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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 19. Juni)
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Nummer 135. H. Jahrgang.

Neuer

Mittwoch, 13. Juni 1391.

General-WAmeiger

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für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung).

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holung entsprechender Rabatt.
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Russisches Getreide in Deutschland.
Ueber die Einfuhr russischen Getreides nach
Deutschland im ersten Monat nach Inkrafttreten
des deutsch-russischen Handelsvertrages geben die
Uebersichten der russischen Handelsstatistik für den
Monat April 1894 beachtenswerthe Zahlen, welche
insbesondere bei einer Vergleichung mit den ent-
sprechenden Zahlen der Vorjahre von Interesse
find. Die Unterscheidung des Getreides „russischen
Ursprungs" von allem übrigen Getreide wird in
der deutschen Handelsstatistik indessen erst seit dem
Jahre 1889 durchgeführt. Eine Vergleichung für
diesen sechsjährigen Zeitraum liefert nun folgendes
Ergebniß:

Einfuhr russischer Waare in Doppelzentnern
1889
Weizen
199 731
Roggen
960877
1890
143 816
433572
1891
225570
484157
1892
163626
146937
1893
5 775
29317

1894 75 052 256 292
An Brodgetreide ist darnach die Einfuhr rus-
sischen Ursprungs 1894 keineswegs ungewöhnlich
groß gewesen. Allerdings überragt sowohl in
Weizen wie in Roggen die diesjährige Einfuhr
erheblich die vorjährige, weil infolge einer über-
aus günstigen inländischen Ernte die Einfuhr im
Jahre 1893 geringer gewesen ist als seit Jahr-
zehnten; aber gegen die Vorjahre 1889—1891,
wo doch die hohen Zölle unverändert für alles
ausländische Getreide galten, steht das Jahr 1894
weit zurück und auch im Durchschnitt der vorauf-
gegangenen fünfjährigen Periode 1889—1893 ist
die Einfuhr sehr erheblich größer gewesen als im
laufenden Jahre. Bei den anderen beiden Haupt-
getreide-Arten, Hafer und Gerste, zeigt sich eine
andere Entwicklung. Denn cs betrug die
Einfuhr russischer Waare in Doppelzentnern
Hafer Gerste
1889 129855 166696
1890 173 724 175 810
1891 68917 225 450
1892 765 33192
1893 121 70323
1894 361750 276096
An beiden Arten Futtergetreide — denn bei
der russischen Gersten-Einfuhr handelt es sich im
Wesentlichen um Futtergerste — hat mithin im

Das Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Frankenstein.
62) (Fortsetzung.)
Bernice blieb vor dem Fenster stehen und
schaute hinein.
In dem Fenster standen die verlockendsten
Stücke des Kuchenbäckers ausgestellt. Bernice's
Blicke glitten über die Kuchen hinweg in das
Innere des Ladens. Es war ein Helles, freund-
liches Zimmer, mit Ladentischen zu beiden Seiten.
„Wie angenehm es drinnen ist," dachte Ber-
nice, vergeblich nach einem menschlichen Wesen im
Innern des Ladens spähend. „Ich möchte wohl
eine Tasse Kaffee haben. Es ist ein französischer
Laden, der Eigenthümer heißt Pierre Bongateau.
Hieß Fisine nicht Bongateau? Ich glaube, ihr
Vater war ein Kuchenbäcker — vielleicht gehört
dieser Laden Fisine's Vater!"
Sie sah mit sehnsüchtigen Blicken in das
Zimmer hinein. Ein Frauenzimmer mit einem
Korb am Arme eilte an Bernice vorbei und trat
in den Laden ein. Wie sie die Ladenthüre auf-
stieß, ertönte ein starkes Geläute von einer mit
der Thüre in Verbindung stehenden Glocke. Ein
Mädchen kam aus einem Zimmer hinter dem
Laden hervor, um die späte Kundin noch zu
bedienen.
Man sah aus den ersten Blick, daß das Mäd-
chen eine Französin war. Sie trug ein eng-
anschließendes, schwarzes Kleid, eine weiße Schürze
mit rothen Bändern, und ein kokettes weißes
Häubchen, gleichfalls mit einem rothen Bande.
Das dunkle, magere Gesicht unter dem Häubchen,

April d. Js. eine ungewöhnlich große Einfuhr
stattgefunden, aber sie entspricht auch dem inlän-
dischen Bedarf, der infolge der vorjährigen Futter-
noth bereits in den letzten Monaten des Jahres
1893, trotz der damals gegen die russische Waare
bestehenden Differenzialzölle, zy starken Bezügen
von Hafer und Gerste aus Rußland nöthigte. —
Ueber die Getreideeinfuhr aus Rußland im Monat
April hat sich demnach die deutsche Landwirthschaft
sicher nicht zu beklagen. Von einer Ueberschwem-
mung mit Brodkorn kann nicht die Rede sein,
und bei der nothwendigen, starken Einfuhr von
Futtergetreide sind die durch den Handelsvertrag
herbeigeführten Zollermäßigungen sogar dem größten
Theile der deutschen Landwirthschaft zu Gute ge-
kommen. Im klebrigen bestätigen die angeführten
Zahlen aufs Neue, daß, wie auch die Zölle be-
messen werden mögen, die Einfuhr sich in jedem
Falle dem Bedarf anzupassen sucht.
Deutsches Reich.
Berit«, 12. Juni.
— Gegen Ende der vorigen Tagung kam im
Reichstage eine konservative Interpellation über
die beabsichtigte Neuausprägung von 22 Millionen
Mark Reichssilbermünzen zur Verhand-
lung. Die Bimetallisten nahmen zu diesem Vor-
haben eine mißtrauische Stellung ein, da die
Ausprägung trotz des Rückgangs des Silberpreises
nach dem alten Münzfuß geschehen soll. Bei
dieser Gelegenheit ist die Nothwendigkeit einer
Vermehrung der silbernen Scheidemünzen ein-
gehend zur Sprache gekommen und wurde nament-
lich von dem Staatssekretär Grasen Posa-
dowsky und dem Reichsbankpräfiderten Koch
überzeugend nachgewiesen. In der That bedarf
man gar keiner tieferen Kenntnisse über unsere
Münzverhältnisse, um die Nothwendigkeit einer
erheblichen Vermehrung unserer groben Silber-
münzen anzucrkcnnen. Das tägliche Leben be-
lehrt uns darüber jeden Augenblick. Man hat
manchmal Mühe, einen Hundertmarkschein, oder
selbst nur ein Goldstück wechseln zu lassen. Häufig
hört man die Frage: Haben Sie es nicht kleiner?
Dieser Mißstand wird immer ärger. Nächstens
wird man noch immer Zuschlag für Silbergeld
trotz seiner Minderwerthigkeit darauf legen müssen.
Von der beabsichtigten Vermehrung der Ausprägung
hat man noch nichts verspürt. Es wäre dringend
Zeit, daß ungesäumt und ausreichend Abhilfe ge-
troffen wird.
— In einem Artikel, der betitelt ist »Die Un-
einigkeit der Regierung", führt die „Vossische Ztg."
aus, Miquel bringe Steuerplänen, welche die
Reichsregierung amtlich gar nicht kenne, noch prüfe,
freundliche Aufmerksamkeit entgegen, und dadurch

mit den glänzenden, schwarzen Augen und dem
lebhaften Ausdrucke kam Bernice bekannt vor.
Es war Fisine, ihr früheres Kammermädchen.
Bernice beobachtete die Französin mit sehn-
süchtigem Blicke. Die Kundschaft ging bald mit
einem wohlgefüllten Korbe fort, und Fisine be-
gann die Kuchen mit Glasdeckeln und Drahtge-
flechten zu bedecken.
„Sie wird den Laden bald schließen," mur-
melte Bernice, „und dann werde ich doppelt allein
sein. Fisine liebte mich, sie war gutherzig — ich
bin furchtbar müde. Ob sie mir für die Nacht
ein Obdach geben, ob sie mich verrathen würde?
Ich möchte es wagen und hineingehen."
Unentschlossen stand sie einige Augenblicke da.
Hier war Nahrung, Behaglichkeit, Wärme — und
sie war bis ins Innerste erstarrt, heimathlos in
dem Regen.
Was sollte sie thun? Sie beobachtete Fisine
mit aufmerksamen Blicken. Einen Augenblick
lang war sie im Begriffe, in den Laden einzu-
treten; im nächsten bebte sie davon zurück, sich
zu verrathen.
Doch bald war diese Frage für sie entschieden.
Eine lärmende Gesellschaft junger Männer bog'in
die Gasse ein und näherte sich ihr. Als sie die
einsame Dame erspähten, trat einer der Männer
mit rohem Lachen auf sie zu und bemühte sich,
ihr in das Gesicht zu sehen.
„Laß' Dich einmal ansehen, kleine Schönheit,"
sagte er. „Was — schüchtern? Hier, Jungens,
das ist etwas Neues! Ein wirklich schüchternes
Mädchen, obwohl es um diese Stunde allein auf
der Straße ist. Bah!« Sie verstellt sich nur.

würden die Gewerbe immer mehr beunruhigt. Man
kolportire geschäftig Briefe, in denen zu lesen sei,
daß Miquel erklärt habe, eine Privatagitation für
das Spiritusmonopol Projekt des Herrn v. Diest-
Daber werde im angenehm sein. Handle hier Herr
Miquel auf eigene Faust oder habe er sich der Zu-
stimmung der Reichsregierung vergewissert?
— Süddeutsche und mitteldeutsche Brauereien
fragten anläßlich des Bierboykotts bei hiesigen
Brauereien an, ob die Gründung eines Verbandes
der Brauereien Deutschlands angezeigt er-
scheint. Die Beantwortung der Frage wird für
die nächste Woche erwartet.
Karlsruhe, 12. Juni. Ihre König!. Hoh.
die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen
wird morgen, Mittwoch, Abend die Rückreise nach
Schweden antreten und, ohne Aufenthalt unterwegs,
über Hamburg und Kopenhagen sich zunächst nach
dem Landsitz S. Maj. des Königs »Sophieruh"
bei Helsingborg in Schoonen begeben und dort mit
Ihren Majestäten dem König und der Königin,
sowie S. König!. Hoh. dem Kronprinzen Zusammen-
treffen. Die Kronprinzessin wird dort den Ge-
burtstag des Kronprinzen begehen. Darnach be-
geben sich die Kronprinzlichen Herrschaften nach
ihrem Landsitz Tullgarn, wo seit heute die drei
Prinzen die hohen Eltern erwarten und ein längerer
Aufenthalt bevorsteht. Das Befinden Ihrer Kgl.
Hoheit der Kronprinzessin hat sich in neuester Zeit
wesentlich gebessert; besonders ist derselben der
Aufenthalt in Baden-Baden sehr gut bekommen. —
Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die
Großherzogin werden nächsten Donnerstag den
ganzen Tag in Karlsruhe zubringen.
München, 11. Juni. Prinzregent Luit-
pold hat m einem an den pfälzischen Regierungs-
präsidenten v. Auer gerichteten längeren Hand-
schreiben seine Freude über den schönen Empfang
während seiner Reise in der Pfalz, sowie seinen
Dank ausgedrückt. Zum Schluffe heißt es in
dem Schreibe^ „Gerührt war ich namentlich
durch die so iöarme und loyale Antheilnahme,
die ich überall von Seiten der Arbeiterbevölkerung
fand. Sagen Sie den lieben Pfälzern, daß mein
eigenes Glück durch das Wohlergehen des Volkes
bedingt ist. Gott schütze stets die treue herrliche
Pfalz!"
Ausland.
Wie», 11. Juni. Die neuerlich aufgetretenen
Gerüchte, Kalnoky werde, als Folge der un-
garischen Krisis, seine Demission geben, wird vom
Auswärtigen Amt nachdrücklichst dementirt.
Pest, 11. Juni. Der Kais er empfing gestern
zwei Hauptführer der Oberhaus-Oppofition: den
Obersthofmeister Grafen Geza Szapary und den
Grafen Csekonics in längerer Audienz, was
Gib mir einen Kuß und lasse Dich von uns nach
Hause begleiten!"
Er streckte seinen Arm aus, um sie zu um-
schlingen. Mit einem erstickten Schrei sprang
Bernice von ihm weg und lief in den Laden hin-
ein, wobei die Glocke heftig ertönte.
Fisine wandte sich der Eintretenden zu und
schaute zur Thüre hinaus. Sofort begriff sie,
was vorgegangen war.
„Setzen Sie sich, Mademoiselle," sagte sie sanft
und leise. „Die Männer werden bald fort sein.
Sie sind hier in Sicherheit."
Bernice's Gesicht war noch vom Schleier ver-
hüllt; sie schlug ihn zurück und stand bleich in
ihrer wunderbaren Schönheit da.
„Fisine," sagte sie leise, „man hält mich für
todt. Ich weiß es, ich bin verändert, aber er-
kennen Sie mich nicht?"
Die Stimme wurde schneller erkannt als das
liebliche Gesicht. Fisine taumelte keuchend zurück,
und im Glauben, ein wirkliches Gespenst zu sehen,
stürzte sie mit einem gellenden Schrei ohnmächtig
nieder.
47. Kapitel.
Eine Zuflucht.
Die betrunkenen jungen Leute, deren Be-
schimpfungen Bernice veranlaßt hatten, Schutz in
dem Laden des Kuchenbäckers zu suchen, gingen
weiter, als sie sahen, daß ihr beabsichtigtes Opfer
ihnen entschlüpfte. Niemand im Hause wurde von
Iisines Schrei geweckt. Die junge Lady Chet-
wynd und ihre frühere Dienerin waren ganz allein
zusammen. Bernice bemüht sich zuerst, Fisine ins
Leben zurückzurufen.

mit der angeblich nächsten Montag stattfindenden
zweiten Abstimmung im Oberhause in Verbindung
gebracht wird.
Rom, 11. Juni. Brin lehnte es ab, in
daS neue Cab in et einzutreten, versprach aber,
es zu unterstützen. Wie man aus offiziöser Quelle
erfährt, hat die Krone Crispi absolute Vollmacht
gegeben sowohl für die Lösung der Krisis als auch
für eine etwaige Aenderung des Programms.
Danach ist es wahrscheinlich, daß Crispi mit einem
durch einige Freunde Brin's unerheblich modifi-
cirten Kabinet vor die Kammer kitt. Von einer
Absicht Crispi's, das Finanzprogramm zu ändern,
verlautet bisher nichts.
Brüssel, 11. Juni. Trotz der Abstinenz der
liberalen Linken beschloß die Regierungsmajorität,
nach Dienstag die Session weiterzuführen. Die
Antwerpener klerikalen Abgeordneten erklärten
jedoch, sie würden gelegentlich gegen die Majorität
mit der liberalen Minorität stimmen und sich
zurückziehen, wenn die Regierung auf den Ein-
gangszkllen beharre. Dadurch ist die Situation
des Ministeriums sehr gefährdet.
London, 11. Juni. Grey erklärt im Unter-
haus, die französische Regierung machte
in ihrer Mittheilung den vollsten Vorbehalt hin-
sichtlich des Abkommens zwischen England und
dem Kvngostaat, dessen Bestimmungen ihr un-
vereinbar mit den Arrangements zwischen Frank-
reich und dem Kongostaat und mit der internatio-
nalen Stellung gewisser Länder im Becken des
Obernils erscheinen. Die englische Regierung habe
hierauf sofort eine formelle Antwort abgesandt, in
der von der Mittheilung einfach Notiz genommen
sei, ohne die Gründe des Vorbehalts zu diskutiren
oder zuzugeben. Seitdem sei die französische Re-
gierung benachrichtigt worden, daß England bereit
sei, die Gründe von Frankreichs Einwand zu er-
örtern, und daß es bereit sei, mit der französischen
Regierung eine allgemeine Revision aller zwischen
den beiden Regierungen schwebenden afrikanischen
Fragen vorzunehmen, um die Beziehungen beider
Länder in jenem Lande zu regeln und auf einen
befriedigenden Fuß zu stellen.
London, 11. Juni. Das O b erh a uS nahm
mit 49 gegen 26 Stimmen in zweiter Lesung die
Bill an, die bestimmt, daß alle importirte Maaren
die Bezeichnung des fremden Ursprungs kagen
müssen, und die Einfuhr in fremden Gefängnissen
fabrizirter Gegenstände beschränkt. Im Laufe der
Debatte bekämpfte Playfair die Vorlage energisch
als eine schutzzöllnerische.
Loudon, 11- Juni. Die vereinigten Gruben-
besitzer Mittelenglands beschlossen definitiv eine zehn-
prozentige Lohnreduktion zu fordern, falls das nach'
dem Abkommen vom letzten November eingesetzte

Zuerst ließ sie Rouleaux an den Fenstern
herab, um die neugierigen Blicke der Vorüber-
gehenden auszuschließen. Dann sah sie sich nach
Wasser um. Ein Krug stand auf einem Laden-
tisch und Bernice schöpfte ein Glas voll Wasser
aus demselben, besprengte Fisine's Gesicht damit,
rieb ihre Hände und that alles Mögliche, um sie
zur Besinnung zu bringen.
Ihre Bemühungen wurden belohnt, indem Fisine
langsam zum Bewußtsein kam. Mit einem tiefen
Seufzer öffnete die Französin die Augen, schloß
sie aber gleich wieder und kreischte e'n zweites Mal
gellend auf. Lady Chetwynd beugte sich über die
ausgestreckte Gestalt und sagte sanft :
„Still, Fisine. Sie werden mit Ihrem Ge-
schrei noch die Polizei herbeiführen. Beruhigen
Sie sich. Können Sie nicht verstehen, daß ich
Lady Chetwynd bin?"
„O Himmel! Es ist ein Geist!" rief Fisine.
„Es ist eine Warnung! Ich soll nicht mehr lange
in dieser Welt sein! Ich sah mit eigenen Augen,
wie meine Lady begraben wurde, und jetzt ist ihr
Geist gekommen, um mich zu warnen, daß meine
Zeit bald um ist. Weh' mir!"
Bernice mußte unwillkürlich lächeln bei diesen
Worten, Sie hatte seit der Stunde ihres vermeinten
Todes nicht wieder gelacht, aber Fisine's Schaudern
und Entsetzen kamen ihr komisch vor.
Da aber Geister in der Regel nicht zu lachen
pflegen, so fing Fisine endlich an, daran zu zweifeln,
daß ihr Besuch ein Geist sei. Der Verstand der
Französin fing an, sich geltend zu machen. Dazu
schärfte sich ihr Gedächtniß, und sie erinnerte sich meh-
rerer Zufälle der letzten Tage in Chetwynd-Park, die
 
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