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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0495

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Tagblalt und Verkündiger für die Sladt Heidelberg.

Iuſertionsgebühr
15.9fürdie Aſpal-

d. Inſerate in den
Placat⸗Anzeiger.

Montag, den 1. Rovember

1886

Auf die „Heidelberger Zeitung“, — Haupt-
und Kreisvertündigungsblatt
für den Kreis Heidelbera — werden fur die
Monate November und Dezember
bei allen Poſtanſtalten, den Briefträgern, bei den Trägern
in der Stadt, ſowie bei der Expedition, Untere Neckar-

ſtraße Nr. 21, Beſtellungen angenommen.

T r

nriß zu durchdringen.

* Politiſche Umſchau.
Heidelberg, 1. November.
So oft und nachdrücklich auch von beiden zunächſt be-

theiligten Seiten, ſowohl von konſervativer wie von natio-

nalliberaler, betont worden iſt, daß das von hüben und
drüben erſtrebte engere Zuſammengehen gegenüber den ex-
tremen Parteien des Centrums, der Demokraten beider
Namen und der Sozialdemokraten keine Parteiver-
ſchmelzung zum Zwecke habe, eben ſo oft kehren die
völlig müßigen Nachweiſe wieder, daß eine Verſchmelzung
unthunlich und unmöglich wäre. Als ob irgend jemand
ſie gewünſcht hätte! Neuerdings wird nun von den Mittel-

pbarteien feindlicher Seite eine Aeußerung des Abgeordneten

Rumpff auf dem nationalliberalen Parteitag in Gera weid-

lich ausgebeutet, die wörtlich gelautet haben ſoll: „Als vor
bvier Wochen von Düſſeldorf der Aufruf zu einem Vereins-
tag zwiſchen den Nationalliberalen und den Freikonſerva-
tiven erging und man auch Bennigſen einlud, zu erſcheinen,
um an der Gründung der Mittelpartei theilzunehmen, ant-
wortete derſelbe einfach: „Auf Ihr gefälliges Schreiben

vom 3. ds. M. theile ich Ihnen ergebenſt mit, daß ich
nicht in der Lage bin, mich an der von Ihnen
beabſichtigten Bildung einer Mittelpartei zu

betheiligen.“ Hiergegen, bemerkt die Köln. Ztg., iſt ſchon
von nationalliberaler Seite ſehr zutreffend bemerkt worden,
daß, wenn auch Herr v. Bennigſen ſich nicht an der Be-
gründung
wollte, daraus noch lange nicht folge, daß derſelbe einem
ſolchen Zuſammenſchluß der gemäßigt⸗liberalen und der

einer Mittelpartei perſönlich betheiligen

konſervativen Parteien abgeneigt ſei, welcher den Partei-

„Beſonderheiten Spielraum läßt und nur die gemeinſamen

grundlegenden Punkte betrifft, wie ſolcher Zufſammenſchluß
neuerdings erörtert worden iſt.
Bezüglich der Miſſion des neuen franzöſiſchen
Botſchafters in Berlin wird der Pol. Corr. in ſehr

bemerkenswerther Weiſe aus D aeh. Hcaſter i
ie Behauptung, daß der neue franzöſiſche Bot
Berin Herr 0 61e „in erſter Linie die Miſſion erhalten
habe, mit der dentſchen Reichsregierung in Betreff der eg yp-
iſchen Frage in Unterhandlungen zu treten, iſt eine irrige.
Es muß im Auge behalten werden, daß die Be-
ziehungen zwiſchen den beiden Regierungen, trotz
es beiderſeitigen guten Willens, doch Einiges
zu wünſchen laſſen. Herr Freyeinet hat daher einen
ſeiner hervorragendſten Mitarbeiter, deſſen friedliche Inten.
tionen er kennt, nach Berlin entſendet, um die Bezi ehungen
zwiſchen den beiden Regierungen wie der auf nor-
malen Fuß zu bringen. Eine andere Miſſion hat Herr
erbette nicht erhalten.

— Deutſches Reich. ö
Karlsruhe, 30. Octbr. (Amtlich.) Se. Kgl. Hoheit
der Gro ßherzog haben dem Königlich Preußiſchen Ritt-

meiſter Freiherrn von König im 1. Garde⸗Ulanen⸗Regi-
ment das Ritterkreuz erſter Klaſſe des Ordens vom Zährin-

ger Löwen, dem Königlich Preußiſchen Hauptmann z. D.
Krückmann in Koblenz, dem Profeſſor C. Herrmann,

Mitglied wiſſenſchaftlicher Inſtitnte in Wien, das Ritter-
krenz zweiter Klaſſe des Ordens vom Zähringer Löwen
verliehen, dem Betriebsinſpektor Janſon bei der General-
direktion der Staatseiſenbahnen die nachgeſuchte Erlaubniß
zur Annahme und zum Tragen des ihm von Sr. Majeſtät
dem Deutſchen Kaiſer und König von Preußen ver-
liehenen Königlich Preußiſchen Kronen⸗Ordens driiter Klaſſe,
dem Oberſtkammerherrn Freiherrn von Gemmingen die
nachgeſuchte Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen des
ihm von Sr. Hoheit dem Fürſten von Hohenzol lern
verliehenen Ehrenkreuzes erſter Klaſſe des Fürſtlich Hohen-
zollern'ſchen Hausordens ertheilt, dem Wachtmeiſter Heinrich
Anders im Königlich Preußiſchen 1. Garde⸗Ulanen⸗Regi-
ment die kleine goldene Verdienſtmedaille verliehen.
Laut Allerhöchſter Cabinets⸗Ordres iſt Folgendes be-
ſtimmt worden: 2. Badiſches Grenadier⸗Regiment Kaiſer
Wilhelm Nr. 110: Kulow, Secondelieutenant der Reſerve,
in Controle des 2. Bataillons (Muskau) 1. Weſtpreußi-
ſchen Landwehr⸗Regiments Nr. 6, der Abſchied bewilligt.
1. Bataillon (Mosbach) 2. Badiſchen Landwehr⸗Regiments
Nr. 110: Dr. Spenkuch, Aſſiſtenzarzt 1. Klaſſe der
Seewehr, der Abſchied bewilligt.
Karlsruhe, 30. Oetbr. Heute Mittag 12 Uhr 30
Minuten iſt die Kaiſerin mittelſt Extrazuges von Baden-
Baden abgereiſt. Vorher empfing Ihre Majeſtät noch den
Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin. Der Großherzog
und die Großherzogin begleiteten die Kaiſerin bis Karls-
ruhe an die Mühlburgerthor⸗Station. Um 4 Uhr 40 Min.
zurie die Großherzoglichen Herrſchaften nach Baden⸗Baden
zurück.
Berlin, 30. Oet. Der Reichstag ſoll am 23.
November zuſammentreten. — Im Etat des Reichs-
amts des Innern iſt für 1887/88 eine Forderung neu
eingeſtellt für eine phyſikaliſch⸗techniſche Reichs-
anſtalt 100 432 M. Die Hochſeefiſcherei ſoll mit
200000 ſtatt bisher 100 000 M. unterſtützt werden. —
An Zöllen und gemeinſchaftlichen Verbrauchs-
ſteuern, ſowie anderen Einnahmen ſind im Reiche für die
Zeit vom 1. April 1886 bis zum Schluß des Monats
September 1886 einſchließlich der greditirten Beträge (und
verglichen mit der Einnahme in demſelben Zeitraum des
Vorjahres) zur Anſchreibung gelangt: Zölle 148 903 673 M.
(+ 7496 805 M.), Tabakſteuer 3398 409 M. (+ 29 122
Mark), Zuckerſteuer 85 793 488 M. (+ 31 692 944 M.),
Salzſteuer 17811 428 M. (+ 342 851 M.), Branntwein-
ſteuer 9 188 242 M. (— 590986 M.) Uebergangsabgabe
von Branntwein 43 922 M. (— 4428 M.), Brauſteuer
9.887774 M. (+ 473 752 M.), Uebergangsabgabe von
Bier 1014 655 M. (+ 113 720 M.), Summe 74 454 615
Mark (S. 39 553 780 M.). Spielkartenſtempel 416 188 M.
— 5362 M.), Wechſelſtempelſteuer 3 241028 Mark,
(— 87289 M.), Stempelſteuer für a. Werthpapiere
2 638837 M., b. Kauf⸗öund ſonſtige Anſchaffungsgeſchäfte
3 639 190 Mark, 6. Looſe zu Privatlotterien 483 836 M.,
Staatslotterien 2527 677 M. (— 83 521 M.), Poſt⸗ und
Telegraphenverwaltung 85519 215 M. (+ 3 351382 M.),
Reichseiſenbahnverwalung 23 591 300 M. + 406 300 M.).
Coblenz, 30. Oct. Kaiſerin Auguſta iſt heute
Abend von Baden⸗Baden in beſtem Wohlſein hier
eingetroffen.
Leipzig, 30. Oct. Das Reichs gericht verurtheilte
den Schriftſetzer Guſtav Dobner in Leipzig wegen vorbe-

reitender hochverrätheriſcher Han dlungen zu 2
Jahren und 6 Monaten Zuchthaus, ſowie 3 Jahren Ehr-
verluſt. ö
Oeſterreichiſche Monarchie.
Peſt, 30. Octbr. (Abgeordneten haus.) Der
Finanzminiſter ſchlägt zur Bedeckung des Defieits vor,
Werthpapiere im Betrage von effektiv fl. 36 600 000 zu
emittiren. Der Tarif für den Perſonentransport ſoll um
1 pCt., der Frachttransport um 2 pCt. erhöht werden.
Ferner wird eine theilweiſe Erhöhung des Proceßſtempels,
Beſchränkung der Portofreiheit beabſichtigt und die Conver-
tirung der Titres mehrerer Eiſenbahnen, zunächſt der
Theißbahn, ſowie Reform der Verwaltung der Staats-
bahnen, Erhöhung der Einnahmen der Tabakregie und
rigoroſeſte Sparſamkeit in Ausſicht geſtellt.
Gran, 30. Oct. Kaiſer Franz Joſef iſt in Be-
gleitung des Miniſterpräſidenten Tisza Vormittags hier
eingetroffen und im Palais des Primas⸗Cardinals v. Si-
mor abgeſtiegen, dem er kurz nach ſeinem Eintreffen einen
Beſuch abſtattete. Die Bevölkerung begrüßte den Kaiſer
mit begeiſterten Kundgebungen.
Ausland.
Paris, 30. Oct. Ein Sohn des türkiſchen Miniſters
des Auswärtigen traf von Konſtantinopel hier ein, um
den Großcordon des Schefaka⸗Ordens an Frau Frey-
einet zu überbringen. Die Ueberreichung fand geſtern im
Miniſterium des Aeußern in Gegenwart des türkiſchen Ge-
ſchäftsträgers und des Herrn Mollard ſtatt. — In Calais
iſt von Creuzot zur Vertheidigung des Platzes und der
Küſte eine Stahlkanone eingetroffen, die mit einer La-
dung von 65 Kilogramm ein Wurfgeſchoß von 155 Kilo-

gramm mit anfänglicher Schnelligkeit von 600 Meter ſchleu-

dert, 8 Meter lang iſt und 22 000 Kilogramm wiegt. —
Die Blätter veröffentlichen einen Brief des ſpaniſchen
Aufwieglers Ruiz Zorilla, in welchem der-
ſelbe ſeiner Ausnahmeſtellung wegen die Einladung zu
einem Gaſtmahle, welches zur Feier Caſtelars Anweſen-
heit in Paris ſtattfinden ſoll, ablehnt. Er ſagt dann
weiter: „Meine Liebe zu Frankreich, welches ich als mein
zweites Vaterland betrachte, und meine Wünſche für

Einigung der lateiniſchen Völker ſind denen, die

mich mit ihrer Freundſchaft beehren, wohlbekannt, aber
meine Stellung als Geächteter und die Gaſtfreundſchaft, die
mir die franzöſiſche Regierung und das franzöſiſche Volk
gewähren, zwingen mich zu großer Zurückhaltung, ſelbſt
wenn es ſich um eine faſt private Zuſammenkunft handelt.
— Freyeinet hat von dem franzöſiſchen Botſchafter in
London, Waddington, einen Bericht über deſſen Unter-
redung im engliſchen Auswärtigen Amte über Englands
Abſicht in Egypten erhalten. Im heutigen Miniſter-
rathe theilte der Miniſterpräſident dieſen Bericht mit und
erklärte dazu, er könne die Abſichten Englands nicht
theilen und habe Waddington beauftragt, die Verhand-
lungen über Egypten fortzuſetzen. — Vom Senegal,
27. Octbr., wird gemeldet: In Dakar traf die Nachricht
ein, daß Scheik Badier und 80 ſeiner Krieger nach
hartnäckigem Kampfe getödtet wurden; franzöſiſcherſeits
fielen zwei ſchwarze Spahis, 12 wurden verwundet. Nach
dieſem Kampfe war die Ruhe geſichert.
London, 30. Oct. Die ruſſiſchen Agenten in
Bulgarien ſuchen noch in letzter Stunde, bevor die

Sobranje ihre Umtriebe unmöglich macht, ſowohl den

—— —— — —

3 Frauenloos.

Von S. v. d. Horſt.
(Fortſetzung.)

Die Baronin hatte ihn heimlich ſchon lange beobachtet,

fie warf, ohne von ihm bemerkt zu werden, ein großes
Tuch über die leichte Morgenkleidung, ließ den Schleier
erabfallen und ging Leo nach, entſchloſſen, ſein Geheim-
Seit Wochen hatte ſie den ſchweig-
ſamen, düſterblickenden Mann auf jedem ſeiner Wege be-

gleitet, ſich beharrlich neben ihm gehalten, wohin er auch
dging, — alles ohne den mindeſten Erfolg. Jetzt wollte ſie

ie Sache anders anfangen.
Auf den Grasſpitzen lag der Thau in ſilbernen Tropfen,

zwiſchen dem Grün der Buchenblätter erſchien hier und da
die Ebereſche mit ihren purpurnen Beerenbüſcheln, die weiße

Birke, die ernſte dunkle Tanne, Epheuranken kletterten von
Zweig zu Zweig, wilde Blumen blühten zwiſchen Stamm

und Stamm zu tauſenden. Der Freiherr ging durch die

— ſein Herz ſchlug heftig, er dachte nur eins: Wird Cäcilie

Schönheitsfülle der Natur dahin wie ein Träumender,

mmen? ů
Der Mühlbach war bald erreicht. Zwiſchen alten Wei-
den lag der Steg, das Waſſer plätſcherte über helle Steine
zu Thal, der Stelle entgegen, wo das Rad die Schaum-
derlen hoch emporwarf. Niemand befand ſich in der Nähe,
— Leo ſpähte umher, aber kein Menſch war zu entdecken.

Haſtig verſenkte er das Angelgeräth in die ſteinige Tiefe

und kreuzte dann beide Arme, um zu warten. Wer ihn
etwa ſo ſah, der konnte glauben, er beobachte die ſpielen-
den Krebſe.

ſten geweſen, beinahe täglich!

„Hier alſo,“ dachte die Baronin, während Schauer
nach Schauer ihre Adern durchrieſelte. „Ohne Zweifel ein
Rendezvous.“ ö
Sie verſteckte ſich hinter überhängenden Gebüſchen und
konnte in dieſer Weiſe alles ſehen, was etwa auf der
Brücke vorging, aber ohne ein Wort zu verſtehen. Ihre
Zähne ſchlugen an einander wie im Fieberfroſt, ſie ſtützte
ſich gegen einen Baumſtamm, um nicht zu Boden zu ſinken.
Der Freiherr ſah nach der Uhr. Zehn Minuten vor ſechs,
jetzt konnte Cäcilie in jedem Augenblick kommen.
Wie oft war er ſeit dem Unfall, bei dem er das junge
Mädchen vom ſicheren Tode errettete, im Hauſe des Ober-
Ihn kümmerte weder die
Etiquette noch das Geflüſter der Leute, er kam ohne ſeine
Frau, als ſei ſie überhaupt nicht unter den Lebenden, kam

heute früh und morgen ſpät, um fünf Minuten zu bleiben,

oder um mit den Kindern ſtundenlang zu ſpielen, je nach-
dem. Vielleicht ahnten alle, was ihn ſo zauberhaft be-
herrſchte, vielleicht bedauerten die meiſten der früheren

Kameraden den flotten Hartenſtein, mit dem es ein ſo kläg-

liches Ende genommen hatte, kurz, Niemand neckte ihn, es
gab vielmehr immer irgend eine Stimme, die über das Er-
gehen der Kranken ein beruhigendes Wort hinwarf, ſo daß
Leo ſeinen Zweck erreichte. Er erfuhr, daß Cäcilie lebte und
von dieſer Gewißheit zehrte er bis zum folgenden Tage.

Heute ſollte er ſie zum erſtenmale wiederſehen. Jeder

duht.. in ihm drang zum Herzen, ſo oft er daran
achte. ö
Ein Schatten fiel auf den Weg, der Freiherr fuhr auf,
als habe ihn eine Piſtolenkugel getroffen.
„Cäcilie!“ ö

Das junge Mädchen ſtand vor ihm, bleicher noch als
ſonſt, die Augen dunkel umrandet, mit ſchmäler gewordenem
gramvollen Antlitz, ſie ſchüttelte ſtumm den Kopf, als er
ihr ſtürmiſch beide Hände entgegenſtreckte. „Endlich, Cillh,
endlich, — o Du Arme, wie viel mußt Du gelitten haben
und alles um meinetwillen!“
„Bitte, Leo,“ flüſterte ſie, „ſprich nicht mehr davon.
Es ſind wenige Minuten, die wir für einander haben, nur
Zeit zum Abſchied, zum Lebewohl für immer. Ich gehe
im nächſten Monat nach England.“ ö
„Meinetwegen?“ fragte er haſtig. ö
Ein bitteres Lächeln zuckte um ihre Lippen. „Ich muß
meine arme Mutter und die kleinen Geſchwiſter unterſtützen,
— es iſt auch beſſer ſo, Leo. Denkſt Du nicht, daß ſchon
ein Verdacht gegen mich entſtanden iſt? Ich glaube es,
und der Boden brennt mir unter den Füßen; am liebſten
verließe ich Deutſchland noch in dieſer Stunde.“
Thränen liefen über das blaſſe Geſicht herab, ſie bot
jetzt dem Freiherrn die bebende, unverhüllte Hand. „Laß'
uns als Freunde ſcheiden, Leo, denke an mich als an eine
Seele, die Dir gehört, die Dich liebt und Dir ewig treu bleiben
wird, aber verſuche nicht, mich wiederzuſehen. Ich würde zu-
ſammenbrechen unter der Laſt eines verächtlichen Blickes.“
Der Freiherr ſchüttelte leicht den Kopf. „So viel
Werth hat für Dich das Urtheil der Menſchen, Cilly 2“
„Ja,“ antwortete ſie aufrichtig. „Ich ſtürbe, wenn Wiß-
deutungen geſchähen, ich — will auch vor dem eigenen Bewußt-
ſein ohne Anklage daſtehen. Was wir hier miteinander ge-
ſprochen haben, das darf die ganze Welt wiſſen, — es iſt für

dies Leben das letzte geweſen. Adieu Leo, Gott behüte Dich,

er helfe uns Beiden tragen.“ Cortſ. folgt.)
 
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