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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0046

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Paragraph enthält Beſtimmungen über das lautloſe Nach-
reiten und das Exerziren nach Säbelwinken ohne Komman-
dos. Eingreifender noch als die Schwadron wird das
Regiment durch die neuen Beſtimmungen betroffen. Das
Ausführungsſignal iſt überall in Wegfall gekommen. Aus
der Regimentstiefe wird nach beiden Seiten aufmarſchirt,
ebenſo geſchieht die Entwickeluug der nach der ganzen
Flanke abgeſchwenkten Regimentskolonne ebenfalls nach
beiden Seiten, die beiden der Spitze folgenden
Schwadronen nach rechts, die übrigen nach links. Der
Regimentscommandeur gibt ſeine Commandos künftig nur
in der Form von Avertiſſements ab. Die Formation der
Schwadronscolonnen in Halbcolonnen beſteht nicht mehr,
ebenſo iſt das Einſchwenken nach der ganzen Flanke aus
Schwadronscolonnen fortgefallen. Wichtig iſt ferner die
Beſtimmung, daß ein einzelnes Regiment ſich nicht in
Treffen gliedern ſoll, und erfreulich die neue Beſtimmung,
daß der alte Kriegsruf „Hurrah“ nunmehr auch Seitens
der Caballerie bei dem Einbruch in den Feind in Anwen-
dung kommt.
Berlin, 10. Juli. In Rußland hat es nach hierher
gelangten zuverläſſigen Privatnachrichten ſehr überraſcht,
wie gleichgiltig Seitens der Mächte die Aufhebung der
Freihafenſtellung von Batum aufgenommen wor-
den iſt. Man hatte jedenfalls anderes erwartet. Auch
England wird an den Vorgang zunächſt weder weitere
Verhandlungen knüpfen, noch Proteſte erlaſſen; noch weni-
ger wird man die Frage durch einen Congreß ſchlichten
wollen, indeſſen iſt die Annahme berechtigt, daß man bei
anderer Gelegenheit nicht ermangeln wird, auf den unbe-
ſtreitbaren jetzigen Vertragsbruch Rußlands zurückzukommen.
Der leitende ruſſiſche Miniſter v. Giers wird Ende dieſes
Monats hier auf der Durchreiſe nach Franzensbad, wo
ſeine Familie ſich befindet, erwartet. Es ſcheint nicht, daß
er den Fürſten Bismarck dann noch in Kiſſingen beſuchen
wird, da derſelbe den bayeriſchen Badeort zu dieſer Zeit
ſchon verlaſſen haben dürfte. Bezeichnend für die Lage
wird es allerdings ſein, wenn, gegen die bisherige Ge-
pflogenheit, der leitende ruſſiſche Staatsmann bei einem
Aufenthalt in Deutſchland keine Zuſammenkunft mit dem
Fürſten Bismarck haben würde!
Bredow bei Stettin, 10. Juli. Der erſte für die
oſtaſiatiſche Fahrt neu eingeſtellte Schnell dampfer
„Preußen“ der ſtaatlich unterſtützten Linie lief heute 12
Uhr glücklich vom Stapel. Die Taufhandlung vollzog die
Frau Gräfin⸗Behr⸗Negendank. Schon von 11 Uhr ab war
eine dichte Menſchenmenge hinausgeſtrömt, um dem Stapel-
lauf des „Preußen“ beizuwohnen. Halb 12 Uhr trafen
die Ehrengäſte ein, nämlich die Miniſter v. Bötticher,
v. Puttkamer, die Unterſtaatsſecretäre Eck und Herfurth,
der Vertreter des Reichspoſtamts Miniſterialdirector Sachſe,
die Bevollmächtigten des Bundesraths Graf Hohenthal,
Freiherr v. Marſchall, der Geſandte bei den Hanſeſtädten
v. Kuſſerow, als Vertreter der Admiralität, Geheimrath
Neumaher, Leiter der Seewarte in Hamburg, als Vertreter
des norddeutſchen Lloyds, das Haupt deſſelben, Conſul H.
Meier, als Vertreter des Reichstags Präſident v. Wedell,
Bureaudirector Geheimrath Knack, dann der erſte chineſiſche
Geſandtſchaftsſecretär mit mehreren Seeretären. Hiezu ge-
ſellte ſich eine zahlreiche Stettiner Geſellſchaft mit Damen
und die Spitzen der Militär⸗ und Civilbehörden. Die
Gräfin Behr ſagte in ihrer Taufrede, daß ſie namens des
Norddeutſchen Lloyd das Schiff auf den Namen des größ-
ten Bundesſtaates „Preußen“ taufe; ſie wünſche, daß das
Schiff ſtets dieſem ſtolzen Namen Ehre mache. Sie ließ
dann die Champagnerflaſche gegen den Bug fallen, welche
dort zerſchmetterte. Nach einem kurzen Augenblick des
Harrens waren die Seile gekappt und majeſtätiſch ſicher
ſetzte ſich der gewaltige Schiffskörper in Bewegung. Es
war ein großartiger Anblick, wie die Wogen aufbrauſten
und dann das Schiff aufnahmen, das ruhig und mächtig
auf den Wogen ſchaukelte. Reicher Flaggenſchmuck krönte
den Rumpf, voran die deutſche Reichsflagge, dann die Poſt-
dampferflagge, die Flaggen des Bremer Lloyd und der
Hanſaſtädte. Tauſendſtimmiges Hurrah begleitete den Stapel-
lauf. Es folgte ein Rundgang durch die großartige, in
dieſer Ausdehnung einzig in der Welt daſtehende Anſtalt.
Dann fuhren um 1 Uhr die Gäſte nach Stettin, wo für
ſie im Vereinshauſe ein Feſtmahl veranſtaltet war.
Ems, 11. Juli. Kaiſer Wilhelm wohute geſtern
Abend der Theatervorſtellung im Curſaale bei. — Der
Kaiſer iſt heute um 4 Uhr mittelſt Extrazuges mit ſeinem
Gefolge nach Coblenz abgereiſt und wurde auf dem Wege
zum Bahnhofe von einer großen Volksmenge enthuſiaſtiſch
begrüßt. Auf dem Bahnhofe fand die Verabſchiedung von
den Spitzen der Behörden und verſchiedenen diſtinguirten
Badegäſten ſtatt. Der Kaiſer ſah vortrefflich aus.
München, 10. Juli. Der Prinz⸗Regent wird nach
Ablauf der Landestrauer ſämmtliche Kreiſe des Königreichs
beſuchen. Der Prinz⸗Regent mit dem Hof und der ganzen
officiellen Beamtenwelt werden am Octoberfeſt theilnehmen.
Würzburg, 10. Juli. Die Unterſuchung über
die Kataſtrophe am Faulenberg wird durch Hrn.
Oberamtsrichter Geißler, der als außerordentlicher Unter-
ſuchungsrichter ſpeciell für dieſen Fall beſtellt wurde, ge-
führt und iſt bis jetzt gegen 9 Beamte und Bedienſtete
gerichtet.

Oeſterreichiſche Mon archie.
Wien, 10. Juli. Kaiſer Wilhelm wird am 18.
d. M. in Gaſtein ankommen und am 8. oder 9. Auguſt
wieder abreiſen. Für den Fürſten Bismarck ſind Zim-
mer auf die erſt en Tage des Monats Auguſt beſtellt.

Ausland.
Paris, 10. Juli. Infolge eines Briefes von Leſſeps
hat ſich der Miniſterrath entſchloſſen, die Vorlage we-
gen der Panamacanalanleihe zurückzuziehen. —

Der Gouderneur von Paris, General Sauſſier, hat heute
beim Kriegsminiſter General Boulanger gefrühſtückt, wo-
bei die endgiltigen Maßnahmen für die Truppenbeſich-
tigungen feſtgeſtellt wurden. — Das Blatt Paris meldet,
daß auf Befehl des Kriegsminiſters ſechszehn Regimenter
Infanterie und ſiebzehn Jägerbataillone mit Repetir-
gewehren ausgerüſtet werden. Dieſe Mabregeln bewieſen,
daß der Kriegsminiſter ſich nicht zuvorkommen laſſe, obgleich
die Einführung von Repetirgewehren nicht von ihm aus-
gegangen ſei.
Paris, 10. Juli. Im zweiten Verhör erklärte der
Revol verheld, welcher geſtern in der Kammer auf den
Präſidenten Floquet ſchoß, er heiße Cagus, ſei 41
Jahre alt und in Soult, Departement Tarn, geboren;
ſeines Zeichens ſei er Erdarbeiter, halte ſich ſeit einem
halben Jahre mittellos in Paris auf und habe anf ſeine
traurige Lage aufmerkſam machen wollen. Cagus erklärte,
er habe ſeine Frau in Gaillac zurückgelaſſen, wo er Wein-
güter beſitze, die durch die Reblaus zerſtört ſeien. Der
Verbrecher wurde darauf in das Polizeigewahrſam zurück-
gebracht, wo die Aerzte ſeinen Geiſteszuſtand prüfen
werden. — Die Generalrathswahlen ſind auf den
1. Auguſt feſtgeſetzt.
London, 10. Jul. Die Times beſpricht nochmals die
Batumfrage und meint, obwohl dieſe Frage nicht wichtig
genug ſei, um einen ernſten Streit zu veranlaſſen, müſſe
doch von der Thatſache Kenntniß genommen werden, daß
Rußland eine direkte Herausforderung an England gerichtet
habe, welches ſeine Politik demgemäß geſtalten müſſe.
Durch Widerruf des Artikels 58 des Berliner Vertrages
werde die von England auf dem Berliner Congreſſe um-
gangene Verpflichtung, den früheren Stand der Dinge be-
treffs der Dardanellen zu achten, zum todten Buchſtaben.
Ebenſo wie Rußland, verlange auch England ſeine Freiheit
des Handelns wieder. — Der Prinz von Wales gibt
heute zu Ehren des Grafen von Paris und deſſen Fa-
milie ein Gartenfeſt, dem auch die Königin Victoria
beiwohnen wird.
London, 11. Juli. Bis geſtern gegen Mitternacht
waren 572 Wahlen bekannt; davon entfallen auf die
Conſervativen 290, auf die diſſentirenden Li-
beralen 62, auf die Anhänger Gladſtone's 148
und auf die Parnelliten 72.
Madrid, 10. Juli. Die Deputirtenkammer ge-
nehmigte mit 203 gegen 21 Stimmen die Civilliſte und
verwarf den Antrag Romero Robledos auf Erhöhung
der Civilliſte für die Regentin, da dieſe den Antrag ſchon
vorher zurückgewieſen hatte.
Petersburg, 10. Juli. Die Königin von Griechen-
laud iſt geſtern Abend mit ihren Kindern hier eingetroffen.
Balkanhalbinſel, 10. Juli. Laut einer Meldung der
Politiſchen Correſpondenz aus Sofia iſt zwiſchen Bul-
garien und Rumänien ein Abkommen getroffen, nach
welchem Arab Tabia gegen eine zu Gunſten Bulgariens
an einem anderen Punkte vorzunehmende Grenzberichtigung
an Rumänien abgetreten werden ſoll. — Nach einer
Belgrader Mittheilung reiſen König Milan und ſeine
Miniſter morgen nach Niſch. — Der Budapeſter Nemzet
meldet Folgendes: Die Anweſenheit ruſſiſcher Offiziere in
Bukareſt bezweckt den Abſchluß einer Durch-
marſch⸗Uebereinkunft zur etwaigen Beſetzung
Bulgariens. Rußland zieht in Beſſarabien Truppen
zuſammen. In Folge deſſen herrſcht Beunruhigung.

Aus Stadt und Land.

— Zeidelberg. 10. Juli. Aus Anlaß des geſtrigen Geburts-
tages Seiner Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs hatte
der Stadtrath Höchſtdemſelben die Glückwünſche der Bürger-
ſchaft zu ſeiner Wiedergeneſung telegraphiſch übermittelt, wofür
der Erbgroßherzog mit Telegramm vom Heutigen ſeinen herz-
lichſten Dank ausſprach.
T geidelberg, 12. Juli. Die geſtern im Stadtrathſaale des
Rathhauſes ausgeſtellte Marmorbüſte Sr. Königl. Hoheit des
Großherzogs wurde von zahlreichen Perſonen beſichtigt. Es
fand ein fortwährendes Gehen und Kommen von Beſuchern ſtatt.
Die Büſte war inmitten hochragender dunkelgrüner Topfgewächſe
placirt, ſo daß man einen ungewöhnlich feierlichen und würdigen
Eindruck empfing. Das geſchmackvolle Arrangement kam auch der
Büſte ſehr zu ſtatten; von dem Dunkel der Blätter hob ſie ſich
wirkungsvoll ab und ihre Vorzüge kamen umſomehr zur Geltung.
Die Ausführung der aus carrariſchem Marmor gefertigten Büſte
iſt eine wohlgelungene und gereicht dem Künſtler, Herrn Profeſſor
Möſt⸗Karlsruhe zur Ehre. Die Modellirung des Geſichts
gibt echt und lebenswahr die 9 des Großherzogs wieder, es
ſpricht daraus der hoheitsvolle Eruſt, der das Antlitz unſeres
Landesherrn ziert. Der Großherzog iſt in Generalsuniform dar-
eſtellt, die ſich durch den Kragen mit Eichenlaub charakteriſirt.
on der Bruſt ſieht man 2 Knöpfe und einen Ordensſtern; letz-
terer wird noch zum Theil durch den Militärmantel verhüllt, der
ſich loſe und faltig um die Schulter legt. Das Mantelſtück zeich-
net ſich durch ſchwungvolle Zeichnung und Modellirung aus.
Jedenfalls macht die Stadt der Univerſität mit der Büſte ein
würdiges Geſchenk und die Aula wird durch letztere um einen
werthvollen Schmuck bereichert werden.
*geidelberg, 12. Juli. Wie nach dem S.M. verlautet, ſoll es die Abſicht
des Großherzogs ſein, bei dem Feſtbankett der Säkularfeier, wel-
chem u. A. auch die Miniſter und ein Theil des landſtändiſchen
Ausſchuſſes anwohnen, den Toaſt auf Kaiſer und Reich perſön-
lich darzubringen.
9 Hridelberg, 12. Juli. Nachdem in der letzten Woche das Ma-
terial zu den verſchiedenen Feſtzugs⸗Tribünen herbeigeſchafft,
deren Erſtellungsarbeiten zum Theil auch bereits begonnen, wer-
den dieſe jetzt voll und ganz aufgenommen und euergiſch fortge-
führt werden. Am weiteſten vorgeſchritten iſt bereits der
Tribünenbau auf dem Bismarckplatz. — An der Verſchönerung
des Feſtkleides der Stadt, ſoweit darunter Straßen und Häuſer
verſtanden ſein wollen, wird rüſtig fortgearbeitet. Tüncher, Maler,
Pfläſterer und Cementarbeiter ꝛc. ſind in fieberhafter Thätigkeit.
Eine Verſchönerung, die erwähnenswerth erſcheint, haben die
Straßen durch deu Neuanſtrich der eiſernen Ventilbrunnen er-
fahren. Die Ausſchmückung iſt um ſo freundlicher, als in der
oben befindlichen Schale grüne Topfgewächſe angebracht ſind. —
Schließlich ſei noch bemerkt, daß das Bureau für das Empfangs-
Comité, welches bekanntlich neben dem Hauptbahnhofgebäude zu
ſtehen kommt, im Rohbau vollendet iſt. — Auch auf dem Schloß
werden die Arbeiten rüſtig fortgeſetzt.

* geidelberg. 12. Juli. Der augekündigte Beſuch der Kloſter-
ruine auf dem Heiligenberg durch den Mannheimer Alterthums-
verein und den hiſtoriſchen Verein für das Großherzogthum Heſſen,
welchen ſich Mitglieder des hieſigen Schloßvereins und Neuen-
heimer Verſchönerungsvereins anſchloſſen, fand geſtern ſtatt. In-
dem wir uns weiteren Bericht vorbehalten, bemerken wir heute
nur, daß die von auswärts kommenden Herren unter der freund-
lichen Führung des Herrn Oberbürgermeiſter Dr. Wilckens
zunächſt die Feſthalle und die Heiliggeiſtkirche in Augenſchein
nahmen, woran ſich der Gang nach dem Heiligenberg anreihte.
X gtidelberg, 12. Juli. Geſtern Nachmittag fand in der ſtädt.
Turnhalle dahier unter Leitung des Gauturnwarts Filfinger
eine Vorturnerſtunde des „Rhein⸗Neckar⸗Gaues“ ſtatt. Es
betheiligten ſich an derſelben von 13 Vereinen 35 Turner.
* gridelberg, 12. Inli. Bei der heute Mittag vorgenommenen
Wahl zweier Stadtverordneten wurden gewählt die Herren Jean
Fath und Kaufmann Jakob Schweikert mit 74 reſp. 46
von 83 abgegebenen Stimmen.
— Hridelberg, 12 Juli. In verwichener Nacht ſprang ein
vom Mosbacher Feuerwehrfeſt heimkehrender Feuerwehrmann
von der alten Brücke aus in den Neckar, um ſich wahrſcheinlich
durch Ertränken das Leben zu nehmen. Als aber die kalte Fluth
den freiwilligen Todescandidaten umfing, kehrte ihm der Lebens-
muth wieder und er ſuchte ſich zu retten, indem er ſich auf einen
Pfeiler ſchwang und dort abwartete, bis ihm per Nachen Hilfe
gebracht wurde. Nach dieſer Abkühlung war er von Selbſtmord-
gedanken kurirt. — In der Nacht vom 9/10. d. Mts. wurde am
Kurzenbuckel aus einem Gärtchen ein daſelbſt aufgehängtes weißes
Kleidchen und Unterrock im Werth von etwa 12 . entwendet.
Thäter unbekannt. — Aus einem Lädchen an der Heiliggeiſtkirche
wurde am 8. d. M. eine ſilberne Cyliuderuhr entwen det. Der
Thäter iſt bekannt, jedoch flüchtig. — Einem Arbeiter wurde aus
einem Koffer in einem Gaſthauſe dahier vor etwa 14 Tagen eine
Joppe und ein Paar Rohrſtiefel entwendet. Der Thäter,
geiucht. bei der Canaliſirung dahier arbeitete, hat das Weite
geſu
— geidelberg, 12. Juli. Vom Samstag auf den Sonntag
kam bei einer Hochzeitsfeier eine örperverletzung
vor, indem ein Schmied einen Hausknecht in den Arm ſtach.
Der Geſtochene glaubte irrthümlicher Weiſe, er ſei ſchwer verletzt
und machte großen Lärm. Er wurde im academiſchen Kranken-
haus verbunden und wieder entlaſſen.

6 geidelberg, 12. Juli. Bisher hatte unſere Stadt noch kein
öffentliches Lokal, das ſich der elektriſchen Beleuchtung
bediente. Das neue Eſſighaus hat damit den Anfang ge-
macht. Dies iſt daher immerhin ein kleines Ereigniß, das ver-
zeichnet zu werden verdient. Am vorigen Samstag Abend er-
ſtrahlten die Lokalitäten des Eſſighauſes zum erſten Male im
Lichte elektriſcher Glühlampen. Zur Feier dieſes „lokal⸗hiſtoriſchen
Moments“ concertirte die hieſige Bataillonscapelle. Die Beſucher
des Lokals, welche übrigens zahlreich vertreten waren, brachten
der neuen Einrichtung begreiflicherweiſe lebhaftes Intereſſe ent-
gegen. Das Licht iſt ein ſehr angenehmes und ruhiges und ein
beſonders erwähnenswerther Vorzug deſſelben iſt es auch, daß es
die Temperatur im Lokal nicht erhöht.
T gandſchuchsheim, 11. Juli. Seit der Erwerbung von eigenen
Kolonien wird die Arbeit der Heidenmiſſion einer immer
größern Beachtung gewürdigt. Sie hat aufgehört, Sache und Vorrecht
einer Richtung in unſerer Kirche zu ſein; ſie iſt zur nationalen
Aufgabe geworden, der wir uns nicht entziehen können und dürfen.
Dieſe Erkenutniß gelangte auch in dem heute hier abgehaltenen
Miſſionsfeſte wiederholt zum Ausdrucke. Die geräumige Kirche
war bis auf den letzten Platz gefüllt und die aus allen Kreiſen
der Bevölkerung zuſammengeſetzte Verſammlung aus Nah und
Fern begleitete die Ausführungen der Redner bis zum Schluſſe
mit geſpannter Aufmerkſamkeit. Der Ortsgeiſtliche, Herr Pfr.
Raupp, begrüßte in herzlichen Worten die Verſammlung und
wies hin K die Bedeutung der Miſſion; der Feſtprediger, Herr
Pfr. Lic. Krumel von Sandhauſen, knüpfte an Mk. 16. 14—20
an und führte in dramatiſch bewegter, inhaltreicher Rede die Ge-
danken durch, daß wir Miſſion zu treiben verpflichtet ſind, weil
Jeſus es befoblen hat, weil er das Werk ſegnet und ihm den
endlichen Sieg verheißt. Auch des neuen Miſſionsvereins gedachte
der Redner im Sinne des apoſtoliſchen Wortes: „daß nur Chriſtus
verkündet werde allerlei Weiſe“. Den Bericht erſtattete der Vor-
ſitzende des Vereins, Herr Pfr. Braun von Hohenſachſen. Er
ſprach dem Kirchengemeinderath den Dank für die freundliche Auf-
nahme des Vereins aus und wies auf den Segen des Miſſions-
werkes hin; der Ertrag der Sammlungen wird für dieſes Jahr
nahe an 900 ergeben, die 57 %½. 42 Feſtkollekte eingerechnet.
Hr. Miſſionar Niebling, ein badiſches Landeskind (aus Langen-
Denzlingen), welcher 13 Jahre in Judien gearbeitet hat, gab an-
ziehende Schilderungen über Land und Leute von Kanara, dem
Schauplatze ſeiner Wirkſamkeit, und von der Miſſionsarbeit, die,
wenn auch nicht alsbaldige Erfolge bringend, doch nicht umſonſt
iſt, denn ſie ſtreut eine Saat aus, welche doch einmal aufgeht. —
Die Baſeler Miſſion unterhält in Engliſch Indien 21. Stationen
mit 8500 eingeborenen Chriſten. In China und Afrika zählt ſie
über 9000 Chriſten. Die ruhige und beſcheidene Art des Miſ-
ſionars, der in zwei Monaten auf ſein Wirkungsfeld in Honowar
(Kanara) zurückkehrt, hat allgemein angeſprochen. Möge das Feſt
der nun allſeitig anerkannten Miſſionsſache auch in unſerer Ge-
meinde neue Mitarbeiter geworben haben.
Maunhrin, 9. Juli. (Strafkammer I.) Es wurden
folgende Straffälle erledigt: Wegen gemeinſchaftlich verübter
Körperverletzung nehmen die Anklagebank ein: Steinbrecher Franz
Gaber und Maurer Georg Neureuther, beide von Doſſen-
heim. Die Angeklagten waren am Abend des 18. April in Hand-
ſchuchsheim und geriethen daſelbſt mit einigen Burſchen, unter
denen ſich der Schmied Joſeph Würth und Schreiner Georg Härtel
befanden, in einer Wirthſchaft in Streit, der ſich bis auf die
Straße fortſpann und damit endigte, das beide Angeklagten in
einen benachbarten Hof eilten, in dem ſie große Prügel wußten,
und ſich von dieſen zwei aneigneten und mit dieſen die zwei Hand-
werksgeſellen verfolgten und aufs Gröblichſte mißhandelten. Andere
Handſchuchsheimer Bürger fanden die mit Wunden bedeckten Ver-
letzten wie leblos am Boden und brachten ihnen die nöthige Hilfe.
Dieſe äußerſt brutale Handlung trug dem ſchon mehrfach wegen
ähnlicher Vorkommniſſe beſtraften Gaber ſeitens des Heidelberger
Schöffengerichts 6 Monate Gefängniß und dem ſonſt gut be-
leumundeten Neureuther eine ſolche von 4 Wochen ein. Mit der
von beiden Angeklagten gegen das Strafmaß gerichteten Berufung
werden ſie koſtenpflichtig abgewieſen. — Das erſt 17jährige, nichts-
deſtoweniger ſchon mehrfach beſtrafte Dienſtmädchen Anna Katha-
rina Werner von Heidelberg, genannt Schaller, war kurze Zeit
bei Landwirth Friedrich Engelhorn in Leimen in Dienſt, den ſie
jedoch aber aus Arbeitsſcheu verließ und dabei der Tochter ihres
Dienſtherrn gehörende Kleider, Schuhe und Strümpfe ꝛc. wider-
rechtlich mitnahm. Dieſen neuen Diebſtahl büßt die Angeklagte
mit 8 Wochen Gefängniß. — Die beiden Maurer Georg Michael
Zobeley und deſſen Bruder Mathias Zobeley von Eppelheim
wurden wegen Thätlichkeit an öffentlichen Orten vom Heidelberger
Schöffengericht zu je 6 Tagen Haft verurtheilt, die Mitangeklag-
ten Engler und Wiegand dagegen von der gleichen Anklage frei-
geſprochen. Die von den beiden Zobeley eingelegte Berufung
wird koſtenpflichtig abgewieſen. — Der verheirathete Landwirth
Franz Halter von Wieſenbach iſt beſchuldigt, daß er durch
Fahrläſſigkeit den Tod eines Menſchen verurſacht hat, indem er
— der Vorſchrift des § 367 Ziff. 12 des R.⸗St.⸗G. zuwider —
die in ſeinem Hofe zu Wieſenbach befindliche Senkgrube dergeſtalt
unverdeckt und unverwahrt ließ, daß am 18. Juni d. J. die am
25. October 1885 geborene Luiſe Stop, Töchterchen eines Dienſt-
mädchens, welches bei der Familie Müller, welche bei dem Ange-
klagten wohnt, verpflegt war, in die Grube fiel und ertrank. Der
Angeklagte wurde öfters aufgefordert die Grube verdecken zu
 
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