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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0353

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* Politische Umscha«.

Di'e „Heff. Landes-Ztg." schreibt aus Gie-
ßen, 9. April: Elgenthümll'che Gernchte über
elncn hochwl'chtigcn Gegenstand dringen in das
Volk, zu deren Berl'chllgung wohl die öffent-
Il'che Verhandlung in den Kammern geboten
wäre, die in früheren Sißungen geheim ge-
führt wurde. Man hört nämlich davon spre-
che», daß in früheren Flnanzperioden Summen,
große Summen, die zur Tilgung bestimmler
HauSschulden verwandl werden mußtcn, ver-
schwunden seien, daß über die Verwendung
neuer Summen, welche zur Schuldentilgüng
von den Kammern bestimmt waren, die stän-
dische Controle von einem incompetenten Land.
tag ausgehobcn worden sei, daß überhaupt in
dieser Richtung unglaubliche Dinge vorgekom-
men sein sollen, welche daS Vertrauen des
LandeS tief-erschüttern müßten, wenn ein sol-
ches zu gewiffen Theilen des Ministeriums
noch besteht. Feste Verträge soüen nicht ge-
halten, eigentliche Staatsgelder zu Cabinets-
geldern gemacht, und vom vorigen Beamten-
landlag vhne gehörige Prüfung und ohne
richtige Berechnung Summen verwilligt und
Schritte der Regierung genehmigt sei», die in
anffallendem Wiberspruch mit früheren Zu-
stchcrungcn stehen. (Die Haftung für den
Jnhalt dieser auffallenden Nachricht bleibt der
„Heff. Landes-Ztg." überlaffen.)

Die Oberstudiendirection in Darmstadt hat
den Lehrern des Landes die Erlanbniß zur
Theilnahme an der Mannheimer deutschen
Lehrerversammlung zu krlheilen geruht.

Nach der „Köln/Ztg." wird der erste Reichs-
rath gegen Mitte Mai einberufen werden. Auch
die Eröffnung des stebenbürgischen Landtags
wird bald stattfinden.

Die „Westphälische Zeitung" berichtet von
einem flachSleinenen „Geburtstagsgeschenk",
welches angeblich Hrn. v. Bismarck von einem
Seilcr in Schwelm mit einem „paffenden"
Begleitschreiben zugeschickt worden ist. Die
„Volksztg." findet die ganze Geschichte im
höchsten Grade unpaffend und unschicklich.

Die Päffe sind für das Jnnere des König-
reichs Pvrtugal abgeschafft; Einheimische, wie
Fremde können fortan aus dem Continente und
den Jnseln ohnc Päffe oder irgend ähnllche
Documente reisen.

Jn Liffabon hat einer zu Gunsten der Polen
stattgcfundenen glänzenden Theatervorstellung
auch der König beigewohnt.

Nach Berichten aus Oberitalien treibt Maz-
zini sich zwischen Lugano und der Lombardei

hernm, um ei'nen der nutzlosen Narrenstreiche,
welche schon so viele vergebliche Opfer gc-
kostet haben, vorzubereiten; dl'e Regl'erung
trifft alle Vorkehrungen, um die Ausführung
der tollen Pläne zu verhindern.

Der „Francc" zufolge hat die königl. Fa-
milie von Dänemark crklärt, daß sie den Thron
von Griechenland nicht ohne Einwilligung deS
Hauses Bapern für den Prinzen Wilhelm an-
nehmen werde. Sie hat gleichzeitig erklärt,
daß der Prinz Wilhelm nicht dcn köoiglichen
Palasti'n Athen, Privatbesitz des Königs Otto,
bcwohnen wcrde, wenn dieser sich nicht ent-
schließen sollte, denselben abzulaffen. Es sind
Unterhandlungcn mit München aygeknüpft
worden.

Zn der Amnestie, welche Rußland verheißen
hat, finden dic englischen liberalen Tagblätter
— allc mit Ausnahme des „Herald" uud
„Standard" — einc ganz unzulängliche Maß-
regel zur Lösung der polnischen Frage. Doch
scheint die „Post" zu hoffen, daß der Kaiser
sechst das Ungenügende seiner Anerbictungen
anerkennen und weitergehende Zugeständniffe
versprechen werde.

Nach alleii Seiten stellt sich der russische
Amnestieact als eine sehr gelungene Taktik des
Cabinets in St. Petersburg dar und man be-
greift den Aerger, den namentlich dic franzö-
sische Preffe fast einstimmig unverholen darübcr
äußert. Die Einen erklären sie für eine per-
fidc Kricgslist, dic Andern suchen sie als höchst
werthlos und unbedeutend barzustellen, und
auch die Sprache des Constitutionncl, der so
verblüfft war, daß er crst nach vier Tggcn
Worte finden konnte, beweist nur, daß die
Amnestie eine Verlcgenheit für Frankreich ist.
Man darf der Fvrtsetzung dieses diplomatischen
Schachspiels mit Spannung entgegensehen,
aber man wird zugleich den Aufstand selbst
und seine Wendungcn ünd Aussichtcn im Auge
behaltcn müffen. Denn in dem Maße, als
der Aufstand sich hält, wird auch die diplo-
matische Action an Nachdruck gewinnen, und
die Lage eine gespanntere werden. Jn diesem
Sinn kann man sagen, daß der Aufstand mehr
der Diplomatie zu Hülfc kvmmt und diese in
ihren Schritten von jenem abhängt, als um-
gekchrt.

Ein Artikel von Limaprac im Constitutivn-
nel untersucht die Frage, welches die Folgen
der russischen Amnestie sein werden. Noch
fließt, sagt er, das Blut in Polen immer fort,
und Europa hat nicht aufgehört, beunruhigt
zu sein. Die Amnestie ist ein Beweis für die
edeln Gefühle des Kaisers Alerander; sie ist

der erste Schritt auf dem Wetz, welchcn die
Großmächtc Rußland frcundschaftlich anriethen,
um eine Politik zu befolgen, welche die Ruhe
Rußlands und den Fricden Europas verbürge.
Die Amnestic ist noch nicht die Lösung, aber
sie gewährt die Hoffnung der Lösung.

Deutfchland

Karlsruhe, 16. April. Oberarzt vr. Deimling vom
(1.) Letbgrenadterregimenl wurde zum 5. Znf. - Regiment
versetzt; der praktische Arzt Schrickel dahter wird zum Obcr-
arzt beim (1.) Letbgrenadterregtment und der praktische
Arzt Htldebrandt tn Odenhetm zum Oberarzt betm 5. Jn-
fanterteregiment ernanut.

Karlsruhe, 14. April. Jn der gestrigen
Wochenversammlung des hiestgen Arbciterbil-
dungsvereins kam die brennende Frage, welche
gegenwärtig den deutschen Arbeiterstand, und
keincswegs ihn allein bewegt, zum Austrag,
die Frage, vb die Arbeiter fortfahren sollen,
ihr Heil in erhöhter Bilbung und Gesittung,
in freier Selbsthilfe zu suchen, oder ob sie
beffer thäten, diesc Dinge als übcrwundenen
Standpunkt bei Seite zu laffen und nach dem
allgemeinen Stimmrecht zu streben, um mit
deffen Hilfe mit der Zeit in Nationalwerk-
stälten zu Staatspenflonären zu werden; mit
einem Wort, ob sie sich für Schulze-Delitzsch
oder für Dr. Laffalle cntschel'ven sollen. Der
Borsitzende, Hcrr Dr. Nestler, eröffnete die
Vcrsammlung mit einer kurzen, scharfcn Cha-
rakteristik der Bestrebungen Laffalle's, deren
Ziel nicht etwa mora-lische und matcrielle He-
bung des Arbeiterstandes, als vielmehr Aus-
nutzung desselbcn zu Zwecken demagogischcn
Ehrgeizcs sei, und fordcrte die Versammelten
schließlich auf, nunmehr zu wählcn zwischen
Schulze-Delißsch und Laffalle. Nachbem hier-
auf Herr Dr. Busch mit Hinweis auf die
Satzungeü bes Vereiiis zu festem Ausharren
bei vem bisher verfolgten Ziele ermahnt hatte,
erhiclt einer der anwescnden Arbeiter, Herr
Dittmann, das Wort, und erklärtc sich dahin,
daß der Arbeiterstand zwar nicht auf polr'tischc
Bildung verzichten solle, indcm er auch in
dieser Hinsicht nach immer größerer Selbst-
ständigkeit und Reife streben müßte, daß er
dieselbe jedoch keineswegs auf dcm von Dr.
Laffalle vorgeschlagenen Wege zu suchen habe,
sie vielmehr nur durch consequente Verfolgung
der bisher von den Arbeiterbildungsvereinen
angestrebten Ziele finden können werde. Zn
demselben Sinn sprach sich ein zweiter, gleich-
falls dem Arbeiterstanre angehöriger Redner,
Hr. Stürz, aus. Bci der hierauf erfolgten
Abstimmung enlschied sich die Versammlung

Iohanu Phttihp Palm.

Untcr ben Opsern, die Napoleon der Bcfestigung
und AuSbrcitung seiner Herrschaft sallen laffen zu
müffen glaubte, war Palm gewiß eines der un-
schuldigstcn; allcin geradc deshalb, und das be-
zweckte man wohl hauptsächlich, war die moraliscke
Wirkung, welche scin Tod hcrvorbrachtc, außeror-
dentlich. Dcnn wer durftc ks noch wagen, für
Dcutschlands Freiheit zu reden oder zu handcln,
wenn ein Manu das Leben verliercn mußte, der
«cder Las Eine noch das Andcrc gethan, sondern
blvs, ohne es zu wiffen, und rrur vermöge seiner
Stellung aS Buchhandler, zur Verbreitung einer
Schrift beigctragen hatte, welche allerbings geeig-
net war, die D-utsch-n aufzuschrecken und zu er-
manuen, der ihnen, wie.cinst von Rom, sctzt von
Frankreich hcr drohenden Gcfahr der schmachvoll-
stzn Knechtschaft sich kühn cntgcgenzustellen. Wäre
daher der Name Palm's ohne scin trauriges Ende
wahrscheinlich wre der Tausend Anderer dcr Ver-
geffenheit anheimgcfallen, so verdtent er doch ge-
wiß jetzt derselben und zwar um so mehr entrtffen

zu werden, da sich an thn dic Erinnerung cincr
Zeit knüpft, die für Dentschland zwar »iederschla-
gend, aber geradc dcshalb auch merkwürdrg ist,
weil sie in die Erniedrigung zugleich den Keim
legte zn so vielem Herrlichen, welches eine spätere
Zctt gcbar. Palm wurde im Jahre 1766 zu Schon-
dorf im Würtembergischen geboren. Jnnerc Nei-
gung trieb ihn zur Erlernung des Buchhandels,
uizd diese fand Nnterstützung und Lcitung bci des
Knabcn Ohcim, dem Buchhändler Johann Zacob
Palm in Erlangen. Nach überstandenen Lehrjah-
ren trat Palm, um seine Kcrintniffe zu erweitern
und von mehreren Seiten empfohlen, zuerst als
Diener in die Andreä'sche Buchhandlung zu Frank-
furt am Matn, vertauschte dicse dann mit der Van-
dcnhöck'schen in Göttingen und kehrte darauf mit
dcn Zeugniffcn der Gcschäftserfahrcnhcit und großer
Rechtlichkeit zu seinem Oheime nach Erlangen zu-
rück. Doch bald sollte cr dtesen wieder verlassen.
Er lernte in Nürnbcrg die Tochter des Buchhänd-
lcrs Stcin kennen, und cs gelang ihm, ihr Herz !
und ihre Hand zu gcwinnen, wodurch er zuglcich !
in den Befitz der Stein'schen Buchhandlung kam, s
dic er mit Thätigkcit fortführte, ohne die bishe- '

rige Firma zu verändern. Obgleich seine Vermö-
gensumstände ntcht glänzcnd, viclmehr bcschränkt
waren, fühlte cr sich doch glücklich im Kretse sciner
Familie, die durch sechs Kinder nach und nack vcr-
mehrt worden war, von denen etn SohnjetztBuch-
HLndlcr in München ist; doch auf schrcckliche Wcisc
wurde «r diesem eiitriffen. Das Iahr1806 crschien.
Napoleon's stolzc Schaarcn ruhten auf deutschem
Boden von den Anstrengungen deS vorjährigen Feld-
zuges gcgen Oestcrrcich aus, eine Ruhe, dic Na-
polcon ihncn um so lieber^gönnte, da fle ihm nichts
kostete, indem die Besiegten und Verbünveten die
Last derfclben tragen mußien, und er wohl über-
dies den bcvorstehendcn Krieg mit Preußen vorauS-
fah. Da crschim im Frühlinge dc« genannten
Iahrcs, man wctß nicht wo und von «em, — einige
nennen dcn Frcihcrrn von Gentz als Berfaffer, —
eine Flugschrift unter dcm Titcl: „Deutschland in
seincr ticfsten Erniedrigung." Dte Stcin'sche Buch-
handlung erhielt sic als Speditionsartikel und ver-
sandtc fle als solchen an den Factor der Stagc'schcn
Buchhandlung, Jenisch, rn Augsburg. Von diesem
wurde sie einem dafigen Geistlichcn zugcsendet, der
fie unvorfichtigcrweise rrnigen deutsch verstehenden
 
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