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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 61 - Nr. 69 (2. August - 30. August)
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249

erlebt, als die Vendömeſäule zu Paris, dieſe erzene
Künderin der franzöſiſchen „Gloire“, welcher Viktor
Hugo in ſeiner ſchwungvollſten Ode neben den Thür-
men der Notredame und dem Triumpfbogen de l'Etoile
die Unſterblichkeit verheißen! — Ob ſie wirklich aufer-
ſtehen wird zu alter Herrlichkeit und ob dann wohl je-

mals wieder eben ſo laut und übermüthig von franzö-⸗

ſiſchen Lippen jenes beliebte Volkslied ertönen wird,
das man vordem zu jeder Stunde hören konnte auf
dem Vendöme⸗-Platze zu Paris: ö
„Que P'on est fier d'etre Français
Quand on voit la Colonne!“ —? ö
(Wie iſt man ſtolz Franzoſe zu ſein, wenn man die Säule ſieht!)
Schon einmal, wenig Jahre nach ſeiner Errichtung
durch Napoleon I., war das Ruhmes⸗Monument mit
dem Schickſal des Umſturzes bedroht geweſen und zwar,
wer ſollte es glauben, von Niemand Anders als vom
alten Blücher, unſerm Marſchall „Vorwärts“. — Frei-
lich hat der Zerſtörungszorn, den der Heldengreis da-
mals gegen dies Denkmal franzöſiſcher Herrlichkeit an
den Tag legte, eine ungleich natürlichere und edlere
Quelle gehabt als die Vandalenwuth, mit welcher die
eigene Nation in unſeren Tagen es niederriß.
Als im Juli des Jahres 1815 Blücher mit ſeinen

ſiegreichen Truppen in Paris eingezogen war und im

Schloſſe von St. Cloud ſein Hauptquartier genommen
hatte, ſäumte er nicht, ſeine ganze Verachtung des fran-
zöſiſchen Weſens bei jeder Gelegenheit zwanglos genug
herauszublüchern und ſchien es recht abſichtlich darauf
anzulegen, den franzöſiſchen Uebermuth auch einmal
fühlen zu laſſen, was es hieße, beſiegt zu ſein. Nicht
genug, daß der alte Held der Stadt Paris eine Kriegs-ö
koutribution von 100 Mill. Franks auferlegte, er ließ
auch an den General Ziethen den Befehl ergehen: die
Jena brücke als ein Denkmal der Schmach für Deutfch-
land ſo ſchnell wie möglich in die Luft zu ſprengen;

Der preußiſche Geſandte Golz legte „im Namen des

Min ſters Talleyrand“ eine Fürbitte für die Brücke

beim Fürſten Blücher ein, aber das machte den Alten
vollends wüthend. Er ſchrieb ſofort zurück, daß er die-

Brücke zu allen Teufeln ſpediren laſſen werde und daß

es ihm obendrein ſehr lieb ſein ſollte, wenn der „Musje

Talleyrand“ ſich vorher mitten drauf ſtellen wolle.
Eben ſo traf ſein Zorn die ſtolze Vendomeſäule. Als
man ihm die hochtrabende pomphafte Inſchrift am Pie-
deſtal der Säule in's Deutſche überſetzte, begann er
dermaßen zu wettern und zu fluchen, daß ihm darüber
ſeine Pfeife auszugehen drohte. „Ich laße den Pfahl
niederreißen, Gott ſtraf mir!“ — hatte er geſagt.
Dann ließ er Pferde requiriren, ſo viei man in der
Eile auftreiben konnte; man legte Eiſen, Ketten und
Stricke um die. Säule und ſpannte die Pferde an.
Aber die vorderſten Pferde, die bis hinauf in die Rue
de la paix ſtanden und weiter, hoben beim Anziehen
die hinterſten Pferde hoch in die Luft und — die Säule
rührte ſich nicht. Wer weiß indeſſen, was geſchehen
wäre, wenn nicht die drei verbündeten Monarchen in-
zwiſchen ihren Einzug in Paris gehalten und den bö-
ſen Graubar: beſchwichtigt hätten.

Es war hiernach

von der Zerſtörung der Säule und der Brücke wie auch
von den 100 Millionen, welche die Stadt zahlen ſollte,
keine Rede mehr und der zornige Alte konnte nur noch
im Stillen weiter fluchen auf das „elende Machwerk
der Diplomaten“, deren Federn Alles wieder verdar-
ben, was die Schwerter der Soldaten jo mühſam er-
worben hatten. ö ö ö
Uebrigens ſollen, außer Vater Blücher, im Jahre
1815 auch eifrige Royaliſten verſucht haben, die Ven-
domeſäule umzuwerfen. Thatſache iſt indeſſen nur, daß
man um jene Zeit die ſtolze Imperatoren⸗Statue des
Kaiſers herunterſpedirte, welche ziemlich unſanft auf
der Erde angekommen ſein ſoll, und ſie ſpäter — ge-
ſchmacklos genug — durch eine rieſige bourboniſche Li-
lie erſetzte. Das Kaiſerſtandbild ſelbſi war proviſo-
riſch und um es den Blicken des keineswegs freundlich
geſinnten Volkes zu entziehen, in die Gießerei Mesnel's
in Faubourg Saint⸗Martin geſchafft worden, der es
vor einigen Jahren gegoſſen hatte und welcher — ein
großer Verehrer ſeines großen Kaiſers — der Statue
in ſeiner Behauſung einen fanatiſchen Kultus widmete.
Später, als Ludwig XVIII. wieder auf dem Thron ſei-
ner Väter ſaß, und die vom Volke zerſtörten Reiter-
ſtandbilder Heinrich's IV. und Ludwig's XIV. wieder
hergeſtellt wurden, ließ man zur Gewinnung der feh-
lenden Bronze die Imperatorenſtatue nebſt anderen
konfiszirten Kaiſer ⸗Standbildern einſchmelzen. Dem
treuen Mesnel ward es ſchwer, ſich von „ſeinem Kai-
ſer“ zu trennen, und er bot 20,000 Pfund Bronze,
wenn man ihm die Statue, die nur 6000 Pfund ent-
hielt, laſſen wolle — aber umſonſt. Der Patriot rächte
ſich ſpäter in orginellſter Weiſe. Er hatte nämlich vor-
her ein kleines Modell der eingeſchmolzenen Kaiſerſta-
tue anfertigen laſſen, und als die Reiterſtatue Heinrich's
IV. gegoſſen wurde, praktizirte er dieſelbe heimlich in
den Leib des Pferdes nebſt einer Sammlung der pi-
kanteſten Spottlieder, welche damals in Menge gegen
die Reſtauration zirkulirten; in den hohlen Kopf des
Königs aber — und das war der Hauptſpaß — ver-
ſteckte er eine mit vielen Unterſchriften verſehene und
beglaubigte Urkunde dieſes ganzen luſtigen Streiches.
Unter Louis Philipp, wo die Urheber nichts mehr zu
fürchten hatten, verdreitete ſich die Geſchichte im Volke
und noch bis auf unſere Tage hörte man Angeſichts
der Statue auf dem Pont-neuf häufig die bezügliche
Phraſe: „Da iſt was zum Lachen drin.“
Die ferneren Erlebuiſſe der Vendomeſäule ſind be-
kannt genug. Im Jahre 1833 erſetzte eine neue Kai-
ſerſtatue, bekleidet mit einem Bronze⸗Rock und dem be-
rühmten kleinen Hut, die bourboniſche Lilie. 1865
ward dies Standbild des kleinen Korporals herabge-
nommen und an ſeine Stelle abermals eine Imperato-
renſtatue des Kaiſers im antiken Koſtüm mit Toga und
Lorbeerkranz aufgeſtellt. Aber man ſieht, — der Im-
perator hatte kein Glück auf dieſer Säule. Das erſte
Mal in den Schmelzofen, das zweite Mal — auf den
Miſt! — Sic transit gloria! — Ob er wohl noch zum
drittenmale eine Erhebung erfahren wird? — —
 
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