Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 61 - Nr. 70 (13. März - 24. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44554#0277

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nummer 88.

H Jahrgang.

Aerrsv

Mittwoch. 21. Mär; 1891.


Erlesenstes Blatt in Stadt «. Arnt Heidelberg «nd Ilrngegcnd. Gröszter Lrsslg für Inserate.

Abonnement-Preis r
Wit Zeitigem illustrirtem Sonntagsblatt: monatlich
^0 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition -. L^nuptstraße Mr. 26.

für Heidelberg «nd Umgegend
(Mürger-ZeiLung).

Jnsertionöpreiör
die Ispaltigr Pelitzetle oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate IN Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
< l.—- - ——
Expedition: Hauptstraße Mr. 26.

Regierungen ständen aber auf dem Standpunkt,
daß die Durchführung der von ihnen geplanten
Finanzreformen dringendes Bedürfniß sei und die
finanzielle Auseinandersetzung des Reichs und der
Einzelstaaten ohne Schädigung der Interessen der
Neichsfinanzverwaltung und der Einzelsiaaten sich
nicht aufschieben ließe.
— Die erste deutsche Handelskammer
i m^Au Stande hat sich in Brüssel konstituirt.
Die öffentlichen Blätter haben diese Thatsache in
den letzten Tagen registrirt und sie ist überall mit
Befriedigung ausgenommen worden. Was ihr be-
sondere Tragweite verleiht, ist die prinzipielle Be-
deutung, die das muthige Vorgehen der deutschen
Kolonie in Brüssel beansprucht. Der Gedanke
einer Organisation der deutschen Handelsinteresscn
im Auslande ist nicht neu; unter den ersten Vor-
kämpfern für diesen Gedanken hat die Handels-
kammer Mr den Kreis Mannheim ge-
standen; in einer ausführlichen, von einer großen
Zahl hervorragender deutscher Handelskammern ge-
billigten und unterstützten Denkschrift vom 18.
Oktober 1888 hat sie die Nolhwendigkeit einer
strafferen Organisation in dieser Richtung dem
Reichsamt des Innern vorgctragen. Der beste
Beweis dafür, daß die Nothwendigkeit einer besseren
Organisation und Vertretung der deutschen Handels-
interessen im Auslande besteht und auch daheim
anerkannt wird, dürfte durch die erfreuliche That-
sache geliefert sein, daß allein in Mannheim auf
eine nur wenige Tage im Umlauf befindliche Ein-
ladung hin, die außer an die Mitglieder der
Kammer an die am ausländischen Geschäft bethei-
ligten Firmen des Bezirkes gerichtet war, über 60
Firmen, resp. Kaufleute und Industrielle sich als
korrespondirende Mitglieder der deutschen Handels-
kammer in Brüssel eingezeichnet haben. — Das
tapfere Beispiel unserer Landsleute in Brüssel aber
ist voller Anerkennung werth und verdient es, an
recht vielen Plätzen des Auslandes, wo deutsche
Interessen vertreten sind, nachgeahmt zu werden,
zur Hebung und Befestigung unserer immer zahl-
reicher und vom volkswirthschaftlichen Standpunkte
betrachtet immer wichtiger werdenden Handelsbe-
ziehungen im Auslande.
— Soweit man aus der Haltung der Börsen-
presse entnehmen kann, scheint man in diesen
Kreisen mit den Ergebnissen der Kommisstonsbe-
rathung über die Börsensteuer im Allgemeinen
ganz zufrieden zu sein. Man hatte dort offenbar
schlimmere Beschlüsse befürchtet, als thatsächlich ge-
faßt worden sind. Insbesondere scheint man dort
mit Genugthuung zu begrüßen, daß die im Re-
gierungsentwurf vorgesehene Verschärfung der Kontrol-
vorschriften von der Kommission verworfen worden
ist. Gegenüber dieser Erleichterung, die damit der

Telephon-Anschluß Nr. 102. "HW
Abonnements

4 am Postschalter
abgeholt.

für dos H. Quartal 1894
auf den
- Nerreir
Tenernl - Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
8seitig. illnstr. Sonntagsblatt
t^nen alle Postanstaltcn, Landbrief-
^gee und unsere Agenten entgegen.
bvnnements- am Postschalter
(».Preis nur 4 abgeholt.
Briefträger ins Haus gebracht 40 Pfg. mehr.)
-Für Heidelberg und nähere Umgebung
s. °rn von unseren Trägern und Trägerinnen Be-
dungen zum Preise von
Pfg. monatlich,
' 'Us Haus, entgegengenommen.
h.^eu binzutretende Abonnenten cr-
». rn das Blatt bis Ende dieses Monats gratis.
Nkrlag des „Nrurn Gkneral-Amrigers"
Hauptstraße 25.

Deutsches Reich.
Berlin, 20. März.
s„, Die hiesigen „Neuesten Nachrichten" cr-
»v, i" Hofkreisen, daß sich der Zar bei der
0. April in Koburg stattfindenden Vermäh-
seiner Nichte, der Prinzessin Viktoria Melita
d ' Sachsen-Koburg-Gotba, mit dem Großherzog
Hessen durch den Großfürsten-Thronfolger
^tcn lassen werde.
vv Ueber die Stellungnahme der Reichsregie-
lj-si.Zur Steuer- und Finanz reforni
sm Bericht der Stempelsteuerkommifsion des
L eine offizielle Erklärung vor. Der
do^?schatzfekretär Graf Posadowsky hob hervor,
bernsr Verbündeten Regierungen auf eine Durch-
lfg^Mng der Steuervorlagen einen entscheidenden
ldkv ^en müßten, jedoch im Einzelnen entgegen-
h^?imen durchaus bereit seien. Es könne zugegeben
?en, dich, wenn man sich lediglich auf die
h miwirung der Überweisungen und Matrikular-
eZ im gegenwärtigen Etat beschränken wolle,
iiy.^er so wesentlichen Vermehrung der Ein-
des Reichs, wie sie durch die noch zur
stehenden Steuervorlagen herbeigeführt
nicht bedürfen würde. Die Verbündeten

Börse gewährt wird, fallen die andererseits von der
Kommission beschlossenen Verschärfungen, so nament-
lich die Erhöhung der Steuer auf ausländische
Obligationen, nicht schwer ins Gewicht. Der er-
neute Aufschwung, den gegenwärtig die Börsen-
geschäfte genommen haben, läßt hoffen, daß die veran-
schlagten Mehreinnahmen aus der erhöhten Börsen-
steuer auch thatsächlich zu erzielen sein werden.
Uebrigens werden im Plenum noch mehrfache Ver-
suche gemacht werden, um eine weitere Erhöhung
der Börsensteuersätze durchzusetzen. Die deutsche
Neformpartei namentlich will es daran nicht fehlen
lassen.
— Die unteren Verwaltungsbehörden sind vor
einiger Zeit angewiesen worden, in den Fällen, wo
Quittungskarten für die Jnoaliditäts- und
Altersversicherung Marken in nicht genügender An-
zahl oder Marken einer zu niedrigen Lohnklasse
enthalten, den verpflichteten Arbeitgeber zur nach-
träglichen Beibringung der fehlenden Marken oder
der erforderlichen Zahl von Marken der richtigen
Lohnklasse anzuhalten und, sofern der Arbeitgeber
dieser Aufforderung nicht nachkommt, selbst die
fehlenden oder richtigen Marken beizubringen und
die ausgelegten Beträge von dem Arbeitgeber ein-
zuziehen. Es waren Zweifel entstanden, wie zu
verfahren sei, wenn angenommen werden müsse,
daß der von der Behörde verauslagte Betrag wegen
Zahlungsunfähigkeit oder infolge unbekannten
Aufenthalts des verpflichteten Arbeitgebers oder
aus einem anderen Grunde nicht eingezogen werden
könnte. In Ergänzung jener Anweisung ist daher
nachträglich noch bestimmt worden, daß in solchen
Fällen zunächst dem Versicherten anheimznstellen ist,
die Beträge für die fehlenden oder zu niedrigen
Marken selbst zu zahlen. Ist der Versicherte hierzu
nicht bereit, so ist von dem Berichtigungsverfabren
abzusehen und die Zahl der minderwerthigen
Marken beim Umtausch der Karten zur Aufrechnung
zu bringen.
Mannheim, 20. Mürz. Gelegentlich der
gestrigen Generalversammlung der Mannheimer
Börse wurde von dem Vorstand derselben aus
Anlaß des Abschlusses des deutsch-russischen Handels-
Vertrages an den Reichskanzler Grafen Caprivi,
sowie an den Staatssekretär v. Marschall fol-
gendes Telegramm abgesandt: „Die heutige
Generalversammlung der Mannheimer Börse be-
schloß einstimmig Eurer Exzellenz für die glück-
liche Durchführung des deutsch-russischen Handels-
vertrags ihren tiefgefühlten Dank und innigsten
Glückwunsch ganz ergebenst darzubringen. Im
Auftrag: Emil Hirsch, Vorsitzender."
Danzig, 20. März. Gestern Abend um 7
Uhr fand im Argushof ein Festmahl der Kauf-
mannschaft zu Ehren des Reichskanzlers Grafen

v. Caprivi und seiner Begleiter statt. Auf das
Hoch auf den Kaiser, welches der Vorsteher der
Kaufmannschaft, Gehcimrath Damme, ausbrachte
und in dem er auf den treuen Mitarbeiter am
Friedenswerk, den Grafen Caprivi Bezug nahm,
antwortete dieser herzlich dankend: „Danzig hatte
in diesem Jahrhundert schwer gelitten, es hat
schwere Belagerung durchgemacht und unter der
Acnderung der Verkehrsverhältnisse bedeutend ge-
litten; aber dennoch den Gememsinn und den
Blick auf das Ganze nie verloren. Danzig, wie
allen Hansastädten gebührt die Anerkennung, daß
während des Krieges nie ein einziger Klageschrei zu
Ohren der Regierung gekommen sei, weil man
allenthalben anerkannt hatte, daß diese Heimsuchung
nothwendig war, um das große jetzt erreichte Ziel
zu erlangen. Möge dieser Gememsinn, die Kraft
und der Muth der alten Hansa, auch Danzig er-
halten bleiben." Er trank dann auf den poli-
tischen Sinn und das Wohl der Stadt Danzig.
Die Versammlung sandte an den Kaiser ein Hul-
digungstelegramm ab.
Ausland.
Wien, 20. März. Der deutsche Kaiser
trifft morgen auf dem hiesigen Nordbahnhofe ein.
Brüssel, 20. März. Da der König der
Belgier bereits von Genf nach Aix les bains ab-
gereist war, so empfing er in letzterer Stadt die
Nachricht von der Absicht des Kabinets zu demis-
sioniren. — Da der König vor Mittwoch nicht
in Brüssel sein kann, so wird sich die Regierungs-
erklärung um 2 Tage verschieben.
Brüssel, 20. März. Gestern wurde hier der
französische Anarchist Courdamier in einer
Schaubude verhaftet.
London, 19. Mürz. Die hiesigen Anar-
chisten erhielten von einer Lebens-Versicherungs-
Gesellschaft 200000 Frs. ausbezahlt; für diesen
Betrag war Vaillant versichert.
Belgrad, 20. März. Finanzminister
Mijatovic hat sein Entlassungsgesuch ein-
gereicht._
Aus Wcch und Jern.
* Mannheim, 20. März. Gestern Abend brach
auf der Straße zwischen 6l 2 und 6l 3 die Ehe-
frau des Kohlenträgers Andreas Schmitt plötzlich
bewußtlos zusammen. Auf dem in einer Droschke
bewerkstelligten Transport der Kranken in das
Allgemeine Krankenhaus ist dieselbe gestorben.
Die Frau wurde vermuthlich von einem Schlag-
anfall betroffen.
* Schwetzingen, 20. März. Im „wilden
Mann" hielt vorstern Herr, Hauptlehrer Haußer
von Mannheim seinen angekündigten Vortrag über
„Selbsthilfe und Genossenschaft". In packender

Pflicht.

2^ Roman von C. Aoeller-Lionheart.
(Fortsetzung.)
bg-^ürh Marc Bikham steht auf dem Schild,
hüf; jJ vor Viktorias Augen abspiegelt. Also
igj( .Ole rcchtcrhand, welche die breite Freitreppe
fffy andern Grundstück theilt, die der Swifts
Auf dem breiten Absatz, der im mächtigen
OWn sich ausdehnt, um den antike Stein-
llert7. .hinziehen und wo ein herrlich model-
^?we aus weit offenem Rachen einen klaren
Hifi" strahl in das Muschelbecken speit, steht
«lif^?noch eine Sekunde still und legt die Hand
hämmernde Herz. Der stolzen Frau ist
^ghoO' g ZU Muthc. Eine ungewohnte
hyfi.- «tigkeit will sie erfassen, gegen die sie ge-
mm ankämpfen muß.
kgfipä^ört sie dahin? Wenn man sie mit eis-
sie Höflichkeit nun fragt, was sie wolle? Hat
Da-- Entschuldigung eines liebenden Weibes?
^ird - bann sagen: „Es läßt mir keine Ruhe?"
cm an ihr Glauben schenken? Wird man sie
tästi-., . n Vorhergegangenen nicht als einen
Äte ' Eindringling betrachten, der keine An-
^ruL.a", ein Willkommen und keinen Platz unter
O nächsten Angehörigen hat?
. das, jede Demüthigung, jede ver-
öoi; sie ja ertragen, nur ihn sehen, nur
hören.
^>f b?ttet nun die linken Treppenstufen hin-
Cin freitet durch die angelehnte Gitterthür.
" Paradies nimmt sie jenseits der Mauer

auf. Ein vielarmiger Kandelaber auf hohem
Sockel gießt blendendes Licht über diese üppige
Wildniß von hochstämmigen Myrthen, Oleandern,
Orangehainen, aus denen es berauschend blüht
und duftet, und denen das metallisch dunkle Grün
des Lorbeers, die hochragenden, vielformigen Palmen
ein südliches Kolorit geben.
Ueber den knirschenden gelben Kies des breiten
Hauptweges kommt sie bis zur staatlichen Front
der Villa mit ihrer dorischen Süulengallerie hin,
aber an dem hellpolierten Glockenknopf unter der
Rampe wagt sie nicht zu schellen, um Einlaß zu
begehren, und wie ein Dieb umschleicht sie mit
Herzklopfen das ganze Gebiet und kann nicht den
Muth fassen, sich anzukündigen.
Endlich gelangt sie zum Hinteren Flügel. Da
ist Licht, da ist Leben! Welches Leben! Auf die
breite von Orangenbäumen und Mandelsträuchern
dicht umstellte Terrasse dringt es in vollen Schall-
wellen heraus: Köstliche Musik! Die Balkon-
thüren, die Fenster sind alle im großen Garten-
saal geöffnet, und das ganze malerische Bild
bietet sich Viktorias weit aufgerissenen Augen dar,
ehe sie gebrochen am Fuß der Terrasse auf einer
Bank zusammenknickt.
Ein Hauskonzert ist da in vollem Gange.
Am Harmonium sitzt Grethe Swifts große, kräf-
tige Figur, die sie dem Vater so ähnlich gemacht.
Auch die gesunden, frischen Farben, das lachende
braune Auge, der schwellende Mund erinnern an
die stattliche Schönheit des Obersten. Ihre dicken,
blonden Zöpfe hängen ihr noch immer mädchen-
haft im Rücken herunter, und die dunkelrcthen

Draperien des Musiksaales bilden einen wirksamen
Hintergrund sür nordische Blondheit.
Inmitten des oblongen Saales steht eine
lange, etwas knabenhaft unreife Gestalt, eifrigst
den Taktstock schwingend, unter dem venetianischen
Krystallkronleuchter. Der englische Kleiderschnitt,
das röthlich angeflogene Gesicht mit dem hoch-
blonden Haar und der schmalstreifigen Bartfvrt-
setzung bis zum Ohr verrathen den Briten und
zwar einen etwas exzentrischen, auf den ersten Blick.
Auf einem der niederen Polsterdivans, die sich
längs der marmorgetäfelten Wand hinziehen, ruht
ein junger, vornehmer Italiener und nickt zerstreut
einer jungen Frau mit strahlenden Blauaugen zu,
die eine Harfe hält und mit wunderbarer Zart-
heit den anschwellenden Bogenstrich von Pruß'
Geige begleitet.
Pruß lebend, gesund und seelenruhig, während
sie hier auf der Bank kauert!
Mit Feuer, ganz von dem Gegenstand erfüllt,
führt das Trio die herrliche Meditation
Maria von Bach durch, lleberirdisch fast wirkt
die Gewalt der Töne auf die überreizten Nerven
der Lauscherin, die da hinter schattigem Dickicht
ist. Sie sieht Pruß vor sich, gleichsam verklärt
von geistigem Genuß, und doch so gesund, wie sie
ihn seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Sie be-
greift, wie dieser schöne, liebenswürdige Mensch
berückend auf Frauenherzen wirken muß, und wie
die leise Schwermuth, die über seinem Wesen liegt,
nur einen Anziehungspunkt mehr bildet.
Sie weiß, als hätte es ihr Jemand gesagt,
wem die großen, feurigen Sammetaugen unter
den aufgcbogencn Wimpern gehören, die den

Geigenspieler wie in Verzückung keinen Augenblick
verlassen, wer diese graziöse, schmiegsame Gestalt
in dem goldsaumgestickten, griechisch zugefchnittenen
Gewand ist, die ein entzückend kapriziöses, dunkles
Köpfchen leise zur Seite neigt, um den Musiker,
der ganz bei der Sache ist und keinen Blick für
seine Umgebung hat, förmlich mit allen Sinnen
in sich aufzunehmen.
Pruß gesund, dem Leben ganz zurückgegeben,
ihr vollständig verloren.
Viktoria weiß nicht, soll sie aufjubeln vor
Freude, aufjammern vor Weh? Sie preßt die
Hände fest aufs Herz, sie möchte sich heimlich fort-
schleichen, aber sie kann nicht von der Stelle, wo
sie unbemerkt alles sieht, alles hört.
Das Konzert war aus. Die Harfenspielerin
hatte die lichtblaue Schleife sich vom Halse ge-
löst, das Instrument in eine Ecke gestellt und
kam, lebhaft auf Pruß einsprechend, am eins der
offenen Fenster heran.
Trotz des hochgebauten Lockenbaues auf dem
zierlichen Köpfchen sah sie neben Pruß' hoher Ge-
stalt klein aus, aber sie hatte jene schmiegsame
Zartheit, die großen, kräftigen Männern deshalb
schon gefällt, weil sie ihnen das Schützeramt von
vornherein zuweist. Er sprach auch mit einem
gewissen väterlichen Wohlwollen, das ihn so gut
kleidete, auf die reizende Frau herab.
„Nein, meine Gnädigste, ich billige diese
gesellschaftliche Indifferenz gegen die Elemente,
die man unter sich duldet, keineswegs. Wir
gerathen mit unserer Moral schließlich auf
demselben Standpunkt, den wir andern Völ-
kern so sehr zum Vorwürfe gemacht hatten.
 
Annotationen