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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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bis zu 25 Gulden erkannt werden. Gäste,
welche nach der Poliznstunde anf Mahnung
des Wirthes, sei'nes Stellvertretkrs oder deS
Polizeipersonals sich nicht kntfernen, unter-
liegen ei'ner Geldstrafe bis.zu 3 Guldcn. Se itz
stellt den Antrag, diesen Paragraphcn zu strei-
chen und also die sog. Polizeistunde aufzu-
heben. Er spreche nicht als 6ieero pro llomo,
denn als Mitglied von geschloffenen Gescll-
schaften genire ihn die Polizcistundc nicht;
aber cr finde in der bisherigen Bestimmung
eine Verletzung der persönlichen Fceiheit des
Einzelnen. Redner sucht darznthun, daß die
Befiirchtungen grundlos scien, die man ihm
entgegenhaltcn wcrdc; dic Polizeistunde sei
nicht das rechte Mi'ttel, die besürchteten Miß-
stände zu beseitigen u. s. w. Fingado er-
klärt sich gegen diesen Antrag, die öffentliche
Ruhe und Sicherheit wcrde durch die Auf-
hebung gefährdet. Allmang ist auch dagegen,
will aber die Wirthe nicht gestraft haben,
wenn sie darthun können, daß sic dic Gäste
zum Fortgehen gemahnt und ihncn keinc Ge-
tränke mehr verabrcicht haben. Er stellt darauf
einen von Federer unterstützten Antrag.
Staatsrath Lamey: Wenn der Wirth bies
thne, so „dulde" er die Gästc nicht und dann
sei er gerechtfcrtigt und straffrei. UebrigenS
jei cr für Herstellung des RegierungsentwurfS
im lctzten Absatze (die Commisston hatte näm-
lich die Worte „des Wirthes, sei'nes Stellver-
iretcrs oder" gestrichen). Er sei allerdings
kein großer Gegnkk dcs Aufhkbens dcr Poli-
zkistiindc, allein eS schiinc ihm dazu die Zeit
noch nicht gekommen zu sein, namenilich auf
Landorten, wo die Polizei mangclhaft sei.
Pa ravicini unterstützt den Antrag des Abg.
Seitz. Beck: Die Feierabendstunde sei nicht
wegen den ruhigen, svndern wegen den un-
ruhigen Leuten da. Seit daS deutschc Volk
cin gestttctcs zu werden angefangen, habe es
eine Feierabendstunde gegeben (Heiterkeit).
Wenn man die Feicrabkiidstunde aushebe, so
müffc man auch die vielen Stiftungen für das
Läuten der Feicrabendglocke aufhcben (Heiter-
keii). Aber nicht Ruhc und Unruhe seicn die
Ursache dcr Polizeistunde, sondern ihr Grund
liegc in dem, was schon dcr ältcstc Geschichts-
schrkiber TacituS von den Deutschen schrieb,
daß sie nämlich viel Neigung znm Trunke und
Spiel hätten (Heiterkeit); dieser Neigung müffe
nian ein Ziel setzen. Er stelle den Antrag
auf Wiederherstellung des Regierungsentwurfs.
Dieser Antrag wird uuterstiitzt. Aklmang
zieht seinen Antrag zurück, Frick und Moll
unterstützen den Antrag des Abg. Seitz, wäh-
rend Hauß, Wenzler, Heidenreich und
Gschrey sich dagegen erklären. Seitz er<
wiedert Beck, daß die alte Germanenzeit nicht
mehr maßgebend und die Feierabendglocke könne
man nach wie vor immer läuten, so lange
man wvlle, daher dic Ski'stungen auch erhalken
(Hoterkeit). Staatsrath Lamey: Die Re-
gicrung beabstchtigt durchaus nichk, die Selbst-
bcfiimoiung mehr als nöthig zu beschränken;
es ist die Rücksicht aus die nicht ins Wirths-
haus Gchenden, aus dic große Mcnge der
Bevölkerung daS kntscheideudk Motiv der Be-
stl'mmung. Es ist aber die Fragc, ob nach
Aushebung der Fcicrabendstunde nicht die Ruhe
dcr Bürger so gcstört wird, daß ste förmlich
schutzlos dieser Störung gegenüber stnd. Jm
Allgkmeinen wird die Aushebung der Polizei-
stunde keine großen Folgcn haben, namentlich
in Städten nicht, auch auf dem Lande wird
stch der regelmäßige Zufland bald wieder ein-
stellen; allein es wird vvrkommen, daß hie
und da eine Geseüschaft lange zusammen bleibt,
und so die Polizei nöthigt, auch auf den Bei-
nen zu bleiben. Wcnn stch dieser Zustand so
häufig zeigen solltc, daß der Aufwand der
Polizei dem gegenüber zu groß werden sollte,
so sei die Fcierabendstunde durchaus geboten.
Am rathsamsten sei etwa der Mittelweg, die
Polizeistunde hinauszurücken. Wenn die Re-
gierung später die, die Polizeistundc einfüh-
rrnde Verordnung aushebt, so ist damit diese
Stunde selbst aufgehoben. Federer zvird
nur dann für die Pvlizeifiunde stimmcn, wenn
sie für Alle gleich eingesührt ist. Gschrep
ist vom praktischcn Standpunkte aus für Bei-
behaltung der Polizeistnnde, abkr für Gleich-
stellung von Stadt und Land. Walli: Er

habe Anfangs den Vermittlnngs-Antrag in der
Cowmisston gestellt, den OrtSpolizeibehörden
dic Frage anheimzustellen; später habe er sich
der Majorität angeschloffen, und sei bisher
uicht anderer Mci'nung qeworden. Eine Rechts-
gleichheit beziiglich der Polizeivorschriftrn sei
in dcm verlangten Sinnc nicht möglich, da
verschiedene Verhältnisse verschiedene Normen
erfordcrn. Redner vertheidigl den Cvmmissions-
antrag. Schaaff glaubt, die öffentliche Mci-
nung habe stch, selbst in der Presse, für die
Beibehaltung der Polizeistunde auSgesprochen,
und diese werde daher im Sinne des Volkes
sein; dagegen sollte allgemeiu dieselbe um 11
Uhr festgesetzt werden, dann könne man spä-
ter noch weiter gehen. Allmang hat die
feste Ueberzeugung, daß die Aufhebung die
allernachtheiligsten Fvlgen habe werde. . Es
sprach noch Frick, Krausmann, sowie
Schaasf, Staatsrath Lamey und Bericht-
erstatter Eckhard. Dieser wendet stch gegen
die erhobenen Einwürfe, namentllch gegen den
Abg. Bcck, der sogar eine „Geschichte dcr
Polizeistunde" gcgeben habe. Es sei der Bor-
wurf gefallen, der Deutschc liebe es, zu trinken,
aber der dafür angerufene Tacitus gebc keine
bestimmte Zeit an, es wurde am Tage ebenso
gut wie bei Nacht getrunken. Unter den An-
hängern der Polizeistunde aber scien gar Manche,
mit denen er selbst schou lange über die Po-
lizeistunde hinaus zusammengeseffen habe. WaS
ihn gegcn die Polizeistunde bestimme, seien die
vielen Willkürll'chkeiten; die vielen Ausnahmen
haben die Regel längst durchlöchert. Man kann
in Städten eS jeden Tag sehen, daß um 11
Uhr dcr Nachtscandal erst recht los geht, statt
daß Ruhe eintreten sollte, und wer Scandal
inachen will, weiß, daß er um diesc Zeit am
meisten Gelegenheit sindet» Die angeführle
Meinung des Volkes gegen die Polizeistunde
ist die Meinung der Wirthe. Man überlaffe
die ganze Frage der Sclbstbestimmung des
Volkcs; in andern Staatcn besteht ste auch
nicht, und doch ist dadurch die Sittlichkeit bort
nicht gcsuukcn. Bei dcr hierauf svlgenden
Abstinimung wird der Antrag von Seitz auf
Strich des 8. 52 ahgelehnt, und der Antrag
des Abg. Beck auf Wiedcrherstellung dcs Re-
gierungsentwurfs angenommeu. §. 53. „Pcr-
sonen, welche gegen ortspolizeiliches Verbot
nach der Polizcistunde in Gesellschaft in den
Straßen herumzichen, werden an Geld bis
zu 3 Gulden gestraft", wird nach dem Com-
missionsantcag gestrichen. §. 54. „Wcr ohne-
polizeiltche Erlaubniß anf öffentlichen Slraßen
oder Plätzen eine Nachtmusik veranstaltct oder
ausführt, wird an Geld biS zu 10 Gulben
beflraft", angeiiouilneii, mit Vcrwerfung des
den Strich beanlragcndkn, vom Abg. Mvll
unterstützten Antrags desAbg. Artaria, und
eines Antrages des Abg, Fingado, der statt
Erlaubniß „Anzcige" gesctzt wiffen will. Baer
erhält nachträglich einen mehrtägigen Urlaub.
Schluß der Sitznng.

— A«s Baden, 24. April. DaS in den
badischen Blättern schon wieberholt besprochene
Zusammentretcn von Mitgliedern der beidcr-
seitigcn Kirchknbehörden zu einer Conferenz
mit dem Oberschulrathe in Sachen der Schul-
rcform ist zwar an stch nichts Auffallendes,
daS zu besvnderen Untkrstilliingcn berechtigen
könnt«, denn es entspricht dem §. 4 der lan-
desherrlichen Vcrordnung vvm 12. August v.
I., wonach Vertreter der beiden Kirchenbehör-
den zu den Berathungen des Oberschulraths
beigezogen werdcn können, wenn es sich um
Fragen dcs religiösen Unterrichts und deffen
Verbindung mit dem Lchrplan handelt. Aber
das muß wohl unsere Aufmerksamkeit u. unscr
Nachdenkcn beschäftigen, daß zum Vertreter
des cv. Oberkirchenraths ein noch unler dem
alten Regi'me bcrufener Verfechtcr der strenge-
rcn Orthodorie ausgewählt wurdc, und daß
ebenso der Vcrtreter der kath. Kirchenbehörde
ein Anhänger entschieden ultramontaner Grund-
sätze ist. Wir halten die Wahl dieser Män-
ner durchaus nicht für geeignet zu einem frucht-
bringenden Zusammenwirkcn mit ber obersten
»Schulbehörde, und es scheint beinahe, als vb
man es auf einc ki'rchli'che Opposttion gegcn
die muthmvßliche Richtung der Schulreform
abgksehen habe, um für dcn kirchlichen Ein-
fluß auf die Schulen sv viel zu retten, alS

unter den jetzigen Zeitverhältniffen noch mög-
lich ist. Auch die in neuester Zeit vom KarlSr.
Anz. und andern Blättern gcgebene Verstche-
rung, daß man von Seitcn des Oberschulraths
mit den ihm zugesandten zwei Vertretern der
Kirchenbehörden ganz zufrieden sei, kann uns
in unserem Urtheile nicht irre macheu. WaS
aber dic ungleichartigen Elemente in dem ev.
Obetkirchenrathe bctrifft, so dünkt es uns eine
zu weilgehende Libcralität zu sein, daß in einer,
einc neuc Aera eröffnenden Behörde ein An-
hänger des verabschicdeten SystemS beibehal-
ten wurde, der, wie kenntnißreich er auch sonst
sein mag, doch an dem vorwärtS rollende»
Wagen nur die Rolle eines HemmschuhS spie-
len kann.

Darrnstadl, 22. Apr. Nach der „Hessi-
schen Landesztg." lauten die von der zweiten
Kammer in der vorgestrigen geheimen Sitzung
gcfaßten Beschlüffe folgendermaßen: Die Kam-
mer bcschließt: 1) Se. k. Hohcit den Groß-
herzog mit Rückstcht auf die seit Bewilligung
der Civilliste von 581,000 fl. eingekretene Er-
leichterung derselben durch Wegfall einer Reihe
von Lasten, Ausgaben und Penstonen, sowie
auf daS inzwi'schen vom Lande verwilligte ge-
ring perzinsliche Anlehen von 1,100,000 fl.
und die Zulage von jährlich 50,000 fl., um
allergnädigstcn freiwilligen Vcrzicht aus einen
angemessenen Theil der Civilliste unterthänigst
zu ersuchen; — 2) Se. k. Hoh. ben Groß«
herzog zu ersuchen, cntweder die vertrags-
mäßigen Bestimmungen ber Uebereinkuilft von
1855 vollständig, also namentlich auch bezüg»
lich der Bestellung und Verpflichtung einer
Zntendanz und bezüglich Ausübung aller in-
structionsmäßigen Rechtc derselben wieder her-
stellen unb in thatsächlichc Wirkfamkeit treten
zu laffen, beziehungsweise statt der ohnebies
zu wenig ficherndcn Jntendanz eiuc anbere
Sicherhcit gegen ähnliche Vorkommniffe und
sür getreue Vcrtragserfüllung mit den Stän«
den des Großherzogthums zu vereinbaren, oder
sofort, nach den Bestiinmungen der Verein-
barung des Jahres 1855 §. 6, „dic Rück-
zahlung des DarlchenS an dic großherzogliche
Staatsschiilden-Tilguiigskaffc anzuordncn"; —
3) das tiefste Bedauern übcr die in dieser
Angelegcnheit eingehaltenc Verfahrungsweise
der HH. Minister Frhr. v. Dalwigk u. Frhr.
v. Schenck aiiszusprccheii und dem Lande alle
aus dcr ferneren Entwickelung der Sache etwa
crwachscnden Schadenersatzansprüche u. seine
sonstigen Rechtszuständigkeiten vorerst vorzu-
behalten.

Mainz, 26. April. Warburg verbleibt
nunmchr dennvch in seiner Haft. Die An-
klagekammer des Obergerichtshofes hat die
Opposition des Staatsprocurators am Be-
zirksgerichte gegen den Rathskammerbeschluß,
welcher dic provisorische Freilaffung von War-
burg gegen Caution verfügte, für begründek
crklärt und das Frkilaffuiigsgesuch verworfcn.

Wien, 26. April. Einer Mittheilung der
„Gen.-Corr." zufolge ist eine Entschließung
des Kaisers wegen Einberufung dcs steben-
bürgischen Landtags bereits herabgelangt. Die
Einberufung nach Hermannstadt ist für den
1. Juli bevorstehend.

Oesterretchische Monarchie.

Hermannstadt» 23. April. Die vom
Rumäncn-Cvugreß crnaniite Commissto» hat
zwölf Beschwerden im Allgemeincn formulirt,
barunter: Ünäbhängigkeit Siebenbürgens von
allen Mitprvvinzen und Reincorporirung der
ohne Zustimmung SiebenbürgenS losgetrennten
Partcs, neue Eintheilung siebcnbürgens auf
topographisch-nationaler Grundlagc zur Er-
leichterung der politischen»und Zustizverwalung,
ein eluzigcs Ober-Landesgericht und Rechis-
sprcchung im Namen Sr. Majestät, gedechterc
Berückstchtigung bei Befctznng dcr ersten Acm-
ter, Theilnahme an den Einkünftcn der Sicben-
richter-Güter, Errichtung einer paritätischen
Universttät und eineS Hypothekar-Crcdit-Zn-
stituts für das Landvolk u. s. w. Die mit
Ucbcrrcichung der Dankadreffe an den Kaifer
beauftragte Deputation soll am 2. Mai in
Wien eintreffen. Mit stürmischen Hochrusen
auf Se. Maj. den Kaiser ward hieranf der
Congreß gefchloffen.
 
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