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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 11. März)
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mir an Ihrem Arm das verbotene Paradies,
den Weihnachtsmarkt,»einmal zu besehen? Mein
Gott — wie wir da harmlos froh waren!" Und
dann mit leiser Ungeduld in der Stimme, als er
beharrlich schwieg: „Sie sind natürlich über all
den Kindereien fort, so erhaben darüber, daß Sie
nicht begreifen können, wie meine Gedanken oft
noch sehnsuchtsvoll zu diesem ungetrübten Jugend-
glück zurückkehren."
„Im Gegentheil!« murmelte er. „Ich meine,
liebe Ada", zwang er sich zum gemessenen Wesen,
das er konsequent jetzt angenommen, „ich hätte so-
gar die wahnsinnigste Lust, mir die Weihnachts-
freuden der Heimath jetzt einmal mit meinen
nüchternen alten Augen wieder anzuschauen. Aber
ohne Gesellschaft hat das keinen Reiz. Schade, daß
Sie sich heute nicht aufgelegt fielen, ich hätte
meine Einkäufe so gern von Ihrem weisen Rath
dirigieren lassen. Vielleicht thut die Luft übrigens
Ihrem schmerzenden Kopf gut?" fragte er etwas
muthlos.
Mochte sie ihm diese erste Bitte nicht ab-
schlagen? Stieg auch in ihr das unwiderstehliche
Verlangen auf, einmal allein an seiner Seite das
Fest der Erinnerung zu feiern ? War es ganz um-
fangenes Nachgeben in seine Wünsche, oder mischte
sich der glühende Durst nach persönlichem Glück
ihr unbewußt in alles das ein?
Mit einem leisen Freudenruf sprang Ada auf
und erklärte sich bereit, mit ihm zu gehen.
„Aber durch die Hinterthür", flüsterte sie mit
einem verlegenen Lächeln.
„Natürlich durch die Hinterthür", bestätigte er
schalkhaft und glücklich wie ein Knabe.

„Damit Margot nichts merkt und ganz über-
rascht ist", entschuldigte sie sich nachträglich und
ward roth dabei.
„Selbstredend."
Geräuschlos, wie zwei Diebe, Ada in ihren
Abendmantel gehüllt und tief verschleiert, glitten sie
über die Veranda in den Hof und durch den Seiten-
ausgang auf die Straße.
Dichte weiße Flocken fielen lautlos vom Himmel
und hüllten sie ein. Sie waren dadurch wie ab-
getrennt von der übrigen Welt. Der rieselnde
Schnee bildete gewissermaßen eine durchsichtige Wand.
Er reichte ihr wortlos den Arm, und stumm legte
sie ihre Hand hinein, und schritten sie, Takt haltend,
in die lichtfunkelnde Großstadt hinein. Keiner brach
das Schweigen. Auf beiden lag es wie süße Be-
klommenheit. Keiner wagte mebr an der Ver-
gangenheit zu rühren. Beide wußten jetzt, es war
ein gefährliches Gebiet, das nicht ungestraft mehr
betreten werden durfte.
O, der qualvollen Seligkeit, sie so an seinem
Arm zu führen, die weiche Gestalt durch eine Un-
ebenheit des Pflasters, ein schreckhaftes Auffahren
bei einer zu nahe rollenden Droschke, während der
Uebergänge sich an die Seite gedrängt zu fühlen,
an ihrem v rtrauensvoll zu ihm erhobenen Gesicht
sich berauschen zu können!
Körperlich sich so nah, und ach, wie himmel-
weit getrennt!
Mußte es sein? Mußte es so bleiben?
„Wo wollen Sie hin? Sie biegen ja links
dem Thore zu?" fragte Ada befremdet und durch-
brach so den Zauber dieser schweigsamen Abend-
promenade.

Preisdruck sei nicht zu befürchten. Ein Handel
mit Einfuhrscheinen werde voraussichtlich nicht
stattfinden. Die Regierungen hätten den festen
Willen, dem unbestrittenen Nothstand der Land-
wirtschaft mit allen Mitteln entgegenzutreten.
Abg. Frhr. v. Buol erklärt, der größte Theil
des Centrums stimme der Vorlage zu, vorausgesetzt,
daß der Staffeltarif aufgehoben und ferner gesetzlich
festgelegt werde, daß die Einfuhrscheine als voll-
giltiges Zollgeld für alle Maaren gelten.
Abg. v. P uttka mm er-P lau th (kons.)
befürwortet die Vorlage namens der Konservativen.
Abg. Schippel erklärt, die Sozialdemokraten
lehnten einstimmig die Vorlage ab, weil dieselbe
die Konsumenten schädige.
Abg. Rickert stimmt der Vorlage zu.
Abg. Richter äußert Bedenken; der Entwurf
vermehre die Spekulation und führe zweifellos eine
Konsumvertheuerung herbei. Die Aufhebung der
Staffeltarife würde die Vortheile des russischen
Handelsvertrages größtentheils Neutralismen. Redner
beantragt Kommissionsberathung.
Miquel weist die Befürchtungen Richters
zurück. Die Frage des Identitätsnachweises sei
derartig klar, daß eine Kommiffionsberathung über-
flüssig sei. Der Absatzkreis solle erweitert, das
Getreide verkäuflicher werden, wenn auch nicht zu
höheren Preisen. Die Aufhebung des Identitäts-
nachweises bedeute keine Ausfuhrprämie. Werde
das Bedürfniß für die Aufhebung des Identitäts-
nachweises für andere Gegenstände nachgewiesen,
so könne eventuell auch da der Identitätsnachweis
aufgehoben werden. Jedoch sei ein solches Bedürf-
niß gering.
Abgg. Wassermann (ntl.) und Meyer
(Reichsp.) befürworten die Vorlage.
Die Kommissionsberathung wird
abgelehnt. Die zweite Lesung findet
im Plenum statt.
Morgen Marineetat.

Aus Wcch und Jern.
* Karlsruhe, 7. März. Bezüglich des
Schusses, den ein Schutzmann, wie gestern mitge-
theilt, auf seine Verfolger abgegeben, ist noch nach-
zutragen, daß sich der Vorfall nicht am Friedrichs-
thor, sondern außerhalb des ehemaligen Durlacher-
thors zugetragen bat. Der Vorgang ist folgender:
Der betreffende Schutzmann verhaftete eine Prosti-
tuirte, die von einigen Dirnenzuhältern befreit
wurde. Letztere verfolgten den Schutzmann und
wurden gegen denselben thätlich. Der Schutzmann
zog sich vertheidigend zurück, worauf er mit Stein-
würfen verfolgt wurde. Als ihm trotzdem einer
der Zuhälter mit einem Stein in der Hand zu
nahe kam, gab er auf denselben einen Schuß ab,
der ihn verwundete. Die anderen flüchteten sich
hierauf. Den Verletzten führte der Schutzmann
selbst an einen Brunnen in der Karl-Wilhelm-
straße, um sich auszuwaschen. Während sich der
Schutzmann bemühte, ein Fuhrwerk zu bestellen,
um den Verletzten in das städtische Krankenhaus
zu verbringen, war jener allein in seine Wohnung
in der Rüpurrerstraße gegangen und befindet sich
dort in ärztlicher Behandlung. Die Kugel wurde
in vorverflossener Nacht herausgeschnitten. Die
Verwundung ist nicht gefährlich. Ein zweiter an
der Affaire Betheiligter wurde gestern Vormittag
verhaftet, ebenso die betreffende Frauensperson.
* Karlsruhe, 7. März. Gestern Vormittag
rutschte ein Bahnarbeiter beim Absteigen vom
Deck eines Eisenbahnwagens aus, fiel auf den
Bahnsteig herab und verletzte sich am Kopf,
so daß er sich im städtischen Krankenhaus ver-
binden lassen mußte.
* Mannheim, 7. März. Der badisch-pfäl-
zische Verband der Vereine der Briefmarkensammler
hielt am Montag in Speyer eine Versammlung
ab, zu der etwa 30 Herren der Vereine Mann-
heim, Heidelberg, Karlsruhe u. Kaiserslautern
erschienen waren. Die Berathung dreht sich haupt-
sächlich um die Uebernahme des 6. deutschen

Philatelistentages. Man einigte sich dahin, Mann-
heim als Feststadt in Vorschlag zu bringen.
* Mannheim, 7. März. Gestern Nachmittag,
nrz vor 4 Uhr, sprang ein unbekannter Mann,
nachdem er auf der Rheinbrücke seine Brille, den
Hut und das Portemonnaie niedergelegt hatte, in
den Rhein. Der Lebensmüde den die Wellen fort-
trieben, wurde in der Nähe der Ueberfahrtsboote
dem nassen Elemente zwar noch lebend entrissen;
icdoch ist er kurz darauf gestorben. Wie wir
nachträglich erfahren, ist der Selbstmörder der
pensiouirte Bahnwärter Schlüpf aus Ludwigshafen,
ein alter unverheir atheter Mann.
* Weinheim, 6. März. Der hiesige Vor-
schußverein erzielte im letzten Jahre einen Rein-
gewinn von 22 677.71. Zur Vertheilung kommen
5V2O/0 Dividende, während dem Reservefond
Mk. 1150.33 überschrieben wurden. Der Ge-
schäftsumsatz belief sich in Einnahme und Aus-
gaben auf 11286 308. Das Vereinsvermögen
stieg von Mk. 396 464 auf Mk. 4048870. Das
Einlageconto bezifferte sich Ende 1893 auf
Mk. 392 304. Die Mitgliederzahl beläuft sich auf
974 gegen 980 im Vorjahr.
* Wiesloch, 7. März. Der Gemeindevoran-
schlag der Stadtgemeinde Wiesloch ist soeben im
Druck fertiggestellt. Nach der Darstellung der dem
Umlageausschlage zu Grunde zu legenden Steuer-
kapitalien und Steueranschläge für 1894 beträgt
das gesammte Grund-, Häuser- und Gefällsteuer-
kapital 4 233 020 Mk. (Umlage auf 100 Mk.
Stcuerkapital 47 Pfg.), das umlagepflichtige
Gewcrbesteuerkapital 1 521900 Mk. (Umlage auf
100 Mk. Steuerkapital 47 Pfg.), die umlage-
pflichtigen Einkommensteuerkapitalien 421 975 Mk.
(Umlage auf 100 Mark Steuerkapital 141
Pfennig), das umlagepflichtige Kapitalrentensteuer-
kapital 1399 620 Mk. (Umlage pro 100 Mark
Steuerkapital 8,8 Pfg.). Nach dem Voranschlag
betragen die Gesammteinnahmen 43 556 Mk., die
Gesammtausgaben 77 771 Mk., der ungedeckte
Gemeindeaufwand somit 44 223 Mk.
* Meckesheim, 7. März. Nachdem die amt-
liche Genehmigung zur Abhaltung eines Schweine-
marktes eingetroffen ist, findet hier jeden Montag
ein solcher statt. Gestern wurde mit Herrn Be-
zirksthiexarzt Umholzer in Neckargemünd Seitens
der Gemeinde der Vertrag abgeschlossen.
* Aglasterhausen, 7. März. Einem längst
gehegten Wunsche der hiesigen Einwohnerschaft,
nämlich der Erstellung einer neuen Kirchenubr,
wird endlich entsprochen. Die Lieferung derselben
wurde durch Vermittelung des hiesigen Uhrmachers
Isidor Linz der Firma Herz in Ulm übertragen
und dürfte die Aufstellung in allernächster Zeit
erfolgen.
' Linbach, 7. März. Bei der gestrigen
Bürgermeisterwahl wurde der bisherige Bürgermeister
Herr Gottlieb Haas mit allen abgegebenen Stimmen
wieder gewählt.
* Odenheim (A. Bruchsal), 6. März. Ein
merkwürdiger Forstdiebstahl ist gestern von den
Gemeindewaldhütern entdeckt worden. Dieselben
bemerkten das Fehlen einer Buche, gingen der
Spur nach und sanden das Holz, in Meterlänge
verkleinert, in zwei entleerten Rübenlöchern mit
Erde bedeckt. Das Holz wurde gestern auf dem
betr. Grundstück öffentlich versteigert.
' Lahr, 6. März. Gestern fand die Ziehung
der Geroldsecker Silberlotterie statt. Der Haupt-
gewinn im Werthe von 1000 Mk. fiel auf ein
Loos, das während des Ziehungsgeschäftes vom
Bürgermeister von Mahlberg mit anderen Loosen
an die Lotteriekommission zurückgeschickt worden ist.
Der Gewinn fällt mithin der Lotteriekasse zu.
* Zell i. W., 6. März. Dieser Tage wurde
eine hiesige achtbare Famalie in tiefe Trauer ver-
setzt, indem der Familienvater, der Maurermeister
Böhler in Freiatzenbach, gelegentlich einer Reise
nach Basel dort verhaftet wurde. Es soll auf dem
Verhafteten, der in der letzten Zeit durch verfehlte
Spekulationen auch noch finanziell in Bedrängniß

gerathen sein soll, der schwere Verdacht rüden, seinen
schon vor Monaten verstorbenen Bruder, der in
Basel wohnhaft war und seiner Zeit erhängt auf-
gefunden wurde, um das Leben gebracht zu haben.
Doch geht die allgemeine Ansicht dahin, der Ver-
haftete sei eines solchen Verbrechens unfähig.
* Freiburg, 6. März. Die erste diesjährige
Schnepfe im hiesigen Bezirk wurde letzten Samstag
Abend im Mundinger Gemeindewald geschossen;
genau zur selben Stunde — 61/2 Uhr — wurde
auch im Amtsbezirk Mosbach (bei Marienthal)
eine Schnepfe erlegt. Damit hat nun der Feldzug
gegen den hochgeschätzten Vogel begonnen und die
Nimrode strömen seit Sonntag nach allen Himmels-
richtungen den Wäldern zu.
* Worms, 7. März. Heute Nachmittag
wurde in der Nähe der hiesigen Station beim
Uebergang Nr. 9 durch den Personenzug 14
Mainz-Ludwigshafen der ca. 60 Jahre alte Gärtner
Deckart, der freiwillig in den Tod ging, über-
fahren und sofort getödtet. Der Lebensmüde hielt
sich in einer Kiesgrube verborgen und sprang beim
Herannahen des Zuges vor die Maschine, die
ihm den Kopf vom Rumpfe trennte.
* Worms, 7. März. Eine Diebesbande, be-
stehend aus 5 jugendlichen Stromern von hier,
die sich meist obdachlos Herumtrieben, wurde ding-
fest gemacht. Dieselben hatten sich in letzter Zeit
zusammengerottet, um gemeinschaftlich Diebstähle
auszuführen. Was ihnen in den Weg kam,
wurde gestohlen und veräußert. Besonders hatten
sie es auf die Lager alten Metalls und dergl. ab-
gesehen. Weitere Verhaftungen stehen bevor.
* Mainz, 7. März. Die Anmeldungen zum
11. Deutschen Bundesschießen laufen aus dem
Auslande bereits zahlreich ein. So liegen die
Anmeldungen aus Belgien und Frankreich vor;
verschiedene Schützenvereine zu Newyork wollen
Delegationen schicken und der Wiener Schützen-
verein meldet, daß eine besonders große Anzahl
von Theilnehmern aus Oesterreich zu erwarten sei.
Der Wiener Schützenverein wird auch die bewähr-
teste österreichische Musikkapelle, diejenige des Haus-
regiments Hoch- und Deutschmeister, 52 Mann
stark, mitbringen. Ferner wird der Schützenrath
zu Landeck von einer Tiroler Kapelle sich begleiten
lassen. Mit Genehmigung des Kriegsministeriums
ist der Abbruch des Neuthors in Angriff genom-
men worden und es wird dadurch bis zum Schützen-
fest eine schöne, offene Straße aus dem Herzen
der Stadt nach dem Stadtpark und dem Schützen-
festplatz hergestellt.

WerrnifchLes.
— Rückfahrkarten. In Baden sind zwar
ebenfalls die zehn Tage giltigen Rückfahrkarten
eingeführt, aber auf den an den Bahnschaltern zur
Ausgabe gelangenden Karten findet sich nach wie
vor der Vermerk: Als Retourbillet 2 (3) Tage
giltig. Daß die Karten zehn Tage Giltigkeit
haben, das ist weder aufgedruckt, noch aufgestempelt.
Wenn es auch begreiflich erscheint, daß der große
Vorrath, welchen die Bahnverwaltung noch an
alten Karten besitzt,, erst aufgebraucht werden muß,
ehe neue angefertigt werden, so wäre es doch
wünschenswerth, wenn aus einem Stempelaufdruck
die verlängerte Giltigkeitsdauer ersichtlich wäre.
Gar manchem Zweifel und mancher überflüssigen
Erkundigung seitens weniger unterrichteter Passagiere
würde auf diese Weise vorgebeugt.
— Kneipp ist aus Rom wieder abgereist, wo
er von Patienten förmlich belagert wurde. Von
der Audienz, welche er beim Papste hatte, wird
Folgendes erzählt: Der Papst erkundigte sich nach
dem Befinden des Kardinals Valetta. Kneipp
habe geantwortet, er halte den Zustand nicht für
so bedenklich; bei alten Leuten schaue er nach den
Ohren; wenn die noch frisch seien, gebe er den
Kranken nicht auf. Das Ende der Unterredung
war, daß der Papst den Willen kundgab, an sich
selbst die Methode der Kneipp'schen Wasserbehandlung
kennen zu lernen. Gesagt, getban; jeden Morgen

„Und wenn es mich einmal gelüstete, vom
rechten Wege abzuschweifen?" scherzte er gezwungen.
„So ließe ich Sie allein gehen", sagte Ada
bestimmt.
Er verbeugte sich förmlich und lenkte ihn ein.
„Ihre Wege sind meine Wege. Sie sollen mir
stets die Pfadezeigerin sein."
„Ich danke Ihnen", sagte sie mit feierlicherem
Ernst, als die leichte Form des Wortspiels eigentlich
verdiente.
VII.
Und nun war Weihnachten, weiße stille Weih-
nacht!
Auf dem Hofe sang die Kurrende mit Hellen
Knabenstimmen: „Ehre sei Gott in der Höh' und
Friede auf Erden."
Aufgeregt ging Herbert in seinem Zimmer hin
und her, der ' Unglücksbrief brannte ihm in der
Tasche. Er mochte ihn kurz vor der Bescheerung
nicht öffnen.
Eine fremde Hand hatte ihn adressirt. Ein
großes schwarzes Siegel schloß ihn. Das sagte ihm
alles. Wie oft hatte er den quälenden Gedanken
schon von sich gewiesen, sich vorreden wollen, es
sei alles hypochondrische Einbildung von Gerald
gewesen. Nun hielt er die schreckliche Gewißheit
in Händen. Nein, noch wollte er keine Gewißheit,
noch schreckte er feige davor zurück.
Im geräumigen Speisezimmer war von Ada
und ihm auf langer Tafel alles aufgebaut worden
und der märchenhaft schimmernde Christbaum in
die Mitte gehoben.
Sie waren so froh gewesen in dem gemein-

um 6 Uhr fuhr Kneipp zum Vatikan, und Punkt
7 Uhr stellte sich der Papst dem Gaste zur Ver-
fügung.
— Die neuen Personenwagen der preus-
sischen Staatsbahnen für die 3. Klasse werden
nach einem neuen System (dem amerikanischen)
gebaut werden und größere Bequemlichkeit bieten.
Es ist namentlich die Einrichtung von Seiten-
gängen in die Waggons vorgesehen; die Coupel
die außerdem Seitenthüren enthalten, sind dann
untereinander verbunden, so daß in der Besetzung
Ausgleichungen ermöglicht werden. Die Thüre"
werden auch von innen, also von den Reisenden
selbst zu öffnen sein.
— Ueber einen Mord und Selbstmord-
versuch, welcher in der Nacht zum Sonntag iist
Cafe Imperial in Berlin unternommen wurde,
wird Folgendes mitgetheilt: Vor etwa l 0 Tage"
hatte der 30 Jahre alte Kaufmann K. die 25-
jährige Schneiderin Anna M. aus der Ackerstraße
kennen gelernt und ihr inzwischen die Ehe ver-
sprochen. Dem „Bräutchen" hing der Himrnsi
voller Geigen, denn das Paar machte fast all-
abendlich Vergnügungsreisen durch die Stadt. So
auch am Sonnabend. Das Paar ging in de"
Zirkus Renz, speiste nach der Vorstellung in einens
Restaurant und suchte, den „angebrochenen Abend
würdig zu beschließen, das genannte Caso aus
Anna M. mußte nun wohl erfahren haben, daß
K. bereits glücklicher Ehegatte sei. Nachdem st§
den Abend über kein Wort hierüber gegen K. ge-
äußert hatte, legte sie ihm im Cafe plötzlich dis
Frage vor, ob das, was sie über ihn gehört, aR
Wahrheit beruhe. Als K. eine bejahende AntnE
ertheilte, zog die M. Plötzlich einen Revolver au»
der Tasche und feuerte einen Schuß auf K-,
Dieser schlug jedoch noch rechtzeitig den Lauf der
Waffe nach oben, so daß die Kugel ihr Ziel vel'
fehlte. Ehe es nun Jemand verhindern konnte,
richtete die M. den Revolver gegen sich selbst,
traf aber statt die Herzgegend nur den linke"
Arm- Ein zweiter Schuß verletzte die M-
leicht am Kopfe. Man entwand ihr jetzt dst
Waffe, und die hinzugerufene Polizei ließ die in-
zwischen ohnmächtig gewordene Rächerin ihrer
mittelst Krankenwagens nach der Charitee schaffen-
— Väterliche Nachsicht. Ein schweizer Blast
erzählt: In Amrisweil wurden letzten Herbst einige
fein gekleidete St. Galier Fräulein von Bade"
mit Aepfeln beworfen. Entrüstet beschwerten st
sich beim Vater der muthwilligen Schlingel.
het nünt z'säged," lautete die Antwort, „mer baN
jo hür gottlob Obs gnueg."

Lokale MiLLHeikrngen
aus Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 8. Märj-
O Bom Rathhause. In den Stadtrathssihung^
vom 26. Februar und 5. März wurden u. a. Mistst,;
Gegenstände zur Kenntniß bezw. Erledigung gebra^j
1 Die Jahresberichte des Fräbelvereines und
beiterLildungsvereines für l893 werden dankend s.
gegengerwmmen. 2. Die Stelle des städtischen Gatt
aufsehet s wird dem Fremdenführer Karl Dinkew
und jene eines Stadtkassegehilfen dem Valencia P(N,
übertragen. 3. Im Benehmen mit der Handelskamm '
dem gemeinnützigen Vereine und dem Gewerbe- st
Jndustrievere.ne wurden Schritte gethan, um (
Aenderung des Fahrplanes für den nächsten Sonnst
dienst der badischen Dahn in der Richtung herbsiz.
führen, daß der Schnellzug 14 wie bisher über Hem ,
berg geführt wird. 4. Die Lieferung des Bedarfs ?,
städtischen Kanzleien an Impressen wird den Geo-
Huber bezw. der Firma Jul. Wettstein Nachfolger i'j
Knoblauch), an Papier dem C. A. Voit und qn Alte,
Couverts dem H. Reiske um ihre Submissionsangevo
übertragen. 5. Nach der Zusammenstellung der Stao
lasse haben die Verbrauchssteuern im Januar 12123 Pc-
41 Pfg. ertragen. 6. Das Ergebnis; der Holzverstecge
rungen vom 26. v. M. mit einem Erlös von 6321 M
50 Pfg. und vom 1. d. M. mit einem solchen vo
6043 Mk. 85 Pfg. wird genehmigt. 7. Das Bau
Vorhaben des Gärtners A. Fißler am Steigerweg un
jenes des Ruderklubs auf dem Neuenheimer Neckar
vorland wird nicht beanstandet. 8. Die an hie Gf
Regierung und an beide Ständekammern gerichtete Per
tion des Komitees für die Herstellung einer Bahstves
bindung von Eppingeu nach Steinsfurth wurde Setter

samen Werk, in dem Vorgenuß, andere zu e:
freuen. Ihre eifrigen Hände begegneten sich dab
ein paar Mal, und in süßem Schreck hatte es si
wie ein elektrischer Strom dann wohl durchzittev
Da durchbricht der Glockenton schrill die glück
liche Stimmung. Ihm wird der Brief überreich
und seiner Beherrschungskraft nicht trauend, fliff
er damit in die Einsamkeit seines Zimmers.
Nun klopft es auch da leise an, und auf sff
Herein steckt Margot das Köpfchen zwischen d,
Spalt. Sie ist festlich weiß gekleidet, mit flatternff
Schärpe und zierlichen Schuhen.
„Ob Du fertig bist, Onkel, wenn Mama ff
Bescheerung klingelt?" fragte das Kind mit (
wartungsvoll glänzenden Augen und „Pap, Pap'
krähte Archie mitten hinein.
Archibald watschelte an der Hand seiner mütterlj!
wachenden, kleinen Hüterin glückselig bis dicht j
Herbert hin und streckte ihm die dicken nackt!
Grübchenarme zu.
Margot blickte triumphirend in die Höhe. „D
hab' ich ihn gelehrt, Onkel, das ist meine Wes
nachtsübcrraschung", sagte sie mit wichtiger Selb
zufriedenheit.
Mit einem unartikulierten Laut riß Herb'
das Kind empor und drückte es an sich, und '
von Margot wie von einem wachsamen HündH
umhüpft, trat er auch in den Speisesaal ein,
Adas dreimaliges Schellen sie herbeirief.
Sein Blick war trübe, sein Herz schwer, da,
sich nun zur Theilnahme an den allgemeinen ,
scheerungsfreuden zwingen mußte und das ja^
zende Kind auf seinen Armen zurückhalten, de
 
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