Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 61 - Nr. 70 (13. März - 24. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44554#0255

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kummer k-3. LL. Jahrgang.

Neuev

Donnerstag, 15. März 18S4.




für Heidelberg und Umgegend


KLpeditic>rr: ^Lcluplstrcrße Mr.

ME

JnsertionöpreiSr
die tspaltige Petit,eile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärtige Inserate 1v Pfg«, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
---— -

Abonnementspreiö i
Wit 8ftitigem illnstrirtem SonntagSblatk: monatlich
»v Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
_ vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld-
----i l
Mpodition: Kcrrrptltrcrtzc> Mr. LS.


belesenstes BlcrtL irr StordL rr. Arnt HerdeLbevD rrrrd MrrSeSerrd. Gr?ssztev Erfolg süv Inseerrte.

8?^ Tel-phon-A«fchluh Nr. 102. "WM
Fortwährend
^rden von allen Postanstalten, Landbriefträgern,
kftren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgcgengenommen.
Deutsches Keich.

Berlin, 14. März.
. Von den Taktikern des Vertragsfeldzuges
ar des Abschätzung der voraussichtlichen Mehr-
^st die für den russischen Vertrag votiren
Urdc, immer die Abstimmung über den ru-
anischen Vertrag als Grundlage angenommen
borden. Die erste Probe auf das Excmpel hat
-saften, daß jene Schätzungsgrundlagc sehr ge-
huscht. Denn unter den für den 8 1 eintreten-
^ Abgeordneten waren 13, die gegen den rumä-
ujchen Vertrag gestimmt hatten, und unter den
^^esendcn befinden sich 15 von der damaligen
^Position gegen den Vertrag mit Rumänien.
würde also der Ziffer die Minderheit am
vffnabend, wenn jene Annhme zuverlässig sich
j^Ullt hätte, ein Plus von (15 4- 13) -ft 13
ft' ^1, dagegen der Mehrheitsziffer ein Minus
,fti gebracht haben, was die indentische Gleich-
es ergeben hätte 200 — 13 146 -ft 41 -- 187.
Die Mandatsniederlegung des
Mrers der polnischen Fraktion im Reichstage,
jft Abgeordneten v. Kosciclski, erregt noch
ft^er allgemeines Aufsehen, um so mehr, als
die Gründe derselben nicht recht durchschaut.
war seit 1884 Vertreter von Jnowrazlaw und
„ft bisher auf seine Landsleute einen großen
2 ft Maßgebenden Einfluß aus, den er in letzterer
fthr stark in regierungsfreundlichem Sinne
ft lend machte. Das scheint denn auch dem Fasse
h Boden ausgeschlagen zu haben, besonders bei
Marineberathuugen. Schon am Freitrag
^ftrde eZ bemerkt, daß bei der Abstimmung über
sft neuen Schiffe die Polen fehlten, trotzdem
zftSer Herr v. Kosciclski sehr warm für die
„ Zftneforderungen eingetreten war. Die Zer-
ftnissx sind aber wohl schon älteren Datums
tz ft haben auch darin ihren Grund, daß Herr
<v Kosciclski nicht genug für die national-polnischen
"ressen gewirkt habe.
Der Entwurf einer Abänderung
, .ft Sra fp r ozeß or d n u n g wird den Reichs-
tj. in laufenden Session kaum noch beschäf-
d'ft- Denn wie wir hören, wird sich der Bun-
hftoft nut der Vorlage erst uacy dem Osterfeste
»ft^afligen. Es würde also der Mai herankommen,

bevor der Entwurf an den Reichstag gelangen
könnte. Und ob bis dahin der Reichstag zusam-
menbleibt, ist doch sehr zweifelhaft.
— Eine ganz Deutschland umfassende Zen-
tralisation sämmtlicher Vereine zu Gunsten ent-
lassener Strafgefangener wird gegen-
wärtig angestrebt, und zwar mit Rücksicht auf die
großen Schwierigkeiten, denen die entlassenen
Sträflinge bei ihrem Wiedereintritt in die bürger-
liche Welt begegnen und die häufig die Ursache
ihrer Rückkehr zum Verbrechen bilden. Die ge-
plante Zentralisation würde große Vortheile bieten
durch Erleichterung bei Neugrüudung von Ver-
einen durch gegenseitigen Austausch der Erfah-
rungen und größere gemeinsame Einrichtungen
wie Arbeitsnachweisstellen, Beschäftigungs - und
Verpslegungshäuser. Den Weg internationaler
Vereinigung hat man bereits niit Erfolg betreten,
indem zunächst zwischen dem Baseler Schutzverein
und der Zentralleitung ber badischen Schutzvereine
die Ueberweisung von landesangehörigen Enlas-
seneu vereinbart worden ist, ein Abkommen, dem
die meisten andern deutschen und schweizerischen
Vereine beigetreten sind.
— Zwischen den Verbündeten Regierungen ist
neuerdings die Neuregelung des Konz ess i ons-
wesens für Gastwirthschaften zum Gegen-
stand einer Erörterung gemacht werden. Dabei
sind hauptsächlich zwei Fragen zur Sprache ge-
kommen, die Konzessionsertheilung nach Verhält-
nis) der Einwohnerzahl und des Verkehrs sowie
die einheitliche Ertheiluug der Vollkonzessionen.
ES hat sich bezüglich der ersteren Frage heraus-
gestellt, daß die überwiegende Mehrheit der Re-
gierungen auf dem Standpunkt steht, daß bei der
im allgemeinen obwaltenden verständigen Beur-
teilung der Bedürfnißfrage die wegen der ört-
lichen Verschiedenheiten äußerst schwierige Fort-
setzung von Normalvorschristen, die leicht zu einem
Schematismus führen könnte, bei dem die tat-
sächlichen Verhältnisse nicht genügend gewürdigt
würden, besser unterbleibt. Die sodann berührte
Frage, ob die Konzessionen als sogenannte „volle"
d. h. zum Ausschank aller Arten von geistigen
Getränken berechtigende zu verleihen seien, wird
fast allgemein als solche angesehen, die dem Er-
messen der Konzessionsbehörden zu überlassen ist.
— Es darf einigermaßen auffällig erscheinen,
daß Geheimrath Krupp auf die Erklärung des
Professors Schweninger in der Angelegenheit,
die Graf Dönhoff-Friedrichstein mit seiner Beru-
fung auf das Zeugniß des Fürsten Bismarck herauf-
beschwor, noch mit keinem Worte öffentlich zurück-
gekommen ist. Die „Post", in der man wohl eine
solche Aeußerung zu finden erwarten mochte, hat
nicht einmal von dem Telegramm Schweningers die

Leser unterrichtet. In parlamentarischen Kreisen
verlautet nun, Herr Krupp habe es für sehr mög-
lich erklärt, daß er sich in der Person geirrt habe
und jene vom Grafen Dönhoff-Friedrichstein er-
wähnte Aeußerung nicht vom Professor Schwe-
ninger, sondern von irgendwem anderem herrühre.
— In dem anarchistischen Lager herrscht zur
Zeit eine recht gedrückte Stimmung; die größeren
Geldsendungen, welche zur Zeit hier in Berlin an
der Hauptstclle aus den größeren Städten in den
Provinzen einliefen, sind ausgeblieben, im Februar
betrug die Gesammteinnahme 383 Mk. 38 Pfg.
Nimmt man an, daß die anarchistischen Genossen
monatlich 50 Pfg. zur Zentralkasse beisteuern, so
würde es also in Deutschland 800 Individuen
geben, welche sich zum Anarchismus bekennen, und
Opfer für ihre anarchistischen Anschauungen bringen.
Mit dieser geringen Summe von 383 Mk. 38 Pf.
kann natürlich die anarchistische Zentralleitung
recht wenig anfangen; in den letzten Wochen haben
die Familien, deren Ernährer wegen anarchistischer
Propaganda im Gefängniß oder Zuchthaus sitzen,
nur noch mit 6—8 Mark wöchentlich unterstützt
werden können, während früher dieser Betrag höher
war. Jetzt ist nun eine so furchtbare Ebbe in
der Kasse, daß die Unterstützungen ganz fortfallen
müssen, auch der Zuschuß zur Miethe für den
März nicht gezahlt werden konnte. Eine ganze
Anzahl Abrechnungen, Listen stehen noch aus; in
der nächsten Versammlung sollen diejenigen Ge-
nossen, welche seit länger als 6 Monaten im Besitz
von Listen sind, namhaft gemacht werden. Es soll
eine ganz stattliche Schaar sein.
— DereinjährigeDienst derLehrer
dürfte sich, auch wenn alle betheiligten Verwaltungen
die Einführung auf das kräftigste fördern wollten,
doch nicht in so kurzer Zeit regeln lassen, wie man
dies in den zunächst betheiligten Kreisen anzunehmen
geneigt ist. Die Schwierigkeiten liegen dabei weniger
auf der militärischen Seite, wie bei der Unterrichts-
verwaltung, welche insofern ein bedeutendes In
teresse daran hat, als bei sofortiger Einführung des
einjährigen statt des bisherigen sechswöchigen Dienstes
ein Lehrermangel unausbleiblich eintreten
würde. Es gibt jetzt jährlich etwa 3000 Seminar-
abiturienten; will man also mit Beginn der ein-
jährigen Militärdienstzeit eine größere Anzahl von
Lehrern zur Verfügung haben, so müssen Doppel-
kurse in den Seminaren eingesührt werden, die sich
schon ans finanziellen Gründen kaum vor dem
Jahre 1895 ermöglichen lassen würden. Vor dem
Jahre 1898 würde also der einjährige Dienst der
Lehrer nicht zur Tbatsache werden; dann aber müßte
sick die Unterrichtsverwaltung auch dahin sicher
stellen, daß die Lehrer nach Ableistung der Dienst-
zeit zu ihrem Lehrberuf wieder zurückkehren und

nicht etwa kapituliren, oder sich der Zahlmeister'
oder der Intendantur-Laufbahn zuwenden.
— Die in Aussicht genommene Erleichte-
rung des Infanterie-Gepäcks wird bei
den Kaisermanövern in größerem Umfange ver-
sucht werden; ob damit auch schon eine Aende-
rung einzelner Uniformtheile verbunden sein wird,
läßt sich augenblicklich noch nicht übersehen. Für
derartige Aenderungen wird sich ohnedies ein be-
scheidener Umfang empfehlen, da die ungeheueren
Massen der vorhandenen Bekleidungs- und Aus-
rüstungsstücke nicht so im Handumdrehen zu ändern
sind, sondern größere Aenderungen auch ganz be-
deutende Kosten verursachen würden, wofür der
Reichstag die Mittel kaum bewilligen dürfte.
Ausland.
Paris, 13. März. Außer der jungen Russin
Frau Kowalsky ist nun auch ein armer Zeichner
namens Ernest Bordes an den Folgen von
Henrys Sprengverbrechen im „Hotel Ter-
minus" gestorben. Dem Unglücklichen hatte ein
Sprengstück ein Bein verletzt, das Glied mußte
schließlich amputirt werden und der beklagens-
werthe junge Mann ist den Folgen der Operation
erlegen. Man nimmt an, daß das nunmehr mit
dem Verlust von zwei Menschenleben belastete Ver-
brechen Henrys mit Todesstrafe belegt werden wird.
London, 13. März. In Japan scheint man
mit den parlamentarischen Institutionen recht miß-
liche Erfahrungen zu machen. Jetzt hat die Re-
gierung schon zum dritten Male m der kurzen Zeit
von 18 Monaten sich zur Auflösung der Kammer
entschließen müssen, weil diese sich wegen Fort-
setzung der Reformpolitik mit dem Ministerium
nicht zu einigen vermochte. Die mehrfach wieder-
holten Wahlen haben eine hochgradige Erregung
in den Gemüthern hinterlassen, die an mehreren
Punkten zu ernsteren Ruhestörungen geführt hat.
Zahlreiche Personen sind getödtet oder verwundet
worden. Mehrfach war das Einschreiten der Gen-
darmerie nothwendig. Nun soll man gar, nach
Berichten japanischer Blätter, die aber wohl mit
Vorsicht zu beurtheilen sind, einem Komplot zur
Sprengung deZ Kaiserpalastes auf die Spur ge-
kommen sein. Es sollen mehr als tausend Per-
sonen unter dem Verdacht der Theilnahme an der
Verschwörung in Haft genommen sein.
Washington, 13. März. Ein dem Chef des
Staatsdepartements zugegangcnes Telegramm aus
Rio de Janeiro besagt, der Insurgenten-
führer Admiral de Gama sei an Bord eines
portugiesischen Schiffes geflüchtet. De Gama habe
dem Präsidenten Peixoto durch einen portugie-
sischen Offizier mittheilen lassen, er sei bereit, sich
mit seinen Truppen zu ergeben, wenn Peixoto
ihm Schutz zusichere.

Pflicht.
Roman von C. Zoeller-Lionhrart.
(Fortsetzung.)
»Gestatten Sie mir, gnädige Frau, heute den
djft; Ureter des Herrn Gemahls spielen zu
tz Ganz Ncudamm weiß, daß sich der
syftM diese Freude täglich zu bereiten Pflegte,"
junge Doktor bei Ueberreichung des
h^^ßchens mit einem Lächeln und einem Ton,
"ie Gewißheit in sich trug, etwas Angenehmes
sim - öft siadwn, und bemerkte nicht ihr schmerz-
Zusammenzucken, als sich die Finger um die
hx., Mn schlossen, da er sich jetzt über den Fuß
"gte.
Jr „Aa, Frau Baronin, die längste Zeit hat
hftft Haft jetzt gedauert. Nächste Woche nehmen
Mn Gipsverband ab," tröstete er.
sie ich kann auf mein Gut reisen!" rief
hjft^udig xxxxgt. Nur heraus hier! Wenn sie
der dumpfen Mauern hinter sich hatte, mußte
tvj^Nnatürlich überreizte Zustand ja unbedingt
ttz-j M von ihr weichen, der sie jetzt geradezu
serlich-sentimental machte.
Ta<ft"'.ftntimental-weinerlich, wie jene albernen
Kindfrauen, die ihren Männern nachtrauerten,
8i>io Mal ein Paar Wochen auf Dienstreisen
S>ejen die Thränen ihr nicht nahe ge-
l'chen das Mädchen heute einen der spür-
kgi Briefe überreichte, die überhaupt ins Haus
Der erste von ihm, nachdem er per Karte
Aacks M seine Ankunft in Nizza gemeldet und um
wesörderung seiner etwa eingehenden Zu-

schriften dahin gebeten. Kein Wort, wie es ihm
ging, keine Anfrage nach ihrem Befinden, Leben,
Treiben. Das Interesse für ihre Person schien
also bei ihm rein ausgelöscht, und auch der heutige
Brief in seiner höflichen, aber knappen Diktion
sprach deutlich genug: Wir gehen einander nichts
mehr an.
„Liebe Viktoria!
Zu meinem lebhaften Bedauern muß ich Dich
für mich abermals bemühen, da ich dem Personal
die nöthige Vorsicht nicht zutraue. Im Hause
von Sir Spencer wird viel musiziert. Ich wäre
Dir daher dankbar, wenn Du mir meine Geige
an die Adresse Lady Swift, Nizza, senden wolltest.
Seine höflichsten Empfehlungen legt Dirzu Füßen
Pruß von Brandenstein."
Also die alten Liebhabereien nahm er wieder
auf, für die sie beim Anfang ihrer Ehe so wenig
Verständniß gezeigt, die sie sogar als eine lästige
Störung so oft geradelt, daß er sie rücksichtsvoll
fallen ließ.
Sie hatte damals innerlich über sein schwäch-
liches Nachgeben gespottet. Heute? Heute fühlte
sie ein heißes, unbeschreibliches Sehnen nach so
viel Zartsinn, Rücksichtnahme, und selbst der köst-
liche Wohlklang seiner vernachlässigten Amati
zitterte wie ein unerreichbarer Hochgenuß, nach
dem sie vergeblich schmachten würde, in ihren
summenden Ohren.
Kann ein Mensch durch Krankheit soweit her-
unterkommen ? Gott sei Dank, nun ist sie wieder
auf ihren Beinen. Der Bries, der dem Pächter
ihre Ankunft auf Schönwerder melden soll, ist
längst unterwegs. Leider findet sich auf der gut

verwalteten Riesenherrschaft, die der Vater und
sie ohne Inspektor einst bewirthschafteten, für sie
auch blutwenig mehr zu thun, aber schon der
Ortswechsel wird ihr von Vortheil sein. Nun sitzt
sie endlich im Damenkoupee, und der Zug, der
sie nach ihrer Besitzung bringen soll, setzt sich
wieder in Bewegung. Die beiden jungen Frauen,
welche schon von weiter her gekommen sein müssen,
setzen ungeniert ihre Unterhaltung fort. Anfangs
achtet Viktoria nicht darauf, da fällt der Name
Brandenstein, während die eine junge Dame ihre
Reisetasche herunterlangt, die feinen Fingerspitzen
auf den Schnepper drückt und aus dem Spalt
ein Lederbüchelchen herauslangt, das sie der
Freundin mit einem triumphierenden: „So sieht
er aus, ich hab' mir sein Bild zum Abschied
schenken lassen," hinreicht. „O, wir haben ihn
alle gründlich verzogen, er war der Hahn im
Korbe," hörte Viktoria mit unwillkürlich gespitzten
Ohren, während das erregte Blut sie bald, bald
roth werden ließ.
„Spielt er himmlisch die Geige! Wir haben
alle Abende bei Swifts musiziert, die ihre Villa
neben uns hatten. Ich sag' Dir, es war ein ent-
zückendes Leben in Nizza. Ganz internationale
Gesellschaft. Ich war ordentlich böse auf meinen
Brummbär, daß er mich nicht länger bei der
Mama lassen wollte."
„Ist Lady Swift nicht die blonde Grethe
Schöncich mit den frischen Farben und dem dicken
Zopf?" fragte die andere junge Frau.
Ihr Gegenüber nickte. „Sir Spencer, der
ein Musiknarr ist, hat sich, als er militärischer
Attache bei der Gesandtschaft war, in Grethe

Schöneich im Konservatorium verliebt, weißt Du,
als sie noch ein Backfisch war. Führen die ein
Hans! Natürlich nicht wie die Bankiers hier bei
uns, um besprochen und bewundert zu werden,
sondern zum Alleingenuß. Aller Welt, die An-
spruch auf Unterhaltungsgabe erheben darf, ist es
stets geöffnet.
„Weißt Du, Fanny, wen ich da wieder ge-
troffen habe? Die pikante Kubanerin mit den
Feuerrüderaugen, die mit uns in der Pension zu-
sammen war. Sie hat ihr Programm von da-
mals wörtlich innegehalten, erinnerst Du Dich?
Erst einen vielfachen Millionär von sechzig Jahren
mindestens, ihren Vetter, einen Financier in
London geheirathet, jetzt eine viel gefeierte, viel
umworbene Wittib von einigen zwanzig Jahren
und ebensoviel tausend Pfund Revenuen.
„Und?" fragte die, die Fanny genannt war,
mit echt weiblicher Neugier. Sie war damals so
mager wie eine Ziege und grün wie ein unreifer
Apfel. Die schön?"
„Und ist jetzt ein Triumph aller möglichen
Unregelmäßigkeiten. Rasse darin! Ich sag' Dir,
sie sticht uns nordische Schönheiten mit ihrer
Schlangengrazie, ihrem südlich warmen Teint,
ihrer üppigen Schlankheit, den Feueraugen und
der Sammethaut sämmtlich aus, wenn sie will,
und dieses Mal will sie ernstlich. Ihr vieles
Geld hat sie, nun will sie ihren Roman. Kko
sots bor oap, wie der Engländer sagt, desparat
auf den melancholischen Brandenstein, der ein bis-
chen den Spröden spielt. Er wird wohl schließ-
lich doch einmal schmelzen müssen in dem dämoni-
schen Feuer ihres leidenschaftlichen Ungestüms."
 
Annotationen