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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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D-nnerstag, 1S. Februar L8S3.

AWr. Trscheint, MontagS auSgenvmmen, täglich

^T'»» PreiS vierteljäbrlich 54 tt.

* Politische Umschau.

Der Berlmer „Publicist" melcet mit offi.
clöjem Llnstrich, dle Nachrichl des „Czas",
Cngland habe clne preußifche Jnterveniion in
Polen als Kriegsfall bezeichnet, sel unwahr-
scheinlich.

Wie es hkißt, soü die prenß. Regierung
ein strengeres Einschreiten gegen den Ratio-
nalsvndö beabstchligcn, und in Folgc deffen
das mit der Berwaltung der FondS betraute
Comite den ganzen Caffenbestand in Sicherheit
gebracht haben.,

Die „Nat.-Zig." äußert sich über eine et-
waige Zntervention in Polen: Die Sympa-
thien Europas mit dicsem schwer heimgesuch-
ten Voike sind somit jept gleichsam Preußen
zur Verkretiing und Verwaltung übergeben.
Preußen allei» har es in seiner Macht, den
Unterdrückten cinige Erlcichlerung zu bereiten,
oder dcn Unterdruckten freie Hand zu laffen,
und eö wird von Europa verantworilich ge-
macht für den Gebrauch dieser Macht. Das
ift allervings vvllkommen richtig, daß krine
der westlichen Mächle um der Polen willen
mit Rußland Krieg anfangen wird, und in-
sofern braucht man sich vor Mahnungen, die
etwa doch »och auS Pariö und London kom-
men mvchten, nicht zu bcugen. Würde es aber
andererfeitö vcrnünflig sein, wenn Preußen
um der Ruffen wilUn die Meinung dcr ge-
bildeten Welt gegen sich empörte? Würde es
politifch sein, wenn Preußen daö ruff. Rcich
an ber Stelle, wo eö unS bcdroht unb wv
wir es angreffen können, starkle? Gewiß wäre
daö die größte Unkiugheit, die jemals vorge-
kommen, uno eüie, die der Nachwell nür -als
letzte Folge eiucr lünfzigjährigen Berblenbung
erklärlich fein würde.

Die „Elberf. Z." verlangt strenge Neutra-
lilät gegen Poleu und sindel dlcse burch manche
Hanblungsweise pieußifcherseiiö fchou verleßt.
Auch kann sich die „Elbcrf. Z." nicht davon
überzeugeu, daß bie Einberufung der Reserven
eine nothwendlge Maßregeb sei. Die liberalen
Bläiter erklären sich gegen jebe Einmischung
in Polen, während die „Kreuzzeiiung" ben
Augenblick der großen Staatsaciion gar nicht
abwarten kan».

Die Wiener „Preffe" bemerkt über die be-
absichtigte Cooperation Preußens mit Ruß-
lano: „Seil einer langen Reihe von Zahre»
haben wir von Preußen und Rußland nur
das Schlimmsie erfahren, und Oesterreich hat
uichl den germgsten Grund, die offenen Feinb-
seligkciten ber Gortschakoffe, Bernstorffe und

Bismarcke mit LicbeSdiensten, die noch dazu
auf Kostcn unsereö beffer gewordenen Ruses
erwiescn werben müßten, zu belohnen. Das
Necht Prcußens. und Rußlands, sich sicher zu
stellen, mag in Wiea nichk bestritien wcrden,
abcr bie Ehre, den Gendarmen in ruffischen
Diensten zu spielcn, bleibe Preußen ungeschmä-
lerl; eine wirkliche Großmacht kann eine svlche
Rolle nimmer ihrer Würde angemeffen sinden.
Die Convention, welche Hr. v. Bismarck mit
Rußland abgeschloffen hat, zerstört dic leßten
Zllusivnen über den deütschen Bcrus Preußens;
denn cine jämmerlichere Polttik gibt es schon
nicht mehr, als wenn die Regierung, welche
es für ihrc Aufgabe hält, Deutschland zu füh-
ren und aufzubauen, wenn das Preußen, wel-
ches ein deutscheS Parlament, aus unmittel-
baren Volkswahlen hcrvorgegangen, beantragt,
seine naiionalc Aufgabe damil inaugurirt, daß
es, ein Bahnbrecher Wielopolski'schen Pansla-
vismus, Nußland bci Unterdrückung einer frem-
den Nationalität Frohndienste leistct.

Der Polizeipräfect hat ein neues Verbot
gegen bas Blllardspiel um hoheö Geld in den
Caffeehäusern erlaffen; Caffeetiers machlen sich
daraus ein Geschäft, da ihnen ein Theil der
Einjatze zusiel und ihre Wirthshäuser arteten
baburch zu Spielhäusern aus. Der Präfcct
macht daher bekannt, daß er bereiis in einem
solchen Caffeehaus a» die Billards Siegel habe
anlegen laffen.

Zur Beseitigung der Anstände, in.Betreff
der Errichtung eines provisorischon Bahnhofes
in Schaffhausen, sinb die Regierung vvn Schaff-
hauscn, der Stadtrath von Schaffhaujcn und
die Directionen der Nordostbahn, wie der großh,
badischen Bahn zur Bcfchickung einer Confe-
renz eingeladcn, welche am 2k. d. untcr bem
Vorsihc des Chefö des eidgcnössischen Depar-
tements des Znnern in Bern abgeyalten wer-
den soll.

Deutschland

Wiesbaden, 15. Febr. Der Redactenr
der „Reuen Wiesbadener Zeitung", Abt, ist
wegen Beleidigung des Procurators Dr.
Braecht in Wieöbaden und des Druckers und
früheren verantwvrtlichen Nedacteurs des
„Rheinischcn KurierS" Adelmann zu Frank-
furt durch Urtheil des hiesigen Hos- unb Ap-
pellationSgerichts zu einer Correctionshaus-
strafc von drei Monaten verurtheilt wvrden.
Zur Sicherung des Strafvollzugs ist die so-
sortige Verhaftüng Abt'S verfügt »nd voll-
zogen worden.

Leipjig, 13. Febraur. Das Comite zur
50jährigen Erinnerungsfeier der Völkerschlacht
hat sich constikuirt. Bürgcrmeister Koch ist
Vorsißender, Dr. Zoseph Siellvertreter unb
Abvocat Schrei Secretär.

Berlin. Zn bem Vereine der Stadtbe-
zirke 41—44 wurvc folgenbe Auffvrderimg
eines Vereins-Mitgliedes einstimmig angenom-
men: „Zn Erwäguug, daß eine im Flnstcrn
schleichende Partei Älles aufzubieten schcint,
einen Cvnsiict zwischen dcn Bürgern und der
Erecutivgewalt herbeizuführen, um unter bem
Schutze beS Belagerungszustandes rc. das zu
beseiiigen, waS ihrem Treiben entgegen istr
„möge sich ein Jeder von allen öffentlichen
Aufzügen fern halien und auch aus die Fa-
milienglieder, Arbeiter, Lehrlinge rc. in diesem
Sinne einwirken."

Breslau, 16. Febr. Ein Polizeicircular
ersucht bie Zeitungeu, keine militärische Maß-
regejn der Truppenbislocationen zu veröffenl-
lichen.

Wien, 14. Febr. Mit Bezug auf die be-
reits mehrfach erwähnten Mittheilungen prcu-
ßischer Blätter über die Stellung Oesterreichs
zur polnischen Jnsurrection veröffentlicht die
„Donau - Zcitung" heute folgeube officielle
Note:

«Ja Mlhreren ausländischen Blättern werden ans Aalaß
der Borfälle ln Rassisch-Polen Nachrichlea ln dle Welt
geschleudert, welche, an und sür stch vollkommen unwahr,
nur geelgnet oder bestimmt sind, dl- Stellung Oesterreichs
ln dlefer Bezlehung zu vcrrücken. So läßt sich u. a. dle
„BreSlauer Zellung" vou 12. d. M. tn etner Correspon-
denz auS Warschau unler dem Vorwande der Warnung
vor angebllchen Telegrammen, denen eln österreichlsch-ossi-
clellcr Ursprung zngcschrieben wird, schrribcn, daß „,dle
östcrrclchtsche Regtcrung aus dem Arscnale tn Lcmbcrg
elnlge lauscnd Waffen habe verkaufen laffcn nnd noch an-
dcrweltig den Ansstand unter der Haad unlerstütze.""

Wlt sind crmächtlgt, d.iesc Nachrlcht, sowohl wa« de»
angeblichen Waffcnvrrkauf alS dle zugemuthetc heimllche
Untcrstühung deS AufstandeS, als endlich dle Vcröffcnt-
ltchung tcndcnzlöser Telegramme betrifft, sür durchwcg« er<
dichtet zu -rklärcn. Zn dle glelche Kaicgorle. absichtllcher
sinnloser Ersindungc» sind wlr geneigt anch andcrc, zumal
jene Gerüchte zn verweisen, wclche sich sogar bi« zn Eon-
jccltlirn über dtc Besctznng dcS «„polntschen Throncs""
vcrstelgen,"

Die „Wiener Zeitung" druckt diese Note
an der Spitze ihres AbendblalteS ab.

Arankretch.

Paris, 14. Febr. Der polnische Aufstand
findet hier im Allgemeinen wohl Spmpathicen,
aber keineswegs so warme wie früher. Was
den Polen schavet, das ist die Allianz dcr kle-
rikalen Parkei. Es macht einen eigenkhüm-
lichen Eindruck, wenn man .sieht, wie die ul-
tramontane Preffe, welche die gemäßiglste Be-

Maria Lheresia als Mutter.

(Fortsetzung.)

Marie Lhristine, das viertc Kind der Kaiserin,
dic jüngere Schwcster dcs spätcrn Kaisers Joseph ll.,
«ar der entschiedcnc Liebiing ihrer Muttcr, so lange
diese lebte. Die erste Jugend der Prinzefsin sici in
die Zeit von 1748 bis 1758, in cine Zeit, wo Oester-
reich im Fripvxn alle ftine Kräfte sammeltc, wo
Maria Thcresia dcr Mittcipunkl cincS nenen poii-
tischen Lcbcns, cines glänzenden Hofes und -ines
glücklichen FamilicniebenS war. Jm täglichen Vcr-
kehr mit Ler Muttcr, in dcr Hut deö VaterS von
Liebe, Giück und Frohsinn umflossen, wuchs Lhri-
stinc mnnter und hosfnungsreich heran. Bci allcr
Kümmcriichkeit des Unterrichts, wcichen sic gcnoß,
machte fle ausgczeichncte Fortschritte in der Erier-
nnng dcr Sprachen. Sie sprach fcrtig Ztaiicnisch
und Franzosisch, schrieb recht gut Englisch und recht
schlccht Deutsch. Für die Musik scheint fie keine
soiche Voriiebe gchabt zu haben wie thr Brnder
Joseph, dagcgcn besaß fie ein ungewöhniiches Ta-

ient sürs Zeichnen und Malen. Eine sehr inS Ein-
zeine gchendc, vielfach intercffante EharaclcristtE
dcr Prinzessin gibt Adam Woif in dem soeben
(Wsen, Geroid'S Sohn) in zwei Bänden crfchie-
nencn LebcnSbiide: „Maric Christine, Erzhcrzogin
von Oesterreich." Uns war von ganz bcsondcrem
Jntcreffc einc Reihc von Mitthciiungen, weiche die
gcfcicrte Marta Thercsia in dcm stillercn Wirkcn
ais zärtiiche Mutter schiidern und dic „großc Frau"
von der iicbenswürdtgslen Scite erschcincn iaffen.

Die Lrziehung der jung.n Erzhcrzogin war einer
ausgezeichnetcn Frau des Wtener Hofcs anvertraut,
dcr Baronin Vasquez, geborcnen Gräfin Kokorowa;
die eigentiiche Lcitung der Erziehung abcr ging
von dcr Kaiserin seibst aus. Sie duidcte hierin
keinc Einmischung, keinen fremden Willen. Jeden
Tag zur Mittagsstundc mußtcn die „Kinderfrauen"
zu ihr kommcn und Bcricht erstatten. Sie nahm
Notiz »on jedem Buch, das ihre Töchtcr tn dic
Hände bekamen, von jcdcm Bricfe, den sie schriebcn.
Sic überwachte den Unterricht und fttztc stibst dic
Gcbcte auf, wclche die Kinder Morgens und Abends
in ihren Kammern sprachen. Man kann sagcn,
die Kinder brachtcn den Tag von 6 Uhr früh btS

6 Uhr AbendS mit Betcn und Lernen zu. Rau-
schende Feste für die Jugend gab eS nicht. Es war
eine AuSzeichnung, wenn dic beidcn äitercn Töch-
ter und Aoseph mit den Eitern speisen, wcnn fie
ihre Tante, dte Prtnzessin Lhariotte von Lothrin-
gen, bcsuchcn dnrftcn.

Mit achtzehn Iahren (1760) bckam Lhristine
ihren eigenen Hofstaat, und in demseiben Jahre
gewann sie in dcr Prinzesfln Zsabella von Parma,
dcr erstcn Gemahiin Jvsephs ll., cincr jungen, schö-
ncn, geistvollen Damc, eine treue Freundin, mit
«elcher sic bis zu dercn schvn nach drci Jahren cr-
foigtcm Tode in der lcbhaftcsten vertrauiichen Cor-
respondcnz stand. Zn eincin ihrer Briefe findet
flch die nachfolgende Schiiderung threr Mutter:
„Die Kaiftrin hat ein edies, UebevolleS, cmpsang-
iicheS H-rz, fl- ist, «enn ich 'so fagen darf, zu gut;
fic iicbt ihre Frennde und opfert sich für ße. Sie
hat viel in ihrcm Leben gelittcn, die Welt in ihrcn
Vorzügen und Schwächen kennen gcicrnt; daS hat
ihr die Ueberzeugung gegeben, daß cs wcnig auf-
richiige Menschen, selien wahrc Freunde gibt. Wenn
man ciwas «ill, muß man sich gleich an stc wcn-
den, damii sie auf dkk Stelle entschcidet, sonst frägt
 
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