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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 141 - Nr. 150 (20. Juni - 30. Juni)
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Rnmmrr 148. H. Jahrgang.

Zt e tt s v

Freitag, 29. Jam 1894.

General-GAllMger

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für Heidelberg «nd Umgegend
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Seiner Königl. Hoheit des Großherzogs
bei dem
Schluß der Ständeverfammlung
am S». Juni 1»94.
Edle Herrn und liebe Freunde!
Am Schlüsse einer langen, mühevollen Tagung
ist cs mir eine werthe Pflicht, Ihnen für die treue
Erfüllung Ihrer verfassungsmäßigen Aufgabe meinen
Dank zu sagen.
Ungeachtet der verhältnißmäßig schwierigen Lage des
Staatshaushalts haben Sie, wie ich gerne anerkenne,
die Forderungen meiner Regierung für die Be-
dürfnisse der Staatsverwaltung sowie zur Pflege
der wirthschaftlichen und geistigen Interessen nach
reiflicher Prüfung bewilligt. Der Nothwendigkeit,
dem Staatshaushalt vermehrte Einnahmen durch
Erhöhung und weitere Ausgestaltung der Einkommen-
steuer zuzuführen, haben Sie in dem von meiner
Regierung vorgeschlagenen Umfange volle Rechnung
getragen.
Die zu Beginn des Landtags gehegte Erwartung,
die geplante Finanzreform im Reiche werde zustande
kommen, hat sich leider nicht erfüllt. Ich gebe
mich aber der Hoffnung hin, daß es
den v erblindeten Regierung en gelinge,
über diese wichtige Aufgabe zu einer
Verständigung mit dem Reichstage zu
gelangen, damit eine geordnet-Fortführung der

Gesühnt.
Roman von H. von Gabain.
7) (Fortsetzung.)
„Mama!" Dieses eine Wort, so voll Angst
ausgerufen, genügte der Baronin, begreiflich zu
machen, daß hier ein harter Kampf bcvorstände,
um ihren Willen durchzusetzen.
„Nun? Du wolltest etwas entgegnen, nur zu!"
„Ich wollte Dich nur fragen, was der Graf
eigentlich gethan hat, um solchen vagen Ver-
muthungen Raum zu geben? Nichts weiter, wie
einem jungen Mädchen, dem die Tonangebenden
den Preis der Schönheit zuertheilt, einige fade
Schmeicheleien in's Ohr geflüstert."
„Rechnest Du ihm die Aufmerksamkeit, mir
einige Blumen zu senden, etwa so hoch an? Mein
Gott!" Olga zuckte verächtlich die schönen, vollen
Schultern, „wie vielen vor mir wird er diese Hul-
digung gebracht haben, wie unendlich viele nach
mir werden sich dieser flüchtigen Laune rühmen
können! Das Herz hat sicher keinen Antheil
daran, es ist ein leichtfertiges Spiel, Eitelkeit und
Trotz die Hauptsaktoren dabei und das Zukunfts-
gebäude, das Deine lebhafte Phantasie schuf, wird
sich als ein mit trügerischem Eoldschaum um-
sponnenes Luftschloß erthcilen."
„So will ich Deinem Gedächtniß zu Hilfe
kommen," entgegnete die Baronin gereizt. „Habe
ich Dir nicht gestern erst erzählt, daß Frau von
Hannipot mich auf dem Nachhauseweg aus dem
Konzert mit ihrem Vertrauen beehrt und wort-
getreu die Ausdrücke der innigsten Verehrung

Finanzwirthschaft in den deutschen Bundesstaaten
ermöglicht werde.
Mit Befriedigung hat mich die von Ihnen be-
schlossene Annahme des Gesetzesvvrschlags zur Auf-
besserung der B ea m te n g e h ä lter erfüllt. Durch
die Zustimmung zu dieser auch finanziell bedeu-
tungsvollen Vorlage ist dem großen Werke der
Neugestaltung des Beamtenrechts ein Abschluß ge-
geben, der bestimmt ist, auf lange Zeit hinaus die
Gehälter der Angehörigen des Beamtenstandes fest-
zulegen. Durch die Genehmigung dieser Vorlage
haben Sie die Wichtigkeit und den Werth eines
den staatlichen Aufgaben Pflichthaft sich widmenden,
berufsfreudigen Beamtenstandes gewürdigt und an-
erkannt. Dies erscheint mir um so bedeutungs-
voller, als das Gesetz unerachtet der weniger günstigen
Finanzlage vereinbart werden konnte.
Den in beiden Häusern des Landtags gege-
benen Anregungen zu einer Reform der Ertrags-
steuern wird meine Regierung gerne näher treten.
Mit Genugthuung begrüße ich die Bereitwillig-
keit, mit der Sie den von meiner Regierung ge-
machten Vorlagen bezüglich der Vervollständigung
des Staatsbahnnetzes und der Herstellung weiterer
Nebenbahnen zugestimmt haben. Verschiedenen
Landestheilen, namentlich auch im Schwarzwal e
und im Bodenseegebiet, wird dadurch die langer-
sehnte Wohlthat verbesserter Verkehrsmittel zuge-
wendet.
Einige Vorlagen, welche auf verschiedenen Ge-
bieten der Staatsverwaltung eine feste Ordnung
und Verbesserungen anstrebten, sind zur verfassungs-
mäßigen Erledigung gelangt.
Der von Mitgliedern der Zweiten Kammer ein-
gebrachte Gesetzesvorschlag, das Gesetz vom 2. April
1842, betreffend die Abhaltung von Missionen
durch Mitglieder religiöser Orden, aufzuheben, wurde
von beiden Häusern des Landtags angenommen.
MeineRegierung erachtet die Aufrecht-
erhaltung der Bestimmungen dieses
Gesetzesnichtfürnothwendigundhofft,
durch die Erfüllung eines von der
obersten katholischen Kirchenbehörde
wiederholtvorgetragenenWunschesdie
Sache des Friedens zu fördern.
lieber anderweitige Fragen, zum Theil von
höchster Bedeutung für das Staatsganze, haben leb-
hafte Verhandlungen stattgefunden. Meine Re
gierung wird die gegebenen Anregungen in ernste
Erwägung ziehen. Bei der Fortdauer eines be-
sonnenen Geistes wird auf eine Klärung der An-
schauungen, die ein gesetzzebieterisches Eingreifen
ermöglicht, zu hoffen sein.
Ich begleite Sie mit meinen theilnehmenden
Wünschen in Ihre Heimath,
Gott segne das Vaterland!

wiederholte, die der Graf Deiner Person zollt?
Es liegt so viel Poesie, gepaart mit edlen Em-
pfindungen und aufkeimender Liebe, in seinem
Ausspruch, daß ich entzückt, berauscht der Zukunft
entgegensehe. Sperre Dich daher nicht länger,
ihm kleine Gegenbeweise Deiner Neigung zu geben,
man würde Dich, Thörin, verlachen und eine ver-
steckte Coquette nennen, wenn Du das einfälltige,
abweisende Benehmen gegen ihn weiter fortsetzest."
Olga seufzte schmerzlich auf.
„Wer weiß, ob diese intimen Mittheilungen
Wahrheit enthalten! Vielleicht steckt dahinter eine
Jntrigue und man hat mich ausersehen, eine
Hauptfigur in dem elenden Pofsenspiel zu über-
nehmen."
Frau von Adrinowitfch lachte belustigt auf.
„Nein Olga, diese kindlich naive Auffassung
verwandelt allen Zorn in Mitleid über Dein
schwaches, unreifes Begriffsvermögen und bestärkt
mich, auf meinem Beschluß zu beharren. Du be-
darfst noch mehr, wie ich glaubte, einer führen-
den sichern Hand und diese hier versteht es" —
dabei hob die Frau ihre schmale, weiße Rechte
empor — „den düsteren Lebensweg zu ebnen und
den darauf sprießenden Rosen die schmerzenden
Dornen zu nehmen."
„Oh, Mama, sei nicht unbarmherzig, laß ab
von diesem entsetzlichen Plan!" rief das geäng-
stigte Mädchen, die Hände vor das Antlitz
drückend. „Du siehst nur die glänzende Außen-
seite, sollte Dir noch nichts von des Grafen leicht-
sinnigem Leben, von seinen an's Unglaubliche
grenzenden Wetten, die hundert und aber hundert-
taufende verschlingen, zu Ohren gekommen sein?

Wohin soll das führen?
Eine Seuche geht durch die Lande, zwar phy-
sisch nicht so verheerend, wie die Krankheits-
epidemien, aber geistig an Allem rüttelnd, was
die menschliche Gesellschaft bis jetzt zusammen-
gehalten: Religion, Sittlichkeit, Vaterlandsliebe,
Freiheit. Die anarchistischen Attentate, mögen sie
sich nun in Dynamitexplosionen, oder Mordan-
schlägen äußern, sind viel weniger an sich, desto
mehr aber in symptomatischer Beziehung gefähr-
lich, und zeigen nur zu Genüge, wie weit das
innere Leiden am Körper der menschlichen Gesell-
schaft vorgeschritten ist.
Der gemeine Mord, der an dem Präsidenten
der fränzösischen Republik begangen wurde, der
in allen zivilisirten Ländern das Gefühl herzlicher
Theilnahme erweckt hat, dürfte wiederum dargethan
haben, wie nöthig als es sei, daß die Regierungen
gemeinsam gegen den inneren Feind vorgehen.
Zu der Taktik der Anarchisten gehört es be-
kanntlich, die Unthaten, soweit es nur irgend
möglich ist, nicht im Vaterlande des Attentäters
zur Ausführung zu bringen. Fast bei jedem
anarchistischen Mord oder Mordversuch spielen die
ergriffenen „Ausländer" die Hauptrolle, und wohl
bei keiner anderen Partei — wenn dieser Aus-
druck auf eine Bande von Mordbuben anwendbar
ist — ist die internationale Solidarität so fest
eingebürgert, wie bei den vaterlandslosen Rava-
chols, Henrys, Santis, Cesarios rc.
Der Anarchist, der mittelst Pulver undDhn-
mit, Messer und Dolch seine „Lehren" einzuführen
sucht, stellt sich selbst außerhalb der Gesetze; er
oerirt sich als vogelfrei — und es bleibt daher
den intercfsirten Regierungen nur das Eine übrig:
den Ancharchisten auch offiziell als vogelfrei zu
erklären.
Anarchist darf nicht mehr ein Name für den
Angehörigen einer Partei sein, er muß eine Be-
zeichnung für einen Menschen werden, der nur
ins Irrenhaus, ins Gefängniß oder aufs Schaffst
gehört. Auch die superkluge Unterscheidung
zwischen solchen, die eine Propaganda der That
nur predigen, und solchen, die sie ausführen, muß
fallen. Die Volksvergifter muß gleiche Strafe
treffen, wie die Vergifteten, die in Hellem Wahn-
sinne für ihre Bomben und Dolche das Ziel
suchen, das ihnen Jene gezeigt. Der Bomben-
versertiger und der Bombenwerfer sollen das gleiche
Blutgerüst betreten, wie der Vertheidiger des anar-
chistischen Wahnsinns.
Will man das Nebel ausrotten, so muß man
mit fester Hand die Axt an die Wurzel legen.
Menschenliebe wäre in einem solchen Falle mehr
nur Schwäche, sie wäre ein Verbrechen gegen Ge-
sittung der Menschheit!

Ist sein Renomee nicht das denkbar ungünstigste?
Wer keine Liebe und Ehrfurcht für seinen greisen
Vater im Herzen trägt, wird sich kein Gewissen
daraus machen, sein Spiel mit einem armen
Mädchen zu treiben." Die Hände waren allge-
mach in den Schooß gesunken, und maßlose Er-
regung spiegelte sich in den glänzenden Augen.
„A—h," kam es gedehnt von der Ueberraschten
Lippen, woher stammen Deine Gerüchte? Wer
hat es gewagt, so böswillige Verläumdungen über
einen Mann zu verbreiten, der durch Namen und
Lebensstellung gegen solche Angriffe, die dem ver-
ächtlichen „an ckit" entspringen, gefeit ist? Ja
wohl, durch diese erbärmliche Schattengestalt
„Man sagt", die das Tageslicht scheuen muß und
nur gleich giftigen Schatten im Dunkel ihr Wesen
treibt, hast Du, unerfahrenes Kind, Dich beein-
flussen lassen; bei mir findet diese Ausgeburt der
Hölle kein Gehör und Du thätest auch wohl daran,
Dein Ohr diesem „on ckit" zu verschließen. —
Was gedenkst Du denn heute auf unfern Mit-
tagstisch zu bringen?" brach Frau von Adrino-
witsch jäh im Thema ab, das ihr anfing unbe-
quem zu werden.
,.OH, dieses ewige Einerlei, diese reizlose Kost
kann mein kranker Magen kaum mehr vertragen!"
seufzte sie, als Olga das mehr wie bescheidene
Menu genannt hatte und nun schweigend hin und
her ging, um den Tisch zu decken, zwischen durch
sich am Heerd zu schaffen machte, um die Fleisch-
brödchen vor dem Verbrennen zu schützen.
Die Baronin hatte sich einem tiefen Nach-
sinnen hingegeben. Den Ellenbogen auf das
Fensterbrett gestützt, die Augen unverwandt auf

Die Haltung der französischen Presse
nach dem durch einen Italiener an dem Präsidenten
der Republik begangenen Attentat verdient vollste
Anerkennung, die um so rückhaltloser ausgesprochen
w rden muß, je seltener man in die Lage kommt,
ein solches Lob auszusprechen. Fast ohne Aus-
nahme hat sie sich von chauvinistischen Hetzereien
und von Schürung des Hasses gegen die Nation,
welcher der Verbrecher angehört, freigehalten, und
sie hat, was in ihren Kräften stand, gethan, um
die von irre geleiteten Volksmassen verübten Aus-
schreitungen hintanzuhalten. Die einzige unrühm-
liche Ausnahme bildet das Lügenblatt „Cocarde",
das mit einer falschen Sensationsnachricht die
Volksleidenschaften aufzustacheln suchte. Die aus
verschiedenen Städten berichteten Tumulte, die sich
ge^en Italiener und Leute italienischen Namens
richteten, sind eine bedauerliche Erscheinung, deren
traurige Bedeutung aber auf einem andern als dem
internationalen Gebiete liegt; sie sind ein Ergebniß
der Großstadtentwicklung, die in allen Bevölkerungs-
mittelpunkten eine flottirende Masse arbeitsscheuer,
besitzloser, stets zu Erzessen, Raub und Plünderung
geneigter Elemente großzieht, denen jeder Anlaß
willkommen ist, um Unruhen und Tumulte zu
erregen. Die Polizei aller Städte liegt ja mit
diesen Elementen fortwährend im Kampfe, die bei
jedem Anlaß trüben Schlammfluthen gleich an die
Oberfläche dringen und Leben und Habe der
ruhigen Mitbürger bedrohen. Die Behörden scheinen
nicht überall mit genügender Energie Vorkehrungen
gegen dieses Gesindel getroffen zu haben, aber
internationale Schwierigkeiten dürften sich daraus
gleichwohl nicht ergeben; die Franzosen werden
daraus aber lernen, wie Unrecht sie hatten, als sie
die anläßlich der Vorfälle in Aigues-Mortes in
mehreren italienischen Städten vorgekommenen Er-
zesse in lärmendster Weise besprachen und beinahe
zu einem Kriegsfall gegen Italien aufbauschen
wollten. — In Deutschland wird es angenehm
berühren, daß die kernigen und tiefempfundenen
Worte, womit Kaiser Wilhelm der trauernden
Wittwe sein Beileid aussprach, ein so sympathisches
Echo in den Herzen unserer Nachbarn gefunden
haben. Daß der Kaiser bei diesem Anlaß mit
glücklicher Intuition die für die Umstände bezeich-
nendste Wendung in einem kurzen kraftvollen Satze
fand, ist den Franzosen nicht entgangen, und
mehrere Zeitungen beeilen sich, dies weiter auszu-
führen. So wird das erschütternde Unglück, wie
schwere Schicksalsschläge so häufig verfeindete Privat-
personen einander nähern, vielleicht dazu beitragen,
daß die zwischen den beiden Nationen, der deut-
schen und der französischen, noch immer herrschende
Spannung und unfreundliche Gesinnung ein wenig
gemildert werde.
das rothe Ziegeldach gerichtet, achtete sie nicht aus
die wiederholte Bitte der Tochter, die Suppe nicht
kalt werden zu lassen. Der Geist schweifte wild
uckiher, die Gedanken wollten sich in geregelte
Bahnen lenken lassen ; immer denselben verworrenen
Kreislauf durcheilten sie und kein beschwichtigen-
der Ausweg, keine friedliche Lösung wollte sich aus
diesem Chaos finden. Erst ein schriller Ton der
Entreeglocke riß die Grübelnde aus diesem
Dilemma. Sie sprang empor und vertrat Olga,
die hinaus gehen wollte, um zu sehen, wer Ein-
tritt begehre, den Weg.
„Nicht doch, bist Du wahnsinnig?" schallt die
Baronin leise, die flammenden Äugen zornig
auf die Tochter gerichtet, „willst Du etwa Gäste
in Deinem Zimmer empfangen, damit man nase-
rümpfend morgen als neuestes Stadtgespräch die
Wassersuppe der Baronin von Adrinowitfch den
Klatschschwestern auftischt? Möchtest Du etwa
wie eine Magd in langer Küchenschürze den Grafen
oder sonst Jemand aus der Gesellschaft empfangen ?
Schnell, hilf den Tisch abdecken, fort damit, in
die Schlafkammer!"
„Aber Mama, es wird die Milchfrau oder ein
Hausirer sein," wagte Olga ruhig zu entgegnen.
„Außerdem weiß ja die ganze Welt, daß wir weder
über einen Dienstboten noch über Prunkgemächer
zu. verfügen haben. Jst's denn eine Schande arm
zu sein? In meinen Augen wäre jeder verächtlich,
der es wagte, auch nur durch einen Blick, geschweige
denn durch Worte, und deshalb zu kränken."
Still, nicht so laut und beeile Dich! Oh,
dieser penetrante Fettgeruch, lamentirte die eng-
herzige Frau, trotz ihrer Korpulenz, wie ein Irr-
 
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