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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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N 8L.


Samstag, 1L. April


1863.

Bestellunge« auf die „Herdelberger
Zeirung" aebst Beilage „Heidelber-
qer Familienblätter" für -as wit 1.
April 1863 begonnene 2. Quartal
werde« fortwährend angenommen.

Die Expedition.

Die Unternehmung i» Mexiko

hat, wie augenschkiiilich ist, ihrem Urheber
biS jetzt nur große Nachtheile gebracht. Zu-
nächst hatte sie ei'ne große moralische Einbuße
deS Kaiserreichs zur Folge.. Sie war für die
englischcn Staatsmänner eine erneuerte Auf-
sorderung, den veidächtigen Verbündeten jen-
seits des Canals init Vorsicht zu überwachcn.
Sie führte ferner einen kaum verhüllten Bruch
mit Spanien herbei, und entsremdet auf dicse
Weise Napollon lll. um ein Weites von der
Berwirklichung seinesLieblingsplanes derOber-
herrschaft über die romanischen Bölker. Eine
sehr schlimme Wirkung äzißerten zugleich die
Mißersolge der merikanischen Angelegenheit
auf die öffentliche Meinung im Jnnern Frank-
reichs. Diesen üblen Folgcn vvrzubeugen,
HStie es nur ein Mitlel gegeben, nämlich ein
rascher und glänzender militärischer Erfolg.
Aber hieraus mußte die Ungeduld der großen
Ration das ganze Jahr vergebens warten,
und scheint auch noch länger darauf warten
zu müffen. (Die unlängst mitgetheilte Nach-
richt von der Einnahme der Hauptstadt Meriko
ist offenbar ein falsches, vielleicht absichtlich
ausgesprengtes Gerücht.)

. Dir französische Regierung, verblendet durch
die Vorspiegelungen ei'ner klcinen merikani-
schen Partei, hatte die Widerstandsfähigkeit
ihrer Gegner weit unterschätzt, und nament-
lich die Schwierigkeiicn, welche die Natur des
LandeS jedem Angriff nach Außen entgegen-
stellt, außer Acht gelaffen. Sie hatte stch
einreden laffen, die Hauptstädte deS Landes
würden durch den Einfluß der angeblich vor-
handenen mvnarchischcn Partei sich von sclbst
erhcben, die Franzosen als Besreier mit offe-
nen Armen aufnehmen, und daS Ganze blos
ein reizcndcS Abenteuer, eine militärische Pro-
menade durch hr'inmlische Gegenden sein.

Deßhalb unterließ man eS auch, Belage-
rungsgeschütze, Zug- und Lastthiere und der-
gleichen Erfordcrniffe mitzuuehmen. Aber cS
tst Alles anders gekommen, als man es erwar-
tetc. Die erwartete Erhcbung zu Gunsten der
Jnvasion blieb auS und es hatte diese fran-
zösische Unternehmung sogär die Wirkung, daß
dle Merikaner dadurch mchr als zuvor ge<

einigt und gekräftigt, und das Regiment des
Juarez befestigt wurde. Zngleich stellten sich
bei den Franzosen verheerende Krankheiten,
namentlich das schreckliche gelbc Fieber, ein,
welchcs einen großen Theil der Mannschaft
uud fast alle Aerzte hinwegrafftc. Zugleich
wurden die Schwierigkeiten der Provianlirung,
je weiter sich das Armeecorps von der Küste
entsernte, gesteigert, ebenso die Gefahr, nach
und nach völlig aufgcrieben zu werden. Um
das Unglück voll zu machen, erlitten die Fran-
zosen bei einem unbesonnenen Angriff auf die
Stadt Puebla eine völlige Niederlage. Die
Regierung mußte, um die Ehre der Waffen
zu retten, öffentlich eingestehen, daß ste stch
über die Natur des KämpfeS getäuscht, und
daß die tapfern Soldaten den Umständen er-
legen seien, die man vorher nicht berechnet
habe, Trotz sofort nachgeschickter bedeutender
Verstärkungen haben abcr die Franzosen bi'S
jetzt immer noch m'cht Puebla, geschweige denn
Merlko genommen. Nach den Angaben der '
(französischen) Regierung selbst, die sicher nicht
zu hoch gcgriffen sind, hattc dieser kostspielige
und rnhmlose Krieg schon gegen Enbe des
vvrigen Jahres über 80 Millionen Franks
verschlungen. Eine Hauptschwierigkeit, womit
dic Armee zu kämpfen hat, besteht, wie oben
schon crwähnt, in der Verproviantirung und
den TranSportmittelni je mehr nun das Er-
peditionscorps verstärkt wird, um so größer
werden auch die Schwierigkciten. Aber selbst
mii dem Einzuge in Meriko werden allem
Anscheine nach neue, jetzt noch kaum überseh-
bare Schwierigkciten und Kämpfe beginnen:
Sicher wird der Befiß der Hauptstadt für daS
Ende des Krieges nicht von entscheidendem
Erfolge sein. Sollte aber biS Monat Mai
d. I. ni'cht einmal dieses Ergebniß crreicht
werden, so wird die Armee wegen der als-
dann beginnenden und bis September fort-
währenden Regenzeit in eine viel unangeneh-
mere Lage kominen, als selbst nach der Nie-
d^rlage von Puebla. Dic Wege werden dann
unbrauchbar, der Verkehr ist gehemmt, und
alle größere militärische Unternehmungen sind
unmöglich. — Daß die französische Politik
große Lust zeigte, aus diesem Sumpfe, in den
sie sich in Meriko vcrfahren hat, an ber Hand
der neuemporlauchenden polnischen Frage sich
herauszuziehen, war leicht begreiflich. Nur
hat sie in Bezug auf Letztere bis jetzt eben-
salls ein ihren Absichten nicht besonbers gün-
stigeS Terrain gefunden, wrßhalb der neuer.
lich in ben öffentlichen Blättern (zuerst in der
Köln. Zeitung) enihaltene Schreckschuß über

das angeblich an Rußland gestellte Ansinnen
der völligen Emancipation PolenS so gut seine
Wirkung verliercn wird, odcr bereits verlo-
ren hat, wie jene r'rrige oder verfrühte Nach-
richt von der (vcrmeintlicheii) Einnahme
Meriko'S.

* Politische Umfchau.

Seitens des preuß. Kriegsministeriums sol-
len mit den Lieferanten, wclche Lieferungen
für die verschiedenen Truppentheile der Pro-
vinz Poscn übernommen haben, die Contracte
verlängert worden sein. Hiernach scheint man
also auf eine baldige Wiederherstellung der
Ruhe und Ordnung im Königreich Polen nicht
zu rechncn.

Auf Grund des von dem Minister des' Jn-
nern erlasscnen Verbots des in Bern erschei-
nenden „Bund", der „Hamburgcr Reform",
dcr „Süddeutschen Zeitnng" und der „Wochen-
schrift des Nationalvereins" sind jeßt die Post-
anstalten von dem preußischen Handelsministcr
angewiesen wörden, diesc Blätter selbst nicht
untcr Kreuz- oder Streifband zur Bcförderung
zuzulassen.

Alle auswärtigen Blätter, welche das Schrci-
ben des jungen Wielopolski an dcn Prinzen
Napoleon veröffentlichten, sind mit Beschlag
belegt worden.

Die gcgenwärtigen Leiter der englischen Po-
litik, viellcicht von der Ueberzcugung durch-
drungen, daß sie an einem einigen starkeu
Deutschland einen Verbündcten haben sollten,
scheinen es sich zur Aufgabe gemacht zu ha-
ben, alle dentsche Dpnastien zu beleidigen, in-
dem sie nun voüends die griechische Krone
einem dänischen Prinzcn geben und sich ge-
ncigt bezeigen, die alte dänische Frage während
des Honigsmondcs in dänischem Znterrffe zu
lösen. Aber ist es ein Wunder, wenn frcmdc
Völker von Ekel gegen die Verschleppungcn
und Nergeleien eines wlllenlosen BundeStages
erfüllt, durch einen Schnitk durch die Land»
karte den Strcit zu beendigen wünschen und
vermeinen? Sie stellen damit das deutsche
Volk auf vie Probe, ob auch dieses selbst den
Bruch des für uns erniedrigenden Verlrags
von 1852 duldcn will?

Zn Linbau stnd schon wieder Polen einge-
troffen, die, kaum von ter Schweiz in ihr
Vaterland gerclst, auch schon wicder von dort
nach ihrem allen Aufenthalt in verschiedenen
schweizerischen Ortschaften zurückkehren. Jhren
Aeußerungen zufolge ist die Sachc des Auf-
standeS so gut wie verloren.

Eine Wolfsjagd i« vorige» Jahrhuudert.

Zm südlichen Frankrcich, zwischen dcr Rhone und
Garonne, jenem Strome näher alS diescm, ist ein
hochliegender Landstrich, aus welchcm mehrcre Ge-
birgsgruppen, die verschiedene Namcn haben, her-
vorragen. Da wo dic CevenncS im engeren Sinnc
Govaudan heißcn, im Departement der Lozöre
(Languedoc nach dcr alten-Eintheilung) ist dcr
Schauplatz, auf welchcm sich nachstchend crzähltc
Begebenheiten zutrugcn.

Es war im Monat Zuni 1764, als fich die erste
Kunde »erbreitete, daß tn dem Walde von Mercoire
und in der Umgegend von Langognc, ciner kleinen
Stadt in dem Districte Gövaudan ein blutgierigcr
Wolf hause, — cr hatte mchrcre Kinder von dem
Feldc gcraubt,- durchstreifte mehrcre benachbarte
Kirchspiele, erwürgte selbft crwachsenc Menschen,
lagertc sich dann in der Nähe von St. Alban und
setzte da scine Räubereien fort.

Großes Entsetzcn verbreitetc fich allenthalben und
hald kamen die sonderbarsten Gerüchte tn llmlauf.
Leute, welchc das schreckliche Thier ganz nahe ge--

sehen zu haben behaupteten, machten von ihm eine
ganz außerordentlichc Bcschreibung, — sein Brüllcn
sei von dem cines Wolfes ganz vcrschicdcn, auch
paßtc die Schilderung seincr äußeren Erscheinung
s° wcnig zu scincr Benennung, daß Mehrere dcr
Mcinung «aren, es sci eine„Hyäne, welche aus der
Mcnagcrie deL Königs von Sardinien oder von
dcr Meffe von Beaucair cntsprungen sci." Andcre
behauptctcn, es wäre cin Ungeheuer, von einem
Bären und eincr Wölfin erzeugt.

Schon «ehrerc Zagden waren vergeblich auf die-
seö wtlde Thier vcranstaltet worden, — cs war dcr
Verfolgung von 5V Dragoncrn in Begleitung von
1260 Bauern entgangen, — ja man versichcrte so-
gar, daß dassclbe 5 oder 6 mal auf nahe Schuß-
wcite gctrosfen,' aber ntcht verwundct worden wärc.

Mehr brauchtc cS nicht, um die Landleutc zu
überreden, daß es daS Fcuergewehr besprc.chen könnc
und kugelfest wäre, — ja, sollte man es' für mög-
lich halten — einige wollten cs sogar sprechen ge-
hört haben!

Jm November desselben ZahreS lteßen dic Syn-
dict der Diöcesen von Mende und VivierS öffent-
lich bekannt machen, daß etn jeder pon ihnen dem-

jenigen, der das Land von dieser Gcißel befreien
«ürde, eine Belohnung von 206 Franken bewilli-
gcn wolle, und kurze Zeit nachher votirten dic
Stände von Languedoc, welche nur allein dcS Wol-
scS halber zusammcn berusen worden «aren, 2000
Ltvres zu demsclben Zwecke, denn man fühlte die
Nothwendigkcit, den gesunkenen Muth dcr Land-
leute wiedcr anzufeuern.

Die Trostlofigkcit war wirklich aufs Lußerste ge-
stiegen — man sand keine Hirten mehr, die daS
Vieh auf dte Weide trciben wollten, die Bauern
wagtcn sich nur bewaffnct und truppweise auf die
Fcldcr, deren vtele fchlecht, manchc gar nicht mehr
bebaut wurden, die Messen und Märkte warcn fast
»erödet und «icle Handelsvcrbindungen mußten deS-
halb abgebrochen werden.

Jm Februar 1765 erlicß der Btschof von Mende
eincn Befehl zur Anordnung öffentlicker Gebetc
und daS Allerheiligste wurdc wir in Zeiten der
größten Noth in der Hauptkirche auSgcstellt.

Unter den vielen kühnen Anfällen des wüthen-
dc» ThiereS und deren mannhaftcr Abwehr ver-
dicnt ganz besonderS ein Fall mttgetheiltzu werben.

Fünf kletne Knaben auS dem Dorfe Vtllarct —
 
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