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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Januarheft
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Bassermann-Jordan, Ernst von: Die Standuhr Philipps des Guten von Burgund
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0200

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^eitdem vor 25 jahren das. antike Räderwerk bei
^ Antikythera aus dem Mcere yehoben wurde, ist für
c*ie Geschichte der Zeitmeßinstrumente ein Fund von
ühnlicher Bedeutuny nicht mehr yemacht worden, wie
i°tzt in der Standuhr Philipps des Guten. Von einem
^und kann in der Tat gesprochen werden, obwohl die
TJhr von der hier die Rede sein soll, schon im Jahre 1835
*u der Literatur erwähnt wird. Damals gehörte sie dem
^ürsten Eduard Collalto, und sie galt als. Zierde der
^ammlungen des Schlosses Breitensee bei Wien. Der
^ürst scheint sich iiber die Herkunft der Uhr nicht aus-
Sesprochen zu haben. Er war Sammler; . er kann sie
selbst erworben liaben, er war der Sprosse eines alten
kroßen Hauses und kann sic ererbt liaben. Ailes was
^an über die Herkunft der Uhr sonst noch sagen könnte,
sind Vermutungen. Ein Collalto hat 1630 den Sturm auf
^antua kommandiert, und die Uhr könnte aus der dor-
Ügen Beute stammen. Die Uhr könnte aus dem ehe-
u^aligen Besitz Kais.er Rudolfs II. gekommen sein, docli
svird sie in den Inventaren nicht erwälnit. Mit dem
^Uilosse Breitensee erwarb 1837 der ehemalige Sattler-
^aeister Friedrich Simon die Uhr, und von ihm kaufte sie
1846 Friedrich von Leber um einen Betrag von 2000
^ulden. 1878 und 1900 war die Uhr in Paris ausgestellt,
llnd zu diesem Zwecke verfaßte Maximilian von Leber,
^er Sohn des ersfgenannten Friedrich von Leber im
^abre 1877 in französischer Sprache eine Schrift, die
sach.lich, gründlich und ehrlich die Uhr als eine Arbeit
aus dem Besitz Philipps des Guten von Burgund vom
Jahre 1430 anspricht. Zugleich versuchte Herr von
beber die Uhr als die älteste überhaupt bekannte Feder-

zuguhr zu erweisen. Friedrich von Leber hat sich in
stolzer Besitzerfreude und in gehobener Geste mitsamt
der Uhr malen lassen, auch von Erzherzog Eugen, dem
Großmeister der Hoch- und Deutschmeister, ist ein Ge-
mälde in der Tracht dieses Ordens bekannt, die Uhr ihm
zur Seite. Später hören wir nichts mehr von der Uhr.
Der Besitzer hütete sie mit aller Strenge und eifers.üch-
tiger Sorgfalt, so daß nur wenige Personen mit beson-
deren Empfehlungen noch einen Blick auf die Uhr wer-
feu durften, eine gründliche Untersuchung wurde nie
gestattet. Die Uhr bcgann sagenhaft zu werden; all-
rnählich ist sie verschollen. Das allein ist der Grund,
weshalb Mißtrauen und Zweifel gegen diese Uhr ge-
äußert worden sind. Ich selbst bin nach einer längeren
Besichtigung, die mir im Jahre 1904 gestattet worden
ist, stets und unumwunden für die Uhr eingetreten, da
sich aber niemand sonst von der Echtheit wirklich über-
zeugen konnte, habe ich nicht viel Glauben gefunden.
Jetzt ist die Uhr in den Besitz von Karl Marfels. in
Neckargemünd übergegangen, der sie alsbald einer
großen Zahl von Museumsleitern, Kulturhistorikern,
Uhrmachern und Uhrensarnmlern zugänglich gemacht
hat, die sich einstimmig für die Echt-
h. e i t aussprachen, nachdem alle Einzelheiten
der Uhr hatten geprüft werden können. Wir haben es
hier mit einem Stück von doppelter Bedeutung zu tun:
Ein Kuns.twerk d.er Gotik in technischer und kunstge-
werblicher Beziehung, ein Uhrwerk, das kaum hundert
Jahre nach der ersten sicheren Kunde über Räderuhren
entstanden ist, der ersten Hausuhr, die sich ableitet von
den bisher allein bekannten Turmuhren und die hinüber-

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