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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0908

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Äusftellungen

ziehen darf, ift bei kunftliebenden Proteftanten
wohl da und dort geweckt worden, wenn auch
mehr durd) deutphe Künftler wie Cijoma, dtjde,
Gebhardt; aber nachhaltige Folgen pnd ausge-
blieben. Die katholifdje Kirche verharrte bisher
in faft völliger Ablehnung moderner künple-
rifcher Einpüffe. Beim Bau und Schmuck von
Kirchen, bei der Mufterung von Paramenten
und bei der fjerftellung von Ältargeräten be-
gnügte man p<h mit Nachbildungen in gotifchem
und romanifchera Stile, und je prenger der Aus-
führende im Geifte der Alten arbeitete, um fo
höher glaubte man fein Klerk bemeffen zu
müffen. Der einzige Künpler in der Schweiz,
der mit dem ganzen Rüftzeug neuzeitlicher Kunft
pd) in den Dienp der katholifchen Kirche ge-
pellt hat, ip der Genfer Alexander Cingria —
der Begründer derwelfchßhweizeriphenKünftler-
gruppe „St. Luc“, deren Cendenzen ganz auf
die Schöpfung einer neuen chriftlichen (katho-
lifchen) Kunft gerichtet find. Ihm wurde in den
lebten Jahren wiederholt Gelegenheit gegeben,
fein Können in katholifchen Kirchen zu zeigen. —
Es wäre vielleicht nicht bei fo vereinzelten
Anläufen geblieben, wenn Gemeinden und Pri-
vate pd) der Sadje angenommen hätten. Aber
hier fehlte es. Die Scheu vor dem „Modernen“
und der Mangel an Erkenntnis der 3iele und
tüege ließen es nur äußerft feiten zu Aufträgen
kommen, an denen pd) die künftlerifchen Kräfte
hätten erproben und entfalten können. Sollen
die neuen Anfchauungen in die Kirchenkunft ein-
ziehen, fo muß man oft und öffentlich und nach-
drücklich auf die dringende Notwendigkeit einer
Neubelebung und auf das Vorhandenfein ge-
eigneter künftlerifcher Kräfte hinweifen. Äus-
peilungen find hierfür das wirkfampe Mittel.
Aus diefen Erwägungen wurde jener in neu-
zeitlichem Geifte ausgeftattete Kirchenraum ge-
fchaffen, den man 1914 an der Berner Landes-
ausftellung fah- Diefelbe Erwägung hat die
erfte phweizeriphe Ausfteliung für chriftliche
Kunft in Bafel entftehen lapen. — Die Auspei-
lung ift von katholifcher Seite veranpaltet wor-
den, und zwar aus Anlaß des fedptenßhweize-
rifchen Katholikentages in Bafel. Eine Art ofp-
zieller kirchlicher Billigung wurde ihr dadurch
zuteil, daß der Bifchof von Laufanne, Dr. Mau-
rius Bepon, das Protektorat der Ausfteliung
übernahm. Indes war die Teilnahme keineswegs
nur auf Künftler katholifcher Konfefpon be-
fchränkt, fie war vielmehr für alle Schweizer
Künpler open, wie denn die Jury auch aus An-
gehörigen beider Konfeffionen pd) zufammen-
fepte. Die Ausfteliung hatte alfo keineswegs
ein einfeitig katholiph orientiertes Geficht, fon-
dern in ihr haben pd) (mit wenigen, allerdings
bedeutenden Ausnahmen) alle künftlerifchen
Kräfte gefammelt, die in der Schweiz am Klerke
pnd, eine neue d)riftlld)e Kunp zu phapcn.
Obwohl das ganze Unternehmen mit ümpd)t

und Befonnenheit ins tüerk gefept worden ift,
hat man es doch nicht vermeiden können, Dinge
aufzunehmen, die man lieber nicht gefehen hätte
und die auch phwerlid) von den Veranpaltera
mit befonderer Freude begrüßt worden pnd. Das
Nebeneinander von Gutem und Crivialem hatte
aber immerhin den Vorteil, daß — was keines-
wegs unwichtig ift — der gegenwärtige Stand
der Dinge um fo deutlicher hervortrat; pe mag
auch Unvorbereiteten die Stellungnahme zum
Neuen erleichtert haben. — Alle Kunpgattungen,
die für kirchliche Dinge in Betracht kommen,
waren an der Auspellung vertreten; an Umfang
überwogen die merke der Malerei. Vom maß-
vollen Naturalismus bis zur prengen dekorativen
Gebundenheit waren alle Grade der Aupapung
zu pnden. Aber legte man pd) nach eingehender
Betrachtung der annähernd 150 Bilder, deren
Urheber zum Ueil ernphafte und beftbekannte
Schweizer Maler waren, deren Name auch im
Auslande Geltung hat, die Frage vor, ob wir
in der Schweiz einen großen Gepalter religiöfer
Motive, einen bedeutenden religiöfen Maler be-
fifeen, fo mußte diefe Frage entphieden ver-
neint werden. Es muß aber aud) gefagt wer-
den, daß die allerwenigpen wirklich religiös
waren. Die wenigpen der ausgeftellten Bilder
pnd aus jener inneren Ergripenheit heraus ge-
paltet worden, die, wie wir meinen, ein Haupt-
merkmal aller d)riplid)en Kunft fein füllte (das
Cpema allein macpts dod) nid)t); die meiften
pnd vielmehr nur rein zeicpnerifcher odermale-
rifd)er Probleme halber gefchapen worden. Daß
fold)e Ulerke trop hoher künftlerifcher Quali-
täten nicht befriedigen konnten in einer Aus-
pellung d)riplid)er Kunp, liegt auf der Hand.
(Uas von der Malerei gefagt. wurde, gilt auch
von der numerifd) bepheiden vertretenen Gra-
phik. Qualitativ war ein guter Durchfdmitt er-
reicht, tropdem hier, wie übrigens aud) bei der
Plaftik, viele gute Namen fehlten. Cechnifd)
war ein ftarkes Überwiegen des Holzphnittes
zu konftatieren. — Die Pia pik enthielt mand)
ein bemerkenswertes Stüde. 3war pheint es,
als fei, die Arbeiten Arnold Hünerwadels ab-
gerechnet, auf dem Gebiete der Plapik in neuerer
3eit nichts entpanden und nichts verfud)t wor-
den, das man im eigentlichen Sinne als kird)lid)
modern bezeichnen könnte, wenn aud) manche
der jüngeren Bildhauer auf große und Stimmung
erregende GQirkung ausgehen. Im übrigen ent-
hielt die Kleinplaftik das allerbefte. — Siel-
bewußter pnd die Anfänge felbpändiger Geftal-
tung in der heutigen Kirchenarchitektur.
Von den Verfud)en neuer Ausbildung der Grund-
ripe und eigenartiger Formgebung im Aufbau
legten in der Ausfteliung mancherlei Entwürfe
3eugnis ab, — Aud) unter den Gegenpänden
des Kunphandwerkes, das an Bedeutung in
der Auspellung fepr überwog, konnten viele
Keime entdeckt werden, die zu guten Hoff"

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