Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 101 - Nr. 110 (1. Mai - 12. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44554#0443

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nummer LL» zahrgaug.

Aeuev

Mittwoch, 9. Mai 1894.

General-GAnMer

..... ... »—, r
AbomiementSpreis r
mit 8seittgem illußr-irtem SovntagsLlatt: monatlich
4V Pfennig frei in'S Hau«, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.

Erveditiorr: Lxarrrttttr'-.rlr«' Mr. L».

für Heidelberg rrnd Umgegend
(Mürger-Zeitung).

IttsertiouSprciör
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
< ----
S-epeditiorr: ^«uptstraße Mr. 23.

GeLeseirstes BLtttt irr Strrdr rr. ArmL Heideldevs und LLursegiend. Gvötztev Gvfslg füv JnsevuLe.

MM- Telephoir-Anschlrrtz Nr. 1«2. "°WU
Fs^twähvend

werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Zur Silöerfrage


ist die wichtige Meldung aus Washington gekom-
men, daß Präsident Cleveland ein internationales
Einvernehmen derzeit für unmöglich hält und deß-
halb die Initiative nicht ergreifen will; bei dm
früheren gescheiterten Versuchen, so auch bei der
letzten internationalen Konferenz in Brüssel, waren
gerade die ja auch am meisten interessirten ameri-
kdnischen Unionsstaaten das treibende Element. In
Deutschland ruht bekanntlich die Silberfrage derzeit
in den Händen einer Reichskommission, deren
Dauer und Ergebniß noch nicht abzusehen ist.
Indessen ist regierungsseitig wiederholt erklärt
worden, daß man an der deutschen Goldwährung
keinesfalls rütteln lassen werde. Noch weniger
wird in England die Regierung einen solchen
Versuch zulassen. Unter diesen Umständen ist dem
gegenwärtig in London tagenden privaten Silber-
kongreß wenig Bedeutung beizulegen. Ein Lon-
doner Korrespondent schreibt darüber: Die Doppel-
wädrungsmänner sind in großen Schaaren zu der
Konferenz zusammengeströmt, die kürzlich im Man-
sionhouse eröffnet wurde. Neben vielen hervor-
ragenden englischen Bimetall'sten waren Vor-
kämpfer dieser Sache auö Oesterreich, Ungarn,
Belgien, Holland, Frankreich, Südaustralien und
Deutschland (Graf Mirbach und Dr. Otto Arendt)
erschienen. Die Versammlung hörte eine Reihe
sehr gelehrter und sehr zuversichtlicher Reden, in
denen Doppelwährung als die Panacee für alle
sozialen Uedel in bekannter Weise angepriesen
wurde, die aber leider über gewisse Schwierigkeiten,
die ihrer Einsührung entgegcnsteben, mit großer
Nonchalance weggingcn. So wurde uns wohl
versichert, daß nach dem „allgemeinen Konsensus
wissenschaftlicher ökonomischer Ansicht" ein Ueber-
einkommen zwischen den leitenden Handelsvölkern
ausreichte, um ein festes Verhällniß zwischen Gold
und Silber Herdeizuführen, über die ungemein
wichtige praktische Frage aber, welches denn nun
dieses Verhällniß sein sollte, wagte auch nicht einer
der Redner eine Ansicht zu äußern. Solche und
ähnllche Fragen, an denen sich die praktische Durch-
fübrbarkeit deö ErpeeimentS am besten prüfen läßt,
werden von den Bimetaüisten als Delailfragen be-
handelt, die gegenüber der theoretischen Feststellung

der abstrakten Möglichkeit eines festen Werthver-
hältnisses zwischen den zwei Edelmetallen weniger
in Betracht kommen. Am interessantesten war
vielleicht die Rede Balfour's. Balfour hatte
übrigens ausdrücklich zu erklären, daß er nur in
seinem Namen, und nicht in dem der Partei
deren Führer er ist, spreche. Balfour betonte, daß
sich in der öffentlichen Meinung während der letzten
Jahre eine große Umwälzung zu Gunsten der
Doppelwährung vollzogen habe und es sei zu
hoffen, daß auch die City, ohne deren Einwilli-
gung keine Regierung in dieser Beziehung etwas
thun könne, sich bald bekehre, ein Anzeichen sehe
er in der Anwesenheit und Zustimmung Mr. Lid-
derdale's, des früheren Gouverneurs der Bank von
England.
Deutsches Reich.
Berlin, 8. Mai.
— Die Publikation des mit dem 1. d. M. in
Kraft getretenen neuen Börsen st euergesetzes
sollte, wie die „Kreuzztg." monirt hatte, zum
Schaden des Verkehrs übermäßig verzögert und
dadurch mit Grund die lebhafte Mißstimmung der
betheiligten Kreise erregt worden sein. Von offi-
ziöser Seite wird dieser Vorwurf in folgender
Weise zu entkräften versucht: Die Publikation ist
acht Tage nach dem Abschluß der dritten Lesung
im „Reichsgesetzblatt" bewirkt, und wer weiß,
welche Stadien ein vom Reichstage beschlossener
Gesetzentwurf noch zu durchlaufen hat, ehe seine
Veröffentlichung erfolgen kann, wird die letztere zu
keinen, früheren Zeitpunkte erwartet haben. Die
„Kreuzztg." sucht den Grund der Mißstimmung
der betheiligten Kreise an unrichtiger Stelle. Die-
selbe hat sich thatsächlich nicht gegen die späte
Publikation des den Interessenten allgemein be-
kannten Gesetzestcxtes, sondern gegen die kurze,
bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gelassene Frist
geeichter. Es muß aber verwundern, Betrachtungen
über Schädigungen des Verkehrs und Mißstim-
mung der Börse, welche hierdurch hervorgerufen
wurden, gerade in einem konservativen Blatte zu
begegnen, da es wesentlich dem Eintreten der beiden
konservativen Parteien zuzuschreiben ist, daß der 1.
Mai als EinsührungStermin gewählt wurde. Die
Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz, an deren
baldigem Bekanntwerden die Betheiligten ein
größeres Interesse hatten, als an der formellen
Verkündigung des Gesetzes im „Reichsgefetzblatt",
sind, obwohl die rechtzeitige Fertigstellung bei ihrem
Umfange und ihrer Bedeutung mit nicht geringen
Schwierigkeiten verknüpft war, unmittelbar nach der
Beratbung in den Bundesrathsausschüssen am 25.
v. M., also bereits sechs Tage nach der dritten
Lesung des Gesetzes im „Reichsanzeiger" veröffent-

licht. Daß die Reichsverwaltung in der Ange-
legenheit irgend etwas versäumt habe, wird hiernach
nicht behauptet werden können.
— Offiziös wird geschrieben: Da neuerdings
wieder die Frage erörtert worden ist, ob es er-
wünscht sein könnte, eine Aenderung des Zucker
st euergesetzes vom Jahre 1831 eintreten zu
lassen, so ist es angezeigt, wiederholt darauf hin-
zuweifen, daß ein Rückgang in der Zuckerfabri-
kativn und im Absatz seit dem Bestehen des
neuen Gesetzes nicht hervorgetreten ist. Im letzten
Jahre vor der Giltigkeit des neuen Gesetzes
1891/92 wurden 95 Millionen Doppel-Zentner
Rüben verarbeitet, im ersten Jahre unter der
Giltigkeit des neuen Gesetzes 1892/93 dagegen 98
Mill. Doppel-Zentner, was Rohzucker-Mengen von
12 und 12,3 Mill. Doppel-Zentnern entspricht.
Der Jnlandskonsum der beiden Jahre betrug auf
den Kopf der Bevölkerung 9,5 und 9,9 Klg. Auch
von einer Einschränkung der Konkurrenzfähigkeit
im Auslande ist nach der Statistik nichts zu
hören, da der Export betragen hat 1891/92 4,37
Mill. Doppel-Zentner Rohzucker und 2,30 Mill.
Doppel-Zentner Raffinade und Konsumzucker,
1892/93 4,25 Mill. Doppel-Zentner Rohzucker
und 2,71 Mill. Doppel-Zentner Raffinade.
— Der Vorstand des Deutschen Anwaltvireins
hat beschlossen, den Anwaltstag auf den II. und
12. September 1894 nach Stuttgart zu berufen.
Gegenstände der Verhandlung und Beschlußfassung
werden sein: 1) Die Erklärung, daß der Entwurf
eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches zweiter
Lesung, soweit er bisher veröffentlicht, annehmbar
und die schleunige Fertigstellung des Gesetzeswerks
geboten sei; 2) die Frage, vb und wieweit eine
Einschränkung der freien Advokatur gerechtfertigt
sei; 3) der Antrag des Vorstandes, die Erhöhung
des Mitgliederbeitrags zur Hilfskasse für deutsche
Rechtsanwälte zu befürworten; 4) der Antrag des
Bureaubcamtenvereins zu Leipzig, dis reichsgesetzliche
Ordnung des Schreiberwesens zu empfeblen.
Karlsruhe, 8. Mai. Heute Mittag kam
Se. Königl. Hoh. der Prinz Hermann vvn Sachsen-
Weimar zum Besuch zu den Höchsten Herrschaften
und nahm das Döjeuuer mit denselben ein. Nach-
mittags fuhren Ihre Königlichen Hoheiten der
Großherzog und die Großherzogin, sowie die Groß-
herzogin von Mecklenburg-Sirelitz in das Kaiserin-
Augusta-Frauenbad, welches unter der Führung
des Geheimen Hofraths Dr. Heiligenthal be-
sichtigt wurde. Am Abend erschien der Prinz
Hermann von Sachsen-Weimar zur Hoftafel, zu
welcher verschiedene Einladungen ergangen waren.
Mittwoch Früh 7 Nhr, reisen die Großh. Herr-
schaften nach Neuwied und Segenhaus zum Be-
fuch Ihrer Maj. der Königin von Schweden und

Norwegen, welche bei Ihrer Schwester, Ihrer Hoh
der Fürsten Mutter zu Wied, weilt. Ihre Kgl.
Hoh, welche von der Hofdame Freiin von Schönau
und dem Hofmarschall Grafen von Andlaw be-
gleitet sind, beabsichtigen Donnerstag und Freitag
in Segenhaus zuzubringen und Samstag den 12.
Mai nach Schloß Baden zurückzukehren.
München, 7. Mai. Der Finanzaus-
schuß genehmigte die Einrichtung und den Be-
trieb der Kettenschifffahrt auf dem Main durch den
Staat, ferner 4 Millionen für die Mainkanali-
sirung von Aschaffenburg bis Kitzingen. Minister
v. Feilitzsch erklärte, daß die Bauten in vier Jahren
vollendet fein werden. Minister Crailsheim er-
klärte, wenn sich die staatliche Kettenschifffahrt ren-
tabel erweise, werde sie später bis Bamberg fortge-
setzt werden.
Ausland.
Wien, 7. Mai. Der Preßausschuß des Ab-
geordnetenhauses stellte im Sinne der Regierungs-
vorschläge die Preßnovelle fest, die Bestim-
mungen enthalt über die Verkaufslizenzen, den
Verkauf durch Automaten, die Aufhebung der
Kautionen, Sicherstellung der Geldstrafen und die
obligatorische Verpflichtung der Staatsanwaltschaften
zur Bekanntgabe der beanstandeten Stellen. Gegen
letztere Bestimmung erhob der Justizminister entschie-
denen Widerspruch. — Der volkswirthschaftliche Aus-
schuß genehmigte den Handelsvertrag mit Spanien.
Budapest, 7. Mai. Im Magnatenhaus ist
die Stimmung der Liberalen schlecht; die Kleri-
kalen rechnen auf 30 Stimmen Majorität gegen
die Ehegesetzvorlage, ihr Auftreten ist sieges-
gewiß. Als schlunmes Symptom wird die schroffe
Rede des Iustiz m inisters angesehen, die Jn-
formirte dahin deuten, daß das Kabinet nichts
mehr zu verlieren habe.
Klauseudurg, 7. Mai. In dem sogenannten
Memorandum-Prozeß beanstanden einzelne
Vertheidiger die Transferirung des Schwurgerichts
nach Klausenburg und beschuldigen die Geschworenen
der Voreingenommenbeit, was der Vorsitzende zurück-
weist. "Der Gerichtshof beschließt, daß olle Ver-
theidiger ungarisch zu sprechen haben, worauf ein
Vertheidiger sein Amt nicderlegt. Alle klebrigen
melden die Nichtigkeitsbeschwerde an. Aui die An-
griffe zweier Angeklagten auf die Verwendung von
Dolmetschen und gegen die Geschworenen erklärte
der Präsident, cs gebe hier keine Ungarn und
Nichlungarn, nur Geschworene. Nach Konstituirung
der Jury wünscht der Vertheidiger Frank, die Ge-
schworenen zu befragen, ob sie interefsirt seien oder
nicht. Ein daraufhin gefaßter Gerichtsbeschluß
untersagt dies, weil die Angeklagten von dem Rechte,
Geschworene abzulehnen, keinen Gebrauch machten.
Die Jury wurde dann beeidigt.

Tas Gespenst der Marquise.
Roman von Hermine Frankenstein.
35) (Fortsetzung.)
Tempest schaute nach der angedeuteten Richtung.
Er erblickte in einer Fensternische, von einem
Zirkel von Herren umgeben, eine wunderbar schöne
Frau — so schön, daß man ihr Gesicht, einmal
gesehen, nie wieder vergessen konnte.
Sie war von großer Gestalt und königlicher
Haltung ihre Züge waren von klassischer, tadel-
loser Reinheit, um die vollen, rothcn Lippen
spielte ein seltsam gewinnendes Lächeln. Sie war
eine Helle Blondine und ihr Teint von durch-
sichtiger Klarheit; ihr üppiges Haar schimmerte
wie Gold, ohne jedoch die geringste röthliche
Schattierung zu zeigen. Dasselbe war nach der
neuesten Mode geordnet; aber seine phantastische
Unordnung konnte die schöne Frau des edlen
Kopfes, der auf einem Prächtigen, schlanken Nacken
faß, nicht verbergen.
„Sie ist sehr schön/' sagte Tempest langsam,
„ich kann begreifen, daß ein Manu sich in sie
verliebt; aber Sie sagten, daß sie eine Kokette
sei! Sollte das nicht ein Jrrthum sein? Sehen
Sie nur diesen Blick, mit dein sie das Treiben
um sich her betrachtet. Mir will es scheinen, als
sei sie über alle sie umgebenden Koketterien er-
haben !"
„Diese Ansicht beweist mir, daß Sie bereits
halb in ihrem Netze verstrickt sind," sagte die
Baronin lächelnd. „Glücklicherweise sind Sie durch
einerlei Bande an eine Andere gebunden. Be-

denken Sie nur, wenn Sie sich in Lady Diana
verlieben würden und der Gatte einer Anderen
wären! So etwas bliebe in London nicht unbe-
kannt. Sie zucken zusammen, Herr Tempest. Jst's
etwa gar möglich, daß irgendwo im Hintergründe
eine Frau Tempest steckt?"
„Nein, das ist nicht der Fall," sagte der
Naturforscher ruhig. „Alle Bande, die mich einst
gefesselt hielten, sind zerrissen; aber ich bin keine
Motte, die um die Flamme von Lady Diana's
Schönheit flattert. Ich gestehe aufrichtig, daß sie
vielleicht die schönste Frau ist, die ich je gesehen
habe; aber sie besitzt die Schönheit einer Marmor-
statute, und nicht die eines zärtlichen Wesens.
Wird sie von- den Männern für herzlos erklärt?"
„Ja, und dennoch schwärmen Sie für sie und
ihre Schönheit. Ihr treuester Bewerber ist Lord
Tentamour, den sie nächstens heirathen wird, wie
ich hörte."
Tempest's Blicke schweiften durch den Salon
und blieben dann wieder an der Gruppe haften,
deren glänzende Sonne Lady Diana war.
„Welcher von den Herren ist der begünstigte
Bewerber, Frau Baronin?" fragte er in gleich-
giltigem Tone. „Welcher ist Lord Tentamour?"
„Haben Sie ihn nicht bemerkt ? Es ist der
Herr mit dem Bouquet. Er hat lange um die
L idy geworben, ehe er sie gewinnen konnte."
Tempest betrachtete den begünstigten Freier
Lady Diana's mit sichtlichem Interesse.
Lord Tentamour war ein schöner, reicher,
seingebildeter Mann von sehr hoher Herkunft.
Er hatte äußerst elegante Manieren und war in
der Gesellschaft ungemein beliebt.

„Wer ist Lady Diana Northwick eigentlich?"
fragte Tempest.
„Cie ist die Tochter eines Grafen und die
Wittwe Herrn Basil Northwicks, eines ungemein
reichen Baronets, der gefällig genug war, früh zu
sterben und ihr sein ganzes Geld zu hinterlassen."
„Sie muß noch sehr jung sein," meinte Tempest.
„Sie ist kaum dreißig Jahre alt," entgegnete
die Baronin. „Aber sagten Sie nicht, daß Sie
kein Interesse für Frauen haben? Sie sehen, wie
lange wir von dieser Einzigen gesprochen haben.
Nachdem ich nun Ihre Neugierde in Bezug auf
sie erregt habe, erlauben Sie mir, Sie ihr vor-
zustellen."
Sie gingen auf die schöne Dame zu, welche
den Helden des Abends mit strahlendem Lächeln
begrüßte. Lady Forteskue stellte den großen Ge-
lehrten vor und entfernte sich dann. In einiger
Entfernung blieb sie stehen, um mit Jemanden
zu sprechen, und ihre Blicke schweiften zu Lady
Diana und Tempest hinüber. Die Beiden waren
in ein lebhaftes Gespräch verwickelt.
„Lady Diana wird Herrn Tempest sicherlich
auf die Liste ihrer Verehrer stellen," dachte sie
triumphierend. „Sie wird nach den Huldigungen
des berühmten Mannes streben, er wird sich in
sie verlieben — und nicht in einem Monat nach
der Tartarei zurückkehren!"
28. Kapitel.
Lady Diana.
Die ihrer Schönheit und ihres Geistes halber
gefeierte Lady Diana Northwick war eine vollendete
Kokette und Gesellschaftsdame. Das Glück hatte

sie mit seinen reichsten Gaben beschenkt. Sie be-
saß ein ungeheueres Vermögen, Güter, Villen,
ein prachtvolles Stadthaus und hatte eine Jahres-
rente, um die sie mancher Prinz hätte beneiden
können. Obgleich sie vollständig kalt und leiden-
schaftslos Zu sein schien, obwohl ihr scharfer Witz
ihre Bewunderer manches Mal verletzte, war die
Zahl dieser dennoch sehr groß.
Die Ansicht der Baronin, daß der so lange
der weiblichen Gesellschaft entwöhnte Gel.hrtc der
verführerischen Schönheit Lady Diana's zum Opfer
fallen würde, mußte ohne Zweifel sich erfüllen.
Allein so sehr sie sich zuerst über ihr gelungenes
Manöver gefreut, so mischte sich doch bald eine
unerklärliche Angst mit diesem Gefühl und be-
sorgt blickte sie auf die beiden Personen ihres
Denkens.
„Lady Diana's Bestreben, Bewunderung zu
erregen, ist die einzige Leidenschaft, dere n sie fähig
ist," dachte sie unruhig. »Sie wird es sich zum
Ziel setzen, Herrn Tempest in sich verliebt zu
machen, dann wird sie ihn bei Seite werfen, und
er, ein Fremder in der Gesellschaft, wird ihr
Interesse für Wahrheit nehmen und sich in Folge
ihrer falschen Vorspiegelungen unglücklich machen.
Ich wollte, ich hätte ihn nicht vorgestellt."
Bei genauer Beobachtung schienen sich der
Baronin Befürchtungen indeß nicht verwirk-
lichen zu wollen. Der ausgezeichnete Gelehrte
schien keineswegs bereit zu sein, ein Opfer
von Lady Diana's Reizen zu werden. Er be-
trachtete sie mit kühler Gleichgiltigkeit, welche
sie verletzte, und dennoch zeigte sein sanftes und
zartfühlendes Benehmen, daß er nicht immer
 
Annotationen