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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 141 - Nr. 150 (20. Juni - 30. Juni)
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Nummer 147. H. Jahrgang.


Mittwoch, 27. Juni 18S4

General-WAnseige



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für Heidelberg und Umgegend

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frei ins Haus, entgegengenommen.
Der Uerlag des „Neuen General-Ameigers",
Hauptstraße 25.

Ter Schlußstein des großen Gesetz-
gebungswerkes.
Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Er-
weiterung der Unfallversicherung, ist nunmehr ver-
öffentlicht worden und gliedert sich der gesetz-
geberische Stoff in 140 Paragraphen. Es würde
zu weit führen, wollte man das ganze Material
einer näheren Betrachtung unterziehen, weßhalb
wir uns auf die wichtigsten Bestimmungen des-
selben beschränken.
In der umfassenden-Begründung wird aus-
drücklich betont, daß der vorgelegte Entwurf den
„Schlußstein des großen Gesetzgebungswerkes"
bilden soll. Bei dieser Erweiterung des Versiche-
rungsumfanges handelt es sich vornehmlich um
die gefährlicheren aller noch nicht Versicherungs-
pflichtigen Betriebe in Handwerk, Handel, Fischerei
und Kanalschifffahrt.
Gleichgestellt werden diesen Betrieben der Reichs-,
Staats- und Kommunialdienst, Veranstaltungen
von religiösen, wohlthätigen und gemeinnützigen
Zwecken der Kunst, der Wissenschaft, der Gesund-
heitspflege und der Leibesübung. Ein Ausschluß
der Versicherung soll aus Beschluß des Bundes-
rathes für Betriebe ohne besonderer Unfallgefahr
stattfindcn dürfen.
Ferner erhält der Entwurf die Berechtigung

der Unternehmer, falls ihr Jahresverdienst 2000
Mark nicht übersteigt, sich ebenfalls gegen die
Folgen von Betriebsunfällen zu versichern. Ebenso
kann durch Statut die Versicherungspflicht aus
Bctriebsbeamte, Werkmeister und Techniker ec. mit
über 2000 Mk. jährlich; ferner auf Organe und
Beamte der Unfallversicherungsgenossenschaften oder
Berufsgenossenschaften und schließlich auch auf die
Betriebstätte besuchende Personen ausgedehnt werden.
Träger der Versicherung sind für die staat-
lichen Betriebe der Staat; die anderen Betriebe
Werder vereinigt zu Unfallversicherungs-Genossen-
schaften, und zwar theils örtliche Unfallversicherungs-
Genossenschaften, theils nach Betriebszweigen ge-
ordnete Berufsgenossenschaften.
Die Unfallversicherungs Genossenschaft umfaßt
in Anlehnung an 8 41 Absatz 3 des Invalidi-
täts-Versicherungs-Gesetzes ohne Unterschied des
Betriebszweiges alle nicht einer Berufsgenossen-
schaft zugetheilten Privat- und Kommunial-Be-
triebe, deren Sitz im Bezirke der Unfallversiche-
rungs-Genossenschaft liegt. Für Betriebe, welche
keinen Sitz im Jnlande haben, insbesondere
Wanderbetriebe der Hausirer, Kunstreiter, Seil-
tänzer u. s. w. muß ein Betriebssitz von einiger
Dauer fingirt werden, da es schon wegen der Bei-
tragsentrichtung nicht angeht, die Zugehörigkeit
dieser Betriebe in den bezirksweise abgegrenzten
Genossenschaften von wechselnden Beschäftigungs-
orten abhängig zu machen.
In Bezug auf den Schadenersatz wird die
Lücke zwischen der bis zur 13. Woche dauernden
Fürsorge der Krankenkasse und der mit Beginn
der 14. Woche eintretenden Unfallversicherung
durch die Bestimmung ausgefüllt, daß bei fort-
bestehender Erwerbsunfähigkeit dem Verletzten vor-
schußweise von der Krankenkasse bis zum Beginn
der 14. Woche Entschädigung zu gewähren ist. In
Bezug aus den Schadenersatz an Hinterbliebene
ist bestimmt, daß im Falle der Tödtung als
Schadenersatz zu leisten ist eine den Hinterbliebenen
des Getödteten vom Todestage an zu gewährende
Rente, welche einen Bruchtheil seines Arbeits-
verdienstes bildet.
Die Aufbringung der Mittel erfolgt im All-
gemeinen durch das Kapitaldeckungsversahren, um
nicht eine zunehmende Belastung herbeizusühren.
Nur soweit wirthschaftlich stärkere Unternehmer in
Berufsgenossenschaften zusammengefaßt werden
sollten wie beim Handelsgewerbe, bei der Gast-
wirthschaft u. s. w., soll ausnahmsweise das Um-
lageverfahren, die Umlegung des Jahresbedarfs,
Platz greifen. Für gewisse Betriebe aber, die nur-
geringe Gewinne abwcrfen, soll der Gemeinden-
oder der Kommunalverband mit Genehmigung
der höheren Verwaltungsbehörden die Beiträge

ganz oder theilweise durch Gemeinden- oder Kom-
munalverbände ausbringen dürfen.
Die Bildung von Berufsgenossenschaften er-
folgt auf Antrag von Betriebsunternehmern oder
Unternehmerverbänden. Die Anträge sind in einer
Generalversammlung von Betriebsunternehmern
und bei einer Erweiterung bestehender Berufs-
genossenschaften durch Beschluß der Genossenschafts-
versammlung nickt nur daraufhin zu prüfen, ob
dazu die zu vereinigenden Betriebe nach ihrer
Anzahl und der Zahl der beschäftigten Personen
ausreichen, sondern auch nach der Richtung, ob
die Beschaffenheit der Betriebe und ihrer Unter-
nehmer sür eine berussgenossenschaftliche Organi-
sation geeignet sind. Diese Prüfung soll dem
Bundesrath zufallen. Die Zustimmung des Bundes-
rathes kann versagt werden: 1) wenn die be-
thciligten Betriebe nach ihrer Anzahl oder Be-
schaffenheit nicht geeignet sind, um die dauernde
Leistungsfähigkeit der Berufsgenossenschast in Be-
zug auf die bei der Unfallversicherung ihr ob-
liegenden Pflichten zu gewährleisten; 2) wenn
Betriebe von der Aufnahme in die Berufsgcnossen-
schast ausgeschlossen werden sollen, welche ihr
zweckmäßiger Weise zuzutheilen wären; 3) wenn
eine Minderheit der Bildung oder Erweiterung
der Berufsgenossenschast widerspricht und für ein-
zelne Industriezweige oder Bezirke die Belassung
in den Unfallversicherungsgenossenschaften oder die
Bildung einer besonderen Berufsgenossenschaft be-
antragt, welche als dauernd leistungsfähig zu er-
achten ist.
Der Entwurf wurde dem Bundesrath vor-
gelegt und den Ausschüssen für Handel und Ver-
kehr, für Seewesen und das Justizwesen überwiesen.
Deutsches Reich.
Berlik, 26. Juni.
Der .Nationalzeitung" zufolge machte
die englische Regierung gestern Nachmittag
hier die amtliche Mitheilung, daß sie auf Artikel 3
des zwischen England und dem Congostaat getrof-
fenen Abkommens betreffend die Verpachtung eines
25 Kilometer langen Streifens an der westlichen
Grenze Deutsch-Ostafrikas verzichte,
— Die Affaire o. Kotze beschäftigte die Presse
in hohem Maße. Einstweilen scheint sie noch sehr
der Aufklärung zu bedürfen. Die angebliche Ent-
larvung erfolgte durch den Fürsten Pleß, den Oberst-
jägermeister des Kaisers. Die Gattin des Ver-
hafteten ist eine Tochter der verwittweten Baronin
von Treskow auf Friedrichsfelde. Gerade Herr v.
Kotze soll sich auf Anregung von höchster Stelle
bei den Nachforschungen nach dem Briefschreiber
besonders herv rgethan haben. Auch die Kaiserin
soll über die peinliche Entlarvung im höchsten

Maße betroffen gewesen sein, da Frau v. Kotze
bei ihr in besonderem Ansehen steht und sich ihrer
engeren Freundschaft erfreut. Unter den Personen,
denen Schmähbriefe zugingen, befinden sich auch
Mitglieder regierender Familien. Ueber 400 Pam-
phlete sollen in Händen der Behörde sein, deren
Autorschaft man Kotze zuschiebt. In Hofkreisen
glaube man, daß Kotze bei dem jetzigen Stande
der Dinge noch nicht als überführt zu erachten sei.
Der hauptsächlichste Verdachtsmoment sei die Auf-
findung der Löschblätter. Merkwürdigerweise sind
auch nach der Verhaftung Kotze's noch anonyme
Briefe der bekannten Art an Mitglieder der Hof-
gesellschaft gelangt, so daß also auf einen anderen
oder auf mehrere Urheber zu schließen märe. Daß
der Thäter in der unmittelbarsten Nähe des Throns
sich befindet, geht aus folgender Thatsache hervor.
Am Morgen der letzten Frühjahrsparade erhielt
Graf Fritz v. Hohenau ein anonymes Schreiben,
worin ihm seine bevorstehende Versetzung nach Han-
nover angekündigt wurde. Als der Kaiser nach
der Parade dies thatsächlich dem Grafen mittheilte,
war der letztere so konsternirt, daß dies dem
Kaiser auffiel. Auf die Frage nach dem Grunde über-
gab Graf Hohenau dem Kaiserdas anonyme Schreiben.
Karlsruhe, 26. Juni. Die auf Grund des
Artikels 9 des Gesetzes vom 18. Juni 1892, die
Besteuerung für allgemeine kirchliche Bedürfnisse
betreffend, sowie des 8 12 der Synodalordnung
für die israelitische Religionsgemein-
schaft des Großherzogthums vom großh.
Oberath der Israeliten erlassene Geschäftsordnung
sür die Svnode hat mit Entschließung großh.
Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts
die staatliche Genehmigung erhalten. Was die erst-
malige Berufung der Synode betrifft, so hat sich,
wie die „Bad. Korrespondenz" hört, ergeben, daß
dieselbe im laufenden Jahre nicht mehr ausführbar
ist, da die Fertigstellung des Staatssteuerkatasters
für 1895 nicht vor Ende l. I. erwartet werden
kann. Von dieser hängt aber wegen der nach Artikel
19, Ziffer 3, 4 des Gesetzes vom 18. Juni 1892
erforderlichen Angaben die Aufstellung des Voran-
schlags über die Einnahmen und Ausgaben für
die ällgemeinenBedürfnisse der israelitischenReligions-
gemeinschaft für die im Jahre 1895 beginnende
neue Steuerperiode ab, und die Ausstellung des
Voranschlags sowie dessen Auslegung während der
Dauer eines Monats ist wiederum nach Artikel 20
des erwähnten Gesetzes nothwendige Vorbedingung
für die Vornahme der Wahl der Synode. Ist
nun die Aufstellung des Voranschlags erst zu Beginn
des kommenden Jahres zu ermöglichen, so kann
die Wahl der Synode erst zv Anfang k. I. statt-
finden und somit auch die Berufung dieser Versamm-
lung frühestens im Laufe des Februar erfolgen.

H s s ü h n L.
Roman von H. von Gabain.
5) (Fortsetzung.)
„Unser gesummtesEigenthum, eingerechnet Garten,
Feld und Wiese," fuhr Georg fort, „umfaßt ein
Areal von über 96 Morgen. Dir werden 4 Pferde
zur Verfügung und ein Kutscher nebst zwei männ-
lichen Gehilfen zur Seite stehen. Hoffentlich erhebst
Du keinen Einwand, auf daß Du meine Hoff-
nungen nicht zu Wasser werden?" fügte Georg
fragend mit einem kleinen Mißklang in der Stimme,
hinzu, als er die Erstarrung des Vaters sah. Statt
aller Antwort streckte Lendang dem Sohne beide
Hände entgegen, er rang gewaltsam, um seine
Rührung zu bemeistern, dann rief er im Freuden-
taumel: „Junge, Georg, ist's keine Täuschung?
Aus dieser schmählichen Niederlage, aus dem Faust-
schlag, den der junge Sproß von Ulestein mir
in's Gesicht versetzte, daß ich glaubte darüber zu
Grunde gehen zu müssen, soll ein neuer Tag er-
stehen, den Deine treuen Kindeshänden dem alten
sechzigjahrigen Vater mit so viel Sonnenschein
vor Augen führt? Aber sorge Dich nicht, lieber
Sohn," fügte er Plötzlich sehr ernst hinzu, „so
ganz mit leeren Händen trete ich nicht über Deine
Schwelle, wenn es auch nicht viel ist —"
„Um so besser für Dich, Vater," fiel Georg
ihm freundlich abwehrend in die Rede. „Ein
hübsches Sümmchen wird der Ertrag der Ernte
auch bringen, die Heuer vielversprechend ist. Rechne
noch einen Theil des lebenden Inventars hinzu,
für das ich Dich bitte, Dir bei Zeiten einen Käufer

zu suchen, daß Du nicht gezwungen bist, Dein
Eigenthum zu verschleudern, denn der 1. Oktober
sieht Dich, so Gott will, schon im neuen Heim.
Laß ja nicht den Kopf hangen," ermahnte der
junge Mann freundlich, „und stecke Dir ein Pfeif-
chen au; bei Deinem Licdlingsgenuß werden
freundliche Zukunftsbilder alle häßlichen Eindrücke
verscheuchen."
„Du hast Recht, lieber Junge, ich versteh'
schon den Wink und will Dich nicht länger von
dem gewünschten Alleinsein zurückhalten; kann's
mir denken, daß es Dich darnach verlangt. Aber-
Halt, noch eins." Georg wandte sich ans halbem
Wege um.
„Du sorgst so gewissenhaft sür das Mascu-
linum, wie steht's mit dem Femininum. Solch'
eine kleine, niedliche Frau Oberförster müßte sich
in der grünen Umrahmung nicht schlecht aus-
nehmen." Georg schmunzelte vor sich hin, ohne
die Frage zu beantworten.
„He, wie steht es, lieberJ ringe," forschte Len-
dang weiter. „Jung gefreut hat niemals gereut,
nimm Dir das all Votum".
Georg erwiderte lachend: „Aber ereifere Dich
nicht, Vater wir wollen sehen, was sich machen
läßt, immerhin habe ich noch einige Jahre Zeit.
Rauche Deine Friedenspfeife nur ruhig weiter,
später geheu wir zusammen hinaus, um den Stand
des Getreides zu Prüfen." —
Endlich war der junge Forstkandidat allein
und wie verlangte ihm darnach! Alles, was heute
auf ihn eingestürmt war, mußte er in sich ver-
arbeiten und überwinden lernen.

Sein Kopf schmerzte bis zur Raserei, sein
ganzes Nervensystem war erschüttert und selbst
wenn durch dieses Wirrwar ihn zwei holde Mädchen-
augen anzulücheln schienen, so hob sich gleichsam
wie ein düsterer Schatten Hans Ullrich's ver-
nichtende Gestalt dazwischen. Keine hoffnungs-
reichen Zukunftsbilder konnten den stattlichen
Mann mit dem interessanten Kopf fesseln; erst
die niilde Abendkühle brachte dem erhitzten Blut
des fassungslos Aufgeregten die gleichmäßige Ruhe
wieder.
Aus glatten, schneebeladenen Sohlen hatte sich
Heuer der November in's Land geschlichen. Es
war dieses Eingreifen der eigentlichen Nebel- und
Regenzeit in die Vorrechte des Wintermonats
zu unerhört, als daß man sich nicht allerorts be-
rechtigt zu fühlen glaubte, gleichfalls dem Außer-
gewöhnlichen zu huldigen und vor der öffentlichen
Carnevalszeit versuchsweise den Tempel der Terp-
sichore zu öffnen. Daß die Residenzstadt Z. da-
bei nicht zurückstand und eilig die Vergnügungs-
flagge hißte, verstand sich von selbst und setzte
Niemand in Erstaunen, der die Vergnügungssucht
der Rsidenzler kannte.
Freil'ch hielt den Herzog zur Zeit seine Jagd-
passion fern und die Herzogin Marie Stephanie
zog sich gern von allen Vergnügungen zurück.
Nur wenn die Etikette es verlangte, verließ die
stille hohe Frau ihre Gemächer, um ihr eintöniges,
klösterliches Leben dem zwingenden Ceremoniell auf
Stunden zu opfern. Jedermann waren die Motive,
durch die Marie Stephanie sich leiten ließ, bekannt.
Nicht Herzensneigung batte den Ehebund geschlossen,
vielmehr die Politik das Machtwort gesprochen und

zwei Menschen für Lebzeiten an einander gekettet,
die grundverschieden in ibren Neigungen, Ansichten
und Empfindungen waren.
In Folge d.ssen stellte mit den Jahren eine
peinliche Entfremdung sich ein, der die hohe Frau
mit Resignation sich fügte, bingegen der Herzog
August Albert unbehelligt die Freuden des Lebens
genoß. „Leben und leben lassen," das war sein
Wahlspruch. So kam es, daß die ersten Versuche
der ersten Gesellschaft von Z., es der Natur nach-
zuahmen, so zu sagen im Keim erstickten, weil die
Tonangebenden schwiegen. Die lange Fensterreihe
des Schlosses, nach welcher so manches Auge sebn-
süchtig emporblickte, blieb fest verhangen. So mußte
man sich wohl oder übel in Geduld fassen, bisher
allerhöchste Tagesbefehl erfolgen und den Bevorzugten
die Pforten des Schlosses öffnen würde. „Der
Herzog ist heute Nacht zurückgekehrt," hieß es eines
Morgens. Dieses Erlösun swort flog schnell von
Mund zu Mund. Man athmete erleichtert auf;
die Schneider-Ateliers wurden bestürmt; schöne
Frauen mit ihren anmuthigen Töchtern hielten vor-
sorglich Rata, Toilette und Haarschmuck.- man war
somit im richtigen Fahrwasser angelangt. Nur die
Gatten und Väter waren mißgestimmt und zogen
sich in ihre Clubs zurück.
„Die Präsidentin von Hannipot bat gestern
Audienz bei der Herzogin gehabt," flüsterte man
eines Tages, „paßt auf, die wird, wie alljährlich,
auch diesesmal den Vogel abschießen." Und so
war eS in der That. Sie verstand es, mit wunder-
barer Conseqmnz und seltener Ueberredungsgabe
ausgestaltet, die Herzogin zu bestimmen, endlich
aus ihrer Reserve berauszutreten und sich ihren
 
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