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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0474

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Oeſterreichiſche Monarchie.
Wien, 24. Oct. Trotz aller Rederei und Schreiberei
ſind die Geſundheitszuſtände in der ungariſchen Haupt-
ſtadt jämmerlich und für die Cholera wie gemacht.
Der Neuen Freien Preſſe meldet man in dieſer Beziehung:
Der vom Miniſter des Innern entſendete Negierungscommiſſär
Dr. Olah ſtellte einen Rundgang durch die Stadt an. Bezüglich
ſeiner Wahrnehmungen ſind einige ſehr traurige Einzelheiten mit-
zutheilen. Die Zuſtände, welche in den meiſten Fällen gefunden
wurden, ſind geradezu troſtlos. Im allgemeinen wurden die be-
ſtehenden Vorſchriften nirgends mit der gebotenen Peinlichkeit

durchgeführt. Der grellſte Fall ſträflicher Fabrläſſigkeit wurde im

Hauſe Nr. 7 der Palatingaſſe gefunden. Im Hofe dieſes Hauſes,

unmittelbar neben dem Abort, in einem finſteren Parterre-

winkel bewohnen fünf Perſonen einen Verſchlag. Vor-

geſtern Abends erkrankte eine dieſer Perſonen an der Cholera,‚,
und es wurde daher auch dieſem Hauſe ein Beſuch abgeſtattet.

Ein Herr, welcher die Commiſſion empfing und deren Führer
machte, erklärte, daß der Desinfecteur bereits alle nöthigen Ver-
fügungen veraulaßt habe und daß alles in Ordnung ſei. Dr.

Olah ließ ſich jedoch durch dieſe Verſicherung in ſeiner Miſſion

nicht ſtören und beſichtigte vorerſt das erbärmliche Loch, in welchem
fünf Menſchen wohnten, und den ſtockfinſtern Abort, welchen der
Cholerakranke geſtern bis zu ſeinem Transport benutzt hatte.

Beim Scheine angezündeter Streichhölzchen machten die Herren ö Anſprache:

zu ihrem Entſetzen die Entdeckung, daß die Spuren des Cholera-
kranken noch nicht entfernt worden waren. Seit vorgeſtern war
natürlich dieſer finſtere Abort von zahlreichen Perſonen (im Hauſe
befindet ſich auch eine Druckerei mit zahlreichem Perſonal) benutzt
worden. Die nöthigen Verfügungen wurden ſofort veranlaßt.
Wien, 25. Oct. Der Tod des Grafen Beuſt
erfolgte Sonntag Früh 3 Uhr zu Altenburg in Nieder-
öſterreich plötzlich infolge eines Schlagfluſſes. — Nach einer
Meldung der Politiſchen Korreſpondenz aus Odeſſa ver-
langte das ruſſiſche Konſulat in Varna ein Kriegsſchiff
zu ſeinem und der ruſſiſchen Unterthanen Schutz; infolge
deſſen ſollen zwei kleinere Kriegsſchiffe von Odeſſa nach
Varna abgeſandt werden. — Ein Londoner Brief der Po-
litiſchen Korreſpondenz ſagt, England werde die Räu-
mung Egyptens unbedingt ablehnen, es ſogar auf einen
Krieg ankommen laſſen.
Peſt, 25. Oct. Der Kaiſer und die Kaiſerin
werden hierher kommen und während der Berathungen der
Delegationen hier bleiben. Die Frage der Verlegung der
Delegationen nach Wien iſt gegenſtandslos. — Der wirk-
liche Fehlbetrag im ungariſchen Staatshaushalt für das
nächſte Jahr ſoll 57, nach anderer Berechnung 70 Millionen

betragen.
Ausland.
Paris, 25. Oct. Der ruſſiſche Groß für ſt Alexis
wird Donnerstag in Paris erwartet. — Der neue Bot-
ſchafter in Berlin, Her bette, wird, wie man hier glaubt,
die ihm aufgetragenen Verhandlungen über die Weltaus-

ſtellung von 1889, die bisher vertagt waren, zum ge-

wünſchten Ende bringen. Herbette verhandelt über dieſe
Frage mit dem Fürſten Bismarck ſelbſt. — Dem Ver-
nehmen nach wird die Frage über die Getreidezölle wegen
der Treibereien bei den Wahlen auf dieſem Felde noch
in dieſer Tagung zum Austrag kommen. Die Regierung
bleibt bei dem Getreidezolle von 7 Franken, wird ſich aber,
wenn die Mehrheit darauf beſteht, auch 5 Franken gefallen laſſen.
— Die hieſige Preſſe ſagt im allgemeinen wenig über Herbet-
tes Empfang in Berlin. Der Temps bemerkt: „Die dem
gegenſeitigen guten Willen entlehnten friedlichen Verſicherungen

kommen zur rechten Zeit, um die kriegeriſchen Abſichten,‚

welche die engliſche Preſſe, namentlich in letzter Zeit, der
franzöſiſchen Regierung zuſchreibt, zu widerlegen. Zwiſchen
den Vorſpiegelungen einiger Publiciſten ohne Anſehen und
der gemeſſenen Sprache unſeres neuen Botſchafters in Ber-
lin kann die deutſche Regierung nicht zweifelhaft ſein.“ —
Die Revanche erſcheint zwar noch, wird aber auf den
Straßen nicht mehr ausgerufen, auch ſeit zwei Tagen in
vielen Zeitungskiosks nicht mehr verkauft.
Petersburg, 25. Oct. Bezüglich der geſtrigen Mit-
theilung, betreffend den Tod des Flügeladjutanten des
Czaren, heißt es neuerdings, daß jener Vorfall ſich
bereits im Sommer dieſes Jahres zugetragen habe.
Der Czar ſoll in der That den Grafen, in der irrigen
Annahme, derſelbe plane Böſes, niedergeſchoſſen haben.
Die Beerdigung des Grafen Reutern ging darauf unter
Entfaltung eines ganz ungewöhnlichen Prachtgepränges vor
ſich und es wird berichtet, daß auf Befehl des Czaren der
Sarg des Unglücklichen von Großfürſten getragen worden
ſei. Aus einem ähnlichen Anlaſſe ſoll der Czar vor einiger
Zeit bereits einen ihm verdächtigen Kammerdiener erwürgt
haben. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß dieſe ver-

zweiflungsvollen Ausbrüche eines bis zur Krankhaftigkeit
geſteigerten Mißtrauens gegen ſeine Umgebung das un-
längſt umlaufende Gerücht von einer Geiſtesverwirrung des
Czaren verſchuldeten. Bei dieſem Anlaſſe wird noch daran
erinnert, daß die Juſtizpflege in Rußland immer uner-
träglichere Fehlgriffe ſich zu Schulden kommen läßt. So
wurde ein deutſcher Baron, welcher in der Nothwehr
ſeinen Kutſcher eine Verwundung zufügte, trotzdem er durch
die livländiſchen Gerichte von Schuld und Strafe freige-
ſprochen wurde, in Folge der Einmiſchung des bekannten
Manaſſein von Livland nach Sibirien geſchleppt. Der
Czar, welchem in der Sache Begnadigungsgeſuche zugingen,
verwarf dieſelben kurzer Hand.
Niſch, 25. Oktbr. Der zum Vertreter Bulgariens bei
der diesſeitigen Regiernng auserſehene Dr. Stransky iſt
aus Sofia hier eingetroffen.

Aus Stadt und Land.
* Ftidelberz, 26. Oct. Bei der geſtrigen Einweihung des
neuen Schulhauſes hielt nach Herrn Kirchenbauinſpector
Behaghel Herr Oberbürgermeiſter Dr. Wilckens folgende

Indem ich Ihnen, geehrter Herr Bauinſpector, für die Aus-
arbeitung der Pläne zu dieſem ſchönen, in durchaus würdiger
und zweckmäßiger Weiſe eingerichteten und ausgeſtatteten Schul-
haus ſowie für Ihre umſichtige Bauleitung den Dank der Stadt-
gemeinde ausſpreche, übernehme ich dasſelbe Namens der ſtädti-
ſchen Verwaltung mit dem innigen Wunſche, daß darin unſere
Jugend zur Gottesfurcht und guten Sitte, zur Vaterlandsliebe,

zum Gemeinſinn und überhaupt zu all' den Tugenden erzogen

werden möge, welche die Menſchheit zieren. Die Ausbildung des
herauwachſenden Geſchlechts war ſtets eine der wichtigſten
Kultur⸗Aufgaben, und es kann einer Gemeinde nur zur Ehre ge-
reichen, wenn ſie von dem richtigen Verſtändniß für dieſe Auf-
gabe durchdrungen iſt und kein Opfer ſcheut, um dieſelbe in ent-
ſprechender Weiſe zu löſen. Daß die Stadt Heidelderg auch auf

dieſem Gebiete allen Anforderungen der Gegenwart gerecht zu

werden ſucht, beweiſt dieſer ſtattliche Bau, der zugleich eine erheh-
liche Vermehrung der Lehrkräfte an unſerer Volksſchule bedingt.
In Folge der Inbetriebnahme des neuen Hauſes iſt der Auf-
wand, welcher der Gemeinde für die Volksſchule erwächst, nun-
mehr auf 110 000 ¾ pro Jahr geſtiegen; er hat alſo eine Höhe
erreicht, die in Aubetracht der Seelenzahl und der Steuerkraft
unſerer Bevölkerung als ſehr bedeutend erſcheint. Die Gemeinde
ſtellt aber gerade für Bildungszwecke mit beſonderer Bereitwillig-
keit die erforderlichen Mittel zur Verfügung, weil ſie weiß, daß
keine Ausgabe rentabler iſt, als diejenige, welche für eine ver-
nünftige Erziehung der Jugend gemacht wird, und weil ſie ferner
die Ueberzengung hat, daß unſere dermaligen Schuleinrichtungen
eine gute Ausbildung unſerer Kinder verbürgen. Unſer badiſches
Volksſchulweſen iſt unzweifelhaft in beſter Verfaſſung. Dasſelbe
iſt in vielen Beziehungen geradezu muſtergiltig, und es iſt des-
halb nicht mehr als recht und billig, daß nicht blos Seitens des
Staats, ſondern namentlich auch Seitens der Gemeinden Alles
aufgeboten wird, um dasſelbe auf dieſer Höhe zu erhalten.
Unſere Lehrer, und ſpeciell auch die an unſerer Schule angeſtell-
ten, ſind gewohnt, ihre Schuldigkeit in vollem Maße zu thun.
Mit Luſt und Liebe wirken ſie in ihrem verantwortungsreichen
Berufe, und wir überlaſſen ihnen daher mit vollem Vertrauen
ſowie in der feſten Zuverſicht dies Haus, daß in demſelben allzeit
mit Eifer und Verſtändniß, mit Ausdauer und Treue an dem
Werke der Jugenderziehung werde gear veitet werden. Ihnen, ge-
ehrteſter Herr Kreisſchulrath, als dem bewährten Vorſteher unſerer
Lehrerſchaft und als dem derdienſtvollen Rector unſerer Schule,
welchem letztere ſo viele Unterſtützung und Förderung verdankt,
übergebe ich jetzt Namens der Stadtgemeinde das neue
Schulhaus, deſſen Eröffnung zugleich in der Entwicklung des
Rohrbacher Bauviertels die Zurücklegung einer weiteren Etappe
bedeutet, zur Benützung. Möge der Segen des allmächtigen
Gottes über dieſem Hauſe walten!
Hierauf ergriff Herr Kreisſchulrath Strübe das Wort zu
folgender Rede:
Hochgeehrte Verſammlung! Wenn auch ich mir erlaube, ein
kurzes Wort an die geehrte Verſammlung zu richten, ſo thue ich
es in der dreifachen Eigenſchaft als Rector der Volksſchule, als
Kreisſchulratb und als Vertreter des Großh. Oberſchulraths.
Wir haben dieſen ſchönen Bau betreten, um ihn für ſeine Be-
ſtimmung feierlich einzuweihen, und haben dabei gewiß den
Eindruck, ja die Ueberzeugung, daß mit dieſem Bau für einen
hohen Zweck etwas Muſtergiltiges geſchaffen worden ſei. Wir
können uns dabei freilich des Gedankens nicht erwehren, daß die
Stadt Heidelberg für die Erſtellung des Hauſes, wie für die
Schulanſtalt große Opfer zu bringen hatte. Und da möchte ich, als
Vertreter der Schulbehörde, der Gemeinde gleich von vornherein
die Verſicherung geben, daß es der Behörde jeweils nicht leicht
fällt, für die Schule mit ſo großen Anforderungen an eine Ge-
meinde heranzutreten, wenn ſie auf Grund des Geſetzes eben auf
der Herſtellung eines Schulhauſes beſtehen muß. — In vorliegen-
dem Falle freilich iſt es nicht dazu gekommen, daß die Staats-
behörde einen Machtſpruch zu thun gehabt hätte; kann es doch
dieſelbe ruhig der Erwägung der Gemeindebehörden in den

größeren Städten überlaſſen, für einen der wichtigſten Zweige der

Verwaltung in entſprechender Weiſe Vorſorge zu treffen. Indem
nun die Staatsbehörde davon Kenntniß nimmt, in welcher Weiſe
auch in vorliegendem Falle unſere Stadt für die Schulbedürfniſſe

geſorgt hat, hat ſie allen Grund, mit voller Anerkennung zu be-
ſtätigen und feſtzuſtellen, daß Heidelberg hierin etwas wirklich

Kammermufik⸗Abend des Quartetts Heckmann.

V Hridelberz, 25. Okt. Es waren Stunden eines ungetrübten,
reinen Genuſſes, welche die Muſeumsgeſellſchaft ihren Mitgliedern
und dem ganzen muſikfinnigen Publikum durch die Berafung
des Heckmann'ſchen Quartetts am Sonntag Abend bereitete.
Man konnte in ihnen einmal den Staub des Alltäglichen und
Trivialen von den Füßen ſchütteln und an der Hand trefflicher
Führer in die reine Atmoſphäre herrlicher Kunſtwerke hinaus-
wandern. Das Heckmann'ſche Quartett, das auf ſeinen muſikali-
ſchen Streifzügen überall als ein erſtes unter den erſten aner-
kannt wird, weiſt noch nicht den Schaden auf, den die meiſten
der Virtuoſen und Virtuoſenbereine in Folge der ſtetigen Wan-
derungen erleiden. Es iſt ihm noch nicht, wie den meiſten Con-
certſchmetterlingen, die von Saal zu Saal flattern, durch den
ermüdenden Flug der ſchimmernde Glanz von den Schwingen
geſtreift, es beſitzt noch eine wohlthuende künſtleriſche Friſche,
eine in die Augen ſpringende Luſt am Spiel, die zündend wirkt.
Vier treffliche Künſtler haben ſich zuſammengefunden, die wie
iner denken und ſpielen. Es mag Quartettvereine geben und
gegeben haben, die ein ſüßeres, feineres Spiel entwickeln, jedoch ſo
markig. ſo energiſch und, wenn wir ſo ſagen dürfen, ſo überzeugend
wird man ſelten haben ſpielen hören. Man kann von den Künſt-
lern in muſitaliſcher Beziehung ſagen „Nur was wir ſelber glau-
ben, glaubt man uns“. In ihrem Vortrag liegt nie ein: „ſo
faſſen wir es Mal „ſondern ein beſtimmtes „ſo heißt es“. In
dem vollſten Maße beſicen ſie die Kardinaltugenden eines tüchti-
gen Quartetts: minutiöſes Zuſammenſpiel, treffliche Nüancirung
und — von kleinen vorübergehenden Schwankungen in den Vio-
linen abgeſehen — Reinheit des Tons. Sämmtliche Programm-
nummern wurden mit einer Kraft und einem Schwung ausge-
führt, welche das Publikum zu ſtürmiſchem langandauerndem Bei-

fall fortriſſen. Als erſte Nummer bolen die Gäſte das großartige
F-dur-Quarteit (Op. 59 Nr. 1) von Beethoven. Sie haben den
gewaltigen Gedankenſchatz dieſes Werkes in überſichtlicher Klar-
heit vor uns ausgebreitet und namentlich das Adagio mit tiefer,
edler Empfindung, das Théme russe in ſeiner ganzen originellen
rauhen Schönheit wiedergegeben. — Auf die Fülle der Beetho-
ven'ſchen Gedanken folgte in zwei Sätzen aus dem D-moll⸗Quartett
von Raff ein Muſter geſchickter, berechuender Verſtandesarbeit. So
intereſſant Raffs Werke ſind, es fehlt ihnen allen an der in-
nern Wahrheit, am wirklich künſtleriſchen Gehalt. So recht als
Gegenſtück kam darauf das Thema mit Variationen aus dem
D.moll⸗OQuartett von Schubert mit ſeiner ganzen Gefählstiefe,
ſeiner echten beſtrickenden Romantik. Und wie bezaubernd wußten
die Kölner dieſen Satz in ſeiner ſinnigen, ſchmerzdurchwebten
Ruhe wiederzugeben! — Ganz ein Kind der Zeit iſt E. Grieg,
deſſen G-moll⸗Quartett den Abſchluß bildete. Bei ihm ſind alle
hergebrachten Formen und Regeln verworfen und abgeſtreift. Frei,
wie ſein Inſtinct ihn treibt, gibt er ſich. Nur die reizende Ro-
manze ſteht auf dem Niveau des Gewohnten, im Uebrigen malt
er ſein nordiſches Tonbild ſo regellos und zerklüftet, wie die
Natur die Küſte ſeiner norwegiſchen Heimath geſchaffen. Das iſt ein
Wühlen in barocken Klangeffecten, ein Spielen mit orgelartigen Ac-
corden, als ob der Sturmwind ſich in den Scheeren gefangen;
dann liegen die Fiords wieder da in ihrer kalten nordiſchen
Klarheit, und nun brummt und ſurrt es wieder und ſchließlich
ſcheinen die Seehunde ſich in einem Saltarello zu einer soirée
dansante zuſammengefunden zu haben. Muſikaliſche Gretchen-
naturen müßten ſich bei dieſem Quartett wohl ſagen:
„— ich war recht böſ auf mich,
Daß ich auf Dich nicht böſer ſein konnte.“ Dr. 8.

Muſterhaftes geleiſtet hat. Je vertrauensvoller aber die Staats-
behörde die Schulhausbauangelegenheiten den ſtädtiſchen Behörden
überlaſſen hat und überlaſſen kann, deſto verantwortungsrei er
iſt dieſe Frage an die ſtädtiſchen Behörden ſelbſt, zunächſt an die
Schulcommiſſion herangetreten; und die Gemeinde kaun verſichert
ſein, daß dieſes Collegium, dem auch anzugehören ich die Ehre hahe,
reiflich erwogen und ihre Anträge nicht früher geſtellt hat, als
bis die Forderung nach einem Neubau eine unabweisbare gewor en
iſt. Die Zunahme der Bevölkerung und dementſprechend die Steige“
rung der Schülerzahl ließ nach gerade die vorräthigen Schulräume
ganz abgeſehen von der theilweiſen baulichen Mangelhaftigkeit, a
durchaus unzureichend erſcheinen; die Uebervölkerung der mei
Claſſen erheiſchte eine Abhilfe. Dazu wurde es je länger je mehr
als ein ſchwerer Mißſtand empfunden, daß ſich auf einen engel
Bezirk, ja ſozuſagen einen Punkt der Stadt eine allzugroße Za
von Kindern zuſammendrängte, und daß zugleich für einen großen
Theil der Schuljugend, beſonders die jüngere die Entfernung
zwiſchen Haus und Schule bei der Ausdehnung der Stadt na-
Weſten allmählich eine zu beträchtliche geworden iſt. Im Hinhl
auf alle dieſe Verhältniſſe trug denn auch die Ortsſchulbehör 0
kein Bedenken mehr, den Neubau eines größeren Schulhauſes iuut
Weſten der Stadt bei dem Stadtrath zu beantragen. Ebenſo ha
es der Stadtrath für ſeine Pflicht gehalten, die betr. Anträge iſ.
Forderungen zu ſtellen, die denn auch in dankenswerther Meiſe
von der Stadtverordnetenverſammlung willig genehmigt wurde,
Werfen wir einen Blick darauf, was die übrigen größeren Städ
des Landes in Beziehunng auf Schulhausbauten geleiſtet haben
und noch leiſten, können wir wohl behaupten, daß in dieſer Hin
ſicht an Heidelberg ſeit langer Zeit nur mäßige Anforderungen

geſtellt worden ſind. Man könnte vielleicht darüber Bedenken 4

heben, daß man mit dieſem Bau über das heute beſtehende i1
dürfniß hinausgegangen ſei, ſo daß man z. Zt. einen Dritthei
der Schulräume noch nicht zu benützen habe.
gewiß im Jutereſſe einer weiſen Oeconomie, daß man dae n. 3
nur das augenblickliche Bedürfniß, ſondern auch die Zukunft in

Allein es liegt gan

Auge faßt, um nicht alsbald wieder vor die Frage geſtellt zu ö

werden, wie weiter nöthige Schulräume zu beſchaffen 1
rere, aber kleinere Schulhäuſer zu bauen, würde, abgeſehen vo.
den größeren Baukoſten, auch den Betrieb ſehr verthenern.
Ausdehnung dieſes Hauſes hat gerade das richtige Maaß.
Luxus können wir uns hier freilich nicht erlauben, daß wir übe
ein Areal von 3, 4 und 5 Hektaren verfügend, auf demſelben eine
aus Baracken beſtehende Schulſtadt erbauen und in jeder Bara 8
1 oder 2 Claſſen unterbringen. Wie man in dieſem Stadttheil bei
Anlage von Straßen, bei Leitung für Waſſer und Licht auch t,
Zukunft ſchon bedachte, ſo wollte man auch, und mit Recht,

für den Weſten unſerer Stadt bezüglich der Volksſchule nicht nur

für jetzt, ſondern auch für die Zukunft vorſorgen. Wenn aten
mit dieſem Bau hinſichtlich des Verkehrs nicht alle Schwieriaken
gehoben, nicht alle Wünſche erfüllt ſein ſollten, ſo iſt doch —
Mögliche geſchehen. Und da möchte ich die hochverehrten ——
weſenden freundlich und dringend bitten die Verſtimmung man 8
Familie über die Entfernung dieſes Hauſes und der eigenen 0 ⸗
nung zu beruhigen. In Heidelberg ſollte man eigentlich gon Ee
fernungen gar nicht reden; wir müſſen unſere kleinſtädtiſcht-
Begriffe über Entfernungen in der Stadt mehr und mehr en
legen, und uns hierin an etwas großſtädt. Anſchauungen gewöhneſ-
Wenn ich mich recht erinnere, ſo habe ich Namens der Schu
behörde am 12. Oktober 1868 bei der feierlichen Einweihung de
neuen, damals evangeliſchen Schulhauſes, eine Anerkennung
die hieſige Gemeinde, eine Ermunterung an Diejenigen, welche die
nächſt an der Schule zu wirken hatten, und eine Bitte au⸗ 3
Einwohner unſerer Stadt ausgeſprochen. Der Anblick dioſe-
Hauſes legt es mir ebenſo nahe, der Gemeinde wieder die An
erkennung der Schulbehörde zu erkeunen zu geben. Mit dieſem
Bau hat die Gemeinde ſich ſelbſt ein Ehrendenkmal geſetzt; in der
Anlage und der Ausführung deſſelben hat ſie auf das Beredteſte
zu erkennen gegeben, welches Intereſſe ſie der Volksſchule,‚ der
Bildung und Erziehung der Jugend zuwendet, in der richtigen
Einſicht von der großen Bedentung dieſer Anſtalt für die Fa-

milie, die Gemeinde und für das ganze Vaterland. Der Großh.

Oberſchulrath hat mir den beſondern Auftrag ertheilt, bei dieſer
Gelegenheit der Stadtbehörde die volle Anerkennung und au
richtigen Glückwunſch zur Herſtellung dieſes Hauſes auszuſprechan
Was die damalige Ermunterung an die vehrer und die Bitte a
die Einwohner Heidelbergs betrifft, ſo kann ich mit großer r
uugthunng und Freude heute beſtätigen, daß dieſelben nicht nu
fromme Wünſche geblieben ſind. Iſt doch kaum Jemand in r
Lage, wie ich, dem die Gemeinde die unmittelbare Leitung *
hieſigen Volksſchule ſeit einer Reihe von Jahren anvertrant hat,

dafür Zeugniß abzulegen, daß ſich die an der Schule wirkenden

Lehrer ihrer eruſten und wichtigen Pflicht bisher bewußt gewsſen
und mit tüchtiger Kraft und Strebſamkeit ihre Aufgabe zu löſ

bemüht waren. Und ich kann mit Ihnen allen nur wünſchen-

daß der bisherige gute Geiſt der Pflichttreue, der Strebſamkeit

und der ehrenhaften Amtsbrüderlichkeit der Lehrer auch mit lit
dieſes neue Haus einziehe. Die Lehrer betreten dieſes Haus mit
freudigem Gefühl und doch auch wieder in ernſter Stimmunor
ernſter als je ſteht denſelben die hohe Aufgabe ihres Amtes und
der Seele. Mehr und mehr ſtützen ſich unſere gemeindlichen des
ſtaatlichen Einrichtungen auf die breite Grundlage der Maſſe en
Volks; und ſoll aus ehen dieſer Thatſache ein Segen erblüh
und nicht ein Fluch erſtehen, ſo iſt es ein unerläßliches Erforna
niß, daß das Volk zu einer ſittlichen und geiſtigen Freiheit Au-
ſtrenger Selbſtzucht erhoben werde. Ich branche nicht ausan-
führen, welch' ein großer Theil dieſer Aufgabe der Volksſchule zu-
fällt, und wie ſchwer ſich das hier Verſäumte im Leben des Epie
zelnen wie in der Geſammtheit rächen muß. Deſſen ſind ſich der
Lehrer bewußt. Iſt es doch auch der Haltung und Leiſtung
Lehrer in erſter Linie zu danken, daß meine vor 18 Jahren
die Einwohner der Stadt gerichtete Bitte nicht vergeblich audiat.
ſprochen wurde. Kaum hat vor 18 Jahren eine beſſer ſituin
Familie ein Kind der Volksſchule anvertraut. Wie iſt das bl,
heute ganz anders geworden. Mag man auch hier, wie allenthaſß
ben, über das Verhalten eines Theils der Schuljugend außerhg
der Schule mit Recht Klage zu führen haben; das Zeugniß
wird unſerer Volksſchule nicht verſagt, daß in der Schule
die beſte Ordnung und Zucht herrſcht und das geleiſtet wird, m.
eine tüchtige Schule leiſten ſoll. Möge die Einwohnerſchaft
Anſtalt fort und fort ihr Intereſſe zuvdenden und uns it
Handhabung der Zucht unterſtützen.
glückliches Geſchlecht nach dem andern hervorgehen, das ſi
ſpäteren Jahren mit Dank und Ehrerbietung dieſer S
erinnert, wo man in den fröhlichen Tagen der Kindheit ein-
ausgegangen, und wenn auch nicht den ganzen Umfang th-
Wiſſens, ſo doch das erlernt hat, was jedes Wiſſen zur udet
wendigen Vorausſetzung hat. Das äußere Haus iſt nun vollen nd
und wir wollen uns daran machen, im Innern zu geſtalten 1 m
zu erbauen. Möge Gott ſeine treue Vaterhand auch über Wiſe
Hauſe ſchützend halten, daß es zum Segen unſerer theuern Stunb
eine Pflanzſtätte werde der Erkenntniß, der guten Sitte u
Gottesfurcht. 5. 5.0
U. beidriberg, 26. Oct. (Schöffengerichtsſitzung vom 2
Margaretha Roethel von Schweigern wird wegen Ueberteetun 5
des 9 361. R.⸗St⸗G. zu 4 Wochen Haft. Leonhard Thomag
und Mar Hoffmann dahier wegen Widerſtands und Schmähfez-
öffentlicher Diener erſterer zu Wochen Gef. u. 6 Tagen Haft, le
terer zu 4 Tagen Gefängniß, Friedrich Keſſelbach, Agent dabpa-
wegen Beleidigung zu 3 Wochen Gefängniß, Andreas Enalor ea
hier, wegen Körperverletzung u. Hausfriedensbruchs zu 14 Tah
Gefängniß, Suſanna Benz von Eppelheim wegen Körperverlebne 0
zu 10 Tagen Gefängniß, Chriſtian Hofſtätter dabier wegen aen
drohung zu 20 ½. Geldſtrafe, Jakob Winter von Nußloch wegn
Thätlichreiten u. Bedrohung zu 6 Tagen Geſängniß und 6 Taſe
Haft, Gottlieb Reichert von Bretten und Coeleſtin Singer dahie

ſeien. Meh“

ſelbt

Möge aus dieſem Hauſe ein
 
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