Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 11. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44554#0217

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rümmer 54. LL. Jahrgang.

Neuer

Montag, 5. März 18S4.


."......<!
Abonnementspreis r
Wit 8seitigem illustrirtem Sonnta.qsblart: monatlich
40 Pfennig frei in's Hauö, durch die Post bezogen
Vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
—--- -—> l
_ KxpeLitiorr-. K>rv.ptstratze Mr. 25.

für Heidelberg «nd Umgegend
(Mürger-DeiLung).

Jnsertisnsprcisr
die lspallige Petitzetle oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate tO Pfg», bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
j.-—---————»
Expedition: L>cruptstrnhe Mr. 25.

belesenstes Blatt i-r Stadt rr. HeZdewevD rrnd Mngiegend. G^stztsV G^sslD süv Jnsevate.

Telephon-Anschlutz Nrl 1QA. -WM
Fortwährend
^rdcn von allen Postanstalten, Landbriefträgern,
^sercn Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Ter Zwischenfall in Airolo
M dem unliebsamen Aufsehen, welches er in
Schweiz und in der deutschen Presse macht,
eranlassung zu allerlei Beobachtungen.
. , Eine auffallende Erscheinung ist, daß sich seit
uiigxx Zeit die „Affairen" auf schweizerischem
^mete immer häufiger einstellen. Die Pöbel-
klnonstrationen gegen das italienische Konsulat,
Volksauslauf zu St. Gallen, weil beim Offi-
^krzfefie keine einheimische, sondern eine württem-
^Psche Musikkapelle spielte und jetzt die mit
verzierte Einladung an zwei deutsche
Ostende, Württemberger, einen „Besuch" beim
nniiriandanten des Forts „Fondo del Bosco"
'Nachen — diese drei folgten sich ungemüthlich
mch und haben für die Nichtschweizer nicht ge-
"nde etwas Anziehendes. Es liegt uns ferne,
""ei Vorkommnissen eine größere Bedeutung bei-
Messen und aus den, allerdings etwas wohl-
eieibten Mücken gleich einen Elephanten zu
^.nchen, aber ganz unbeachtet sollte die Schweiz
Sache doch nicht lassen und zwar in ihrem
^Lensten Interesse nicht, da sich bei zu häufiger
A Erholung derartiger Dinge im Auslande die
lyncht bilden könnte, als habe die weltbekannte
. chtlichkeit der Schweiz eine gewisse Erschütte-
""8 erlitten. Ein in der Schweiz vielgelesenes
auch im Ausland nicht ganz unbekanntes
'att, die „Neue Züricher Zeitung", brachte in
jüngsten Nuniwern einen großen Ar-
über die Vorzüge der Schweizer Hotels,
"w darüber Klage geführt wird, daß durch die
WN --Gebirgs- und Bergbahnen im Vereine
^en billigen, jeder Börse zugänglichen Rund-
l stblllcts die Qualität des reisenden Publikums
"^gedrückt" worden sei.
"Statt der Wochen und Monate verweilenden
"snem Orte viel Geld verzehrenden russischen,
huschen oder amerikanischen Familien setzt nun
H Mter Schuster und Schneider im Wagen über
vnd^ Thal ' konsumirt kaum das Nöthigste
Q würde am liebsten immer im Eisenbahn-
übernachten — so ließe sich am billigsten
d? V^n traut kaum seinen Augen, wenn man
>^s"ge Aeußerungen liest, die für den minder-

UMchl.
Roman von b. Zocller-Lionheart.
(Fortsetzung.)
"Ich bleibe noch", beruhigte Pruß den kleinen
'hn Ab"'' die ritterlichen Gewohnheiten zwangen
tzr ,°ch, vor seiner Frau nicht sitzen zu bleiben,
dbd den Arm 'um das winzige Körperchen
fiand militärisch schnell auf.
Ni^'tVerzieh' das Kind nicht so unvernünftig, Du
. "s ja zum kleinen Haustyrannen", tadelte
ihr^w' und stieß mit einer unwilligen Bewegung
die Fußspitze die zinnerne Wärmflasche beiseite,
^tte " Dörte eben mit heißem Wasser gefüllt
zv / "w die Füße des kleinen Patienten daran
Wärmen.
den Weiber und Männer, die nicht viel
^"d", murmelte sie verächtlich, als Frau
schtz/ fortgeschlichm hatte. „Ein netter Ver-
ktzj^^'Ugsbund, um einen künftigen Soldaten zu
deran ' Unterstütze die alte Person nur in ihrer
Hör Verwöhnungstheorie. Was Nettes werdet
lilhx?u^dem Jungen Helausbilden, ein jämmer-
Reg. Muttersöhnchen, das von einem Tropfen
fistet-, '^wilzt, und das sich vor jedem Lufthauch
schgk n wird", sagte sie mit gesteigerter Gering-
Vfleg "'ch kümmere mich nicht mehr um seine
dps^^wmn Du meine Bestimmungen darin
bitte, darum", sagte Pruß vollkommen
ihy, "der mit einer ruhigen Festigkeit, die keiner
dfi getraut hätte. „Wenigstens so lange laß
^von, bis der Arzt bei dem Kinde
vmrungsmaßregeln geben kann. Du, ich, das

bemittelten deutschen Reisenden nur Geringschätzung
und Spott enthalten und die in einem großen,
ernsten Schweizer Blatte stehen. Ob die „Neue
Zürich. Ztg." wohl glaubt, der Schweiz hiermit
einen Dienst erwiesen zu haben? Unwillkürlich
bringt man solche nur vom Standpunkte des
Geldprotzen ausgesprochene Verächtlichmachung der
Schweizer Reisenden aus dem deutschen Mittel-
stände mit den Zwischenfällen in Verbindung,
deren wir Eingangs dieser Besprechung gedachten.
Als vor einigen Jahren sich die schweren Unglücks-
fälle im Schweizerischen Verkehrswesen in er-
schreckender Weise häuften, da wurde verschiedenen
Mißständen in richtiger Erkenntniß schnell und
energisch ein Ende gemacht und man reist heut
zu Tage in der Schweiz wieder ebenso sicher, wie
irgendwo anders. Möchte ein Gleiches auch be-
züglich der mehrerwähnten „Zwischenfälle" statt-
finden und der von Airolo der Abschluß sein!
Deutsches Reich.
Berli«, 4. März.
— Der Kaiser hat dem Reichskanzler
Grafen Caprivi für die energische Vertretung
des russischen Handelsvertrages im Reichs-
tag seine Büste als Andenken versprochen.
— Die am Schluß der gestrigen Reichstags-
sitzung gewählte Kommission für den russischen
Handelsvertrag hat bereits ihre Thätigkeit aus-
genommen und hofft, innerhalb acht Tagen die
Arbeiten abschließen zn können. Die zweite Lesung
im Plenum wird jedenfalls durch mündliche Be-
richterstattung erledigt. Die dritte Lesung wird
sofort hinterher erfolgen, so daß am 15. März
die Berathungen über den russischen Handelsver-
trag abgeschlossen sein werden.
— Dem Reichstagsabgcordnetcn Konsul
Weber-Heidelberg ist eine von 14 bayerischen,
württembergischen und badischen Seidenspinnereien
unterzeichnete Eingabe zugegangen, worin dieselben
im Interesse ihrer Seiden- und der Bad. Uhren-
Jndustrie um Ablehnung des russischen
Handelsvertrages behufs Anbahnung bes-
serer Bedingungen ersuchen.
— In dem seit Jahren schwebenden Prozeß
gegen den bekannten Antisemiten Paasch und
Genossen wegen Beleidigung des früheren Ge-
sandten in China v. Brandt und mehrerer
Mitglieder des Auswärtigen Amtes ist nun das Ur-
theil gefällt worden. Der Hauptangeklagte Paasch
ist als Irrsinnig der Anklage entrückt. Von den
Mitangeklagten, die an der Verbreitung der be-
leidigenden Schriften theilgenommen, wurde nur
einer, der Buchhändler Minde für schuldig er-
kannt und zu 2 Monaten Gefüngniß und 100
Mk. Geldstrafe verurtheilt. Der Gerichtshof

Personal", schloß er mit gleicher Bestimmtheit,
„werden uns den ärztlichen Anordnungen ganz und
gar fügen! Du wirst die Güte haben, Dich danach
zu richten."
„Und Du wohl endlich die Rücksicht, mich
nicht länger warten zu lassen!" brauste die sonst
so Selbstbeherrschte zornig auf.
Ihn brachte das nicht aus der Fassung. Mit
kühlem Gleichmuth entgegnete er artig:
„Ich ließ Dich bitten vorauszufahren."
„Das Souper ist um neun Uhr angesagt.
Eine Rücksichtslosigkeit gegen die Wirthe!" rief
sie heftig.
„Sie mögen ohne mich zu Tische gehen. Ein
Vater, der sich um sein Kind beunruhigt und den
Arzt erwarten will, wird wohl überall Entschuldigung
finden."
„Ich kann unmöglich ohne Dich erscheinen
— was würden die Leute sagen?" stieß sie auf-
gebracht heraus.
Er zuckte die Achsel. „Dann v irst Du Dich
gedulden müssen", sprach er unerschütterlich ruhig.
Knirschend biß sie die weißen Zähne zusammen,
raffte die Robe auf und rauschte, den Kopf er-
hoben, ohne einen Blick nach rückwärts hinaus.
Pruß athmete auf. Es war ihm diese Festig
keit nicht so leicht geworden, wie es äußerlich schien.
Hätte das Kind sich nicht gar so ängstlich an ibn
geschmiegt, die beredt bittenden Kindesaugen nicht
gar so rührend um Schutz gefleht, wer weiß, ob er
standgehalten hätte.
Jetzt triumphierten die beiden, die sich wie
gute Kameraden mit leuchtenden Blicken ansahen,

hatte angenommen, daß Minde vor Herausgabe
der beiden Broschüren „Offener Brief" und „Auf
deutsche Wähler, zum Kampf!" von dem Inhalte
derselben Kenntniß gehabt hatte und daher auch
den beleidigen Charakter kannte. Von den An-
deren wurde das nicht angenommen.
— Die von den preußischen Behörden in An-
griff genommene Statistik über die finan-
zielle Lage der Landwirthschaft erstreckt sich
dem Vernehmen nach nicht allein aus die Ver-
schuldung der Landwirthe, sondern auch auf deren
Einnahmen und fortlaufende Lasten. Diese Er-
hebungen stehen im Zusammenhang mit der ge-
planten Ausarbeitung eines Agrarrechts, zu welchem
der erste Schritt mit der dem preußischen Land-
tage vorgeschlagenen Errichtung von Landwirth-
schaftskammern geschehen soll. Erst wenn diese
Organisation hergestellt sein wird, kann an eine
Ausbildung des Agrarrechts herangetreten werden.
Was man unter einem Agrarrecht zu verstehen
hat, darüber gehen die Meinungen bekanntlich
noch weit auseinander. Im Allgemeinen be-
trachtet man die Regelung der landwirthschaft-
lichen Kreditverhältnisse, des Real- wie des Per-
sonal-Kredits, als eine der wesentlichsten Aufgaben
des Agrarrechts.
— In dem jetzt dem Bundesratö zur Bera-
thung vorliegenden Gesetzentwurf über die Ein-
führung der Berufung gegen die Urtheile der
Strafkammern wird, wie wir vernehmen,
durchaus an dem Prinzip festgehalten, daß über
die Berufung direkt bei den Oberlandesgerichten
und nicht etwa, wie von verschiedenen Seiten noch
immer behauptet wird, durch Berusungökammern,
die bei den Landgerichten zu bilden wären, ent-
schieden werden soll. Nur in ganz besonders
großen Bezirken würde eventl. außerhalb des
Sitzes des Oberlandesgerichts noch ein aus Mit-
gliedern des letzteren bestehender detachirter Senat
in Funktion treten, dessen Verwaltung aber auch
am Sitze des Oberlandesgerichts geführt werden
würde. Selbst für den der Zahl der Gerichts-
Eingesessenen nach größten Oberlandesgerichtsbe-
zirk nämlich den des Kammcrgerichts, welcher neben
der Stadt Berlin auch noch die ganze Provinz
Brandenburg umfaßt, würde z. B- auch nur ein
solcher detachirter Senat, der in Frankfurt a. O.
zu tagen hätte, errichtet werden.
— Ueber die Bekämpfung des Sklaven-
handels in Deutsch-Ostafrika schreibt das
„D. Clnbl." : Im Laufe des letzten Jahres ist die
Brüsseler Akte zur vollen Durchführung gelangt.
Es ist eine Verordnung über die Kontrole der
Dhauschifffahrt erlassen worden, die mit voller
Strenge gehandhabt wird. Es ist unverkennbar,
daß dem Sklavenhandel dadurch die Art an die

und auch die alte Kinderfrau steckte das faltige
Gesicht zur Thür herein.
Pruß ging dann mit dem Kinde in sein Schlaf-
kabine!. Er behielt es auf den Knieen und nestelte
mit geschickten Händen das weiße Tuchkleidchen
auf, während Frau Dörte, auf dem Boden liegend,
den Kleinen völlig entkleidete.
Dann lachten Vater und Kind seelenvergnügt
auf, als Pruß mit kühner Armschwenkvng den
kleinen Mann auf sein weißes Bett fallen ließ.
Endlich kam der Oberstabsarzt, gerade in dem
Augenblick, als Frau Viktoria der letzte Rest von
von Geduld zu verlassen drohte. Sie bemühte sich
in seiner Begleitung nochmals in das Kinder-
zimmer, um der Sache nun schnell ein Ende zu
machen.
„Nicht wahr, Herr Oberstabsarzt, das ist nichts
weiter als Ueberängstlichkeit? Dem Kinde fehlt gar
nichts. Die alte Kinderfrau steckt meinen Mann
mit ihrer Besorgniß an."
Der Oberstabsarzt hob den Kopf eben von der
magern, kleinen Brust des Kindes und hielt das
Stethoskop, mit dem er eingehend auskultiert hatte,
nachdenklich zwischen den drei Fingerspitzen.
„Ich finde bis jetzt nichts, was Anlaß zu
ernsterer Besorgniß geben könnte, Frau Baronin,
aber das arme Kind hier ist ein so zartes Pflänzlein,
daß es bei diesem häßlichen Keuchhusten immerhin
der schonendsten Behandlung bedarf."
„Ja, ich weiß ja, mein Herr Doktor", sagte
die Baronin mit unverhüllter Geringschätzung, „daß
unsere Erziehungsprinzipien bei kleinen Kindern
immer auseinander gingen. Sie gehören der alten,
verweichlichenden Schule an, die in Watte und

Wurzel gelegt worden ist. Die Folgen sind nament-
lich in Sansibar, das ja in Bezug auf frische
Zufuhr an Menschenwaare auf unser Schutzgebiet
angewiesen ist, bemerkbar geworden, da die daselbst
ansässigen, mit Sklaven wirthschaftenden arabischen
Besitzer von Nelkenplantagen immer mehr unter
dem Mangel an Arbeitskräften zu leiden haben.
Selbstverständlich ist der Sklavenhandel nicht voll-
ständig lahmgelegt, wie aus mehreren Fällen, wo
die Verbrecher gefaßt und mit dem Tode bestraft
wurden, ersichtlich ist. Denn das Gebiet ist un-
geheuer groß, die Ueberwachung verhältnißmäßig
gering und die lang gestreckte Küste bietet unzählige
Schlupfwinkel. Es ist aber zu hoffen, daß die
erwarteten Zollkreuzer, die auch der Bekämpfung
des Sklavenhandels dienen sollen, diesem den Todes-
stoß versetzen werden.
— Ueber unsere neuen Panzerschiffe der Bran-
benburg-Klasse, ihre Gesammtkonstruktion, Art der
Panzerung, Geschützeordnung und Maschinen-
leistung soll sich der gegenwärtig in Berlin weilende
Sir Edward Reed, früherer Chefkonstrukteur der
englischen Marine, jetziger parlamentarischer Kri-
tiker der englischen Schiffskonstruktionen, sehr aner-
kennend geäußert haben. Die „Köln. Ztg."
knüpft hieran folgende Bemerkungen: Die bisher
bekannt gewordenen Leistungen dieser Schiffsklasse
haben, wie schon früher herocrgehoben, nicht nur
allen Erwartungen entsprochen, sondern sie erheblich
übertroffen. Das auf S. M. S. Brandenburg
eingetretene Unglück kann an dem günstigen Ur-
theil nichts ändern, da es sich um ein Vorkommniß
handelt, das nicht wieder eintreten kann, nachdem
die Ursachen erkannt sind. Das Personal der
Marine hat volles Vertrauen in die Maschinen
der genannten Schiffe. Wie wenig es durch das
Unglück auf der Brandenburg erschüttert worden
ist, beweist die letzte Probefahrt mit „Wörth", die
nach dem Unglück stattgefunden hat. Auf dieser
Probefahrt ist die höchste Maschincnleistung von
10 300 Pferdekräften und eine Schiffsgeschwindig-
keit von 17,3 Seemeilen in der Stunde erreicht
worden. Das Maschinenpersonal hat dabei seinen
Dienst kaltblütig und sicher wie immer versehen.
Ausland.
Wien, 3. März. In den Straßen Prags
wurden neuerdings wieder Anschläge mit auf-
rührerischen Inschriften verstreut gefunden, zwei
Mittelschüler wurden verhaftet, andere in Unter-
suchung gezogen, auch in den Mittelschulen anderer
tschechischen Städte sollen sich omladinistische Umtriebe
ausbreiten. — Das „Vaterland" meldet aus Rom,
zum General der Redemptoristen sei der bisherige
Generalvicar U. Nauß, ein Luremburger, gewählt
worden.
Budapest, 3. März. Ein Haufen Studenten
Federn alles Heil sieht, ich will eine naturgemäße,
freie Entwicklung des zukünftigen Menschen, der
nicht früh genug an Abhärtungen und Ent-
behrungen aller Art gewöhnt werden kann."
„Gnädige Frau sind leider einige Jahrhunderte
zu spät auf die Welt gekommen", entgegnete der
würdige alte Herr nut einer geschmeidigen Höflich-
keit, die kaum die beißende Ironie durchschimmern
ließ. „Als spartanische Mutter wären Frau Baronin
am richtigen Platz gewesen, wo man die Geschöpfe,
welche die spartanische Behandlung nicht vertragen
konnten, einfach bei Seite schaffte. Unsere Generation
— ich mache der Frau Baronin mein Kompliment,
daß es rühmliche Ausnahmen giebt, — ist leider
eine von so geringer Widerstandskraft, daß wir
solche Abhärtungserperimente nicht ohne große Ge-
fahr unternehmen dürfen; hier, besonders in diesem
Augenblick" — er erhob seine Stimme warnend
und wandte sich dabei an Pruß, der von den
mancherlei Aufregungen des Tages angegriffen, sich
fitzk schwer auf eine Stuhllehne aufstemmen mußte
„ist die äußerste Vorsicht geboten. Die Athmungs-
organe sind von der Geburt an nicht stark gewesen."
Er fing den bitterbösen Blick auf, diesen feind-
seligen Blick des Vorwurfs, der Mißachtung, den
die in stolzer Kraft prangende Frau dem zusammen-
fallenden Offizier zuwarf. Er kannte den geheimen
wunden Fleck in dieser Ehe.
In leidenschaftlicher Empörung hatte sie bei
der Geburt ihres letzten, schwächlichen, nicht lebens-
fähigen Kindes den bitteren Vorwurf gegen den
Gatten sich von den Lippen fahren lassen, und
er, der Hausarzt, war Zeuge des Auftritts am
Wochenbett gewesen.
 
Annotationen