Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 121 - Nr. 130 (28. Mai - 7. Juni)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44554#0531

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nummer 128. H. Jahrgang.

Aeuev

Dienstag, 5. Juni 18S4.

General-GAnseiger

für Heidelberg und Umgegend

>j l


Expedition: Hauptstraße Hkr. 25.

Jnsertionsprciör
die Ispaltige Petiljetle oder deren Raum K Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.

Abonnementspreis r
mit «fettigem illuftrirtem Sonntagsblatt: monatlich
40 Pfennig frei tn's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: Kanptstraße "Mr. 25.


Geleseirstes Vlertt in Stadt rr. Anrt Heidetbevs rrnd Ltiirgegeird. Gvötzte^ Gr^fotg fÜV Inserate.

KW- Telephon-Anfchlutz Nr. 102. -WA

FsrtiVähreir-
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgem
unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Die Butter des kleinen Mannes.
In landwirtschaftlichen Kreisen wurde neuer-
dings mit besonderer Lebhaftigkeit über die Miß-
stände, welche in Folge der Fabrikation und des
Vertriebes der Margarine auf dem Buttermarkte
herrschen, geklagt und das Verlangen gestellt, eine
Verschärfung der Bestimmungen des Gesetzes über
den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter verlangt,
damit die Naturbutter-Produktion vor dem un-
lauteren Wettbewerb wirksamer geschützt und das
Publikum vor den immer mehr überhand nehmen-
den Butter-Verfälschungen besser bewahrt bleibe.
Vor Kurzem hat der Reichskanzler Erhebungen
über den gegenwärtigen Stand der Margarine-
Fabrikation und deren Einfluß auf den Handel
mit Naturbutter sowie über die bisher in den
einzelnen Bundesstaaten gemachten Wahrnehmungen
über die Wirksamkeit und etwaige Abänderungs-
oder Ergänzungs-Bedürftigkeit des gedachten Ge-
setzes eingeleitet, auch die Bundesregierungen um
Aeußerung über die Ausführbarkeit und Zweck-
mäßigkeit der von den Vertretern der Landwirth-
schäft befürworteten Verschärfungs-Maßregeln er-
sucht. Auf Grund des eingegangenen Materials
werden die erhobenen Beschwerden geprüft und die
zur Beseitigung obwaltenden Mißbräuche etwa ver-
anlaßten weiteren Maßnahmen in Erwägung ge-
zogen werden.
Wie man sieht, liegt die Sache noch im weiten
Felde. Geht der Zweck der Untersuchung nicht
weiter, als der „Reichs-Anzeiger" angedeutet, so
ist nicht das Mindeste dagegen einzwenden. Es
handelt sich dann lediglich um den unlauteren
Wettbewerb, den die Margarine vermischte Butter
als reine Butter bietet.
Das Gesetz von 1887 hat sich durchaus nicht
bewährt, so daß das Verlangen nach Abänderung
völlig berechtigt ist. Auf der andern Seite wird
sich kaum in Abrede stellen lassen, daß die Klagen
nicht so sehr der Sorge für das betrogene Pub-
likum, als der Mißstimmung über die Konkur-
renz entspringen. Das erhellt schon aus der That-
sache, daß in den Kreisen, welche über die Mar-
garine klagen, vor Allem der Ruf nach Vermin-
derung dies er Konkurrenz, wenn nicht gänzliche Be-
festigung derselben ertönt. Sind doch die Stim-

men gar nicht so selten, die rundweg ein Ver-
bot der Margarine-Fabrikation fordern oder eine
an Verbot grenzende Steuer.
Auf die Gefahr hin, in der jetzt vielfach üblichen
Weise für Feinde der Landwirthschaft erklärt zu
werden, können wir solche über das Ziel hinaus
gehende Bestrebungen nicht billigen. Die Mar-
garine ist ein Nahrungsmittel weiter Volkskreise
geworden, welche die theuere Butter nicht bezahlen
können. Dieses Nahrungsmittel künstlich zu ver-
teuern durch hohe Steuern oder sonstige Maß-
regeln, wäre unverantwortlich. Macht man den
ärmeren Klassen den Genuß der Margarine un-
möglich, so werden sie doch nicht etwa die noch
theuerere Butter kaufen, sondern Schmalz u. s. w.
oder gar nichts essen anstatt der Margarine.
Leider ist bei dem gegenwärtig tobenden Interessen-
kampf immer mehr die Meinung eingerifsen, die
Gesetzgebung könne die Aufgabe haben, Jedem,
dem eine Konkurrenz unbequem ist, diese vom
Halse zu halten.
Insofern die Fabrikation vornehmlich auslän-
disches Material benutzt, haben wir nichts gegen
einen Zoll, der die Benutzung einheimischer Pro-
dukte fördert. Alle Maßregeln dagegen, die nur
darauf abzielen, das Nahrungsmittel der ärmeren
Klassen zu vertheuern, damit die Butter noch
theuerer werde, müssen wir dagegen durchaus ver-
werfen. Man liebt es, die Margarine als ein
ekelhaftes und gesundheitschädliches Erzeugniß hin-
zustellen. An sich ist sie das durchaus nicht.
Gegen die Benutzung schlechten Materials müssen
allerdings Vorkehrungen getroffen werden.
Gewiß sähen wir es gern, wenn Niemand,
auch der ärmste Arbeiter nicht, Margarine äße,
sondern allgemein gesunde, nähr- und schmackhafte
Naturbutter gebraucht würde. Aber es geschieht
doch nun einmal nicht und kann nicht geschehen,
weil eben die ärmeren Leute die theuere Butter
nicht kaufen können. Oder sind etwa die Mar-
garine-Feinde bereit, ihre Butter zum Preise der
Margarine abzugeben, sobald die Margarine-Fabri-
kation verboten wird? Gewiß nicht, denn sie
wollen durch die Maßregeln gegen die Margarine
ja höhere Preise erhalten.
Also lasse man den Armen das Nahrungs-
mittel, das sie bezahlen können, vertheuere es
ihnen nicht, sondern sorge nur dafür, daß sie nicht
betrogen werden, indem man ihnen schlechte Mar-
garine für gute oder reine mit Butter vermischte
Margarine als Butter verkauft.
Deutsches Reich.
Berlin, 4. Juni.
— Gegenüber der Behauptung des „Jmparcial*,
daß Deutschland im deutsch-spanischen

Handelsverträge für die
Spaniens, Wein und Korkstopfen, gar keine Er-
mäßigung des autonomen Tarifs zugestanden habe,
sagt die „Nordd. Allg. Ztg.*, daß der autonome
deutsche Zoll für Wein in Fässern 24 Mk., für
Korkstopfen 30 Mk. für den Doppelzentner betrage.
Im deutsch-spanischen Vertrage sei aber der Wein-
zoll ermäßigt auf 10 Mk.; für Rothwein zum
Verschneiden und für Wein zur Cognacbereitung
auf 20 Mk.; für allen übrigen Wein in Fässern
sowie der Korkstopfenzoll von 30 auf 10 Mk.
Die spanischen Weininteressenten und die Kork-
stopfenindustrie, meint das Blatt, würden wohl
thun, solcher auf Unwissenheit der Menge be-
rechneten Agitation des „Jmparcial" kräftig ent-
gegenzutreten.
— Die Kommission für die zweite Lesung des
Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für
das deutsche Reich hat am 30. Mai, wie schon
berichtet, mit der Berathung des das Erbrecht ent-
haltenden letzten Buches des Entwurfs (88 1749
ff.) begonnen. Die allgemeinen Vorschriften der
88 1748 bis 1752, welche in der Hauptsache Be-
griffsbestimmungen enthalten, wurden sachlich nicht
beanstandet, oder zum Theil als entbehrlich ge-
strichen, zum Theil mit dem Vorbehalt angenommen,
sie mit anderen Vorschriften zu verbinden. Von
den W 1753 bis 1787, welche allgemeine Vor-
schriften über letztwillige Verfügungen enthalten,
wurden noch die 88 1753 bis 1757 erledigt. Die
Bestimmung des 8 1753 Absatz 1, welcher den
Grundsatz der Testierfreiheit ausspricht, erfuhr
sachlich keine Anfechtung; die Mehrheit war jedoch
der Ansicht, daß es einer besonderen Bestimmung dieser
Art nicht bedürfe, da der Grundsatz schon aus anderen
Vorschriften erhelle. Gegen den Absatz 2 des § 1753,
wonach eine letztwillige Verfügung von dem Erb-
lasser jederzeit aufgehoben werden kann, erhob sich
kein Widerspruch. Auch der 8 1754, der einen
Vertrag für nichtig erklärt, durch welchen sich je-
mand verpflichtet, eine letztwillige Verfügung zu er-
richten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder
nicht aufzuheben, gelangte nach dem Entwurf zur
Annahme. Gegenstand einer letztwilligcn Ver-
fügung kann nach den 88 1755 bis 1757 sein:
die Bestimmung des Erben sowie die Ausschließung
eines Verwandten oder des Ehegatten von der ge-
setzlichen Erbfolge ohne gleichzeitige Einsetzung
eines Erben, ferner ein Vermächtniß und eine Auf-
lage. Im Allgemeinen wurden die betreffenden
Vorschriften nicht beanstandet. Nur über die Be-
griffsbestimmung des Vermächtnisses und der Auf-
lage ergaben sich Meinungsverschiedenheiten; die
bezüglichen Vorschläge wurden schließlich der Re-
daktionskommission zur Prüfung überwiesen.
Karlsruhe, 3. Juni. Die Manöver der

Kavallerie-Division sollen in der Um-
gebung von Donaueschingen stattfinden; es be-
theiligen sich daran die 4 Kavallerieregimenter
des XIV. Armeekorps, 2 württembergische Regimenter
und eine Abtheilung reitender Artillerie. Die Hoch-
ebene der Baar eignet sich sehr gut zu derartigen
Hebungen, die auch früher von badischer Reiterei
dort vorgenommcn wurden. — Ein ziemlich scharfes
Kapitel liest der Bericht des Abgeordneten Wilckens
über den Nachtrag zur Gehaltsordnung
gewissen in der Presse aufgetretenen Bestrebungen
aus Beamtenkreisen, die Leistungen gewisser Diener-
kategorieen hinäufzuschrauben. Es wird darauf
hingewiesen, welch schlechten Eindruck diese Ergüsse
gemacht haben. In der gestrigen Kammersitzung
herrschte übrigens die sichere Erwartung, daß die
Vorlage zur Annahme gelangen werde, wenn auch
die einzelnen Redner sich dabei etwas vorsichtig
ausdrückten. Daß große Mittel aufgewendet werden
müssen, konnte man sich von Anbeginn an klar
machen bei der Betrachtung, daß allein die beiden
untersten Gehaltsklassen über 5000 etatsmäßigc
Beamte aufweisen; eine Mehrzuwendung von nur
100 Mk. bedeutet da schon eine halbe Million.
Doch muß weiterhin in Betracht gezogen werden,
daß ein überwiegender Theil dieser Beamtenklassen
der Eisenbahnverwaltung angehört, also einem großen
Transportunternehmen, das ebenso gut Privakunter-
nehmen sein könnte. — Im Laufe des letzten Jahres
find bei den Ministerien verschiedene Gesuche um
Gestattung der Errichtung von Hypothekenbanken
eingelaufen. Eine weitere Zulassung — einer
solchen bedarf es zur Ausgabe von Papieren auf
den Inhaber — ist aber noch nicht erfolgt, theilS
weil ein Bedürfniß hierfür noch nicht erkennbar
war, theils weil man die Entschließung des Reiches,
bezw. Preußens über etwa zu erlassende Normativ-
bestimmungen für solche Institute abwarten wollte.
Ausland.
Pest, 4. Juni. Der Kaiser ist heute früh
eingetroffen. Er wurde am Bahnhofe von vielen
Abgeordneten der Nationalpartei, sowie farblosen
Abgeordneten sehr lebhaft begrüßt. Eine vor dem
Bahnhofe angesammelte große Menschenmenge be-
grüßte den Kaiser mit begeisterten Eljenrufen.
Khuen-Hedervary wurde sofort nach der Ankunft
des Kaisers zur Audienz befohlen
Pest, 4. Juni. Bei der Ankunft desKönigs
waren trotz der frühen Stunde bei dem offiziellen
Empfange auffallend viele klerikale Abgeordnete aus
der Apponyi- und Dividentenpartei anwesend. Der
König sprach jedoch Niemand an. Die Morgen-
blätter verzeichnen nach der Resignation Khuen-
Hedervarys die Kandidaturen Koloman Szell und
Destder Banffy. Szell, ehemaliger Finanzminister
bis zur Okkupation Bosniens, ist ein Neffe Deak's.

brauche nichts mehr. Essen Sie nur, Frau Erol,
ich fühle mich jetzt ganz behaglich."
Sie streckte ihre Hände über dem Feuer aus.
Frau Erol sah, wie mager ihre Hände waren,
wie abgezehrt und bleich ihr Gesicht. Sie sah
aber unter der Blässe und Schwäche dieses Wesens
auch die Kraft eines erwachten Muthes, eines
starken und edlen Gefühles, einer großen, uner-
schütterlichen Seele.
Bernice hatte viel gelitten, seit Frau Erol
sie zum letzten Male gesehen; aber die Leiden
waren für sie nur eine Feuerprobe gewesen, und
sie war an diesem Abende trotz ihrer Schwäche,
Armuth und Hilflosigkeit ein muthiges, starkes
Weib.
Frau Erol setzte sich an den Tisch und be-
deutete Flack, ihr gegenüber Platz zu nehmen.
„Wo haben Sie sie gefunden?" fragte sie.
„In der Nebenstraße, auf der Vortreppe eines
Hauses. Es geht ihr ziemlich schlecht, wie Sie
selbst sehen können. Ich wette, sie hat sich seit
Wochen nicht satt gegessen."
„Es ist merkwürdig, daß Sie sie gefunden
haben. Ich hätte es nie erwartet. In London
einen Menschen suchen, ist so viel, als wenn man
in einem Heuschober eine Nadel suchen wollte.
Herr Monk wird sehr überrascht sein, wenn er
erfährt, daß wir sie gefunden haben. Sie müssen
ihm morgen gleich telegraphieren."
Die Beiden aßen ihr Abendbrot, und Flack
begab sich dann auf seine Dachkammer. Frau
Erol räumte die Ueberreste der Speisen weg und
machte sich auf dem Sopha ein Bett zurecht.
Das Bett im Nebenzimmer wurde für Bernice

hergerichtet und diese begab sich dann mit einem
Lichte dahin.
Frau Erol hatte sich sorgfältig jeder Frage
der jungen Marquise gegenüber enthalten, und ein
Zartgefühl an den Tag gelegt, für welches Ber-
nice ihr sehr dankbar war.
Bernice lag nicht wach, um über ihre Aben-
teuer oder Aussichten nachzudenken. Sie schlief
fast augenblicklich ein. Und dann schlich sich Frau
Erol in ihr Zimmer und untersuchte ihre Brief-
tasche, in der sie das einzige Dreipencestück, das
sie vor dem Hungertodte hätte schützen sollen, fand.
„Sie hat kein Geld, um ein zweites Mal zu
entfliehen," murmelte das Weib.
Dann nahm sie das Licht, neigte sich einen
Augenblick lang über die Schläferin und zog sich
zurück.
Am nächsten Morgen war Frau Erol zeitig
auf den Beinen.
Bernice versuchte aufzustehen, fand sich aber
zu schwach und ermüdet dazu. Die Frau brachte
ihr erst Thee und Gebäck und später eine kräf-
tigende Suppe und und gegen Mittag erschien die
junge Lady Chetwynd in ihrem grauen Reisean-
zug im Nebenzimmer.
Flack war schon früh ausgcgangen, um an
Monk zu telegraphieren und war noch nicht zu-
rückgekehrt. Bernice fühlte sich durch seine Ab-
wesenheit erleichtert. Er hatte sie immer sehr ehr-
furchtsvoll behandelt, aber sie mochte ihn nicht
leiden. Seine Schlechtigkeit stand ihm in den
häßlichen, unheimlichen Zügen geschrieben und Ber-
nice fürchtete ihn instinktiv, ohne sich die That-
sache einzugestehen.

Frau Erol brachte ihrem Gaste ein verlocken-
des Gabelfrühstück und Bernice verzehrte es. Als
sie gegessen hatte, sagte sie dankbar:
„Ich danke Ihnen für all' Ihre Güte, Frau
Erol, vielleicht werde ich es Ihnen eines Tages ver-
gelten können. Ich will Ihre Gastfreundschaft
keine weitere Nacht in Anspruch nehmen und doch bin
ich heute kaum im Stande auszugehen, um mir eine
passende Wohnung oder eine Stelle als Gouver-
nante zu suchen."
„Nein, das können Sie wirklich nicht, Fräu-
lein," sprach Frau Erol. „Sie dürfen nicht daran
denken, mich wieder zu verlassen. Was kann ein
junges und hilfloses Wesen, wie Sie, in London
anfangen?"
„Ich muß mir mein Brot verdienen."
„Das ist Unsinn, Fräulein Gwyn! Entfliehen
Sie dem Glücke nicht. Sie sind zu schön, um
sich selbst erhalten zu können. Und es gibt
einen Mann, der den Boden verehrt, den Sie
betreten. Ich meine Herr Monk. Ich habe aus
Ihrem Munde gehört, daß er Ihnen das Leben
rettete, und wahrlich, Sie sollten ihm schon aus
Dankbarkeit dieses Leben weihen."
Die junge Marquise erröthete.
»Frau Crol," entgegnete sie mit Würde, „ich
weiß, daß Ihre Worte gut gemeint sind, aber ich
kann sie nicht anhören, denn ich werde nie heirathen.
Mr. Monk verdient eine liebende Gattin und die
kann ich ihm nicht sein. Ich verließ seinen Schutz,
weil ich nicht von ihm abhängig bleiben und seine
Güte annehmen kann, ich will mir selbst mein Brot
verdienen. Ich muß mich selbst erhalten und mir
für meine alten Tage etwas ersparen.*

Das Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Frankenstein.
66) (Fortsetzung.)
Flack trat zur Seite und Bernice stand vor
Frau Erol.
Diese sprang mit einem erstickten Freuden-
schrei auf. Die große, starke Frau stürzte auf die
Wiedergefundene zu und umarmte sie mit einer
Heftigkeit, daß dieser fast der Athem ausging.
Ein heftiges Gefühl des Widerwillens regte
sich in Bernice, die sich bemühte, aus den Armen
der Frau loszukommen. Sie zwang sich zu einer
Regung der Dankbarkeit für den warmen Em-
pfang, als sie bleich und schwankend zurücktrat.
„Setzen Sie sich doch," sagte Frau Erol, ihr
einen Fauteuil hinrückend. „Sie sehen erschöpft
aus, Fräulein Gwyn."
„Nehmen Sie ihr den Hut ab und geben Sie
ihr eine Tasse Thee," sagte Flack. „ „Sie ist
hungrig und erschöpft, wie Sie sehen."
Frau Erol nahm Bernice rasch ihren Hut ab
Und brachte ihr eine Tasse heißen, starken Thee's.
Bernice nahm ihn eifrig und schlürfte davon,
mhlend, wie eine behagliche Wärme ihren Körper
durchströmte. Frau Erol brachte ihr auch etwas
Braten uud es wurde nicht gesprochen, bis Lady
lihetwynd gegessen hatte und etwas frischer und
"ästiger aussah.
„So, nun sehen Sie bester aus," sagte Frau
^rol, die leere Taste wegstellend. „Wollen Sie
Uicht noch etwas Braten essen?"
„Ich danke, nein," erwiderte Bernice, „ich
 
Annotationen