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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 141 - Nr. 150 (20. Juni - 30. Juni)
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Nummer 148. LL. Jahrgang. 1

Aeuev

Dienstag. 26. Juni 1894.

General-WAnseiger

für Heidelberg rrnd Umgegend

»


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General - Anzeiger
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Der Verlag des „Neuen General-Anzeigers",
Hauptstraße 25.

Die Ermordung des Präsidenten
Carnot.
Die ganze gesittete Welt steht seit gestern unter
dem Eindruck der grausigen That, die vorgestern
Abend in Lyon an dem Präsidenten der franzö-
sischen Republik, Herrn Sadi Carnot, ist be-
gangen worden. Bei solchen außergewöhnlichen
Veranlassungen fallen die nationalen Schranken.
Die Entrüstung und die Trauer, die ganz Frank
reich durchzittern, werden überall da getheilt wer-
den, wo man menschlich fühlt und ruchlose Frevel-
thaten verurtheilt. Mit dem Bedauern, daß eine
erhabene, ehrenvolle Laufbahn so jäh durch Mörder-
band abgeschnitten worden ist, wird sich das Bei-
leid für die geprüfte Familie verbinden, die ihr
verehrtes Haupt verloren hat, nicht etwa aus dessen
persönlicher Verschuldung, sondern als Opfer, das
für den Staat und die Gesellschaft gefallen ist.
Der korrekte gewissenhafte Staatschef, der, um
den Pflichten der Repräsentation zu genügen, am
Samstag im besten Wohlsein und fröhlichster
Stimmung nach Lyon zur Ausstellung gefahren
war, sollte nicht mehr lebend ins Elyfse zurück-
kehren. Nur sein Leichnam wird noch einmal den
Einzug in die französische Hauptstadt halten, durch
trauerersüllte Straßen, in welchen die schwarzum-
florten Gaslaternen brennen und an seiner Bahre

wird ganz Frankreich empfinden, was es an dem
Ermordeten verloren hat.
In dieseni Herbst war Carnots Scptennat zu
Ende. Seit Monaten schon tobte der Streit um
seine Nachfolge; die Gegner und die nach neuem
lechzenden Zufallspolitiker machten einer aber-
maligen Kandidatur Carnots heftige Opposition
und stellten Gegenkandidaten auf. Jetzt hat das
Schicksal gesprochen: Sadi Carnot sollte einen
Wahlkampf nicht mehr erleben.
* *
*
Präsident Carnot hatte abends am Bankett
theilgenommen und einen Trinkspruch auf das
Wohl der Ausstellung ausgebracht. Er sprach
seine Glückwünsche zu dem großen Erfolge aus
und sagte: „Ein einziges Herz schlägt in allen
Franzosen, wenn cs sich um die Ehre, die Sicher-
heit und die Rechte des Vaterlandes handelt. Die-
selbe Einigkeit verbürgt die Bewegung in der
Richtung des Fortschrittes und der Gerechtigkeit,
wovon Frankreich der Welt ein Beispiel zu geben
hat." Nach dem Bankett sormirte sich vor dem
Handelspalast eine lange Wagenreihe, Carnots
Landauer als erster. Neben ihm saß der Rhone-
Präfekt, Rivaud. Carnots Wagen fuhr um 9 Uhr
10 Min. unter den jubelnden Zurufen der dicht-
gedrängten Menge ab. Carnot dankte, forwährend
grüßend. Plötzlich, in der Mitte der langgestreckten
Facade des Kommerzpalastes, sprang ein Mann
auf das Trittbrett des Wagens welcher sofort
hielt. Die Zunächststehenden sahen Carnot er-
bleichen und in den Wagen zurücksinken, und
stürzten auf den Mann zu, welcher durch einen
Faustschlag des Rhonepräfecten auf die Straße
herabgeschleudert wurde. Carnot hatte einen Stich
in die Herzgegend erhalten, neben dem rothen
Bande der Ehrenlegion drang das Blut unauf-
hörlich hervor. Der Attentäter wollte entfliehen,
die Menge, anfänglich versteinert, ergriff ihn und
hätte ihn zerrissen, wenn nicht eine große Anzahl
von Polizeiagenten ihn befreit hätte. Eine Be-
deckung von mehr als zehn berittenen Gardisten
brachte den Attentäter — einen bartlosen Menschen
der gesenkten Hauptes, mit Jacke und Mütze be-
kleidet dahinschritt —, nach der Polizeiwache, wo
er sofort gefesselt wurde. Der alsbald erschienene
Rhoneprüfect und andere berufene Persönlichkeiten
gaben sich sofort daran, ihn zu verhören. Der
Mörder antwortete ohne Erregung, aber auch
ohne Großsprecherei, in schlechtem Französisch. Er
erklärte, Italiener zu sein und Cesario Giovanni
Santo zu heißen. Er sei 22 Jahre alt und habe
6 Monate in Cette gewohnt. Am Sonntag früh
sei er nach Lyon gekommen. Bei der Durch
suchung fand sich ein Arbeitsbuch, „20. Juni
1894 Paris" abgestempelt, welches angibt, daß

der Attentäter in Monte Visconti, Provinz Mai-
land, geboren sei. Der Attentäter schrieb sodann
mehrere Worte auf, besagend: „Cesario Giovanni,
Corso duca Genova, bei der wohlbekannten Familie
Magni Francisco." Es war unmöglich, aus ihm
etwas anderes herauszubringen. Er tagte, er
werde nur vor den Geschworenen sprechen. In-
zwischen iuhr der Wagen des Präsidenten Carnot
nach der Präfektur. Die Menge konnte Carnot
ausgestreckt auf den Wagenkissen liegen sehen, be-
wußtlos, regungslos, die Augen erloschen. Aus
der Hemdöffnung floß unaufhörlich das Blut. Die
Szene erschütterte die Menge zu Thränen. Vor
der Präfektur hoben General Bonus, der Rhone-
präfekt und der Bürgermeister den Präsidenten
mit großer Mühe aus dem Wagen und brachten
ihn in das nächste Zimmer. Die herbeigeholten
Aerzte hielten eine Operation für nöthig. Doktor
Ollier erweiterte die vom Mordstahl gemachte
Wunde. Carnot erlangte die Besinnung wieder
und sagte mit deutlicher Stimme zum Arzte:
„Wie weh Sie mir thun!" Die hierauf vorge-
nommene gründliche Untersuchung ergab eine
schwere Verwundung und einen sehr bedenklichen
Zustand, umsomehr als innere Verblutung zu be-
fürchten war. Die Präfektur wurde abgesperrt,
alle Zugänge zu Carnots Zimmer bewacht. Draußen
harrte die Menge, Schrecken auf allen Gesichtern.
Ueberall hört man die Frage, ob Carnot n.it dem
Leben davonkommen werde.
Unterdessen hatte sich um 9 Uhr das Theater
mit den eingeladenen Gästen zur Galavorstellung
gefüllt, welche ungeduldig die Ankunft des Prä-
sidenten erwarteten. Plötzlich verbreitete sich das
Gerücht, Carnot sei das Opfer eines Attentats
geworden. Allerseits furchtbare Bestürzung! Die
Frauen schrieen auf . . . Allgemeine Bewegung
... Die offiziellen Persönlichkeiten verlassen das
Haus, um Nachrichten zu bringen. Die ganze
Stadt ist in den Straßen versammelt, nirgends
ist eine Weiterbewegung möglich. Die allgemeine
Festbeleuchtung hatte die ganze Bevölkerung als
Zuschauer. Um ll'/z Uhr fuhr der Wagen mit
dem Ministerpräsidenten Dupuy und dem Rhone-
präfekten in raschem Gange vor dem Theater vor.
Die Menge ruft jubelnd: „Vivo 6arnot", aber
Dupuy steht erschüttert auf und winkt mit der
Hand. Stille. Er sagt: „Rufet nicht so, der
Präsident ist das Opfer des Attentats geworden!"
Furchtbar war der Eindruck . . . Zuerst Still-
schweigen .... Dann von allen Seiten Ver-
wünschungen und Racherufe gegen den Mörder. Der
Rhonepräfekt trat ins Theater und theilte von der
Präsidentenloge aus das Attentat mit. In Wuthaus-
brüchen schreit die Menge: Tod dem Mörder! Rache
dem Mörder!" Der Präfect will die Einzelheiten er-

zählen, wird aber bei jedem Worte von Zwischenrufen
allgemeinerErschütterung unterbrochen. Cr theilt end-
lich mit, angesichts des schrecklichen Ereignisses
werde die Vorstellung nicht stattfindcn. Das Pub-
likum verließ in dumpfem Schweigen das Haus.
Ein um ll^/z Uhr ausgegebener ärztlicher
Bericht besagte: „Der Zustand Carnots ist beun-
ruhigend, aber nicht verzweifelt. Der
Stich ist in die Lebergegend gegangen und hat
reichlichen Blutverlust erzeugt, der aber zum Still-
stände gebracht ist." Bald nach Ill/zUhr begann
der Blutverlust wieder. Die Aerzte entschossen sich
zur Operation, um womöglich den Blutverlust
dauernd zu stillen. Alle ärztlichen Bemühungen
waren aber vergebens: um 12 Uhr 50 Minu-
ten starb Carnot. Ministerpräsident Dupuy
richtete über das grausige Ereigniß an die Präsi-
denten der Kammer und des Senats nachstehende
offizielle Depesche:
„Präsident Carnot ist auf der Fahrt von der
Handelskammer nach dem großen Tbeater von
einem Dolchstich getroffen worden. Der Mörder
wurde sofort verhaftet. Er hielt mit einer Hand
die Wagenlehne, mit der anderen seinen Dolch fest.
Carnot wurde sofort nach der Präfektur gebracht,
wo die ersten Aerzte Lyons um ihn bemüht sind.
In dieser schmerzlichen Prüfung schließt sich die
Regierung den Wünschen Frankreichs für den Prä-
sidenten der Republik an." Dupuy.
* -je
*
Paris, 25. Juni. Frau Carnot ist mit
beiden Söhnen und dem Doctor Planchon um 1
Uhr früh von Paris nach Lyon abgereist.
-I- -K
Lyon, 25. Juni. Einzelheiten aus den
letzten Augenblicken Carnots. Der Erzbischof
wurde um Mitternacht empfangen, blieb kurze Zeit,
zog sich sodann ins Nebenzimmer zurück. Um halb
1 Uhr, als der Tod unmittelbar bevorstand, wurde
der Erzbischof zurückgerufen. Er trat mit dem
Generalvikar ein, und Carnot erhielt die letzte
Oelung. Carnot war sich seines Zustandes klar-
bewußt; er sagte zweimal: „Ich sterbe diesen
Augenblick." Dr. Poncet beugte sich über den
Verwundeten und sagte: „Ihre Freunde sind da."
Carnot erwiderte kaum vernehmbar: „Ich bin
glücklich, daß dieselben zugegen sind." Das waren
seine letzten Worte; er starb um 12 Uhr 45 Min.
auf einem eisernen Feldbett, zu Füßen des Parade-
bettes. Der von den Aerzten zur Verhütung der
inneren Verblutung geführte Schnitt ist 12 Centi-
meter lang und 8 breit. Die Erregung der Be-
völkerung ist zunehmend. Es wird Jagd gemacht
auf wirkliche und angebliche Italiener. Die Poli-
zeiagenten sind vermehrt und bilden einen Wall
um die Verfolgten und bringen sie zur Wache, die

KesüHn t.
Noman von H. von Gabain.
4) (Fortsetzung.)
Einen Augenblick stand Lendang vor dein mäch-
tigen, aus weißen Stein gehauenen Tiger und
betrachtete das Meisterwerk. Das goldene Wappen
mit der neunzackigen Grafenkrone hatte sich aus
den Vorderpranken bedenklich gelockert und mich
überkam es wie eine Ahnung für die Zukunft des
alten Geschlechtes derer von Havar-Ulestein. Ich
machte einige kräftige Versuche, den schwankenden
Schild in seine vorherige Stellung zu bringen.
Ob das knirschende Geräusch den Grafen aus
seiner Lethargie weckte, oder der Schatten meiner
Person, der auf dem Silbersande einen weiten
Kreis beschrieb, ihm die Nähe eines Menschen ver-
mnthcn ließ, kurz, er hob plötzlich den
Kopf, der bis dahin tief auf der Brust geruht
hatte und beschattete die Augen mit der nackten
Hand. Da war freilich an ein Ausweichen nicht
mehr zu denken. Grüßend zog ich den Hut ohne
mich von der Stelle zu rühren.
„Georg," rief er, mit der Hand ein Will-
kommen winkend, „sind Sie es denn wirklich oder
lassen mich meine Angen ganz im Stich ? Kommen
Sie doch zu mir."
Da wußte ich freilich, daß hier noch die alte
Lust wehte und die heiligen Empfindungen eines
treuen Menschcnherzens nicht mit Füßen getreten
wurden," setzte Georg in einem Gemisch von Trauer
Und Bitterkeit hinzu.
„Ich durchmaß den Raum, der mich von dem

gütigen verehrten Herrn trennte, mit langen
Schritten und beugte mich voll Ehrfurcht vordem
unglücklichen Greis tief aus die sich mir entgegen-
streckende Hand, ohne ein richtiges Wort finden
zu können. Ein Zittern ging durch seinen elen-
den Körper. Eiskalt, trotz der glühenden Sonnen-
strahlen, waren die knöchernen Finger, die die
meinigen fest umschlossen hielten, dann wandte sich
der tiefbewegte Mann zu dem Diener — eine
echte, stupide Lakaien-Physiognomie — der thcil-
nahmlos an dem vergoldeten Gitter lehnte, das
die sogenannte Hans Ullrich-Eiche wie einen Panzer
umgibt, und sagte niit jener bestechlichen Sanft-
muth, die dem Herrn ja von jeher eigen wrr und
ihm alle Herzen öffnete:
„Gehen Sie, Adolph, ich will ein Viertel-
stündchen allein sein, bleiben Sie jedoch in der
Nähe, mein Sohn darf nichts —"
Er winkte ungeduldig mit der Hand, wie ein
unmündiges Kind, das unbewußt einen Theil
seines so lange bewehrten Geheimnisses preisge-
geben hatte. Also so weit war es schon gekommen.
Anstatt den Sohn zu lieben, fürchtete er ihn. Es
mußte wohl so etwas wie ein Seufzer meinen
Lippen entschlüpft sein," so sprach Georg weiter,
denn der Graf knüpfte gleich seine vertraulichen
Eröffnungen daran an."
„Ja lieber Georg," sagte er, „Ihnen ist das
Herz bei meinem Anblick schwer; Sie durchschauen
mit Ihrem klaren Verstände die grausame Situa-
tion, die ich mir leider durch meine Nachgiebigkeit
— die von zärtlicher Liebe diktirt wurde, selbst
geschaffen habe. Nicht wahr, Georg, fünf Jahre
haben mich schmerzlich verändert, ich stehe schon

mit einem Fuß im Grabe. Oh, wäre es nur
erst ganz zu Ende, nähme Gott endlich diese furcht-
bare Qual von mir!
Große Thränen rollten während des Sprechens
von seinen eingesunkenen, gelben Wangen und
immer fester zog der unglücklichste aller Väter mich
zu sich heran.
„Georg," flüsterte er, mir in's Ohr, „sahen
Sie ihn?"
„Ich meine Hans Ullrich," fügte er hinzu,
meinen fragenden Blick beantwortend. „Meine
Hoffnung, mein Glück, mein Alles, Alles war er
und nun, o mein Gott, Du strafst mich zu hart!
Sprechen Sie, Georg, weichen Sie mir nicht aus,
ich will es wissen, ob auch die Freundschaft keinen
Platz mehr in dem entarteten Herzen gefunden
hat?"
Seine Stimme klang so überreizt, die milden
einst so schönen Augen blickten so unstät, daß ich
eine Weile mit mir zu Rathe ging, ob ich dem
ohnehin schon so belasteten Herzen durch die volle
Wahrheit noch größere Oual auferlegen sollte; dann
entschloß ich mich einer inneren, warnenden Stimme
zu folgen und ausweichend entgegnete ich: „Hans
Ullrich ist noch jung, gnädigster Herr Graf, seine
Geburt, seine bevorzugte Lebensstellung berechtigen
ihn zu kleinen Extravaganzen; besser, er gibt sich
jetzt dem vollen Genuß des Lebens hin, wie später
als gereister Mann. Ich sah Hans Ullrich einen
Augenblick, hatte aber, freilich unbewußt, die Zeit
schlecht gewählt".
„Ja, ja, Georg", stöhnte er, als plagten ihn
entsetzliche Schmerzen, die täglichen Gelage vertreiben
mich aus meinem eigenen Hause; wäre er erst nur

fort mit den tollen Genossen, die ihm das Geld
im Spiel und bei den wahnwitzigsten Wetten zu
Tausenden abnehmcn. Hans Ullrich ist der Einzige
und, Gott gebe es, der Letzte, der den Wahlspruch
des edlen Geschlechtes: „Gerecht — selbstlos —
treu und fromm" unter die Füße tritt, der den
Vatersegen verscherzt, durch seine unbezähmbaren
Leidenschaften. Aber meine Kraft ist noch nicht
ganz gebrochen, dem Ungerathenen sollen nach meinem
Tode die Augen geöffnet werden, denn ich will
nicht, daß der Sprosse eines edlen Geschlechtes mit
einem Stab in der Hand das Schloß seiner Ahnen
verlassen muß."
Erschöpft sank der Greis zurück in die weichen
Seidenkissen. So sprach der junge. Erzähler.
„Weiter," bat Lendang, aus dessen Augen es
feucht schimmerte.
„Graf Alexander," so Hub Georg nach kurzem
Stillschweigen wieder an, „raffte sich wie ein
schwerer Kranker empor, und als spräche er zu
einem Freunde, als hinge von der Gewährung
seiner Bitte Leben oder Tod ab, sagte er faßtun-
heimlich feierlich :
„Georg, Sie sind noch jung, aber ein braver,
rechtschaffener Charakter, der nie an einer Klippe
des Lebens Schaden nehmen wird; nach solch
einem ehrenhaften Mann habe ich lange gesucht.
So schwören Sie mir, dem siechen Greis, der
ärmer als ein Bettler ist, und der Sie auf
seinem Sterbebette noch dafür segnen will, schwö-
ren Sie, Georg, daß Hans Ullrich in Ihnen
einen wahren Freund finden wird, wenn er einst,
vom Schicksal verfolgt, zu Ihnen eilt; verzeihen
 
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