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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 11. März)
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Nummer 57. H. Jahrgang.

Nenev

Donnerstag, 8. März 1894.

General-GAMger


-s

für Heidelverg und Umgegend



Expedition: Hauptstraße Wr. LS.

Jnseetionöprcisr
die Ispattige Petit,eile oder deren Raum S Pfg.,
iür auswärtige Inserate 10 Pfg-, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.

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Expedition: Hauptstraße Wr. LS.


belesenstes Blatt in Stadt u. A-rrt Heidelberg nnd Nnrgegend. Gvötztev Gvfslg füv Inserate.

Telephon-Anschluß Nr. 102. "WG

Fsvtwnhreud
^Nden von allen Postanstalten, Landbriefträgem,
"uferen Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Deutsches Reich.
Berlin, 7. März.
.-7 In einer Besprechung von Mitgliedern
verschiedener Fraktionen mit dem Staatssekretär
Boetticher über das Ratio nal-
^ükmal für Kaiser Wilhelm soll eine
^uigung dahin erzielt worden sein, daß die viel
""gefochtene Säulenhalle fallen gelassen wird, und
"ß die in diesem Etat verlangten 1100000 Mk.
mcht als Baurate, sondern zu Fundamentiruugs-
"rbeiten bewilligt werden.
. Den Unfall der sich vor Jahresfrist auf
„Spree", dem vom Stettiner „Vulkan" er-
sten Dampfer des „Norddeutschen Lloyd" er-
^gnete, hat bekanntlich Abg. Lieber in der Bud-
Moinmission des Reichstags als ein Seitenstück
Zeichnet zu dem Vorkommniß in Betreff der
s'^ndenburg". Nach der „Nationalztg." ist
Ndeß der Unfall der „Spree", der durch Bruch
er Welle auf hoher See erfolgte in keiner Weise
angethan, als Seitenstück zu dem beim Bau
es Panzerschiffes „Brandenburg" vorgekommenen,
ikrhängnißvollen Versehen erwähnt zu werden.
Welle der „Spree" bestand, während das
-chch' ^nst durchwog aus deutschem Material
^gestellt war, aus englischem Eußstahl.
. Die „Kreuzztg." veröffentlicht ein Schreiben
cn konservativen Reichstagsmitgliedes, in dem
" der Hand von Zahlen nachgewicsen wird, daß
deutsch-russische Handelsvertrag
Holzpappeindustrie, in der viel Tausende von
"ern beschäftigt würden, die 200 Fabriken
D>e und ju der ein Kapital von 50 Millionen
<cark stelle, zu runiren drohe.
z..—.Die „Nordd. Allg. Ztg." sagt in einem
mrtikel über die beabsichtigte Reform der Stras-
!?^ßvrdnung und die Entschädigung der un-
i ^ Olg Verurtheilten, verschiedene Reichstage hätten
> He Gesetze beschlossen, aber der Bundesrath
l sie abgelehnt. Daß bei der gegenwärtigen
> vMebung der Schuldige unter Benützung ver-
/ ertex Umstünde eine Freisprechung zu erwirken
^.Hoge, habe die jetzige Prüfung der Reform der
j ^Prozeßordnung veranlaßt, deren Ergebnisse
/ ."em Ctzt vorliegenden Entwürfe zu finden
s - Darnach haben die Gerichte in der Frage

über die Höhe der Entschädigung zu entscheiden.
Das Wiederaufnahmeverfahren gestalte sich so,
daß es nur den unschuldig Verurtheilteu zu Gute
komme.
— Für Berlin ist nunmehr auch die formelle
Konstituirung eines Bezirks Verbandes der
Freisinnigen Volkspartei in Aussicht
genommen. Tatsächlich bat schon ein solcher
Verband für „Berlin und Umgegend" bestanden,
wenngleich ohne formelle Statuten. In einer
Konferenz der Vorsitzenden der Partei aus den
sechs Reichswahlkreisen, welche am Sonnabend
Abend stattfand, wurde beschlossen, in der Woche
nach Ostern durch einen aus den Abgeordneten Berlins
und 36 Vertretern der verschiedenen Reichswahl-
kreise gebildeten Parteiausfchuß eine dahingehende
Vorlage zn machen.
— Ueber die Hebungen des Beurlaubten-
standes im Etatsjahre 1894/95 enthält die
Beilage zu Nr. 6 des Armeeverordnungsblattes
die einschlägigen Bestimmungen. Dieselben gipfeln
in folgenden Hauptpunkten: Die Hebungen finden
in der Zeit vom 1. April bis zum Eintreffen der
Rekruten statt. Die Schifffahrt treibenden Mann-
schaften werden im Winterhalbjahr 1894/95 ein-
berufen. Die Generalkommandos sind befugt, die
festgesetzten Uebungsstärken in geringem Umfange
zu beschränken, falls besondere Verhältnisse dies
erwünscht erscheinen lassen. Bei Bestimmung der
Uebungsdauer ist der Eintreffe- und Entlassungs-
tag eingerechnet. Hinsichtlich des Eintreffens der
Offiziere und Unteroffiziere der Landwehr bleibt
nähere Bestimmung dem Ermessen des General-
Kommandos, jedoch unter Berücksichtigung der ge-
setzlich zulässigen Uebungsdauer überlassen. Die
Abgaben des Friedensstandes an die Uebungsfor-
mationen sind bei der Infanterie in erster Linie
den 4. Bataillonen, im Uebrigen zur Verminder-
ung der Reise- und Transportkosten möglichst den
auch etwa am Uebungsorte befindlichen Linien-
Truppentheilen zu entnehmen. Die Mannschaften
des Beurlaubtenstandes aus den Hohenzollern'schen
Landen — ausschließlich derjenigen des Garde-
korps und der Offizier-Aspiranten — üben bei
den Truppentheilen des 14. Armeekorps.
— In diesen Tagen sind, wie gemeldet, die
ersten Pioniere der Freilandbewegung nach dem
Kenia abgereist. Es kann bei dieser Gelegenheit,
so bemerkt der „H. E." hierzu, nur wiederholt
werden, daß sich das ganze Unternehmen wirth-
schaftlich auf Voraussetzungen aufbaut, die fast
sämmtlich phantastisch sind. Es genügt, darauf
hinzuweisen, daß die Entfernung von der Küste
bis zu dem ausgesuchten Gebiet viel zu groß ist,
als daß sich der Anbau selbst der theuersten tro-
pischen Produkte bezahlt machen wird, daß die

Akklimatisation des Europäers, wenn man einmal
diesen Ausdruck gebrauchen will, unter dieser Breite
durchaus nicht erwiesen ist und daß auf der ma-
lariafreien Höhe nichts mehr gebaut werden kann,
was für den Europäer einen größeren Wertb hätte.
— Am 2. d. Mts. ist hier der Oberst-Lieu-
tenant a. D. Carl Kühn, der die Löweffche
Gewehrfabrik in den Jahren 1889 bis 1893 als
technischer Direktor leitete, nach schweren Leiden
gestorben. Gegen ihn und Herrn Isidor Löwe
richtete vornehmlich Ahlwardt seine nichtigen An-
klagen wegen der „Judenflinten".
— Ahlwardt ist gestern aus dem Gefängniß
entlassen worden. Die Zeitungen, die für ihn
freiwillig und unfreiwillig Reklame machen, be-
richten von dem Empfang durch seine Genossen,
daß er ein Bild blühender Gesundheit sei, sofort
ein Kotelett und eine Flasche Rothwein verzehrt
und als ein Huldigungsgeschenk einen Stock in
Empfang genommen habe, der als Knopf das
Bild des „ollen ehrlichen Seemann" aufweist.
Stuttgart, 7. Mürz. Die neugewühlten ultra-
montanen Abgeordneten Kiene und Schick treten
keiner Fraktion des Landtages bei. Augenschein-
lich ist die Gründung einer Zentrumsfraktion be-
absichtigt.
München, 7. März. Die Sozialdemokraten
siegten bekanntlich bei den letzten Gewerbe-
gerichtswahlen auch bei der Wahl der Arbeit-
geberbeisitzcr und zwar mit 409 gegen 391
Stimmen. Die Regierung stieß die Wahl um
und nun unterlagen die Sozialdemokraten mit
1133 gegen 1672 Stimmen. Bemerkenswerth ist
doch, daß hier 1133 Arbeitgeber Sozialdemokraten
sind.
Ausland.
London, 7. März. Der Herzog von Devon-
shire, Führer der liberalen Unionisten, hat zu
Aeovil eine Rede gehalten, in der er ausführte:
Seine Partei werde dem neuen Premierminister
Lord jRosebery nur mäßige Opposition
machen; betreffs der Home-Rule-Frage werde je-
doch die Opposition unversönlich sein. Die Unio-
nisten würden den Lord Rosebery namentlich in
finanziellen Maßnahmen, sowie bei Fragen, be-
treffend die Verstärkung der Marine, unterstützen.
Belgrad, 9. März. Ein Wechsel des Ka-
tz in ets in vollkommen liberaler Richtung wird
in den nächsten Tagen für gewiß erachtet. Der
russische Gesandte Persiani konferirte heute Nach-
mittag mit den Führern der Liberalen Avakumovic
und Ribbaratz.
Belgrad, 6. Mürz. Die heutige Wiederkehr
des Tages der Unabhängigkeitserklärung
Serbiens verlief ohne jeden Zwischenfall. Das
gesammte diplomatische Korps einschließlich des

russischen und französischen Gesandten machte in
großer Gala dem König seine Aufwartung. Be-
merkenswerth ist, daß der Exkönig Milan in der
Kathedrale in Generalsuniform erschien und ein
Ehrenconvoi Gardehusaren seinen Galawagen be-
gleitete, während die aufgestellte Ehrenkompagnie
vor ihm präsentirte._
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 7. März.
46. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer
unter dem Vorsitz des Präsidenten Gönner.
Am Regierungstisch: Präsident des Mini-
steriums des Innern, Geh. Rath Eisenlohr,
Ministerialdirektor Dr. Schenkel, Geh. Rath
Haas, Baudirektor H 0 nsell und Geh. Ober-
rcgierungsrath Baader.
Nach einer kurzen Mittheilung des Präsidenten
wird in die Tagesordnung eingetreten und be-
richtet Abg. Fischer namens der Budgetkommission
über das Budget der Oberdirektion des Wasser-
und Straßenbaues. An der Generaldebatte be-
theiligen sich die Abgg. Fischer, Neumann, Schlusser,
Hug, Koelle, Hoffmann, Kiefer, Marbe, Birken-
mayer, Straub, Frank, Eder, Fieser Wechsler,
Wacker, Lohr und seitens der Regierung der Prä-
sident des Ministeriums des Innern, Geh, Rath
Eisenlohr, Ministerialdirektor Dr. Schenkel, Geh.
Oberregierungsrath Haas und Baudirektor Honsell,
an der Spezialdebatte die Abgg. Leimbach,
Pfefferte, Stegmüller, Reichert, Frank und seitens
der Regierung Geh. Rath Haas. Um 2 Uhr
wird die Sitzung abgebrochen.
Karlsruhe, 7. März. 47. öffentliche Sitzung
der Zweiten Kammer. Tagesordnung ans Freitag
den 9. März, Vormittags 9 Uhr. 1. Anzeige
neuer Eingaben. 2. Fortsetzung der Berathung
der Berichte der Budgctkommission über das Bud-
get des Großh. Ministeriums des Innern für
1894 und 1895, und zwar: Titel XVII und
XVIII der Ausgabe, Titel VIII der Einnahme
(Berichterstatter: Abg. Fischer); Titel XII und
XIII der Ausgabe, Titel III und VI der Ein-
nahme (Berichterstatter: Ab. Schüler).
Deutscher Reichstag.
Berlin, 7. März.
Der Gesetzentwurf betreffend die Aufhebung
des Identitätsnachweises steht zur Be-
rathung. Staatssekretär v. Posadowsky be-
gründet den Entwurf. Die Klagen der Lcmdwirth-
schaft seien nicht Seifenblasen der Agitation, son-
dern beruhten auf ernsten Thatsachen. Die Vor-
lage bezwecke nicht nur allgemeine Preissteigerung,
sondern die Ermöglichung eines besseren Absatzes
für Süddeutschland und Westdeutschland. Ein

Pflicht.

. . Roman von C. Zoeller-Lionheart.
(Fortsetzung.)
, nächsten Abend zogen die neuen Haus-
HOchsen ein.
^lly zeigte sich überschwenglich entzückt von
- was sie vorsand. Die kleine verwöhnte
A " nistete sich anfangs in den ihr zugewiesenen
P wen ein, aber es dauerte nicht lange, so hatte
j" "" fast sämmtlichen Zimmern im Hause in
endlich anspruchsvollen Tändelei Besitz ge-
Mwen.
Dtargot schwamm in einem Meer von Wonne.
5.,.i^"sige, krähende Baby schien ihr der Jn-
ll aßer Glückseligkeiten. Sie wich kaum mehr
Mn r? Kinderzimmer, sie stand in staunender
/ ..^werung neben der Badewanne, wenn der
.^ebermuth die runden Kniee einzog, dann
^ ..Zwcheri kräftig vorwärts stieß und, mit beiden
wild auf das Wasser schlagend, sie mit
^0° Sturzbad überschüttete. Sie fühlte sich
Henn die Aja ihr das im Badetuch
Schreipüppchen 'mal auf den Schooß
be HE? keinen anderen Wunsch oder Ge-
wehr, als die Schularbeiten abzumachen,
Oschle tollen, ihm jedes Fingerchen
ihn vor Liebe fast zu erdrücken.
Liin v°ll hatte Ada es vermieden, Herbert
-Lim "nzuweisen, an die sich irgend eine Er-
wi "g an den Hausherrn knüpfte, vielmehr
Äoi^t Stube und ein Schlafzimmer überlassen,
"It nur zur Aufnahme fremder Gäste ge-
off hatten.

Freilich hatte es den Uebelstand, daß sie Wand
an Wand hausten, jeden Athemzug, jeden Seufzer
überwachen mußten, um einer den andern nicht
zum Zeugen desselben zu machen.
Ada hatte ihr Standquartier in dem ehe-
maligen Kinderwohnzimmer anfgeschlagen, in dem
das Fräulein mit Margot Tags über zu Hausen
pflegte. Das Helle Licht, das durch die breiten
Fenster und Balkonthüren fiel, war ihrer Staffelei
besonders günstig. Die zierlichen Lackmöbel mit
den lichten Kretonnebezügen sagten ihrem ein-
fachen Geschmack mehr zu als die dunkle Pracht
der immer dämmerigen Vorderzimmer. Ihr Ruhe-
bett und ihren Schreibtisch, ein paar Lieblings-
palmen und Familienbilder hatte sie in dieses
Zimmer bringen lassen, und bald durchwehte den
von ihrem innersten Wesen beseelten Raum jener
Zauber der Behaglichkeit und Traulichkeit, den
ihr Mädchenzimmer daheim immer besessen.
Ada behütete diesen Raum streng gegen jeden
Eindringling. Sie gehörte zu den Menschen, die
ein Plätzchen sür sich allein haben müssen, irgend
ein Fleckchen Erde zur stillen Einkehr in sich selbst.
Eine nothwendige Anfrage ließ Herbert Droysen
sie vergeblich in der ganzen Wohnung suchen.
Sie hatte sich, von Kopfschmerz geplagt, zu un-
gewohnter Stunde zurückgezogen. Aber immer auf
dem Platz, ihre selbstauferlegten Pflichten zu er-
füllen, ließ sie ihn auf die Anfrage des Mädchens
in ihr verschlossenes Heiligthum bitten.
Eine Sekunde stand er zaudernd auf der
Schwelle.
Sie hatte wohl vergessen, wie mächtig sie die
Vergangenheit bei ihm wieder weckte. Die weiß-

lackierten, geschweiften Möbel aus ihrem Eltern-
haus, welch heitere Erinnerungsbilder mußten sie
wachrufen! Dasselbe grüne Dämmern wie dort
nn Gartensalon, das hier wie dort durch die
epheuumsponnenen Verandafenster webte. Der-
selbe gluthrothe Sonnenball, der scheidend sein
Purpurlicht über die Schneedecke des Gartens
sandte, und in der rothen Beleuchtung dieselbe
weibliche Gestalt, wie er sie tausend Mal da sitzen
gesehen auf der Tigerdecke des Ruhebettes, die
zarte Wange in die schmale Hand gelehnt und den
Kopf, aus dessen brauner Haarpracht goldene
Fäden sprühten, seitswärts gegen das Polster
gedrückt.
Nur daß die stille, bleiche Frau mit dem
schmalen Oval und den müden Augen nicht mehr
das stillheitere, arglose Kind von achtzehn Jahren,
er nicht mehr der Jüngling mit den kühnen Zu-
kunftsträumen war.
Hinter beiden lagen die Lebensträume zer-
ronnen. Oder waren sie es noch nicht völlig?
Warum klopfte ihm sonst das Herz so mächtig,
als er auf einen leisen Wink dieser Hand tiefer
ins Zimmer trat, wo ihn alles so bekannt grüßte?
Mit ahnungslosester Unbefangenheit hieß sie
ihn sich setzen und reichte ihm die Hand, die er
flüchtig erfaßte und drückte in dem unbestimmten
Gefühl, sich hier doppelt aufmerksam bewachen
zu müssen.
„Ich begrüße Sie in meinem eigensten Reich,"
sagte sie mit einem verunglückten Versuch, einen
leichten Ton anzuschlagen. „Was, Sie stehen
immer noch? Nehmen Sie mir nicht übel, wenn
ich in der bequemen Lage verharre, mein steifer

Nacken thut mir ein bischen weh. Bitte, rücken
Sie Ihren Stuhl so, daß ich beim Sprechen
Ihnen ins Gesicht sehen kann, ohne daß die Sonne
mich blendet. — Danke."
Mechanischhatteer gehorcht. Durch alle Nerven
sog er den bestrickenden Zauber ihrer Umgebung,
ihres ganzen Menschen ein.
In den Prunkgemächern war sie immer Frau
Brünken, ihm entrückt, ja entfremdet. Hier war
es die alte Ada, die er fo unaussprechlich geliebt
und betrauert hatte. Auch das einfache Haus-
kleid mit dem Mullfichu über dem Busen rief
alte Zeiten wach. Es machte sie ihm vertrauter,
als ihm die schöne, hoheitsvolle Hausfrau indem
modischen Kostüm von englischem Schnitt sonst
erschien. Auch die Veranlassung, die ihn heute
zu ihr rief, war die von früher. Heimliche Weih-
nachtsbesprechungen wie vor vielen, vielen Jahren,
wo er sich durch die Hinterthür in den Garten-
saal schlich, E ihre Aufträge in Empfang zu
nehmen.
„Wir haben nur noch ein paar Tage bis
Weihnachten," sagte er und riß sich so aus der
Wundersamen Traumstimmung auf, die ihn in ge-
fährlichem Schweigen mächtiger und mächtiger zu
umspinnen drohte.
„Weihnachten!" sprach Ada träumerisch vor
sich hin.
Dann richtete sie sich ein wenig empor und
spähte durch die einbrechende Dunkelheit mit vor-
gebeugtem Oberkörper ihm ins Gesicht.
„Wissen Sie noch, Herbert, wie wir uns da-
mals zur Hinterthür hinausschlichen und ich Tant-
chens Hut aufsetzte, um unerkannt zu bleiben und
 
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