicht besonders, da man bestimmt weiß, daß
nach Angabe des Ministeriums eine Gesellschaft
die Bahnlinie Eppingen-Steinsfurth niemals bauen
darf, die Regierung selbst aber den Bau im ersten
Jahrzent nickt beginnen wird, da andere Bahn-
projekte von strategischem und wirtschaftlich höherm
Werth vorliegen, welche darum auch für notwendiger
gelten. Uebrigens herrschen unter den hiesigen
Einwohnern noch einige Mißverständnisse, welche
jedoch hier nickt näher erötert werden sollen,
do die ganze Geschichte doch nichts weiter ist als
„viel Lärm um Nichts".
* Ebcrbach, 26 Jan. Nachdem vor einem
Jahre Herr Hauptlehrer Wbßner wegen anbal-
tcnder Krankeit sich in den Ruhestand versetzen lieh,
folgte ihm nach 46jäbrigcr Thätigkeit der Nestor
der hiesigen Lehrer Herr Hauptlehrer Koch. Die
Stelle des Herrn Koch sollte laut Beschluß des
hiesigen Ortsckulraths nicht ausgeschrieben, sondern
Herrn Krautinger übertragen werden. Der Großh.
Oberschulrath konnte jedoch dem Wunsche nicht
willfahren, sondern glaubte, die Stelle ausschreibcn
;u müssen mit Rücksicht darauf, daß ältere Lehrer
auf dem Lande, welche wegen weiterer Ausbildung
ihrer Kinder gerne in eine Stadt versetzt sein
mochten, sich um die Stelle bewerben könnten. Wir
geben uns, trotz der vielen Bewerbungen, der Hoffnung
hin, daß Herrn Krautinger die vakante Stelle über-
tragen wird.
* Langenbrücken (A. Bruchsal), 23. Jan.
Heute verließ Herr Gendarm Schiff den hiesigen
Ort nach fünfjährigem Aufenthalt, um seinen neuen
Posten in Oos zu beziehen. Welche Achtung und
Beliebtheit der Scheidende sich hier und in seinem
bisherigen Bezirke erworben hatte, zeigte die von
hier und auswärts sehr zahlreich besuchte Abschieds-
feier im Gasthaus zum Kreuz. Ernste und
humoristische Gesangvcrtrögc, die mit Toasten ab-
wechselten, verkürzten die Zeit.
* Nheinweiler, 27. Jan. Eine sonderbare
Art, unangenehme Liebhaber zu vertreiben, hat der
Vater eines hiesigen Mädchens. Als derselbe kürzlich
Nachts einen ihm mißliebigen jungen Mann, dem
seine Tochter zugethan war, sich dem Hause nähern
sah, schoß er ohne Weiteres auf ihn und verletzte
ihn durch einen Schrotschuß, zum Glück unbe-
deutend. Man wird ihm diese gründliche Art,
Liebhaber zu verjagen, wohl abgewöhnen.
" Oberweiler, 25. Jan. Gestern Nachmittag
verunglückten beim Holzfällen drei hiesige Bürger
und zwar Gemeinderath Striegele, dessen Bruder
Franz Striegele und Landwirth Joseph Diebold.
Die Verunglückten wollten, lt. Mittelb. C., mit
noch zwei andern Männern eine Buche, die an
einem hohen Abhange stand, fällen und nahmen
an, der Baum würde bergab fallen, während der-
selbe bergauf umfiel, zurückschlug und alle Fünf
umwarf. Die drei Genannten wurden verletzt,
wovon Gemcinderath Striegele sehr schwer.
* Hornberg, 27. Jan. Heute Früh ver-
schied nach längerem, schweren Leiden eine Per-
sönlichkeit, die weithin unter unseren Kurgästen
und sonstigen Besuchern unseres Luftkurortes wohl
bekannt ist: Herr Altbärenwirth Baumann. Im
vorigen Jahre hatte er das seltene Glück, die
goldene Hochzeit zu feiern, und vor wenigen Tagen
hatte er sein 72. Lebensjahr vollendet, das er
nicht lange überleben sollte; eine heimtückische,
schmerzliche Krankheit hat seinem unermüdlich
tkätigen und bewegten Leben ein Ende gemacht.
Die ganze Familie verliert in ihm einen stets
liebevoll für die Seinen besorgten Vater und Groß-
vater.
* Freiburg, 27. Jan. Einer schändlichen That
bat sich ein hiesiges Ehepaar dringend verdächtig
gemacht, nämlich ihre eigene Tochter zur Unsittlich-

keit verleitet und verkuppelt zu haben. Der Verdacht
scheint gerechtfertigt zu sein, denn gestern wurde
das saubere Eltcrnpaar durch die Kriminalpolizei
verhaftet. — In einem Hause der Baderftraße brach
ein Zimmerbrand aus, der ziemlichen Schaden an-
richtete und drei Kinder in Erstickungsgefahr brachte.
Der Wind war durch das oben unbedeckte Kamin
gefahren und hatte unten das Feuer gegen am
Ofen hängende Wäsche herausgetrieben, die schnell
in Brand gerietb.
* Aus Vaden, 28. Jan. Bürgermeister Götz
von Zimmern bei Adelsheim wurde mit allen ge-
gen 1 Stimme wiedergewählt. — Nachdem in
Kommingen auch die dritte Bürgermeistcrwahl
ergebnißlos geblieben ist, wird der Staat einen
Bürgermeister einsetzen. — Bürgermeister Roggen-
moser von Eichsel wurde am 25. Januar ein-
stimmig Wiedergewählt. — Es schweben Verhand-
lungen wegen Errichtung einer höheren Bürger-
schule in Stadt Kehl. -- In Waghäusel ist
die Maul- und Klauenseuche wieder erloschen. —
Am 25. Januar wurde im Hochbergwald bei
Pforzheim eine Frau von einem Stolch an-
gefallen und vergewaltigt. — Farrenwärter L.
Dürrhammer in Zozneg wurde vom Gemeinde-
farren übel zugerichtet. Es wurden ihm mehrere
Rippen und der rechte Oberarm gebrochen und
eine weitere Wunde beigcbracht, die großen Blut-
verlust zur Folge hatte.
* Ehrstädt, 26. Jan. Von der bekannten
„Bescheidenheit" mancher Bettler lieferte letzter
Tage ein Mensch, der sich als „HockenbergerS Knecht"
aukgab, in hiesigem Orte ein anschauliches Pröbchen
dadurch, das er sich weigerte, einen Pfennig anzu-
nehmen und sich nur mit drei Pfennigen zufrieden er-
klärte. Schon voriges Jahr hatte derselbe die Un-
verfrorenheit, auf einer „Fechtour" das gleiche Ver-
fahren einzuhalten. Das Beste wird wohl sein, ihm
etwa wiederkehrenden Falles zu zeigen wo der Zimmer-
mann ein Loch gelassen hat.
* Stuttgart, 27. Jan. Aus der neuesten
Nummer des „Lehrerheims" erfahren wir, daß die
„Allgemeine deutsche Lehrerversammlung (Deutscher
Lebrertag) am 15., 16. und 17. Mai d. I. in
Stuttgart abgehalten wird. Die Ver,ersammlung
findet am 14. Mai abends statt.
* Stuttgart, 27. Jan. Mit der heute vom.
Gemeinderath beschlossenen Errichtung eines städ-
tischen Arbeitsamtes hat unsere Stadt einen wei-
teren bedeutsamen Schritt in der Arbeiterfürsorge
gethan, der zweifellos Schule macht. Bereits nach
Erscheinen des von dem vormaligen Gewerbe-
richter Lautenschlager ausgearbeiteten Programm-
entwurfs sollen verschiedene größere deutsche
Städte, u. a. Erfurt, nach demselben städtische
Institute eingerichtet haben.
* Paris, 26. Jan. Nach Meldungen aus Bou-
logne sur Seine explodirte heute Mittag in der
Waschanstalt ein Dampfkessel. 10 Personen sollen
getödtct, 60 verwundet sein. Aus den Trümmern
sind 2 Leichen und eine schwerverwundetc Frau
hervorgezogcn worden. Da gerade Mittagspans»
war, befanden sich im Waschhause nur etwa 10
Frauen. Man befürchtet, daß die meisten um-
gekommen sind.__
Werrnischtes.
— Des Rüthselmannes Brautfahrt. Eine
räthelhafte Geschichte, die aber beweist, daß die
Klugen und die — Andern nicht alle werden, er-
zählt der Frankfurter Polizeibericht: Am Samstag,
20. Januar, wurde ein Mann, der sich Karl Balz
nannte, in einein hiesigen Hotel verhaftet. Sein
richtiger Name ist Gustav Höpfner aus Essen. Er
hatte Anfangs Januar sein elterliches Haus heim-
lich verlassen und war mit seiner Braut, Helene
Bausch aus Ruhrort nach Frankfurt gereist, wo
beide, nachdem sie einige Tage in hiesigen Hotels
logirt hatten, als Eheleute Höpfner ein Privat-
quartier nahmen. Nachdem das mitgebrachte Geld
aufgebraucht war, kam Höpfner, um sich Eristenz-
mittel zu verschaffen, auf folgende, nicht ganz neue
Idee. In der „Essener Volkszeitung" annoneirte
er ein Räthsel, dessen richtige Lösung „Windthorst"

unschwer zu errathen war, in etwa 14 anderen Zei-
tungen Nord- und Mitteldeutschlands annonrirte
er ein ähnliches Räthsel, dessen richtige Lösung
„Bismarck" lautete. Dem ersten Einsender der
richtigen Lösung war als Preis eine vergoldete Uhr,
dem zweiten ein feiner Regulator, dem dritten ein
goldenes Armband, und allen übrigen Einsendern
eine Reiseweckeruhr als Preis in Aussicht gestellt.
Der Lösung mußte aber eine Mark in Briefmarken
beigelegt werden, die bei nicht richtiger Lösung zu-
rückgeseitdet würden. Höpfner hat sich in seiner
Erwartung nicht getäuscht. Es wurden bei der
nach seiner Verhaftung vorgsnommenen Durch-
suchung seines Hotel-Zimmers an 300 Briefe, in
denen die Näthsellösung und die geforderten Brief-
marken enthalten waren, beschlagnahmt. Inzwischen
sind schon wieder an 200 solcher Briefe für Höpf-
ner bei der Post eingegangen, deren Beschlagnahme
und Erbekmng veranlaßt worden ist. Die erhal-
tenen Briefmarken hatte Höpfner sofort gegen Baar-
geld umgewechselt und das Geld größtentheilö ver-
ausgabt. Er hatte zur Sicherung des Gelingens
seines Vorhabens und zur Irreführung der Be-
hörde die richtigen Lösungen unter dem Namen
Karl Bolz an ein kiesiges Hotel adressiren lassen,
wo er sogenanntes Scheinquartier genommen batte.
Die auSgesctzten Preise hatte Höpfner nicht im
Besitz; auch konnte er nicht glaubhaft nachweisen,
daß er sich um deren Beschaffung bemüht hätte.
— Ein Porträt, dessen Modell sich getroffen
fühlt. Aus München schreibt man: Vorsicht für
Kunstkritiker! Ein hiesiges Blatt hatte in seinem
Wochenbericht über die Kunstvereinsausstellungen
ein Porträt, das einen dem Berichterstatter und
der Redaktion persönlich nicht bekannten, von anderer
Hand psrträtirtrn Maler darstellt, abfällig beurtheilt.
Der Porträtirte fühlte sich dadurch beleidigt und
verlangte durch einen Rechtsanwalt unter Klage-
androhung die Erklärung, daß die Zeitung nur
„die, malerische Auffassung, nicht die äußere Er-
scheinung und die geistige und sittliche Eigenschaft
des Dargestellten" habe kritisiren wollen. Das
Blatt erwidert darauf mit einer launigen Ab-
fertigung.
- Ein 100-jähriger Arzt. Dr. Borsy in
Havre feierte kürzlich seinen 100. Geburtstag. Er
ist behend, heiter und schlank wie eine Tanne.
Ein Redakteur des „Temps" wünschte von ihm
das Geheimniß seines langen Lebens zu erfahren.
„Ich bin ein Feind jeder vorschriftsmäßigen
Lebensweise", sagte der Alte, wenigstens befolge
ich sie nicht. Meine Devise ist: Von allem
etwas, aber nichts im Uebermaß. Jeden Tag,
Sommer und Winter stehe ich um 7 Uhr auf,
ich rasire mich selbst, denn ich habe keine Zeit,
den Barbier zu erwarten, und dann gehe ich aus,
um meine Patienten zu besuchen. Seit längerer,
Zeit habe ich meine Wagenfahrtcn, die mich er-
müdeten, aukgeben. Ich gehe zu Fuß und nur
wenn schmutziges Wetter ist oder die Straß.n mit
Schnee bedeckt sind, besteige ich die Pferdebahn,
doch gehört das zu den Ausnahmen. Sogar
heute an meinem Geburtstage bin ich seit 7 Uhr
aus den Beinen und bis Mittag habe ich Be-
suche gemacht. Bei meiner Rückkehr habe ich
kaltes Geflügel gegessen." „Trinken Sie Kaffee?"
„Ob ich trinke. Das ist sogar meine Leiden-
schaft. In den Kolonien trank ich bis zu 40
Tassen täglich. Sie sehen hieraus, daß der
Kaffee kein Gift ist, wie manche Aerzte behauptet
haben. Ich habe mich immer eines ausgezeichneten
Appetits erfreut, und es fehlt mir auch nicht ein
einziger Zahn."
— Der Hof von Madagascar. Auf Mada-
gascar wird die Lage der französischen Kolonisten
bekanntlich immer gespannter. Zu den großen Be-
schwerden derselben gegen die Hovas kommen noch
allerei kleine. So berichtet man von dort ge-
legentlich der Anwesenheit der Königin von
Madagascar in Tsarasaotra folgendes Geschichtchen,
das auf die Ungenirtheit der dortigen Würden-
träger ein Licht wirft. Es war sestgestellt worden,
das die Europäer während jener Zeit von ihren
Wäscherinnen ihre Wäsche nur mit größter Mühe

blieb. „Ich würde bereitwillig sterben," sprach
sie zu sich selbst, „wenn ich meines Vaters Recht-
fertigung sichern könnte; aber ich möchte nicht auf
solche Weise beseitigt werden, so lange meine Mis-
sion nicht erfüllt ist. Renard muß wohl meinen
Verdacht, daß er der wirkliche Mörder des letzten
Marquis ist, ahnen; seine letzten Maßnahmen
gegen mich bestätigen meinen Verdacht. Er ist
eben so schlau wie boshaft. Wie soll ich seine
Schuld beweisen?"
40. Kapitel.
Eine Bedingung.
Weder Mrs. Jngestre noch Alera erschienen an
diesem Unglückstage bei Tische.
Am Abend kam Mrs. Matthews, die Haus-
hälterin, gefolgt von einem Mädchen, welches allerlei
Delikatessen auf einem Servier-Teller brachte, zu
Alexa, um sich nach deren Befinden zu erkundigen.
Auf Einladung von Alexa rückte sie einen Stuhl
an den Kamin und setzte sich.
Alexa erkundigte sich nach Mrs. Jngestre.
„Sie ist sehr krank," antwortete die Haus-
hälterin, „der Schreck, das kalte Bad und dann
die Fahrt in den nassen Kleidern haben ihr eine
Art Fieber zugezogen. Die arme alte Dame
klagt sehr."
Alexa sprach ihr Bedauern aus und wollte
zu Mrs- Jngestre gehen, um sie Pflegen zu
helfen. Mrs. Matthews rieth ihr jedoch da-
von ab.
Letztere verbrachte den größten Theil des Abends
bei Alera, die sie in der kurzen Zeit ihres Aufent-
halts in dem Schlosse sehr lieb gewonnen hatte.

Alexa brachte das Gespräch auf das Familien-
drama der Montherons, und Mrs. Matthews
mußte die ganze Geschichte erzählen, aber sie konnte
nichts Wesentliches hinzufügen, was Alera nicht
bereits wußte.
„Sie glauben, daß Lord Stratford seinen
Bruder mordete?" fragte Alexa.
„Wie könnte ich etwas anderes glauben?"
fragte die Haushälterin verwundert. „Aber ich
kannte Lord Stratford zu gut, daß ich weiß, er
that es nicht mit Ueberlegung. Er that es im
Zorn. Er war die Rechtschaffenheit und Offenheit
selbst, aber er war heißblütig und ließ sich leicht
durch äußere Einflüsse hinreißen. Niemand in
Cornwallis glaubt, daß er den Mord mit Ueber-
legung beging."
Alexa seufzte bei dem Gedanken, daß Niemand
von Denen, die ihren Vater gekannt, und geliebt
hatten, außer ihrer Mutter, jemals an seiner
Schuld gezweifelt hatte.
Als Mrs. Matthews sie verlassen hatte, gab
sich Alera wieder ihren Gedanken hin. Die vor
ihr sich aufthürmenden Schwierigkeiten schienen ihr
unüberwindlich zu werden. Aber dennoch hatte sie
einen nicht unbedeutenden Erfolg in ihrer Mission
errungen, und diese Thatsachen erfüllte sie mit
Muth und Hoffnung.
Am anderen Morgen war Mrs. Jngestre so
krank, daß sie das Bett nicht verlassen konnte;
Alexa brachte einige Stunden bei ihr zu und be-
gab sich dann zu einer Promenade hinaus auf
die Terrasse, wo sie mit Lord Kingscourt zu-
sammentraf.
Am Nachmittag kam ein Brief für sie von

Lady Wolga, welche von dem Unglück gehört halte
und besorgt um des Mädchens Gesundheit war.
Sie bat Alexa nach Clyffeboume zu kommen und
erinnerte daran, daß sie, — Lady Wolga, —
Clyffebourne bald verlassen werde und erwarte,
Alexa werde sie begleiten.
Alera beantwortete den Brief sogleich dahin,
daß sie am anderen Tage nach Clyffebourne kommen
würde, und schickte die Antwort durch den Boten
der Lady Wolga.
Am Abend desselben Tages stand Lady Wolga
an einem Fenster ihres Salons und blickte hinaus.
Die Gäste hatten sich zurückgezogen und so befand
sie sich allein. Es war draußen feierlich still.
Friedlich lag die See da, von dem magischen
Licht des Mondes übergossen. Lady Wolga ver-
spürte Lust zu einem Spaziergang am Ufer. Sie
war noch nicht müde.
Sie klingelte und befahl dem eintretenden
Diener, ihr Felice zu senden, welche wenige Minuten
später auch erschien.
„Bringe mir einen Shawl, Felice," sagte die
Lady. „Ich will noch ein wenig hinausgehen.
Du kannst mit mir kommen."
Obwohl es schon spät war, machte Felice keine
Einwendung, sondern führte willig den Befehl
ihrer Herrin aus. Sie brachte ein großes warmes
Tuch und hüllte es um ihre Herrin.
„Soll ich einem der Diener sagen, daß er
mitkommen soll, Mylady?" fragte sie.
„Nein, gewiß nicht. Ich gebrauche hier keinen
Beschützer. Wer sollte mir etwas zu Leide thun?
Es genügt, wenn Du mit mir gehst, Felice."
Lady Wolga ging durch die Halle hinaus

und langem Verzug geliefert erhalten konnten.
Die angestellte Untersuchung ergab, daß die Wäsche
der Europäer und die Jupons der Europäerinnen
von den madagassischen Wäscherinnen mittlerweile
— an die Offiziere und die Hofdamen der Königin
verliehen worden waren!

Lokcrle MiLMeilungen
ans Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 2a. Januar-
* Gauturntag. Gestern Nachmittag fand im
binteren Lokale des „Faulen Pelz" ein zahlreich besuchter
Gauturntag des „Rheiu-Ncckar-Gciucs" statt. Einen
Bericht über die Verhandlungen mußten wir wegen
Raummangels leider für die nächste Nummer zurück-
stellen-
* Die Karmevalsvermrstaltuirgen der hiesigen
Vereine folgen sich Schlag auf Schlag. Der „Zither-
verein" hielt in den Sälen des „Prinz Max" am
Sonntag Abend seinen Maskenball ab, der besonders
von sehr hübsch kostümierten Damen sehr besucht war,
aber auch unter den Herren war manch originelles
Kostüm zu erwecken. Da es an der nöthigen Fastnachts-
laune nicht fehlte, so konnte auch ein fröhlicher Ver-
laus des MaskenfcsteS nicht ausbleiben. Die Theil-
nehmer und nicht minder auch die Theilnehmerinnen
werde» die heiteren Stunden dieser Veranstaltung gewiß
yoch lange in fröhlichem Andenken behalten. — Zu
gleicher Zeit fand im Saale zum „Zwinger" ein gut-
besuchtes Maskenkränzchen der „Liederhalle" statt, bei
welchem gleichfalls die gemüthlichste Stimmung herrschte.
- Im „Faulen Pelz" hielt die „Concordia" am
Samstag Abend ihren Herreu-Kappeu-Abend bei zahl-
reichem Besuche der Säuger und passiven Mitglieder.
Das humoristisch-närrische Programm enthielt eine Reihe
fröhlicher Gesänge, urkomischer Vorträge und Solo-
szenen, meist von zwerchfellerschütternder Wirkung, so
daß der Abend den heitersten Verlauf nahm. — Ein
Bericht über den humoristischen Familien-Abend der
Zither-Gesellschaft folgt nach.
* Charitas. Am gestrigen Sonntag ragte im
„Badischen Hof" dahier die ö. Generalversammlung der
altkatholschen Sterbekasse „Charitas". Der
Verein, dem auch Evangelische mit gleichen Rechten
beitreten können, zählt 1464 Mitglieder; bei nur 12
Pfennig Beitrag betrügt das Sterbegeld 150 Ml. Das
Vereinsvermögen stellt sich zür Zeit ans 3600 Mark.
Vorstand ist Herr Stadtpfarrer Stubenvoll. Bereits
sind 32780 Mark Sterbegelder an meist unbemittelte
Hinterbliebene ausbezahlt worden, gewiß ein schöner
Beitrag zur Lösung der sozialen Frage.
* Ltadttheater. Man muß gesteben, daß untere
TbeatcrLirektion mit Vorführung von Novitäten flott
vorangcht, denn kaum sind einige Tage seit der Ickten
Novität verflossen, so erhalten wir schon wieder eine
solche vorgesetzt. ES ist dies das Lustspiel „Der Herr
Senator" von Schömhan und Kadelburg, ein Stück,
das erst an zwei oder drei Bühnen gegeben worden und
nun auch bereits auf unserem Stadttbeater erscheint.
Da von iämmtlichen Darstellern die zum großen Theile
sehr dankbaren Rollen vortrefflich gegeben wurden, fehlte
es an lebhaftem Beifall ebensowenig, wie an stürmische«
Lachsalven und wiederholten Hervorrufen der Darsteller.
Das Hans war, trotz der vielen Karueoalsreranstaltungcn
in unserer Stadt dicht besetzt.
* Tkc«tcrttotiz. Der hente Abend stattfindende
studentische Kaiser-Commers veranlaßt die Theater-
Direktion heute Abend das Theater geschloffen zu
halten und dagegen morgen abend als Vorstellung im
Abonnement die letzte Aufführung der Oper „Don
Juan" zu geben in der bekannten Besetzung.
* Polizeiliches. Gestern Nachmittag wurden
hier 2 Individuen wegen Bettels und Laudstreicherel
zur Haft gebracht- Desgleichen eine Frauensperson.
Mehrere junge Leute kamen in vergangener Nacht we-
gen Ruhestörungen, Thätlichkeiten und Unfugs zur
Anzeige.
Hnrrdschuhsüeim, 28. Jan. Wie alljährlich,
fo wurde auch dieses Jahr das Geburtsfestunseres
Kaisers am Vorabend und am Festtage selbst einge-
läutet. Um ein halb 9 Uhr war Kircheuparads und
Festgottesdieust. Predigt über Psalm 122.
U. KirchhcUrr, 28. Jan. Die Feier des Geb urts'
tags des Kaisers wurde auch hier in üblicher Weise
begangen. Am Vorabend Zapfenstreich von der Feuer-
wehrkäpelle; am Tage selbst Festgottesdienst und Abends
Ball vom Militärverein im Gasthaus zum „Hirsch s-
Hier begrüßten der I. Vorstand, Herr H. Becker du
sehr zahlreich Erschienenen, während Herr M. Treiber
in schwungvollen Worten das Hoch auf den Kaiser aus-
brachte. Herr Grieser, wies auf das bedeutsame
Ereigniß der Versöhnung mit Fürst Bismarck hin und
brachte ein Hoch auf den treuesten Paladin des Kaisers,
auf S. K. H. den Großherzog Friedrich aus- Ein
bestens vorbereiteter, von Herrn Treiber geleiteter
Cotillon rief die heiterste Stimmung hervor, die bis in
die späte Morgenstunde anhielt. Zu gleicher Zeit hielt
der Kricgerverciu in der Restauration Guglcr eine ge-
sellige Abendunterhaltung mit Tanz, die ebenfalls einen
schönen Verlauf nahm.

und schritt langsam den Klippen zu. Felice
folgte in geringer Entfernung. Vor einem
steilen Abhang blieb die Lady stehen und blickte
gedankenvoll über das ruhige Meer. Sie hatte
nicht bemerkt, daß die Gestalt eines Mannes sich
eilig vor ihr in's Gebüsch geflüchtet hatte, bis er
hinter einem Felsblock, kaum 5 Schritte von ihr ent-
fernt, stehen blieb.
Dieser Mann war ihr geschiedener Garte, der
zum Tode verurtheilte und flüchtige Lord Strat-
ford Heron.
Dies war sein dritter Besuch zu Clyffcbourne-
Er hatte zwar gelobt, nicht wiederzukommen
aber so lange Lady Wolga hier weilte, hatte das
Schloß für ihn eine unwiderstehliche Anziehungskrast-
Die Fensterläden des Salons wurden des
Abends nicht verschlossen, und so hatte er stets
Gelegenheit, seine geschiedene Gattin zu sehen,
während er selbst ungesehen blieb. Er hatte sich
aber fest vorgenommen, daß dieses das letzte Matz
gleichsam ein Abschiedsbesuch sein sollte; denn «m
Alexas Willen durfte er sich nicht einer Entdeckung
aussetzen.
Als er nun nahe bei ihr stand, durch kein?
Mauer von ihr getrennt, erfaßte ihn ein mächtiges
Verlangen, sie anzureden und ihre Stimme wievet
zu hören. Seine Pulsen schlugen heftig, sein IM
wallte siedend heiß, ihm zu Kopfe dringend
seine Sinne betäubend. Es war ihm, als stäube
er im Feuer.
„Sie kann mich nicht erkennen", dachte er,
„und ich werde sie nie wiedersehen. Es ist urff^
Abschied für immer, obwohl sie es nicht weiß.
will mit ihr sprechen."
 
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