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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 101 - Nr. 110 (1. Mai - 12. Mai)
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Kummer 104.

II. Jahrgang.

A e « s D

Samstag, 5. Mai 1894.

General-GAnmger


'M

»-

für Heidelberg und Umgegend

Jnsertionöprciör
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Telephon-Anschlutz Nr. 102. "MU

Fsvtrvähvend
^Erden von allen Postanstalten, Landbriesträgern
^seren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegcngenommen.

Zur Lage der Landwirthschaft.
Während die letzten in der ersten Hälfte des
Monats April abgefaßten Saatenstandsberichte
etwas kleinlaut klingen und in ihrer Mehr-
sM den dringendsten Wunsch nach Regen wieder-
an, hat sich die Situation in der zweiten April-
Ute mit einem Schlage geändert. Reichliche
/überschlage sind überall eingetreten, die Wiesen
j ^n sich prächtig bestockt und stellen eine vor-
Miche Heuernte mit Sicherheit in Aussicht,
der Klee erholt sich, der Stand des Ge-
ldes läßt, abgesehen von Mäuseschäden nichts
wünschen übrig, Weinstock und Obstbaum ver-
zechen reiche Erträge. In vielen Theilen Ba-
/üs haben die Landwirthe schon mit Grünfütte-
^ug begonnen. Das im heurigen Frühjahr aus-
"etauchte Gespenst der Futternoth ist verschwunden.
- Da aber erst jetzt eine ruhige, objektive Be-
wrechung dessen, was zur Linderung der Noth und
M Erhaltung vieler Existenzen geschehen, mög-
!!w ist, möchte ein kurzer Rückblick aus die miß-
ten Verhältnisse in den letzten zehn Monaten
^nlaßt erscheinen.
Die Futternoth infolge einer von Mitte
?mrz bis Mitte Juni andauernden Trockenheit
j^ch im vorigen Jahre im östlichen Frankreich,
Elsaß-Lothringen, in Baden, in Württemberg,
A den thüringischen Staaten in großen Bezirken
Aherns und in Böhmen aus.
Wie fast das ganze badische Land, so litten
Asch Württemberg und größere Bezirke Bayerns.
Staatsregiernngen haben sehr viel gethan,
..." die Landwirthschaft den Nothstand nicht mit
, w.em ganzen Druck fühlen zu lassen. So hat
?' V. die bad. Regierung, insbesondere aber die
Zndwirthschaftlichcn Vereine Badens dasür ge-
^sgt, daß die Futterartikel und die Dünger in
Alleren Quantitäten bezogen und den Land-
athen zum Ankaufspreise abgegeben werden.
Arschiedene Gemeinden- und Darlehenskassen geben
^rschysse mit einem nur ganz geringen Zinsfuß,
o^ner wurden aus verschiedenen Waldungen
^ößere Mengen von Streu, Gras und Laub un-
^gcltlich abgegeben. Auch bezüglich des Ankaufs
Aw Vieh, für die Wiedervervollständigung der
j^hzucht, werden von der Regierung Maßregeln

getroffen, die die Landwirthschaft vor zu teurem
und vor allem vor dem Ankauf minderwerthigen
Viehes zu hohen Preisen schlitzen soll.
*Jm heurigen, menschlicher Voraussicht nach
futterreichen Jahre werden die Lücken im Vieh-
bestände wieder zu ergänzen sein, aber der Land-
wirth wird sich hüten müssen, mit der Vermehrung
seines Viehbestandes wieder bis an die Grenze der
äußersten Möglichkeit zu gehen. Ein entsprechen-
der Futtervorrath, ein sogenannter eiserner Be-
stand, ist in keiner Wirtschaft entbehrlich. Da-
neben wird der fortgesetzte Bezug von künstlichem
Dünger und Kraftfuttermitteln auf genossenschaft-
lichem Wege den einzelnen Wirtschaften das zu-
rückersetzen müssen, was denselben infolge von
Viehverlusten entging. Selbstverständlich muß mit
derAufstellungguter Zuchtkälber vorgegaugen werden-
Wir schließen mit der Hoffnung, daß die
Landwirthschaft im heurigen Jahre von jchweren
Elementarschäden verschont bleibe und daß die
vielen Sorgen und Arbeiten, die sich an die Be-
bauung von Grund und Boden knüpfen, dem
Landwirth reichlich vergolten werden möchten!
Deutsches Reich.
Berlin, 4. Mai.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." betont nochmals
gegenüber dem „Hamb. Korresp-", daß weder in
der Frage der Verlängerung der Frist für die
Zuckcrausfuhrprämien, noch in der Frage
der Landwirthschaftskammern Meinungsverschieden-
heiten obgewaltet hätten, die einmal durch den
Einspruch Preußens, das andere Mal durch die
Einmischung der Vertreter der Reichspolitik in
eine preußische Angelegenheit zu begleichen gewesen
wären. Der „Hamb. Korresp." habe selbst seiner
Zeit dargelegt, warum der Anregung, die Frist
für die Zuckerprämien zu verlängern, nicht nach-
gegeben worden sei. Wie in diesem Falle zum
Einspruch Preußens keinerlei Anlaß vorgelegen
habe, so seien auch im anderen Falle vom Reichs-
kanzler niemals Bedenken geäußert worden.
' — Von unterrichteter Seite verlautet, daß
die bei der Berathung des deutsch-russischen Han-
delsvertrages im Reichstage gegebene Anregung,
Bestimmungen über den gegenseitigen Schutz der
Urheberrechte für deutsche und russische litera-
rische Erzeugnisse herbeizuführen, nicht unbeachtet
geblieben sei. Unser Auswärtiges Amt sei, so
schreibt ein Korrespondent, mit der russischen Re-
gierung in bezügliche Verhandlungen getreten. In-
dessen wird man nach früheren Erfahrungen nicht
allzu hochgespannte Hoffnungen darauf setzen dürfen.
Auf russischer Seite ist man bisher allen derartigen
Versuchen gegenüber, auch wenn sie von den fran-
zösischen Freunden ausgingen, sehr spröde geblieben.

— Wie aus Antwerpen berichtet wird, sind
die Ausstellungsarbeiten daselbst derartig
vorgeschritten, daß, im vortheilhaften Gegensatz zur
sonstigen Gepflogenheit, die feierliche Eröffnung,
welche am 5. Mai im Beisein des Königs und
der königlichen Familie, sowie der ganzen belgischen
offiziellen Welt stattfindet, keine bloße Formalität
bieten, sondern dem Besucher eine größtenthcils
fertige Ausstellung zeigen wird. Es ist selbstver-
ständlich, daß auch die deutsche Abtheilung nicht
zurückstehen wird, und man arbeitet emsig daran,
derselben die letzte Vollendung zu geben. Den
Eröffnungsfeierlichkeiten wird das deutsche Central-
komitee, an der Spitze die Präsidenten Prinz Franz
von Arenberg und Generalkonsul Georg Goldberger,
anwohnen. Es sind zu Ehren der Deutschen große
Feste geplant, zu welchen seitens des Generalkom-
missars der deutschen Abtheilung, Geheimen Kom-
merzienraths Günther, und des Vorsitzenden des
Antwerpener Komitees, Herrn H. Albert de Bary,
Einladungen ergangen sind. Es darf daher mit
Bestimmtheit erwartet werden, daß die unter so
günstigen Auspizien zu eröffnende Antwerpener
Weltausstellung in jeder Hinsicht Erfolg und Ge-
lingen auf sich zu vereinigen wissen wird.
— In der Marseiller Spionen-Affaire
wird der „Kreuzztg." aus Straßburg geschrieben,
daß der frühere Platzmajor von Bitsch, Haupt-
mann v. Seel (jetzt inaktiv) seinen Wohnort
Bitsch in den letzten Monaten überhaupt gar nicht
verlassen habe. Dagegen befinde sich sein Bruder,
ein ebenfalls inaktiver Major, auf Reisen; die
letzte Nachricht von ihm datirte aus Genf und so
sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß diesem
Bruder von der französischen Polizei Ungelegen-
hciten (wegen vermeintlicher Spionage) bereitet
worden sind. — Daß es sich bei der ganzen An-
gelegenheit nur um blinden Lärm gehandelt hat,
scheint nach den kleinlauten Aeußerungen der
französischen Blätter in den letzten Tagen nach-
gerade erwiesen.
— Frhr. v. Schele veröffentlicht im Kalo-
nialblatt einen Bericht über seine Expedition durch
den Süden Deutsch-Ostafrikas und gelangt zu dem
Schluß, das durchforschte Land biete sowohl für
den Plantazenbau als auch als Auswanderungs-
gebiet so viel günstige Aussichten, daß dieser Besitz
allein die Erhaltung der Kolonie, auch wenn sie
noch auf lange Jahre Kosten verursacht, erfordere.
Für Ostafrika empfiehlt Frhr. v. Schelc die Anlage
von Eisenbahnen, das einzige Mittel, das Land
dem Handel und Verkehr in größerem Maßstabe
zu erschließen.
— Der erste Vizepräsident des Landes-
Ausschusses von Elsaß-Lothringen, Baron
Schauenburg, ist in Hochselden gestorben. Er

war früher Reichstagsabgeordueter des Landkreises
Straßburg.
Karlsruhe, 4. Mai. Den großen Uebungen
der beim 14. Armeekorps aufzustellenden Kavallerie-
Division wird, wie aus militärischen Kreisen ver-
lautet, der Kaiser beiwohnen. Diese Uebungen,
die in erster Linie den Charakter strategischer Ka-
vallerie-Manöver tragen werden, finden gegen Ende
August statt. Es wird sich dabei um höchst be-
deutsame Versuche auf kavalleristischem Gebiete
handeln; die „B. Brsz.* hört dazu, daß die Di-
vision große Schwimmübungen auf den Rhein aus-
führen wird. Die Division wird aus folgenden
Regimentern bestehen: 1. Badisches Leib-Dragoner-
Regiment Nr. 20. 2. Badisches Dragoner-Regiment
Nr. 21, Kurmärkischcs Dragoner-Rgiement Nr. 14,
3. Badisches Dragoner-Regiment Nr. 22, Ulanen-
Regiment König Wilhelm I. (2. Württembergisches)
Nr. 20, Detachement des Badischen Pionier-Ba-
taillons Nr. 14, Reitende Abtheilung des Feld-
Artillerie-Regiments Nr. 15.
Frie-richsruh, 4. Mai. Gestern trafen 500
Vertreter von 15 Militärvereinen aus dem südlichen
Holstein hier ein und brachten dem Fürsten Bismarck
eine Ovation dar. Der Fürst hielt eine Ansprache,
die mit einem Hoch auf Se. Maj. den Kaiser
schloß.
Ausland.
Wien, 4. Mai. Hohenwart hat seine An-
kündigung des Rücktrittes von denKlu b si tzun g en
zurückgezogen, da die Mehrheit des Klubs für die
Währungsvorlagen eintreten dürfte und die Ab-
trünnigen eine politische Absicht gehabt zu haben
bestreiten. Von fünfundfünfzig Mitgliedern waren
gestern nur ncunundzwanzig anwesend, wovon 17
gegen die Vorlagen stimmten. Die Annahme im
Hause gilt als gesichert, selbst wenn die polnischen
und klerikalen Abtrünnigen mit der Gezenkoalition
stimmen sollten, da die Linke einhellig für Pleners
Vorlagen cintritt.
Lüttich, 4. Mai. Gestern Abend um 11^4
Uhr erfolgte vor dem Hause des Doktors Rensons
in der Rue de la Pair eineDy n am it entzünd ung,
die beträchtliche Verheerungen anrichtete. Doktor
Rensons und seine Frau wurden verwundet. Der
untere Teil des Gebäudes ist erheblich beschädigt,
die Verkleidung des Hausflures vernichtet. In den
Nachbarhäusern zersprangen zahlreiche Fensterscheiben.
London, 4. Mai. S ch'uffl eworth erkärte
im Unterhaus, er könne nicht die genaue Zahl der
in Deutschland für die englische Flotte bestellten
Rettungsboote angeben; die Gesammtzahl
würde aber 60 nicht übersteigen. Die Boote seien
patentirt und würden nur die Namen der Fabri-
kanten tragen. Bei Mehrbedarf werde die Re-
gierung für den Bau in England sorgen. Es sei

Das Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Krankenstein.
(Fortsetzung.)
.. „Deine Einbildungskraft ist ebenso groß, wie
Chetwynd's" erwiderte Monk kalt. „Wenn
/".Mein eigenes Spiel spiele, so würde ich schon
^sür sorgen, es Deinen Augen immer verborgen
halten, meine Schwester, aber es ist dies nicht
Fall. Ich bin nur verwundert über dieses
Astede von Geistern, die man hier gesehen haben
als ob sie greifbare Gestalten aus Fleisch
Nd Blut wären. Du thätest besser, Dich des
U-vßen Sieges zu erfreuen, den Du errungen hast.
E rathe Dir, Deine Hochzeit zu beschleunigen.
habe meine 20 000 Mk. nahezu aufgcbraucht
brauche mehr. Du erinnerst Dich, daß Du
eine Jahresrente von zehntausend Mark ver-
machst, wenn Du Lady Chetwynd wirst. Be-
^leunige die Heirath — das ist mein Rath."
, Er küßte ihr die Fingerspitzen und schlenderte
?s>8sam in den Wintergarten hinaus, von dort
cstch in's Freie eilend.
Sylvia schaute ihm mit gefurchter Stirn nach.
üiL "Fch wollte, ich wüßte, was er im Schelde
!vhrt," dachte sie. „Gilbert hat sich im letzten
oMM'k sehr verändert, ich kann ihn nicht mehr er-
gründen. Was veranlaßt ihn, zu leugnen, daß
s>ne weißgekleidete Gestalt sah? Wenn es ein
^npenst war, muß er es gesehen haben, da es
r wich „nd Rog sichtbar war. Wenn es kein
Npenst war, was war es denn? Bei meiner
°kle, ich glaube, Gilbert weiß es."

Mit dieser Ueberzeugung ging Fräulein Monk
auf ihr Zimmer. Sie sand die alte Ragen in
dem Ankleidezimmer eben damit beschäftigt, den
kostbaren indischen Wandschrank zu öffnen. Die
alte Ajah erschrack bei Fräulein Monk's Eintritt
und versperrte rasch die Thüren, die in die Halle
hinausführten. Dann kehrte sie zu dem Schranke
zurück, öffnete das geheime Fach und nahm das
Kästchen mit den indischen Giften heraus.
„Was thust Du?" fragte Fräulein Monk, sich
in einen Lehnstuhl werfend.
„Ich will nachsehen, ob mit meinen Kügelchen
nichts geschehen ist," entgegnete die alte Ragen.
„Ich fühle mich unruhig wegen dieses Geistes.
Es ist unmöglich, daß ich mich in der Phiole ge-
irrt habe, aber ich will doch nachsehen. Wenn
ich mich geirrt hätte, wäre die Marquise in ihrem
Sarge doch nicht gestorben — nein, sie hätte nach
drei Tagen das Bewußtsein wieder erlangt."
Fräulein Monk schaute ihrer alten Amme mit
seltsamen Blicken zu, während diese die schon ein-
mal beschriebenen Phiolen öffnete.
„Es waren in jeder hundert Kügelchen," mur-
melte die Alte. „Ich habe aus der Phiole Nummer
Zwei ein Kügelchen genommen, ließ also neun-
undneunzig zurück. Ich will sie zählen."
Sie that dies mit großer Genauigkeit.
„Es ist richtig,'' sagte sie, „hier sind gerade
noch neunundneunzig. Ich weiß nicht was mich
so thöricht machte, aber gerade, als Sie von dem
Geiste sprachen, fühlte ich ein Verlangen, diese
Phiolen zu untersuchen."
„Sieh auch einmal Phiole Nummer Drei
nach," sagte Fräulein Monk.

Die Augen der alten Ajah leuchteten Plötzlich
aui. Rasch griff sie nach dritten Phiole, öffnete
sie und begann ihren Inhalt zu zählen. Ein be-
stürzter Ausdruck malte sich in ihren Zügen, als
sie fertig war. Sie zählte wieder und wieder.
„Kannst Du nicht richtig zählen ?" fragte Miß
Monk mit plötzlichem Interesse.
„Es sind nur achtundneunzig Kügelchen hier,"
antwortete die alte Frau verwirrt.
„Und es waren hundert?"
„Genau gezählt, hundert in jeder Phiole."
„Du hast vielleicht zwei fallen lassen," und
Fräulein Monk begann zu suchen.
„Halt!" sagte die alte Ajah mit bedeutsamem
Tone, beantworten Sie mir eine Frage: War
Gilbert an dem Tage, als Lady Chetwynd er-
krankte, zn Hause?"
„Erinnerst Du Dich nicht, daß er vor dem
Speisen in meinem Boudoir war und nach der
Tafel nach London abreiste, ohne in den Salon
zu kommen? Ich erinnere mich genau, er kam,
um sich Geld von mir zu leihen. Wir hatten
damals Gäste."
„War er in Ihrem Boudoir, ehe wir den
Schrank öffneten und überLady Chetwynd sprachen?"
„Ja, er ging hinaus, ich rief Dich, und wir
gingen zusammen hier herum."
„Ah! Und er kam in drei Tagen wieder
zurück?"
„Ja! Ich telegraphierte ihm, daß Bernice
todt sei. Aber Du weißt ja das Alles, warum
stellst Du so unwichtige Fragen?"
„Einfach, um meine eigene Erinnerung zu
stärken", sagte die alte Frau, während sie sich zu

zu ihrer Herrin niederbeugte und im Flüstertöne
fortfuhr:
„Missis, Gilbert Monk ist so schlau wie ein
Tiger, der Blut riecht. Er beargwöhnte uns da-
mals, und als er an jenem verhängnißvollen Tage
Ihr Zimmer verließ, muß er wieder hineinge-
schlüpft sein. Er verbarg sich hier, er hörte Alles,
was wir sprachen ja, ja, und jetzt erinnere
ich mich — ich ging auf mein Zimmer, um eine
andere Phiole zu holen! Nur ein Glied fehlt noch
um die Kette meiner Verdachtsgründe vollständig
zu machen, und sie zur Gewißheit zu verwandeln:
Wenn Sie einige Sekunden aus diesem Zimmer
abwesend gewesen wären —"
Fräulein Monk stieß einen lauten Schrei aus.
„Ich war abwesend," rief sie. „Lady Chct-
wynd kam in mein Boudoir, um sich ein Musik-
stück geben zu lassen."
„Dann ist Alles klar. Gilbert hat die Kügel-
chen vertauscht und nahm außerdem noch eins aus
dieser Phiole, Nummer Drei. Er war in drei
Tagen zurück und gab der scheintodtcn Lady das
zweite Kügelchen ein. Sie wurde begraben. Er
befreite sie und hielt sic die ganze Zeit hier ver-
hör gen. Lady Chetwynd lebt. Es^ war kein Geist,
sondern Lady Chetwynd selbst, die Sie heute Abend
gesehen haben!"
25. Kapitel.
Eine zweite Erscheinung.
Der Ausspruch der alten Ragen, daß Lady
Chetwynd lebte und daß Sylvia sie selbst und
nicht ihren Geist gesehen habe, wurde mit so er-
schreckender Gewißheit gegeben, daß Sylvia einen
Augenblick selbst überzeugt schien.
 
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