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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 79 - Nr. 86 (4. Oktober - 28. Oktober)
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HBeillelberger

Nr. 79.

Samſtag, den 4. Oktober 1871.

4. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffgaſſe 4
und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Aus der Geſellſchaft.
Von Elariſſa Lohde.
(Fortſetzung.)

„Warte noch einen Augenblick,“ rief Herr von Uecht-
ritz, als der Baron dem Bedienten bedeutete, ſein Pferd
vorführen zu laſſen. „Wenn es Dir recht iſt, begleite
ich Dich noch ein Stück, und wir machen einen Ritt
durch die Felder, um zu ſehen, wie das Korn nach dem
köſtlichen Regen ſteht.“ ö —
Der Baron willigte gern ein, und gleich darauf
ſprengten die beiden Herren durch das Gitterthor des
Hofes und lenkten ihre Pferde auf den ſchmalen Wald-
weg, der aus dem Walde hinaus zu den Feldern des
Herrn von Uechtritz führte. Beim Anblick der üppig
grünenden Saaten hob ſich das Herz der Landwirthe
in freudiger Erregung; beſonders Herr von Uechtritz
war ſehr befriedigt, und als Beide den Rückweg ein-

ſchlugen und durch eine Waldſchonung der See zurit-

ten, ſprach er mit großer Freudigkeit über ſeine ſchöne
und einträgliche Beſitzung.
„Gott weiß, wie es kommt,“ ſagte der Baron ſin-
nend, „ſeitdem Du verheirathet biſt, haſt Du merkwür-
diges Glück in Allem, was Du unternimmſt. Es geht
bei Dir Alles beſſer, als bei mir, obwohl ſich wohl
Keiner mehr um die Wirthſchaft kümmern kann als ich.“
„Nun,“ entgegnete Uechtritz gutmüthig, „das iſt eben
das Glück, das die junge Frau mit in's Haus bringt.

Der Segen kommt von oben und ein liebendes Ehe-

paar, wie ich und mein Weibchen ſind, muß doch un-
ſers Herrgotts beſonderes Wohlgefallen erregen“
Der Baron erwiederte nicht ſogleich etwas und eine
Zeitlang ritten Beide ſchweigend neben einander. Auch
Uechtritz wurde nachdenklich und rang augenſcheinlich
mit einem Entſchluß. ö
„Ich begreife Dich nicht,“ wandte er ſich endlich
nach einer langen Pauſe zu ſeinem Freunde, „Du klagſt
über Einſamkeit und es iſt auch wirklich ein Jammer,
daß Du auf Deiner herrlichen Beſitzung ſo allein biſt.
— Warum aber machſt Du es nicht ſo wie ich und
nimmſt Dir ein junges Weib? Statt deſſen engagirſt
Dn Dir jetzt wieder eine Fremde, eine Dame, die nicht
Fiſch und Fleiſch iſt, die Dir Deine Häuslichkeit un-
möglich verſchönern kann, ſondern Dir vielleicht noch
Unannehmlichkeiten bereiten wird.“ ö

„Das kann wohl ſein,“ entgegnete der Baron mit
leichtem Achſelzucken, „aber mir bleibt nichts Anderes
übrig, lieber Freund. Ich muß eine anſtändige Per⸗—
ſon im Hauſe haben, welche die Dienerſchaft in Reſpekt
zu halten verſteht. Die Dame iſt unglücklich und der
größten Theilnahme werth. Von ihrem Manne, einem
leichtfinnigen Patron, der große Güter beſeſſen und Al-
les, auch ihr kleines Vermögen durchgebracht hat, ver-
laſſen, iſt die arme Frau jetzt nach ſeinem kürzlich er-
folgten Tode genöthigt, für ſich und ihre kleine Toch-
ter den Lebensunterhalt zu erwerben.“
„So nimmſt Du wohl auch noch das Kind bei Dir
auf?“ fragte Uechtritz. ö
„Ich hätte es gethan, wenn man den Wunſch gegen
mich geäußert; aber Frau von Reuter zog es vor, die-
ſelbe bei ihrer Schweſter, einer Lehrerin in der Reſi-
denz, zu laſſen.“
„Du biſt ein guter, prächtiger Menſch, Bandelow“,
rief Uechtritz und drückte dem Freunde die Hand; „aber
Dir wird durch dieſe Frau gar nicht geholfen werden.
Ein unglückliches Weſen um ſich zu haben, iſt wahrlich
keine Freude und ich fürchte, Du wirſt in dieſer Geſell-
ſchaft noch ſtiller und ernſter werden, als Du bisher
warſt. Glaube mir, Glück und Zufriedenheit wirſt Du
erſt dann empfinden, wenn Du ein liebendes Weib an
Deiner Seite haſt.“ ö
„„Das glaube ich wohl,“ entgegnete der Baron, „aber
wo ein ſolches Weib für mich finden?“ ö
„Aber Bandelow,.“ rief jetzt Uechtritz ernſthaft und
ärgerlich zugleich, „muß man Dich denn mit der Naſe
darauf ſtoßen, haſt Du denn gar nichts aus den An-
deutungen meiner Frau gemerkt?“ ö
„Das war doch nur Scherz und liebenswürdige
Neckerei von ihr,“ erwiederte der Baron, „Du wirſt
doch nicht wollen, daß ich das für Ernſt nehme?“
VUnnd doch iſt es Ernſt, Bandelow,“ ſagte Uechtritz,
„vollſtändiger Ernſt, Du haſt eine Eroberung gemacht,
die man Dir überall beneidet. Die ſchöne Eliſe von
Raven iſt Dir gewogen, ſie hat es ſelbſt meiner Frau
zugeſtanden.“
Der Baron ſah Uechtritz freudig überraſcht an.
„Uechtritz, iſi das wirklich wahr, oder ſcherzeſt Du noch
immer mit mir?“ fragte er erregt.
WWie kannſt Du denn noch zweifeln, Du Ungläu-
biger!“ erwiederte Uechtritz. „Ich wiederhole Dir noch
einmal, ſie hat meiner Frau ihre Gefühle Dir gegen-
über anvertraut, natürlich mit der nöthigeu Reſerve;
doch kann ich Dir mit Sicherheit ſagen, daß ſie Dir
 
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