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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 19. Juni)
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Nummer 1A6. H. Jahrgang.


Donnerstag, 14. Juni 1894.


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Mehr praktische Kenntnisse!
Wir Deutsche sind bekanntlich das „Volk der
Denker". Es ist uns wiederholt gesagt worden,
daß der deutsche Schulmeister die letzten Kriege
gewonnen hat. Mit jedem Jahre nimmt laut
amtlicher Statistik die Zahl der Analphabeten,
d. h. derjenigen, die weder schreiben noch lesen
können, ab; mit jedem Jahre wächst die Zahl der
Kurzsichtigen und Brillenträger. Kurz und gut:
Es herrscht im deutschen Lande ein Bildungsdrang
ohne Gleichen!
Wenn aber einer von den Leuten, welche so
viele schöne Dinge gelernt haben, in irgend welche
Beziehung mit einer beliebigen Behörde tritt, ist
all sein theueres Latein zu Ende. Rathlos steht
die Mehrzahl der Menschen vor dem einfachsten
Rechtsfall des täglichen Lebens.
Wie haben sie sich bei Grenzstreitigkeiten mit
Nachbaren zu verhalten? Wie haben sie diesen
oder jenen mit Titeln versehenen Herrn anzureden!
(Und bei uns haben doch viele Leute einen Titel?)
Was haben sie bei diesem oder jenem Vorfälle in
der Familie zu thun, z. B. wenn der Sohn in
die Lehre kommt, wenn er in einen Streit mit
seinem Lehrherrn geräth? Was ist bei Streitig-
keiten aus dem Miethsvertrage zu thun? Was
bei Erbschaftsfällen ? Und dann Alles, was mit
Steuern, Kataster, Hypotheken u. s. w. zusammen-
hängt !
Es wäre unbillig, zu verlangen, daß jeder
Einzelne den ganzen schweren Ballast unserer Ge-
setzgebung allezeit mit sich im Kopfe Herumschleppen
solle, um im gegebenen Falle das Erforderliche
aus dem Wüste von Gesetzen und Verordnungen
herauszugreifen. Die Generation hat seit der
Gründung des Reiches eine geradezu fabelhafte
Produktivität entwickelt, und diese Gesetze sind so
oft und mannifach „verbessert" worden, sie sind
außerdem in einem so unverdaulichen Deutsch ge-
schrieben, daß schon der Fachmann seine Mühe
hat, sich einzuarbeiten. Von dem Laien, am
wenigsten von den einfachen Leuten, kann man das
nicht verlangen. Aber ihnen müssen die für die
praktischen Fälle des täglichen Lebens und Ver-
kehrs unentbehrlichen juristischen und volkswirth-
schaftlichen Kenntnisse in leichtverständlicher, über-

sichtlicher Form dargeboten werden. Und zwar
sollen nach unserer Ansicht diese Dinge schon in
der Schule gelehrt und gelernt werden.
Zur Zeit müssen unsere Knaben und Mädchen
ihr Gehirn mit so vielem Wissensballast anfüllen,
daß sie das Zeug selbst beim besten Willen gar
nicht behalten können. Ausscheidung des Ueber-
flüssigen und statt dessen Kenntnisse, welche von
ihnen ihm praktischen Leben jeden Tag verlangt
werden, das ist unsere Forderung. Und so lange
und so weit die Schule dieser Forderung nicht
genügt, soll das Haus, sollen Vater und Mutter
bei ihren Kindern diese Lücke in der Erziehung
aussüllen!
Die europäische Reise des Khedive
macht augenblicklich wieder viel von sich reden.
Der Besuch in England, dem bei der gegenwärtigen
politischen Sachlage eine unverkennbar große Be-
deutung zukommt, ist der Stein des Anstoßes, an
dem da» ganze Projekt zu scheitern droht. Der
Sultan steht ihn, wie man weiß, sehr ungern,
und der Khedive selbst hat nicht die mindeste Lust,
durch einen Besuch von London sein ausgezeichnetes
Verhältniß zu England vor aller Welt zu doku-
mentiren; er trägt mit möglichst guter Miene die
Ketten, die England ihm auferlegt, aber er ver-
spürt begreiflicher Weise wenig Neigung, damit zu
prunken. Reist er aber nach Europa, und nimmt
er wirklich den offiziell angekündigten längeren
Aufenthalt in Paris, so läßt sich der Besuch in
London nicht umgehen, wenn nicht ein offener
Bruch mit England gesucht wird. — Die Ab-
neigung des Sultans soll mittlerweile durch die
Zusicherung der englischen Regierung, Abbas Pascha
werde nur in Gegenwart des türkischen Botschafters
als oberherrlichen Vertreters empfangen werden,
beschwichtigt worden sein. Ueber die angeblich ge-
plante Vermählung des Khedive mit einer Tochter
des Sultans verlautet, daß man davon zurückge-
kommcn sei, weil sie den Traditionen der türkischen
Hauspolitik widerspreche. Dieser ganze Wirrwarr
ist natürlich Wasser auf die Müble der französischen
Politik, die es sich denn auch angelegen sein läßt,
die Situation nach besten Kräften auszubeuten.
Der französische Botschafter in Konstantinopel soll
bei Vorstellung des nach Kairo bestimmten Ver-
treters der Republik versichert haben, dieser Herr
werde nicht nur Frankreichs Interessen in Kairo
verfechten, sondern auch auf Wahrung der Interessen
des Suzeräns bedacht sein —, eine Aeußerung,
die in London stark verschnupft hat.
Deutsches Neich.
Berlin, 13. Juni.
— Die Kundgebungen zu Gunsten einer

energischen Haltung Deutschlands in der Kongo-
frage mehren sich. So hat der Vorstand der
Abtheilung Hannover der Deutschen Kolonialgesell-
schaft in seiner unter dem Vorsitz des Oberpräsi-
denten Dr. v. Bennigsen am 9. Juni abgehaltenen
Sitzung beschlossen, an die Zentrale in Berlin den
Antrag zn richten, „daß dieselbe durch die Presse
und alle ihr zu Gebote stehenden Mittel, insbe-
sondere auch durch direkte Eingaben an das Aus-
wärtige Amt auf eine thatkräftige Politik des deut-
schen Reiches gegenüber dem Vertrage zwischen
England und dem Kongostaate hinwirken möge.*
Die „Kölnische Volksztg." schreibt bezüglich der
Deutschland obliegenden Stellungnahme: „Wenn
wir uns die bisherigen Verträge, die wir mit Eng-
land abgeschlossen haben, ansehen, müssen wir in
der Tbat sagen, daß wir alle Ursache haben, England
gegenüber auf der Hut zu sein. Die Erfahrungen, die
es an uns gemacht, haben England in erster Linie
wohl auch ermuthigt, den Streich mit der „Pach-
tung" zu spielen. An unseren sanften Einspruch
hätte es sich am Ende auch gar nicht gekehrt; erst
der energische Widerstand Frankreichs veranlaßte es
zum Einlenken und die englische Presse zum An-
schlägen einer höflicheren Tonart. Man sagt bei
uns gern mit dem Reichskanzler : Je weniger Afrika
wir haben, desto besser; allein, wenn das alles so
werthlos ist, warum gibt sich denn England so
große Mühe, immer mehr davon zu erlangen?
Sollte es zu einer Konferenz kommen und dort die
bisherige Theilung Afrikas auch nur im Kleinen
umgestoßen werden, so werden wir hoffentlich eine
günstige Stellung, die wir jetzt in der Mitte von
England und Frankreich einnehmen, benutzen, um
selbst auch etwas davon zu haben. Das strittige
Abkommen wurde auch im Kolonialrath besprochen.
Dabei wurde allseitig betont, daß wir alle unsere
erworbenen Rechte in Afrika auch festhalten müssen.
Hinter der französischen Regierung steht ganz
Frankreich; hinter der deutschen wird wenigstens
die Mehrheit der Bevölkerung stehen, wenn die
deutschen Interessen in Afrika entschieden gegen
englische Handstreiche vertreten werden." Diese
Worte werden in allen patriotischen Herzen unge-
teilten Beifall finden.
— Im Reichsversicherungsamt fand
gestern unter dem Vorsitz des Präsidenten Dr.
Bödiker eine Konferenz zur Berathunz des Erlasses
von Unfallverhütungsvorschriften für die land- und
forstwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften statt, an
welcher für die preußischen Berufsgenossenschaften
der Landesdirektor Frhr. v. Hammerstein-Hannnover,
der Landeshauptmann Dr. v. Dziembowski-Posen
und der Landesrath Schmidt-Düsseldorf, für die
außerpreusischen die Vorstandsvorsitzenden brzw.
Mitglieder Frhr. v. Welser (Bayern), Oekonomie-

rath Hähnel (Sachsen) und Gutsbesitzer Schalburg
(Mecklenburg-Schwerin) theilnahmen. Die im
Reichsverstcherungsamt bearbeitete landwirthschaftliche
Unfallstatistik für das Jahr 1891, welche rund
20 000 entschädigte Unfälle ergab, und das aus
dem ganzen Reich herbeigezogene Material an be-
züglichen Unsallverhütungsvorschriften und Polizei-
verordnungen dienten den Berathungen zur Grund-
lage.
Karlsruhe, 13. Juni. Die Abreise ihrer König-
lichen Hoheit der Kronprinzessin von Schweden und
Norwegen von Baden-Baden ist heute Abend halb
8 Uhr erfolgt. Ihre Königlichen Hoheiten der
Großherzog und die Großherzogin, sowie der Erb-
großherzog und die Erbgroßherzogin geleiteten die
Kronprinzessin zum Bahnhof und fuhren mit der-
selben bis Oos, wo ein bewegter Abschied erfolgte.
Die Erbgroßhcrzoglichen Herrschaften kehrten um 9
Uhr nach Freiburg zurück. Morgen Früh 7 Uhr
reisen Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzoz
und die Großherzogin nach Karlsruhe.
Ausland.
Pest, 12. Juni. Die Minister, namentlich
Wekerle und Sziagyi, wurden von der vor dem
Parlament angesammelten Menge lebhaft begrüßt.
Das Haus ist sehr stark besucht. Wekerle wird
mit Eljenrufen empfangen. Er theilt bei Beginn
der Sitzung die Erneuerung der Regierung mit
und führt aus, daß die Gründe der Demission des
früheren Kabinets darin bestehen, daß die Krone
eine der Garantien für die Annahme der Eherechts-
vorlage im Magnatenhause, nämlich die Ankündi-
gung eines eventuellen Pairschubs, verweigerte. Die
Regierung sei nunmehr zur Erklärung ermächtigt,
daß die Krone mit der Regierung bezüglich der
politischen Nothwendigkeit der Ehegesetzreform über-
einstimmt und sie wünscht. (Beifall rechts, Be-
wegung im Zentrum). Die Regierung hoffe, das
Magnatenbaus werde sich dieser Nothwendigkeit
beugen. Das Programm des neuen Kabinets bleibe
das alte. Wekerle erbittet schließlich die fernere
Unterstützung der liberalen Partei und eine objektive
Beurteilung des Vorgehens der Regierung seitens
der Opposition. (Beifall rechts.)
Pest, 12. Juni. Im Ober Hause wurde
die von Wekerle gleichsalls abgegebene Erklärung
mit lebhaften Eljen-Rusen ausgenommen. Auf
eine Bemerkung Ferdinand Zichy's, die Er-
klärung Wekerle's solle wohl nicht ein Pression
auf das Magnatenhaus bedeuten, erklärte der
Ministerpräsident, seine nach den Antecedentien
nothwendig gewordene Erklärung involvire nur
die unverbrüchliche Willensäußerung des Monarchen.
Zichy sagt, durch die Erklärung des Minister-
präsidenten würde das verfassungsmäßige Recht
des Hauses und der Mitglieder nicht tangirt. Der

Das Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Frankenstein.
63) (Fortsetzung.)
„Die Männer sind alle gleich, meine Lady,"
sagte Fisine, sich mit ihrer weißen Schürze die
Augen trocknend. „Lord Chetwynd ist wie die
anderen. Erinnern Sie sich, meine Lady, daß
ich Ihnen am Tage unserer Ankunft in Chet-
wynd-Park sagte, daß Miß Monk seiner Lord-
schaft erste Liebe gewesen sei? Ich habe von der
Haushälterin gehört, daß Lord Chetwynd schlecht
an Miß Monk gehandelt hatte und sie wegen
eines Liebcsstreites verlassen habe, aber daß sie
sich gegenseitig noch grenzenlos lieben. Ach
Madame, was soll man sagen? Wahrheit und
Beständigkeit existieren nicht mehr. Und er liebte
sie zuerst und liebte sie immer. Die erste Liebe
stirbt nicht."
„Sie werden bald heirathen."
„Ich würde dem Einhalt gebieten, meine
Lady," rief Fisine aus, „ich würde mich nicht
arm und heimathlos hinaustreiben lassen und ge-
statten, daß dieses Weib meinen Platz einnimmt.
Ich würde meine Rechte in Anspruch nehmen,
wenn ich an Ihrer Stelle wäre, meine Lady. Ich
würde nach Chetwynd-Park gehen und dort Besitz
ergreifen!"
„Um keinen Preis, Fisine," sagte Bernice
schaudernd. „Er würde wünschen, daß ich wirk-
lich gestorben wäre, denn er hat aufgehört, mich
zu lieben, seine Seele lebt nur in ihr. Ach,
Fisine, ich werde ihn seiner Liebe überlassen. Ich

bin jetzt einfach Fräulein Gwyn, und es ist besser,
daß ich mich selbst erhalte," letzte sie hinzu, da
das Zartgefühl ihr verbot, ihrer Dienerin von
Gilbert Monks Liebesanträgen zu sagen. „Ich
habe bereits versucht und werde es wieder ver-
suchen, eine Stelle als Erzieherin zu bekommen.
Ich habe aber jetzt kein Geld und bin obdachlos."
„Nicht obdachlos, so lange Fisine lebt, meine
Lady. Ich will Ihr Geheimniß bewahren und
keine Macht der Erde soll es mir entreißen," ries
die Französin pathetisch aus. „Ach, meine Lady,
Sie waren so gut gegen mich, und das kann ich
nicht vergessen. Ich wollte, ich könnte wieder mit
Ihnen leben, obwohl ich jetzt eine gute Herrin
habe. Sie sollen hier bleiben, meine Lady, bis
Sie eine gute Anstellung gefunden haben. Mein
Zimmer hier ist unbenützt, und Sie sollen es
haben. Meine Eltern brauchen nicht zu wissen,
wer Sie sind, meine Lady. Ich will Sie als
Fräulein Gwyn, eine ehemalige Bekannte von
mir, vorstellen. Jst's Ihnen so recht?"
„Mirist Alles recht,Fisine. Siebietenmir Trost!"
„Und Sie bedürfen des Trostes, meine arme
Lady," sagte Fisine, sich die Augen wischend.
„Hat es denn je einen solchen Schmerz und solche
Verzweiflung gegeben? Ach, meine Lady, der
falsche Gatte soll Sie nicht hier finden. Vielleicht
kann ich Ihnen eine Stelle als Gesellschafterin
verschaffen," sagte sie dann, wie von einem Plötz-
lichen Gedanken erfaßt, „und in dieser Stellung
könnte ich Ihnen noch im Geheimen dienen.
Meine Herrin sucht sich eine Gesellschafterin. Sie
möchte eine junge Dame haben, welche Singen,
Klavierspielen und in fremden Sprachen hübsch

vorlesen kann, eine feine, junge Dame, die sie
als solche behandeln will, denn trotz ihres schein-
bar kalten und stolzen Wesens besitzt sie ein wahr-
haft edles und gutes Herz. Ich will Sie ihr als
Fräulein Gwyn, meine frühere Herrin in schlechten
Vermögensverhältnissen, vorstellen, und sie sitzt
solches Vertrauen in mich, daß Sie gewiß gern
ausgenommen werden."
„O Fisine, wenn Sie mir diese Stelle ver-
schaffen könnten! Ich komme mir so verloren, so
hilflos, so ausgestoßen in dieser großen Welt vor!
Wer ist Ihre Herrin?"
„Lady Diana Northwick, Madame. Sie ist
eine berühmte, viel umworbene Schönheit, doch
kalt wie Eis. Sie wird bald heirathen — so-
bald sie zwischen zwei Freiern gewählt hat, die
sie mit ihren Bewerbungen fast verfolgen," sagte
Fisine lebhaft. „Einer ist Lord Tentamour, der
schon viele Jahre lang um sie wirbt und vor
Eifersucht fast wahnsinnig ist. Manches Goldstück
ist in meine Hand gewandert für Blumen und
Briefchen, die ich ihr von ihm überbringen mußte.
Aber meine Lady hat noch einen anderen Freier,
der gibt mir aber nie Goldstücke. Er ist ein
großer, schöner, sehr vornehm aussehender Herr,
ein Gelehrter und Reisender, Herr Tempest, und
obwohl er keinen Titel hat und nicht schmeichelt,
gefällt er mir doch sehr gut. Ich weiß nicht,
welchen von Beiden meine Lady wählen wird,
glaube aber, Lord Tentamour hat die meisten
Aussichten. Ah, wie ich in's Schwatzen gerathe!
Und Sie sind so erschöpft, meine Lady! Ich will
mit Lady Diana noch heute sprechen und morgen
sollen Sie in Ihrer neuen Heimath sein."

„Ich werde Ihre Güte nie vergessen, Fisine.
Ich fühle mich hier so sicher, so geborgen-"
„Ich werde Ihnen eine Tasse Kaffee geben,
meine Lady," sagte die Französin. „Kommen
Sie in das kleine Hinterzimmer!"
Fisine führte ihre Herrin in das bezeichnete
Zimmer, in welchem Wachskerzen brannten und
eine gewisse Behaglichkeit herrschte. Bernice sank
in einen Lehnstuhl, welchen Fisine zu einem Tisch
zog, dann eilte die Letztere geschäftig hin und her,
und bereitete einen starken, kräftigen Kaffee.
Bald brachte sie diesen der jungen Marquise, die
ihn gierig austrank."
„Ich möchte wissen," sagte Fisine gedanken-
voll, „ob Lord Chetwynd nicht ahnt, daß Sie
leben, meine Lady."
„Er ahnt es vielleicht, aber er darf es nie
erfahren. Ich bin nach dem englischen Gesetze
nicht seine Frau. Scheintod, Begräbniß und Ge-
fangenschaft heben jede Heirath auf," sagte Lady
Chetwynd traurig.
Fisine hatte die Antwort ihrer früheren Herrin
fast theilnahmslos vernommen. Ein anderer Ge-
danke schien sie zu beherrschen.
„Neulich war ein Herr bei mir," sagte sie
gedankenvoll," welcher mich dringend zu sprechen
wünschte. Und denken Sie nur, meine Lady, er
wollte wissen, in welchem Kleide Eure Ladyschaft
begraben wurde und ob der Spitzenbesatz in dem
einen Aermel fein gestopft war. Natürlich
war er's! Ich habe ja selbst den Riß sehr fein
ausgebessert. Er brachte mir das Kleid und
ich erkannte es; aber was hatte das Alles
zu bedeuten? Hier liegt ein Geheimniß zu Grunde,
 
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