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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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Mittwoch, 8. Aprtl

N;; 81.


1863.

Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebst Beilage „Heidelber-
aer Familienbtätter" für -as mit 1.
April 1863 begonnene 2. Quartal
werden fottwährend angenomme«.

Die Expedition.

* Politische Umscha».

Nachdem der Senal der freien Stadt Frank-
furt dem deutsche» Reformveretne das
Domicil in Frankfnrt nicht zugestandcn, hat
derselbc scinen Sitz nunmehr in Wiesbadcn
genommen.

Nach der Berlincr „Reform" hat Frankreich
inWiendicMoldau-Walachei sammt Preußisch-
Schlcsien anbieten laffcn, wenn Oesterreich mit
ihm in der polnischen Sachc Hand in Hand
gehen wolle." Eine Millheilung, die keincu
Glauben verdienl und nur angeführt wird,
weil ein Artikel die Runde durch die ver-
schiedknsten Blätter macht.

Aus Warschau ist dem Ministerpräsident v.
Bismarck vom Polen-Coinite ein Schreiben
zugcgangen, welches dic Anzeige enthält, daß
er wegen seines Auftretens gcgen die polnische
Nation zum Tode verurtheilt sei und aus
öffentlicher Straße ermordet werben sollc.

Die Boraussagungen des Wetterpropheten
Matthieu sind dieSmal zusammengebrochcn;
an den Tagen, an welchen er arge Slürme
prophezeile, regte stch kein Lüstchen.

Nach dem Pariscr „Moniteur" sind die in-
surrectionellen Bewegungen in St. Domingo
nach einigcn Gefechlen vollständig wieder un-
terdrückt wordcn.

General Dembinski erklärt es in der Preffe
für ein wahres Unglück für Polen, wenn. dus
National-Comite in Warschau die Absicht ha-
den soüte, Hrn. Mieroslawöki zum Dictator
zu crnennen.

„Morningpost" billigt die dänische Procla-
mation und hält es mit ter Politik der Mächte
nicht vereinbar, cine Zntervention deS beut-
schen Bundcs in Schleswig zu dulden.

Nach der „Enrope" hat Lord Russell
den Lord Cowlep beauftragk, in den Tuile-
rien zu erklärcn, daß die englische Regierung
Angesichts der Demonstrativiien des englischen
Volkes für Polen nichts versäiimen werde,
um die polnische Frage zu ordnen. Das brit-
tijche Kabinet sei geneigt, sich der ursprüng-
lichen Zdee des französischen betreffs der Ab-
sendnng einer Kollektivnote anzuschlleßen, und
es werde sich demgemäß bemühen, daß auch
das Wiener Kabinet darauf cingehe. — Auch

oas -parl>er Kabi'net theilt die Anstchten des
Wiener bezüglich einer friedlichen Lösung der
polnischen Frage vollkommen.

Znfolgc New-Iorker Nachricht sollen die
Franzoseu noch 12 Stunden v«n Meriko ent>
fernt sein.

Deutschland

Stuttgatt, 8. April. Wir billigen es
nicht, baß von demokratischcr Seite der Feier
der dentschen Reichsverfaffung, welche in Stutt-
gart unter großer Betheiligung begangen wurde,
da und dort entgegengetreten wird. Der Ge-
genstand einer politischen Feier ist überhaupt
ziemlich gleichgiltig, es kommt auf den Geist
an, welcher sich durch dieselbe manifestirt.
Dic Reichsverfaffung war allerdings ein un-
glückliches Compromiß zwischen der revolu-
tionären Bewcgung und den bestehenden Rc-
gierungsgewallen, sic befriedigt tn Wirklichkeit
auch setzt nach keiner Seite hin und wcder
bic Revolution noch die Reform wird aus die
Reichsverfassung zurückführen; auch werden
mit ber Erklärung, daß dcr dritte Abschnitt
der Reichsversaffung gefallen uud die Ober-
hauptfrage eine vffene sei, die Bedenken gegen
ihre Durchfühibarkeit keineswegs beseitigr und
bleibt namentlich das übrig, daß der Groß-
staat Preußen, allein so mächtig als die übri-
gen Bundcsglieder ohne Oesterreich zusammen,
sich niemals i» die bescheidene Rolle eines ein-
fachen Mitgliedes eines deutschen BundcSstaats
sügen wird. Der officiellc Festredner deS
Comite'S, Hvlder, sprach die Ansicht aus, cs
habc die FortschrittSpartei dic Unmöglichkeit
crkannt, daß die Hohenzollern die deutsche
Kaiserkrone tragen, und wenn diese Erkennt-
niß wirklich die allgemeiue dcr FortschrittS«
partci in Deutschland und des Nationalvereiiis
ist vder wird, so ist damit auch jene verderb-
liche Politik aufgegeben, welche durch die
Macht und untcr ber Führung der preußi-
schen Monarchie und im Weg der Unterorb-
nung der deutschen Einzelstaaten unter dicselbe
die traurigc Einheit Klein-Dcutschlands her-
stellen will. Es besteht jedoch zur Zeit noch
in unscrem Lande der wahrscheinlich nicht ganz
grundlose Zwcifel, ob die von Hcrrn Hölder
und andern württemb. Mitgliedern des Natio-
nalvereins vertretene Anstcht auch von dem
Ausschuffe deS Nationalvereins und der Mehr»
zahl seiiier Mitglieder getheilt wird, und so
lange dicser Zweifel nicht durch die entschic-
denste Kundgebung des VereinS beseitigt ist,
dürfte cs schwer fallen, ersvlgreiche Propa-

ganda für dcn Nationalverein in Württem-
berg zu machen und werden die Versuche,
welchc iii dieser Nichtung mit neuer Energie
gemacht werden sollen, mehr zu eiuer Spal-
tung als zu einer sestercn Vereinigung der
sreisirinigeri Elemente in unsere» Landstädten
führen.

Wurzburg, 30. März. Gestern hat der
hiesige Reformveiein eine Generalversammluug
gehalten. Das von der Versammlung geneh
migte Programm lautet: I. Die Reform der
deutschen Bundesverfaffung im Sinne des
Programms der großdeutschen Versammlung
zu Frankfurt a. M. vom 28. Oct. 1862 darf
durch die beim Bund ersolgte Ablehnung der
von acht Regierungen beantragten Delegirten-
Vcrsammlungen nicht aufgehalten werden.
II. Der Versnch, durch Vereinbarung eines
Theils der deutschen Bundesstaaten eine Volks-
vcrtretung sür diese durch eine Delegirtenver-
sammlung zu begründen, könnte als cin für
die Einigung Gesammt-Dcutschlands ersprseß-
licher Schritt nicht erkannt werben. III. Alle
deutschgesinnten Regierungen haben mit allen
bundesrechtlich zuständigen Mitteln dahin zu
wirken, daß so bald als möglich neben eincr
gekräftigten Bundes-Erecutivgewalt mit colle-
gialer Versaffung im Sinne der Beschlüffe der
Frankfurter Versammlung eine perivbisch zu-
sammentretendc Vertretung des deutschen Vol-
keS am Bunde als organische Bundeseinrich-
lung geschaffen und mit den wesentlichen Be-
sugiiiffen einer Volksvertreiung ausgestattct
werde. Als bie unentbehrlichsten Befugniffe
sind zu erachten: 1) Die Zustimmung zur Er-
laffung neucr Grundgesetzo des Bundes und
zur Abänderung der bestehenden. 2) Die Zu-
stimmung zu Gesetzen, welche kraft der Eom-
petenz des BundeS crlaffen werden, und die
Begutachtung der Gesetze, welche in Folge
Bercinbarung der Bundcs - Regierungen für
alle BuiidcSstaatcn erlaffen wcrden sollen.
3) Die Mitwirkung zur Feststellung der Aus-
gaben für Bundeszwccke und die Bcwilliguiig
der zur Decknng erforderlichen Matricularbei-
träge der Bundesstaaten. 4) Die Einsicht und
Prüfung der übcr das Caffenwesen des Bun-
des gcführten Rechnungen. 5) Die Zustim-
mung zur Erhöhung der Bundescontingente in
Friedenszeit. IV. Die Volksvertretung muß
aus einer, die Würde und moralische Bedeu-
tung der Versammlung sichernden größeren
Zahl von Mitgliedern zusammengcsetzt sein.
Die Volkszahl dcr einzelnen Bundesstaaten
bildet die Grunblage der auf dieselben treffen-
dcn Mitgliederzahl. Die Wahl ist einc in-

Prozetz Garria-Calzado.

Das großc Aufsehcn, wclches der Proceß Garcia-
Calzado hervorgebracht, der ümstand, daK der Di-
rectvr der italienische« Oper, dcr Protegö des Her-
zogs von Morny und ähnlicher großcr Hcrren, als
falscher Spiclcr zu drcizehn Monatcn Gefäugniß
verurtheilt wurdk, veranlaßt mich, Zhnen die Schluß-
verhandlung, die gcstern stattfand, etwas ausführ-
licher zu schildern, UIN so mchr, als ein Blick in
das Lebcn nnd Treibcn dcr hicsrgen fashionablen
Wclt hiebci geworfen wird. Garcia, der Haupt-
miffcthäter, hat sich, wic Sie wiffen, durch dic Flucht
gerettet, und nnr Lalzado, dcr sich Herrn Lachaud !
zum Verthcidiger nahm, erschien vor Gericht, da- !
bei als Zcugcn dic genoesse üoree unsercs Jockey-
ElubS und die schöne Madame Barucci, die eigcnt-
lich Fanti heißt und verheirathct ist, abcr einen
Salvn hält, in welchcm ihre Schönheit und Liebens-
würdigkeit den Mittclpunkt eines sehr cinträglichen
VergnügungSvcrkehrs der mannigfachsten Art bil-
dct, bei aller Wahrung dcS äußern AnstandeS.

Madamc Barucci «ar dahcr auch dic Hauptzeu-
gin im Prozcß. Sie sagte Folgendes aus:

Als ich am 4. Februar mein Hotel bezog, lud
ich an 30 Personen ein, unter Anderen auch. die
Hcrrcn Calzado, Garcia, de Miranda und de Feuil-
hadc-Ehauvin.

Dic Herrcn Garcia und Ealzado unterhielten fich
mit einandcr und dic Uebrigen schienen ihnen ge-
genüber einc gcwiffe Rcserve zu beobachten. Bald
zeigten sie aber Lust, irgend ein Spicl zu machen,
und Herr Garcia verlangte Kartcn. Ach hattc mich
so wcnig darauf vorgcsehen, daß die Herren etwa
spielen würden, daß ich nur Whtsttische bereit ge-
haltcn hatte. Man ließ abcr einen Tisch herbei-
holen, warf etn Tuch darüber und stellte ihn in
einem kleinen Salon auf. Herr Garcta zog Kreide
aus der Tasche, entwarf auf dem Tuche das Tablcau
für Ironte-ot-gnarsote, und lteß sich nun an dcm
Tisch nieder, um mtt Ealzado Bank zu haltcn.

Die Karten «urden auSgcgeben und ctne Summe
vvn BankbilletS aufgclegt, man sagte mir von
20,000 Francs. De Miranda fand sich anfangs !
allein am Tische ein und eS entspann fich zunächst
mit ihm etn Spiel. Die Uebrigen schautcn bloS

zu. Zuerst sprengte de Miranda die Bank und
Garcta mußte sich 10,000 Francs »on Calzado ent-
lehnen, um nvch einmal Bank lcgen zu können.
So viel ich hörtc, sprengt« sie aber d« Miranda
noch etn zweites und drittes Mal. Ack «urdc von
diescr Wendung des Spteles in Kenntniß gesetzt;
es war mir sehr unangenchm und ich beschleunigtc
das Soupcr, üm dicser Partie ein Ende zu machen.

Bci Tische saßen die Hcrren Garcia und Calzado
neben cinander und unterhiclten sich gegenseitig in
spanischer Sprache. Plötzlich verließ Lalzado dte
Tafel, wandte sich, wie rch später vernahm, an
meinc Kammerfrau um seincn Ueberrock, begab sich
in dic Garderobe und suchte ctwas in diesem Klei-
dungsstllckc. Später frug er, wo er wohl rauchen
könne; man wics ihn in den klctnen Salon; aber
schon nach wenigen Minuten kam er, nach dcn Aus-
sagen der Dienstleute, i» die für letztere beftimm-
ten kleincn Zimmer.

Dic Gäste warcn inzwischen nach dem Soupcr in
den Salon zurückgekehrt und vermtßtc« Hrn. Garcia.
Zch selbst frug nach, oh er fortgegangen sei. Er
hatte fich auf dte Rcttrade begeben, wo er unge-
fähr eine halbe Stunde zubrachte. Als er in den
 
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