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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 101 - Nr. 110 (1. Mai - 12. Mai)
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Nummer 1VS. H. Jahrgang.


Freitag, 11. Mai 18S4.

General


für Heidelberg und Umgegend


Stvonnemsntspreis r
rnll bseitigem tllustrirtem Sonntagsblatt: monatlich
4v Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: Kenrptstrnße Wr. 26.

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die Ispaltige Petttzetle oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate 1v Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
Expedition: ^btruptstrcrße "Mr. 26.



belesenstes Matt in Stndt rr. Anrt ^eideMevg und Ltnrgegeird. Grötzte? Lvsslg süv Jnsevate.

AM- Telephon Änfchtutz Nr. 102. -HW

werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
^seren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Tas Kabinet Casimir Pvrier
dieser Tage in der Kammer einen nicht mi-
ßdeutenden Erfolg errungen. Es handelte sich
"llrum, ob die gerichtliche Verfolgung des Ab-
ßvrdneten Toussaint wegen seines hetzerischen Ver-
altens beim Streike von Trignac vom Abgeord-
^tenhause gestattet werde oder ob Immunität ihn
ßgen die Absichten der Regierung schützen solle.
waren in Trignac sechs Personen, darunter
^vnssaint, auf frischer That betreten und ver-
Mtet worden. Fünf davon erhielten Gefängniß-
"safen, Toussaint wurde freigesprochen. Die Ne-
hrung maßregelte den betreffenden Staatsanwalt
"äd stellte an die Deputirten den Antrag auf
Strafverfolgung ihres sozialistischen Kollegen,
'-"an wählte einen Ausschuß und dieser sprach sich
^8en die Bewilligung aus. Die Sache spitzte sich
U diese Weise zu einer Kraftprobe zwischen dem
Kabinet und der Kammer zu und es gab in
Mis Viele, welche den Sturz Casimir-Porier's
ßraussagten. Im Palais Bourbon selbst herrschte
^gewohnte Aufregung; man wähnte sich an der
schwelle einer Krisis und die Opposition strengte
Ue Kräfte an, um die Regierung zu besiegen.
kam daraus au, ob die regierungsfreundlichen
ßsbublikaner aus eigener Kraft den Sturm ab-
Uchlagen im Stande wären, oder ob den Aus-
Wag, wie schon wiederholt in früheren Fällen,
fts Rechte und die Ralliirten geben müßten. Nach
lsiden Richtungen siegte die Regierung. Sie er-
s'flt für ihren Antrag auf Strafverfolgung Tous-
ß'Nt's die Majorität der Kammer, und zwar er-
Mgen diese die Republikaner aus ihren eigenen
Sitzen. Wie ein Telegramm aus Paris meldete,
hinten für 222 Republikaner, 34 Mitglieder
.ß Rechten und 23Ralliirte; dagegen 199 Mit-
s.^der den Linken, 10 der Rechten und 5 Rak-
ete. In allen drei Gruppen gewann also die
Legierung die Majorität, sie besaß sie aber auch
ß*ch das Votum der 222 Republikaner allein,
? ihm die vereinigte Minderheit nur 214 Stim-
ß entgegenstellte. Das Kabinet Casimir-Porier
also den Sturm glücklich bestanden und die
^sichten des Präsidenten selbst für die Präsi-
süßsnwahl im Herbste haben sich nicht verschlechtert,
^chwohl wäre es irrig, wollte mau annehmeu,

die Regierung sei in der Sache Toussaint schon
über alle Schwierigkeiten hinaus. Die sozia-
listischen Abgeordneten rüsten sich vielmehr jetzt
erst recht zum Kampfe um die Macht, wie aus
der bereits gestern gebrachten Nachtricht über an-
beraumte Protest-Versammlungen hervorgeht.
Deutsches Reich.
Berlin, 10. Mai.
— In unseren Parlamenten zeigt sich in zu-
nehmendem Maße eine gewisse Gleichgiltig-
keit und Unempfindlichkeit gegen Ver-
fassungsüberschreitungen. Es handelt
sich dabei allerdings nicht um große Gegensätze
und tiefgehende Konflikte, sondern um Ueber-
schreitungeu, die durch äußere Umstände veranlaßt
sind. Aber man sollte doch, wenn es das Grund-
recht des Staates gilt, auch in äußerlichen und
formalen Dingen etwas empfindlicher sein. Wir
erleben es jetzt häufig genug, daß der Etat nicht
rechtzeitig fertig wird, es werden, namentlich im
Reichstag, mitunter aber auch im Abgeordneten-
hause Beschlüsse, und zwar auch in entscheidender
dritter Lesung von einem offenkundig beschluß-
unfähigen Hause gefaßt, die im Widerspruch mit
der klaren Verfassungsbestimmung stehen: „Zur
Giltigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit
der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mit-
glieder erforderlich." Im Reichstag kommt sogar
durch eingewurzelte Praxis und stillschweigendes
Geschehenlassen, die große Mehrzahl der Beschlüsse
auf eine Weise zu Stande, deren Rechtsgiltigkeit
ernstlich bestritten werden könnte. Stärker noch
ist die Zumuthung, die jetzt allem Anschein nach
dem konstitutionellen Prinzip in der Frage un-
seres handelspolitischen Verhältnisses zu Spanien
gemacht wird. Nur wenige Tage noch trennen
uns von dem Ablauf des bereits vier Mal, das
eine Mal schon mit einer kleinen Verfassungs-
überschreitung, verlängten Termins für ein Pro-
visorium. Am 15. Mai muß entweder, das ver-
tragsmäßige Verhültniß zu Spanien aufgehoben,
oder aber die Regierung muß im Vertrauen auf
spätere Indemnität beim Reichstag die Verant-
wortungübernehmen, aus eigener Machtvollkommen-
heit ein abermaliges Provisorium zugestchen. Da-
mit entsteht aber ein verfassungswidriger Zustand,
und zwar nicht auf wenige Tage, sondern vor-
aussichtlich auf mehrere Monate. Das kann man
doch in der That nicht so ganz leicht nehmen.
Gleichwohl findet man in verschiedenen politischen
Blättern nicht ein Wort des Bedenkens oder Wider-
spruchs gegen die Lage, in die wir jetzt unfehlbar
geratheu.
— Am Sonntag, den 30. September d. I-,
wird in Frankfurt a. M. ein allgemeiner

Delegirtentag der nationalliberalen
Partei stattfinden. Diese Delegirtentage sind
nicht öffentlich. Zutritt haben außer den Abge-
ordneten der Partei und den Mitgliedern der
Landes- bezw. Provinzialkomitees nur die Delegirten
der Reichstagswahlkreise. Ueber die äußeren Ver-
anstaltungen, welche mit der Delegirtenversammlung
verbunden sein werden, ist vorläufig folgendes fest-
gestellt: Samstag, den 29. September, abends,
Begrüßungsfest, zu welchem der nationalliberale
Verein in Frankfurt a. M. (Frankfurter Wahl-
verein) die Einladung ergehen läßt; Sonntag, den
30. September, vormittags, Delegirtenversammlung,
abends Festbankett, zu welchem auch diejenigen
Mitglieder der Partei, welche nicht als Delegirte
gewählt sind, namentlich also die Parteifreunde aus
Frankfurt und Umgebung, willkommen sind; Mon-
tag, den 1. Oktober, Festausflug nach Heidel-
berg, auf Einladung des nationalliberalen Vereins
in Heidelberg. An der Delegirtenversammlung ge-
denkt auch Dr. v. Bennigsen theilzunehmen.
— Der „Reichsanz." führt aus, es verbiete
sich, auf die Preßangriffe der „Deutschen evan-
gelischen Kirchenztg." einzugchen, die zum Aus-
gangspunkt die Stellung des Trägers des landes-
herrlichen Kirchenregiments mache, und das
thatsächlich Unrichtige richtig zu stellen. Der be-
rufenen Vertretung der Landeskirche werde auf
Wunsch nährere Aufklärung nicht zu versagen sein.
— Der „NcichSanz." veröffentlicht das Gesetz
betr. Abänderung des Gesetzes über die Abwehr
und Unterdrückung von Viehseuchen sowie Zu-
satzbestimmungen des Finanzministers über die Be-
rechnung des der Abgabe für Gemeindezwecke unter-
liegenden Theils des Einkommens von Militär-
personen.
— Der Bau des neuen Reichsgerichts-
gebäudes in Leipzig ist jetzt soweit fortge-
schritten, daß für nächsten Sommer die Ueöer-
siedelung des obersten deutschen Gerichtshofes in
sein neues Heim in Aussicht genommen werden
kann. Nach den Gerichtsferien werden dann, wie
die „Schles. Ztg." hört, die Sitzungen bereits an
der neuen Stätte abgehalten werden.
Karlsruhe, 10. Mai. Die großh. Regierung
hält es nach wiederholter Erwägung für angezeigt,
die Abstempelung von Genußscheinen
(Anmerkung zu Tarifnummer 1 und 2 Absatz 2),
welche nach Ziffer 1 Absatz 2 der Ausführungs-
vorschriften zum Reichsstempelgesetz vom 27. April
1894 bis auf Weiteres nur bei den Stempelhebe-
stellen zu Berlin, Dresden, Frankfurt a. M., Ham-
burg und München erfolgt, auch innerhalb Badens
zu ermöglichen. Als der geeignetste Ort hierfür
erscheint Mannheim, woselbst eine Effektenbörse be-
steht. Demgemäß hat die badische Regierung beim

Bundesrath beantragt, er wolle in Ergänzung
von Ziffer 1 Absatz 2 der Ausführungsvorschriften
zum Reichsstempelgesetz vom 27. April 1894 be-
schließen, die Befugniß zur Abstempelung der Ge-
nußscheine (Anmerkung zu Tarifnummer 1 und 2
Abs. 2) auch dem Hauptzollamt Mannheim zu ertheilen.
Karlsruhe, 10. Mai. Die Tagesordnung für
die am 21. Mai beginnende Sitzung des Bad ischen
Landwirthschaftsraths ist neuerdings er-
weitert worden und umfaßt der „Bad. Korr." zu-
folge in nachstehender Reihenfolge folgende Ver-
handlungsgegenstände: 1. Bericht des Präsidiums
über dessen Thätigkeit im abgelaufenen Jahre. 2. Be-
richt des Präsidiums über die Verhandlungen des
Deutschen Landwirthschaftsraths. 3. Berathung über
die Art der Verwendung der im Staatsbudget für
1894/95 für Förderung der Landwirthschaft vorge-
sehenen Mittel. 4. Antrag der Mitglieder Reiß
und Lubberger: Maßnahmen zur Förderung der
Be- und Entwässerung der Wiesen betreffend. 5. Er-
lassung von Normativbestimmungen über die Ver-
wendung der budgetmäßigen Mittel zur Förderung
der Wiesenbewässerung (Berichterstatter über 4 und
5 Mitglied Lubberger, Mitberichterstatter Mitglied
Reiß). 6. Antrag des Mitgliedes Basler, die perio-
dische Veröffentlichung einer Statistik über Wein-
erträgnisse und Weinverkäufe betreffend (Bericht-
erstatter Mitglied'Basler, Mitberichterstatter Mitglied
Blankenhorn). 7. Berathung der Denkschrift über
den Vollzug des Reichsgesetzes vom 19. Juni 1893,
betreffend die Ergänzung der Bestimmungen über
den Wucher.
Karlsruhe, 10. Mai. Aus Anlaß der Ent-
deckung einer altsächsischen Ueber-
setzung des alten Testaments in der
vatikanische nBibliothek durch den Ober-
bibliothekar der Heidelberger Bibliothek, Dr.
Zange meist er, wird in der Presse darauf
aufmerksam gemacht, daß im Vatikan noch ge-
waltiges Material ungesichtet liegen müsse. Die
einst von Tilly ans Heidelberg mitgenommenen
Bibliothek- und Archivschätze seien kritiklos zu-
sammengeworfen worden und es komme ost vor,
daß deutscher Text zwischen lateinischen Schriften
steckt. Im Anfang des Jahrhunderts seien zwar
von Rom die rein deutschen Bände zurück ge-
kommen, jenes Material aber in der geschilderten
Weise zurückgeblieben. Die Durchforschung der
vatikanischen Bibliothek soll übrigens, wie, wenn
wir nicht irren, zur Zeit auch der basische Archiv-
direktor v. Weech berichtete, von den Behörden
mit großer Zuvorkommenheit gestattet werden.
Kiel, 10. Mai. Ein Tagesbefehl der kaiser-
ichen Werft lautet, weil weniger Geldmittel zur
Verfügung ständen, sei die Werft genöthigt, weitere
Arbeiterentlassungen vorzunehmen.

Das Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Der April war wunderschön in dem südlich
h Serien Sussex ; die Tage waren sonnenhell und
die Blumen sproßten allenthalben hervor
tz.,? M den Zweigen sangen die Vögel von Lenzes
" Und Liebe.
tz. Eines Abends ging Lord Chetwynd nach dem
jc^sen nach der Villa des Verwalters, um mit
Einiges zu besprechen. Sylvia hatte Besuch
Eilbert irrte wie gewöhnlich in den oberen
ych^ohnten Räumen des Hauses herum, unbe-
'etvrm Allen, ausgenommen der alten Ragen.
i>°z Dix Alte lauerte schweigend in einem Winkel
^Hauses und bewachte Gilbert mit Furcht und
h^twynd brachte den ganzen Abend beim Ver-
zu und es war bereits nach zehn Uhr,
Hy,er aus Seitengängen durch den Park nach
ging.
Ls^och was war das?"
h>v "Wenige Schritte vor sich, auf einem Punkte,
iW^e breite Allee in den schmalen Weg ein-
helll eft; den er verfolgte, sah Lord Chetwynd im
. emdlichte eine weißgekleidete Gestalt stehen,
-?hm das Gesicht zuwandte und die Arme
'hm ausstreckte.
Aue festgebannt blieb er stehen.
s; war Bernice, sein geliebtes Weib, wie
^ci» kurzer Zeit gesehen, dieselbe luftige Er-
welche den Glauben an die Geisterwelt

Jeden Zug des schönen Gesichtes vermochte er
im Mondlicht deutlich zu sehen, und mit tiefer
Wehmuth erfüllte ihn der traurig-sehnsuchtsvolle
Ausdruck desselben, der ihm in's Herz schnitt.
„Sie ist selbst im Himmel ohne mich nicht
glücklich," dachte er, „sie sehnt sich nach mir, wie
ich mich nach ihr sehne."
Er wagte es nicht, vorwärts zu schreiten, aus
Furcht, die Erscheinung zu verscheuchen; wie fest-
gewurzelt blieb er daher stehen und wagte kaum
zu athmen.
Diese Begegnung war von Bernice nicht ge-
plant worden und sie war deshalb ebenso über-
rascht wie Chetwynd.
Seit ihrem letzten Erscheinen hatte sie in einer
Dachkammer meinem entlegenenTheile von Chet-
wynd-Park zugebracht und in diesem Schlupf-
winkel, welchen Monk niemals hätte entdecken
können, ein trauriges Leben geführt.
Aus Mawr-Castle hatte sie sich hinlänglich
genug Kleidung zum Wechseln mitgebracht, wes-
halb sie ihr Weißes Leichenkleid rein erhalten konnte.
Lebensmittel und Wein, die sie unten aus den
Vorrathskammern nahm, erhielten sie nothdürftig
am Leben.
Wenn Chetwynds Empfindung bei ihrem An-
blicke dem Entzücken gleich kam, war die ihrige
nur Entsetzen. Sie zitterte aus Furcht vor Ent-
deckung.
Einige Augenblicke betrachteten sie einander in
seltsamem Stillschweigen. Chetwynds Athem ging
schwer und keuchend, seine Augen traten wild aus
ihren Höhlen, und plötzlich sprang er, ohne ein
Wort zu sagen, vorwärts und rannte auf sie zu.

Bernice wich instinktiv zurück. Allein er ver-
folgte sie mit großem Eifer und sie konnte fast
seinen keuchenden Athem hören, denn er kam rasch
hinter ihr einher, als wäre er entschlossen, sie zu
fassen, ob sie ein Geist sei oder nicht.
Schnell bog sie in die breite Allee ein und
entfloh wie ein gescheuchtes Reh, denn lieber wollte
sie sterben, als sein Glück an Sylvias Seite zer-
stören, die er schon vor ihr geliebt, von der er
sich einst um ihretwillen abgewendet.
Als sie einen nahen Seitenweg erreicht, faßte
sie ihr Kleid zusammen und hüllte sich in ihren
langen, schwarzen Mantel. Dann verbarg sie sich
hinter einem Baum.
Chetwynd rannte in blinder Verfolgung weiter,
an dem Seitengange vorbei.
Bernice lauschte, als seine Schritte in der
Entfernung verhallt waren. Zitternd vor Angst
und Furcht schlich sie nach einer Weile aus ihrem
guten Versteck hervor und trat wieder in den
Gang ein. Sie schaute nicht hinter sich, sonst
würde sie die große hagere Gestalt der alten Nagen
erblickt haben, die schweigend am Rande des
Pfades entlang schlich. Aber Ragen sah und er-
kannte sie. Und plötzlich " als Bernice weiter
ging und Chetwynd schon weit war — sprang
das alte Weib wie eine Tigerin hervor und stürzte
sich auf Bernice, sie zu Boden reißend.
„Endlich, endlich habe ich Dich!" flüsterte das
alte Weib, Bernice mit eisernem Griffe fest-
haltend, „jetzt wollen wir miteinander abrechnen."
Der plötzliche Ueberfall lähmte die Marquise
von Chetwynd für einen Augenblick. Ragen hatte
sich so Plötzlich und mit solcher Gewalt auf Bcr-

nice geworfen, daß Bernice im ersten Moment
nichts thun konnte, als nach dem nächsten jungen
Baumstamm fassen und sich daran festzuklammern,
während ihr die Alte Drohworte ins Ohr zischte.
Bernice wurde nicht ohnmächtig, noch stieß sie
einen Schrei aus. In dem Augenblicke, wo ihre
kurze Betäubung verschwand, wandte sie sich gegen
ihre Angreiferin und schlug blindlings mit der
Kraft der Verzweiflung um sich. Doch bald ent-
deckte sie, daß sie in dem eisernen Griffe ihrer
Feindin nur ein wehrloses Kind sei, denn Ragens
Muskeln waren wie von Stahl.
Diese war von einer wahren Wuth erfüllt,
als sie ihr wehrloses Opfer zwischen den Fingern
hielt und gestattete Bernice kaum, daß sie sich
aus ihrer liegenden Stellung aufrichtete, um sich
nach ihrer Angreiferin umschauen zu können. End-
lich gelang ihr dies.
„Wer seid Ihr?" flüsterte sie.
»Ich bin's — die alte Ragen!" zischte die
Jndieün.
Der Ausdruck in Bernices Augen zeigte Er-
staunen und Schreck. Sie machte abermals einen
Versuch loszukommen, dann flüsterte sie:
„Was wollen Sie eigentlich von mir? Was
bedeutet dieser Ueberfall?"
„Sie glauben vielleicht, ich kenne Sie nicht?"
sagte die Alte höhnend. „Ich war es, die Ihnen
vor einigen Wochen des Nachts den Shaw!
von den Schultern riß, ich kenne Sie, meine
Lady. Man hält Sie für gestorben; Sie lagen
in Ihren Leichenkleidern sechs Tage aufge-
bahrt und dennoch sind Sie lebend hier! Sie
find's in Fleisch und Blut, stark, gesund und
 
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