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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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Mittwoch, 1«. Zttni

IuserttouSgebühren für die Sspalttge Pettt-
zeile werden mit 3 kr. berechnec.

18«3.

* Polttische Umschau.

Nach dcr »Berl. Allg. Ztg." sind sämmtliche
Mitglieder der kurhessischen Kammer durch
Namensunterschrift dem deutschen Abgeordneten-
tage beigetreten.

„Daily Ncws" berichtet über Staatsstreich
Nr. 1 des Königs von Preußen. Durch ein
drakonisches Edict sei die Preßfreiheit ver-
nichtet; die Gründe dafür seien dieselben, die
Polignac 1830 vorgebracht habe. Den Preußen
ständen nur zwei Wege offen: ste könnten, da
Gesetz und Verfaffung verletzt worden, die
Steuern verweigern oder sich beschwerend an
den Bund wenden; der preußische Gesandte,
der über Kurheffen und Dänemark zu Gcricht
gcscffcn, würde dann ein saures Gesicht schnei-
den. Da Druck nie auf halbem Wege stehcn
bleibe, so werde er wohl in Preußcn bald
cinen Punkt erreichen, wo die Großmächte wie
in Polen einschreiten müßten; bei dem ersten
crnsten Worte würden die Zunker dann ihre
altgewohntc Feigheit zcigen; Preußen, durch
Gewalt und Trug gejchaffen, wcrde in dersel-
ben Weise untergehen, wenn es mit Verken-
nung der Anfangsgrünve der Regierungskunst
beherrscht werde.

Wie wir hören, hat heute die „Berliner
Börsenzeitung" eine erste und bie „Bcrliner
Reform" eine zweite Verwarnung erhalten
und wird wohl das Verbot der letzteren nicht
lange auf sich warten laffeu.

Die Wiener „Preffe" äußert sich nachdrück-
lich über die Berliner Octropirungen. L>je
sagt u. Ä.: Wem die abermalige Schließung
der Kammern in Preußen, ohne daß das Bud-
get versaffungsmäßig erledigt wurbc, nicht
Staatsstreich genug war; wcr in unb außer
Preußen noch daran zweifelte, baß in diefem
Lanbc das Verfaffungsrecht mit Füßen gelre-
te» ist, dem dürfte die gestern im Berliner
„Staatsanzeiger" erschienene, die gesetzlich ge-
regeltc Preßfrelheit vernichtende köuigl. Ordon-
nanz über bcn in Preußen eingetretencn Zu-
stand nun doch vollenbS die Augen geöffnet
haben.... Was bei diefem heutzutage kaum
mehr für möglich gehaltencu Vorgehen die
öffentliche Meiuung in gauz Europa am mei-
sten empören muß, baö ist die LegalitätS-
Heuchelei, mit der dies Alles inS Werk gesetzt
wird. Das Ministerium Bismarck kann noch
Zeit haben, den Verfaffungsuinsturz biS zu
seinen letzten Conscqueiijen zu führen, die
Schlußcatastrophe wirb Preußen dann nur um
so schwerer lreffen. Zcnen Männcrn aber,
welche seit Jahren in Leutschland bie Lehre

von der allein selig und einig machenden pren-
ßischen Spitze predigen, und die noch vor
Kurzem angcsichts des Ministeriums Bismarck
in Frankfurt ihr tiefes Bedaucrn darüber auS-
sprachen, daß dic militärische und diplomatische
Oberleitung DeutschlandS noch immer nicht
in die Hände Preußens gelegt ist, jenen Män-
nern möchten wir antworten, daß Deutschland
allen Grund hat, sich glücklich zu preisen, noch
nicht unter der preußischcn Hegemonie zu
stehen. Wäre dieseS Programm heute verwirk-
licht, so würde nothwendig Deutschland die
Krise, welche Preußen erniedrigt, mitmachen
müffen. Die militärische und diplomatische
Oberleitung Preußens würdc Dcutschland zum
Mitschuldigen der Conveution vom 8. Februar
machen und hineinziehcn in die Allianz mit
seinem schlimmsten Feindc, mit Rußland. Ein
wahreS Glück ist es für Deutschlanb, vvn
solchen Heimsuchungen verschont geblicben zu
sein, uud aus den heuligen Vorgängen rn
Preußen die Lehre ziehen zu können, daß vor-
derhand wohl für,lange Zeit nicht mehr die
Rede sein kann, cinem Staate, in welchcm
mit dem Verfaffungsrechte in solcher Weise
umgesprungen wird, und der seine eigenen
militärischen und diplomatijchcn Angelegenhei-
ten so schlecht bestellt, die Oberlcitung der
Geschicke Deutschlands anzüvertraucn.

„Dailp Tel." sagt, in mittelälterliche Zdeen
befangen, seine Zeit verkenncnd und von schlech-
tcn Rathgebern verführt, trcibt der König von
Preußen dcn Wagen des Absolutismns über
jcdes populärc Hinderniß wie über Steinge-
rölle weg; uachdem er die Kammer und die
Presse abgethan, ist von der Verfaffung nichts
mehr übrig; cs wird sich nun zeigen, aus wel-
chem Stoff die Preußen gemacht stnd und ob
sie ihre» Bismarcken gchorchen müffen odcr
sie conlroliren können.

Das Lagcr von Chalons ist 'am 31. v. M.
eröffnet wordcn; es besteht aus drei Jnfan-
teriedivisioncn, jede auS 4 Regimeiitern.

Jm cnglischen Unterhaus wurde ein Anlrag,
die Bicrhäuser am Svnntag zu schließen, mit
großer Mehrheit verworfen.

Rach der Wiener „Presse" sind die für die
Jnsurrcction nachtheiligen Berichte aus Vol-
hpnien und Pvdolien, welche von Lemberg auS
verbreitet wurden, falsch und stammen von
einer russtschen Agentur.

Wie die „France" aus Amerika meldet,
habe General BankS, welcher den Oberbefehl
i» New-Orleans hat, sich einer Quantität von
mehr als 2 Miüionen Ballen Baumwolle be-
mächtigt, deren baldige in Europa erwar-

An demselben Tage, an welchem die sterblichen
Ueberrcste der hochverehrtcn und besonbcrs von dcn
Nothleidendm bctrauerten Gcmahtin Lamartine'S
in aller Stillc nach St. Point (das Schioß Lamar-
tine's bei Macon) gebracht «urdcn, wo sic neben
dem Sargc ihrer Tochter beigesctzt worden find,
bewegte fich in PariS ein giänzender Leichenzug
nach d-m Kirchhofe von Montmartre, den Schlutz-
act ciner Gcschichtc biidcnd, weichc ais Beitrag
zur Charakteristik der Pariser „Haibweit" trotz alle-
dem crwähnt zu wcrdcn verdient. Madamc de K.
iebte auf einem großen Fuß, sie besaß ein eigcncs
Hotci, ftattiiche Hguipagcn, sie war jung und von
seitener Schönheit, und wenn sic crzähtte, daß sic
dic geschiedenc Frau eines oornehmen EngiändcrS
sei und sich früher in höhcren Kreisen bewpgt habe,
so konnte man ihr Giauben schcnken, denn sie zeich-
nete fich in der That vor den meisten „Unterhai-
tencn" durch Fcinheit des BcnchmenS und durch
Sinn für geistreiche Unterhaitung aus. Vor eini-
gen Monaten hatte sie die Bekanntschaft eineS jun-
gen ManneS gemacht, in weichen fic fich iciden-
schaftiich veriiebte, und eine wahre Vcrzweiflung

tete Ankunst eine wenigstens theilweise Auf-
nahme der Arbeit in den Distrikten der Baum-
wollen-Zndustrie möglich machen wird.

Deutschland

Karlsruhe, 6. Juni. (98. öffentl. Sitznng
der 1l. Kammer.) Vorsttz: Hildcbrandt. Am
Regierungstische: Staatsministrr Dr. Stabel
und Staatsrath Dr. Lamep. Das Secreta-
riat zeigt den Eingang einer Petition aus
Meersburg und andern Orten an, Straßen
betr. Häußer betritt die Rednerbühne, um
seine Motion, die Verantwvrtlichkeit der Mi-
nister betr., zu begründen. Er entschuldigt den
Umstand, daß er jetzt noch diesen Gegenstanv
vor das Haus bringe, mit der Wichtigkeit der
Sache selbst. Sie sei in der Kammer schou
reiflich erwogen worden und die gegenwärtige
Lage des Landes, sowie daS Verhältniß der
Regierung zur Volksvertrctung sei geeignet,
auf gcgenseitiges Entgegenkommen zu rechiien
und 'dcr Rcgieruug den Anstoß zur Vorlage
eines Ministerverantwortlichkeitsgesetzes we-
nigstens sür uächsten Landtag zu geben. Schon
44 Zahre harre man ber Erledigung dieier
Angelegenheit. Die vielcn Vorarbeilen sr-
leichterten die heutigc allgcmeine Begründung
dcr Motion und er constatirc frcudig, daß der
Grundsatz selbst, um den es sich handle, nie-
mals von der Regicrung angefochlen worden
sci. Rebner begründet die Motion im Allge-
rneinen von dem Grundsatze aus, daß die Un-
verantwortlichkcit der Krone die Verantwort-
lichkeit ihrer Räthc bedinge, und gibt dann
eine Uebersicht dcr Vorgänge in dieser Ange-
legenheit seit Bestehen ber Verfassung. 8. 7
der Verfassung erkläre dic Minister als ver-
antwortlich und §. 67 gebe den Kammern das
Recht der Anklagc ber Minister. Ein besvn-
deres Gesetz aber soll die praktische Anwen-
dung dieser Verf.-Urk. ermöglichcn. Schon auf
dem ersten Landtagd habe Deimling die Sache
in Anregung gebracht. Am 8. Zuli 1820 habe
die Regierung eine Vorlagc gemacht, die I.
Kammer habe diese freisinnig crweitert, vie il.
Kammer sei beigetreten; der Entwurf habe
die höchste Sanction erhalten und sei am S.
October 1820 als Gesetz verkündet worden.
Es sei dies daS einzige Gesetz, welches die
K§. 7 unv 67 der Verfaffung sichere. Aber
sein 8. 8 habe den Zusatz crhalten, daß über
das Proceßversahren nähere gesetzliche Bestim-
mungen demnächst folgen svllen. Am 30. März
1822 seien svlche gesetzliche Bestimmungen in
zwei Vorlagen erfolgt; sie scien i» den Kam-

bemächtigte fich ihrer, alS er thr plötzlich ankün- >
pjgtc, daß er. im Begriffe sich zu vermLhlcn, sich !
gezwungcn sche, seine Verbindungen mit ihr ab-
rubrechen. Sic vcrsuchte allcS Möglichc, um ihn
fcstzubältcn — abcr vergcbenS. Sie schien sich cnd- ^
lich in das Unvermcidliche fügen zu wollen; boch
aber bat fie dcn jungen Mann noch um cine Nn-
terrcdung, welchc auch im Bcisein cineS Freundes
deffclben ftattfand. Man plauderte lange Zcit
heitcr und ruhig; abcr plötztich fragte die junge
Dame ihn, ob es wirklich scin fester Entschluß sei,
fich von ihr zu trenncn, und"alS sie auf diese kate-
gorischc Frage cinc bejahcndc Antwort crhalten
hatte, ciltc fie in ein Nebcnzimmer, auS dem fie
einige Sccunden später von Flammen umgeben und
mit dcn Worten: „Voilu votre oeuvre!" wieder
hcrvortrai. Sie hatte selbst ihrc Kleider angezündct.
ÄuS dem Saale stürztc sic in den Corridor, wo sie
ohnmachtig zufammenbrach. Die beiden Hcrren
warfcn Decken über sie, um das Feucr zu ersticken;
aber dic llnglückliche «ar so verleht, daß sie zehn
Tage darauf und nach unbcschreiblichen Leidcn dcn
Geist aufgab. AnfangS wolltc sie von einer Lrzt- >
lichen Hülfc nichtS hören; abcr cs gclang eincm
Priester, die SelbstmordSgedanken zu verscheuchen
und fic mit dcr Religion zu versöhnen. Sie legte
sogar daS Gclübdc ab, in cin Klvster zu gehen,
wenn fie hergcstcllt würdc. Die Bcmühungcn der
Aerzte bltebe» aber ohne Erfolg.

Garibaldi geht noch immer auf Krücken, die
Wunde ist noch nicht ganz geschloffen. Dic Hellung
hat durch die rheumatischcn Lctden, dic jetzt wiedcr
verschwunden fiud, einen Aufschub erhalten, so daß
er gegenwärtig dic meisten Besuche zurückwetst mit
der Erklärung, daß er der Ruhe bedürfe. Seit
dcm Jahrc 1859 sind in Caprera, wo sonst nie-
mals ein Schiff anhielt, 150 Dampfer gelandet
und habcn fich über 18,000 Personen ausgcschlfft.
4 Schiffc im Ncapolttanischcn tragen den Namcn
Garibaldi's; er hat im Ganzen 4500 Pathensteüen
vertreten müffen, und circa 2000 Knaben wurdcn
mit dcm Ramcn Garibaldi getauft. Der General
hat seit 3 Jahren Geschenke im Werth von 15 bis
20,000 Krcs. angenommcn, abcr andere bts zum
Betrage von 1 Million FrcS. zuruckgewicsen. Erstere
bestehcn aus agronomischcn Geaensianden für seine
Landwirthschast. Dic meisten Geschenke kamcn auS
England. Garibaldi ist Ehrenburger von90 Städten,
Fleckcn und Dörftrn; Ehrenpräsident von 120 ver-
schiedcnen Gesellschasten. Er besttzt 21 Ehrendegen,
worunter 11 aus dcm Ausland. Er erhielt seit
1859 über 3000 Adreffcn, Huldigungen und Zu-
schriftcn dcr Ergebenheit, hat seit dieser Zeit übcr
900 Briese selbft beantwortet, dcn Resi beantwor-
tcn laffen, odcr selbft unterreichnet. Sein Ein-
kommcn bczrffert sich gegcnwärtig Lurch dic Vcr-
bcfferungen, die in der Bodenkultur seiner Ansel
«orgenommen «urden, auf etwa 3000 Frs. jährlich.
 
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