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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1/2. Septemberheft
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Ein neuentdeckter Correggio / Deutsche Kunstgemeinschaft / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus dem nordischen Kunstleben / Londoner Kunstschau / Amerikas Kunstwesen / Schweizerische Kunstchronik / Neue Kunstbücher / Aus der Museumswelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0033

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ger, und in Flandern der Bürger, der sich dem Einfluß der alten
sozialen Mächte, Adel und Kirche, nicht entziehen kann und will.
Diese Gegeniiberstellung von Steen und Jordaens ist keine Herab-
setzung des einen auf Kosten des anderen; es sind Maler von
gleichem Range; und besonders das Bild mit dem Satyrn, bei dem
warm und kalt biasenden Bauern steht in nichts hinter den Dar-
stellungen desselben Sujets von Jordaens zurück, es gehört durch
seine malerischen und menschlichen Oualitäten zu seineu besten
Werken; köstlich sind die Menschen charakterisiert, prächtig ab-
gerundet und in sich geschlo-ssen ist die Komposition, und vollen,
det ist die Wiedergabe der Stillebenpartien im Vordergrund. Weil
das Mythologische hier im Gegensatz zu den biblischen Gegen-
ständen keinen bescnderen „Stil“ verlangt, und Jan Steen in sei-
nem gewohnten Element bleiben kann, besteht hier keine Dishar-
monie zwischen Form und Inhalt.

In einigen anderen Werken von Jan Steen nimmt das Land-
schaftliche einen breiten Raum ein, so in dem bekannten Wirts-
hausgarten in Berlin und dann in dem großen Bild aus der
Sammlung Dr. H. Schieffer in Amsterdam (früher A. F. Waller
in London; H. d. G. 621), so daß man mit einem gewissen Recht
auch vcn ihm als Landschaftsmaler sprechen kann. Aber nichts
liegt Jan Steen ferner als ein rein lyrisches Verhalten zur Natur,
worin sein Schwiegervater .1. van Goyen solch ein Virtuose war;
vor irgend einem Einfluß dieses Tonmalers kann denn auch gar
keine Rede sein. Reiner Augenmensch ist Jan Steen ja nie; ohne
ein starkes gegenständliches Int-eresse ergreift er nicht den Pdn-
sel; in der Regel betrifft dasselbe das Verhalten der Menschen
untereinander in einer bestimmten Situation, die oft anekdotisch
zugespitzt ist. Zuweilen auch eine bestimmte Oertlichkeit, die
den Hintergrund für seine kleine Menschenwelt abgibt. So hat
er denn auch einige Ansichten gemalt, wie den Fischermarkt in
Leiden (im Städelschen Institut), die Briicke über den Vfiet in
Leiden mit einer lustigen Herbergszene (im Besitz von Dr. N.
Bcets, H. d. G. 463 h), und den Fischmarkt im Haag, ein bei Hof-
stede de Groot noch nicht verzeichnetes Werk, das die Kunst-
handlung Rothman (Berlin-Amsterdam) eingesandt hatte und
inzwischen vom Städtischen Museum im Haag erworben worden
ist. Von nächster Nähe gesehen, steigt die Masse der Jakobs-
kirche bis zum oberen Bildrand in die Höhe, eine mächtige Vor-
aergrundkuiisse an die sich, weiter zurückliegend, eine niedrig
erscheinende Häuserreihe anschließt; davor auf schmalem Streifen
spielt sich das bunte und ungezwungene Markttreiben ab, mit einer
Fülle geistreich beobachteter Typen. Aber das Topographische
ist hier doch von untergeordneter Bedeutung, und die Menschen
wie stets die Hauptsache. Es Ist schwer in Jan Steens Werk be-
stimmte Einflüsse festzustellen und sich efn logisch verlaufendes
Bild seiner Entwickfung zu bilden; vleles fließt in ihm zusammen,
Einwirkungen der Leidener Klein- und Feinmaler, dann wieder
von Haager Meistern wie Potter (in den landschaftlichen Partfen),
von der Haarlemer Schule, von vlämischen Meistern, wie Jor-
daens und Brouwer (so besonders in der so außerordentlich dra-
matischen Wirtshausprügelei (H. d. G. 770; jetzt In der Sammlung
von Buchenau in Niendorf), aber stets sind diese Anregungen zu
etwas ganz Eigenem verarbeitet durch seine große Gabe der
Menschendarstellung, durch seine malerische Behandlung und
durch seinen unvergleichfichen Humor, der die Schwächen der
Menschen sub speoie aeternitatis sieht, und sie auf diese Weise
trotz ihrer Erdenschwere idealisiert und verklärt.

Batavus.

Stn neuentdecktev Cot’t’cggto,

In dern ehemals erzbischöflichen Lustschloß Helibrunn bei
Salzburg wurde durch Dr. Hermann Voss (Kasier-Friedrich-
Museum, Beriin) ein bisher völfig unbekanntes Gemälde von Cor-
r e g g i o entdeckt, eine M a d o n n a m i t d e m K i n d e in
h.alber Figur. Das der Frühzeit des Meisters angehörige Bild wird
vön seinem Entdccker demnächst im „K u n s t w a n d e r e r“
publiziert und seine Zuschreibung an Correggio ausführlich be-
gründet werden.

Die Scbau dec But’ückgemiefenen.

Die von der Internationalen Kunstausstellung und der Großen
Aquarellausstellung in Dresden abgewiesenen Künstler haben in
der Prager Straße in einer größeren Reihe von Schaufenstern, als
Protest gegen ihre Zuriickw.eisung. Wie berechtigt aber die ietz-
tere war, zeigt ein Blick auf diese Werke, die mit nur wenigen
Ausnahmen durchaus nicht befriedigen können. Man bemerkt da
Gemälde und Aquarelle, vielfach mit den Worten versehen: „Ab-
gelehnt von der Internationalen Kunstausstellung“ oder „Abge-
lehnt von der Aquarellausstellung“, und muß dabei dieser Ableh-
nung völlig zustimmen. Die Kiinstler sollten doch bedenken, daß in
derartigen Ausstellungen, wie sie jetzt in Dresden stattfinden, nur
Bestes und Markantes geboten werden kann und auch die Platz-
frage eine große Rolle spielt. Gekränktem Künstlertum durch eine
solche Protestausstellung Ausdruck zu geben, wirkt lächerlich,
um so mehr, wenn sich dazu eine Selbstüberhebung gesellt, wie
sie sich in den Verkaufspreisen teilweise kundgibt. Wenn für
ein Gemälde, das ein Ehepaar darstellt, aber geradezu abschrek-
kend wirkt, ein Preis von 1800 Mk. gefordert wi’rd, so muß man in
der Tat staunen. Unter 1000 Mk. ist selten eine Arbeit ausge-
zeichnet. Der Erfolg dieser Straßen-Kunstausstellung dtirfte als
nicht zweifelhaft beurteilt werden, und mancher der Künstler
müßte sich sagen: si tacuisses ... P. S.

Kretschmer, Wettrennen bei Berlin 1856
Bleistift und Feder. Ausstellung Amsler und Ruthardt, Berlin

Deutfcbc KunffgemelnfcbafL

LÜas wiii tbpß Bildnts s Aus{teUung2

Staatssekretär Schulz, der Vorsitzende der Deutschen
Kunstgemeinschaft, schreibt iiber die Ziele der Deutschen Kunst-
gemeinschaft (Berlin, Schloß): Die Deutsche Kunstgemeinschaft
will neue Volkskreise für den Erwerb originaler bildender Kunst
gewinnen. In ihr.en ersten beiden Ausstellungen ist ihr dieses Be-
streben schon in erfreulichem Maße gelungen. Wenn sie jetzt eine
Ausstellung von Bildnissen veranstaftet, so will sie damit nicht
nur den Erwerb von Original-Kunstwerken im allgemeinen an-
regen, sondern sie will ihre Mitglieder und das tibrige kunstlie-
bende Publikum auf den hohen künstlerischen und persönlichen
Rciz eines Bildnisses, gesehaffen von der Hand des Ktinstlers und
mit seinen Augen gesehen, aufmerksam machen.

In den letzten Jahrzehnten ist das ktinstferische Porträt von
der mechanischen Vervielfältigung durch die Photgraphie in den
Hintergrund gedrängt worden. Die wertvolle Technik der Photo-
graphie mit ihren vielen Vorztigen sofl durchaus nicht verkannt
werden. Die Photographie ist billig und gibt ein naturgetreues
genaues Abbild. Aber die Linse des Photographen kann immer
nur den jeweiligen Augenblick festhalten. Demgegentiber sieht
das Auge des Künstlers tiefer. Der Künstler sucht die Seele, das
innere Wesen des Dargestellten, seinen ganzen Charakter zu er-
fassen. Wenn er deshalb gelegentlich nicht die äußerliche „Aehn-
lichkeit“ wie das photographische Bild zu erreichen scheint, wird
sein Werk bei tieferer Betrachtung und Versenkung doch leben-
diger zum Beschauer sprechen, als selbst die beste mechanische
Abbildung zu tun vermag.

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