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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 71 - Nr. 80 (27. März - 6. April)
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Nummer 77. H Jahrgang.

Neuev

Dienstag, 3. April 1894.

für Heidelberg und Umgegend

Expedition: Hauptstraße Mr. 2S.

.-Ä

JnsertionSprcisr
die lspaltige Petit,eile oder deren Raum S Pf-.,
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holung entsprechender Rabatt.

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Expedition: Hauptltrake Mr. 2o.


Geleseirstes Blntt in Stndt u. Amt Heidelberg und Amgegend. Gvötztev Erfslg fuv Jnsemrte.

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unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Deutsches Reich.
Berlin, 2. April.
— Anläßlich des Geburtstags des Fürsten
Bismarck sind gestern zahlreiche Gratulationen,
Blumenspenden und Geschenke aller Art eingetroffen.
Das Musikkorps des Lauenburgischen Jägerbatail-
lons begrüßte den Fürsten mit einer Morgen-
Musik. Ein Altonaer Männerverein trug 3 Lieder
vor und wurde vom Fürsten mit einer Ansprache
ausgezeichnet. Um 12^ Uhr traf der Flügel-
adjutant des Kaisers, Major Gras Moltke,
ein, um dem Fürsten ein Schreiben des Kaisers
zu überreichen, in welchem derselbe in herzlichen
Worten seine Glückwünsche ausspricht. Um 1 Uhr
brachte die Musik des 1. Thüringer Infanterie-
Regiments dem Fürsten ein Ständchen. Aus
Hamburg und der weiteren Umgegend treffen fort-
während Gratulanten ein. Flügeladjutant Graf
Moltke überreichte dem Fürsten im Namen des
Kaisers einen prachtvollen, mit Maß gefüt-
terten Küraß von vernickeltem Stahl nebst Epau-
letten und Bandelier. Der Fürst probirte den
Küraß sofort an und sprach seine Freude über
den guten Sitz des Panzers aus; Als um 3
Uhr der Fürst den Abschied nehmenden Grafen
Bernstorfs hinausbegleitete, wurde er am
Thore von der dort harrenden Menge mit brau-
senden Hochrufen begrüßt. Der Fürst dankte nach
allen Seiten auf's Freundlichste und reichte vielen
Anwesenden die Hand. Nachdem der Fürst in's
Herrenhaus zurückgekehrt, drängten viele Tausende
durch die weit geöffneten Thüren bis unmittelbar
nach dem Herrenhause und warteten auf das Er-
scheinen des Fürsten. Als Bismarck auf dem
Balkon erschien, spielten die Musikkapellen vater-
ländische Weisen, darunter „Die Wacht am Rhein"
und „Deutschland, Deutschland über Alles!" Als
Letzteres angestimmt wurde, sang die Menge be-
geistert mit. Einer Abordnung seines Magde-
burger Kürassirregiments sagte der Fürst, er hoffe,
nächstens in persönliche Beziehungen zu dem Re-
giment treten zu können.
— Der Fackelzug des Hamburger Reichs-
tvgswablvereins nabm einen großartigen Verlauf.
Sechs Sonderzüge brachten etwa 6000 Personen,
darunter 3400 Teilnehmer an dem Zuge, der

nahezu 2500 Fackeln aufwies; auch viele Damen
befanden sich im Zuge, sowie 6 Musikchöre. Woer-
mann hielt, lt. „Frkf. Ztg.", eine Ansprache, in
der er sagte, Bismarck's Name werde allezeit trotz
Parteihader und Partikularismus Alles einigen,
was die Größe der deutschen Nation erstrebe. Bis-
marck antwortete, alle politischen Anspielungen ver
meidend, er habe das Glück gehabt, in einer Zeit
an's Ruder zu kommen, wo die Massen für Deutsch-
lands Einigkeit flüssig und gußbereit gewesen seien.
Diesen Guß habe er nur vvrzunehmen brauchen.
Er schloß mit einem Wunsch für Hamburgs Wohl-
ergehen. Die Gyafen Herbert und Wilhelm Bis-
marck, sowie Schwenninger waren anwesend.
— Der Satz: „DerWegnachKonstanti-
nopelführt durch das Brandenburger
Thor", der jüngst im Reichstage einen Wort-
wechsel zwischen dem Reichskanzler und dem Grafen
Bismarck hervorrief, verdankt seinen Ursprung weder
dem Fürsten Bismarck, wie Graf Herbert schon
festgestellt hat, noch dem Grafen Caprivi, wiewohl
dieser es zuerst im Parlament zitirt hat, sondern
findet sich, allerdings noch in anderer Fassung, zu-
erst in einer 1892 erschienenen Schrift „Fürst
Bismarck und Rußlands Orientpolitik von einem
dreibundfreundlichen Diplomaten." Nach einer Be-
sprechung des 1774 geschlossenen Friedens von
Kütschük Kainardsche und nach eingehender Wür-
digung der Orientpolitik der- Kaiserin Katharina
heißt es dort auf den Seiten 30 und 31 wörtlich:
„Am Dnieper wurde die Stadt Cherson gegründet,
in deren Werft eine Kriegsflotte im Hinblick auf
die weiteren, gegen die Türkei geplanten Feldzüge
gebaut werden sollte. Als Katharina auf ihrer
berükmten Reise im Süden des Reichs diese neue
Stadt besuchte, prangte auf einem der Triumph-
bogen die Aufschrift: „Weg nach Byzanz". Be-
kanntlich ist dieser Weg in neuerer Zeit über das
Brandenburger Thor verlegt worden." Dieser letzte
Satz ist dann zuerst durch den jetzigen Reichsbanner
zu dem oben angeführten „geflügelten Wort" ge-
worden.
— Der frühere Gesandte beim Vatikan Herr
v. Schlözer ist infolge einer Erkältung, die er
sich bei einem Ausfluge zugczogen, erkrankt. Herr
v. Schlözer wurde um Weihnachten von einem
schweren Influenza-Anfall heimgesucht; nur lang-
sam erholte er sich von der tückischen Krankheit.
Vor einigen Wochen ging er zu seiner Erholung
nach Baden-Baden. Am letzten Donnerstag von
dort nach Berlin zurückgekehrt, wurde er, wie der
„L. A." erfährt, von einer heftigen Lungenentzün-
dung auf das Krankenlager geworfen.
— Die nächste Sitzung derSilberenquete-
(Mähru ng s)-Ko m m i si vn ist auf den 12.
April, Nachmittags 2 Uhr. einberufen. Wie aus

Leipzig gemeldet wird, ist im Verlage von Dunkcr
und Humblot soeben eine Schrift (36 Seiten)
„Die Wührungsfrage" von M. von Sch raut
(Straßburg i. E.) erschienen. In derselben wird
unbeschadet der Aufrechterhaltung der bestehenden
Goldwährungen zur Beseitigung der nachtheiligen
Wirkungen der unterwerthigen Valuten auf die
Waarenpreise des Weltmarktes der Vorschlag der
Zulassung von internationalen durch Silber ge-
deckten Zertifikaten auf Grundlage einer inter-
nationalen Vereinbarung gemacht.
Karlsruhe, 2. April. Durch die Erweiterung
der Wuchergesetze ist auch die Untersagung ge-
wisser Gewerbebetriebe, die damit in Zusammen-
hang stehen, ermöglicht worden, so der Betrieb
der Viehverstellung (Viehpacht), des Viehhandels
und des Handels mit ländlichen Grundstücken.
Der Beginn dieser Betriebe ist nach der „Bad.
Korrespondenz" den Behörden anzuzeigen, ebenso
die Fortsetzung eines schon bestehenden derartigen
Gewerbes. Untersagt wird der Betrieb, wenn die
Unzuverlässigkeit der Gewerbetreibenden durch That-
sachen erwiesen ist. Zu den ländlichen Gütern
werden auch Gebäude und Waldgelände gerechnet.
Der Fabrikinspektion lagen im vergangenen
Jahre in 536 Fällen die von den Bezirksämtern
geführten Untersuchungen über Betriebsunfälle zur
Begutachtung vor. Es handelt sich dabei nur um
solche Betriebe, welche der Fabrikaufsicht unter-
liegen. Die stärksten Zahlen stellen dazu die süd-
deutsche Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft mit
118, die südwestdeutsche Holzberufsgenossenschaft
mit 84, die chemische Industrie mit 52, diePapier-
macher-Berussgenosfenschast mit 47 Fällen. Gegen
1892 ergibt sich eine Zunahme von 124Unfällen,
hauptsächlich herrührend aus der größeren Voll-
ständigkeit der Aktenzusendung an die Inspektion.
Es handelt sich dabei überhaupt um alle einge-
leiteten und mitgetheilten Untersuchungen, nicht
bloß um die entschädigungspflichtigen. —Korb-
fl echt schul en bestehen gegenwärtig für das
Großherzogthum in den Gemeinden Grauelsbaum
und Honau, Amt Kehl, und in Bvdman, Amt
Stockach; sie erhalten staatliche Zuschüsse.
München, 1. April. Der von dem Bischöfe
Speyer beschlossenen Ernennung des Domvikars
Johann Baptist Wafsenschmitt in Speyer auf das
durch das Ableben des Domkapitulars Leonhard
Kuhn und durch das Vorrücken der vier jüngeren
Kapitularen erledigte VIII. Kanonikat in dem Dom-
kapitel Speyer wurde die landesherrliche Genehmigung
ertheilt.
Ausland.
Wien, 2. April. Bei der am Sonnabend
erfolgten Vereidigung des Bürgermeisters
Gr ne bl von Wien hob der Statthalter Graf

Kielmansegg hervor, im Gemeinderath dürfe -e-
sich nicht um Austragung von politischen oder per-
sönlichen Kämpfen handeln, sondern um die frucht-
lose Debatten nicht mehr ertragende Verwaltung
der Reichshauptstadt. Ferner drückte der Statt-
halter den Wunsch aus, der Geist der Mäßigung
und ruhigen sachlichen Erwägung möge sich im
Gemeinderathe einbürgern und sagte die wärmste
Unterstützung seitens der Regierung zu. Bürger-
meister Gruebl dankte und brachte zum Schlüsse
seiner Rede ein Hoch auf den Kaiser aus.
Pest, 2. April. Bei prächtigem Wetter fand
heute die Beisetzung der Leiche Kossuths
statt. Die Straßen vom Museum nach dem
Friedhöfe waren überfüllt. Aus den Provinzen
sind unzählige Massen herbeigekommen. Sehr viele
Abordnungen sind mit Kränzen und Fahnen ein-
getroffen. Um 10 Uhr fand in der Vorhalle des
Museums eine Trauerfeier statt, unter Theilnahme
einer Abordnung des Magnatenhauses, der lutheri-
schen Bischöfe und von Vertretern aller Parteien
des Abgeordnetenhauses. Nach dein Gesang der
Nationalhymne hob der lutherische Bischof Zarkany
die Verdienste Kossuths um die Freiheit Ungarns
hervor. Namens des Abgeordnetenhauses sprach
Maurus Jokai. Er betonte, was Kossuth für das
Vaterland geopfert, wie er für die Presse, die
Freiheit und für die Demokratie die Grundlagen
geschaffen habe. In ergriffenen Worten nahm der
Redner Abschied von Kossuth. Namens der Stadt
hob der Bürgermeister die Verdienste des Verstor-
benen um die Größe der Hauptstadt hervor. Dey
Sarg wurde hierauf unter Chorgesang auf den
8spännigen Leichenwagen gehoben. 20 Wagen mit
Kränzen fuhren voraus. Um 2 Uhr langte der
Zug auf dem Friedhofe an, woselbst die Abgeord-
neten Just und Hermann im Namen der Unab-
hängigkeitspartei, sowie Vertreter der 1848er Land-
wehr und der Studentenschaft sprachen. Hierauf
wurde der Sarg unter Trauergffang provisorisch
in die Gruft niedergesenkt. Trotz der ungeheueren
Menschenmenge war die Ordnung musterhaft und
es ereignete sich kein Zwischenfall.
Krakau, 31. März. Anläßlich der Kos-
ei u s z i o-F eier wurde gestern eine Gedenktafel
angebracht und heute ein Festgottesdienst in der
Schloßkirche abgehalten. Abends fand Festvor-
stellung im Stadttheater statt. Der Tag verlief
ohne Zwischenfall.
Abbazia, 31. März. Der deutsche Kaiser
und die Kaiserin machten heute Nachmittag einen
Spaziergang, verweilten einige Zeit auf dem
Lawn-Tennis-Platze, wo sich die älteren kaiser-
lichen Prinzen an dem Spiele betheiligten.
London, 31. März. Heute Nachmittag wurde
in einem Hotel in Blackheat bei Greenwich ein

Das Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Frankenstein.
. (Fortsetzung.)
„Was ich thun werde, ist noch unbestimmt,"
stüste'te Miß Monk heiser.
„Ich werde Dich nicht allzu tief in meine Ge-
heimnisse einweihen, Gilbert. Ich brauche keine
andere Freundin, als die alte Ragen. Eines
kannst Du aber versichert sein, meine Pläne von
Größe sind nicht gestört, nur verzögert. Ich
schwöre Dir, daß ich von heute in fünfzehn Mo-
Naten die zweite Lady Chctwynd bin."
„Aber wie? Ich kann nicht verstehen —"
Sie unterbrach ihn mit heftiger, gebieterischer
Geberde.
„Frage mich nicht, sondern gehorche mir un-
bedingt, und Dein Wohlstand ist mit dem meinigen
gesichert. Wir müssen für unser glückliches Paar
einen glänzenden Empfang vorbereiten und Du
wußt Ihnen nach Edinburgh entgegenreisen. Du
wußt die Freundschaft der jungen erobern," und
Miß Monk lächelte bitter. „Gehe Ihnen ent-
gegen und überlasse das klebrige mir. Treffe so-
wrt die nöthigen Verfügungen zu ihrem Empfange.
Gib Du dem männlichen Dienstpersonale Aufträge
' ich werde sie dem weiblichen geben — und
N>enn Alles bereit ist, telegraphiere an Lord Chet-
bchnd und reise ihm entgegen, während ich hier
Reibe. Mehr ist vorderhand nicht nothwendig,
Red ich will Dich jetzt verlassen, damit Du den
Hausleuten die glückliche Nachricht von des Mar-
quis Verheirathung mittheilen kannst."

( Sie wandte sich und ging mit raschen Schritten
in das Haus zurück. —
„Ich möchte nicht um die Welt Sylvia Monk
im Wege stehen," sagte Gilbert, seiner Schwester
unwillkürlich nachschauend. „Sylvia war so lange
unter der Vormundschaft der alten Ragen, das
sie einem Menschenleben keinerlei Werth beilegt,
es wäre denn ihr eigenes. Was wird sie thun?
Es ist klar, daß sie nichts Gutes vorhat. In
Indien gilt ein Menschenleben nicht viel und
Sylvia hat von ihrer alten Ainme viele von deren
sonderbaren Ideen angenommen. Jst's möglich
— doch das geht mich nichts an. Sylvia soll
ohne meine Einmischung thun, was sie will, ob-
wohl ich bereit sein werde, den Nutzen zu theilen
—* nur möchte ich das Leben von Lady Bernice
Chetwynd nicht versichern."
Er glättete den zerknitterten Brief und ging
in's Haus.
Er rief den Verwalter und den Haushofmeister
und theilte Ihnen die Nachricht kurz mit. Man
hatte im Hause nichts davon erfahren, daß die be-
standene Verlobung zwischen dem Marquis und
Miß Monk gelöst worden war, und die kkeber-
raschung der beiden ersten Diener, daß ihr Herr
eine Dame geheirathet hatte, von der sie nie zu-
vor gehört hatten, malte sich daher deutlich in
ihren Blicken, was Gilbert in eine schreckliche
Wuth versetzte, die er möglichst unter seinem burschi-
kosen Wesen zu verbergen trachtete.
Er ertheilte genaue Befehle für einen festlichen
Empfang des jungen Paares und reiste zeitig am
nächsten Morgen nach Edinburgh ab, Lord Chet-

wynd seine Ankunft, wie wir bereits wissen, vor-
her telegraphisch anzeigend.
„Ich werde mich recht herzlich lind erfreut
zeigen," sagte er zu sich, als er sich seinem Be-
stimmungsort näherte. „Wenn man solche Gefühle
hat, die ich, thut man besser, sie zu maskiren.
Ich kann es Sylvia ruhig überlassen, sich für Un-
recht zu rächen und die verlorene Stellung wieder
zu erobern. Bei Gott! Ich möchte wissen, was
sie plant, aber eines ist mir klar — es wäre besser
für Berniee Gwellan gewesen, in St. Kilda zu
leben und zu sterben. Ihre Heiratb mit Lord
Chetwynd wird ihr verhängnißvoll werden."
5. Kapitel.
Die Hochzeitsreise.
Etwa eine Stunde, nachdem Lord Chetwynd
das Telegramm erhalten hatte, welches ihm die
Ankunft seines Stiefbruders Gilbert Monk in
Edinburgh anzeigte, fuhr derselbe in einem Wagen
vor dem Hotel Royal vor.
Sein ernstes war, daselbst die Reisekleider ab-
zulegen und elegante Toilette zu machen.
„Es ist nothwendig, einen günstigen Eindruck
auf die kleine Heldin zu machen," sagte er zu sich,
seinen Bart streichend. „Sie hat wahrscheinlich
ihr Leben lang noch keinen Frack gesehen, außer-
dem Chetwynd trug bei seiner Trauung einen.
Sie wird wahrscheinlich ein schüchternes, unge-
schicktes, kleines Ding sein, deren hübsches Gesicht
ihre ganze Anziehungskraft ist. Chetwynd ist der
rechte Mann, sich in ein hübsches Bauernmädchen

zu verlieben, und ich gehe eine Wette ein, daß er
seine Thorheit, sie geheirathet zu haben, bereits
in einem halben Jahr bereut. Aber jetzt wollen
wir uns das Geschöpf ansehen, das Sylvia bei
ihm verdrängte."
Er rief einen Diener und ließ sich von dem-
selben zu Lord Chetwynds Zimmer führen, wo-
selbst er ungestüm anklopfte.
Der Marquis selbst öffnete ihm.
Gilbert Monk hatte erwartet, eine gewisse Ver-
legenheit und Zurückhaltung in dem Wesen des
jungen Lords zu finden, aber er sah sich ent-
täuscht. Lord Chetwynd empfing ihn mit ehr-
licher, offner Vertraulichkeit und sichtlich ohne die
geringste Erinnerung an den Augenblick seiner ge-
lösten Verlobung m>t Sylvia. Bei Chetwynd war
die Vergangenheit begraben. Er glaubte, daß
Sylvia ihn nicht geliebt hatte und daß die
Lösung des Verhältnisses ihr ebensoviel Erleichte-
rung brachte als ihm. Und da Sylvia selbst
diese Lösung beantragt hatte, fühlte er eine zärt-
liche Dankbarkeit für sie, die durch sein jetziges
Glück nur noch erhöht wurde. Aus Achtung
und Zartgefühl für seine Stiefschwester hatte
er nicht einmal Bernice etwas von seiner Ver-
lobung gesagt und gedachte ihrer immer nur wie
einer lieben Schwester.
„Ich freue mich sehr, Dich zu sehen, Gilbert,"
rief er aus, ihm mit leuchtenden Augen die
Hand reichend. „Es ist schön von Dir, uns so
weit entgegenzukommen. Komm zum Feuer, Du
siehst ganz erfroren aus."
Er zog Monk in das kleine Nebenzimmer, in
 
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