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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Aprilheft
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Kern, Guido Josef: Die verschollene "Kreuztragung" des Hubert oder Jan van Eyck, [1]
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Waldmann, Emil: Bilderstürmerei und kein Ende: Zu Moritz Stübels Buch über die sixtinische Madonna
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0348

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Gericht“ der linke Flügel des Tryptichons gewesen. —
Trifft die Annahme zu, dann kennen wir auch die Maße
des Originais der „K r e u z t r a g u n g“. Sie betragen,
nach den Abmessungen der Petersburger Tafel errech-
net, etwa 68X60 cm. Bei der Aachener Kopie würde es
sich demnach um eine erhebliche Verkleinerung des
Originals handeln.

Die Verwandtschaft der Aachener Tafel mit dem
Meister des „Dreikönigsaltars“ in Miinchen weist das
neu aufgefundene Aachener Bild dem Dirk Bouts zu.
Würde statt Friedländer Voll recht behalten, und die
Münchener Tafel als ein Werk eines Schülers von Dirk
Bouts anzusehen sein, so würde dieser Schüler von
Dirk Bouts als Urheber des Aachener Bildes zu gelten
haben. Der Unterschied ist, für die Beziehungen des
Bildes zu van Eyck, von untergeordneter Bedeutung.
D i e Ueber einstimmung z w i s c h e n d e m
A a c h e n e r B i 1 d e u n d d e r Z e i c h n u n g a u s

d e r W i e n e r A 1 b e r t i n a e r g i b t m i t S i c h e r -

heit, daß Dirk Bou ts oder sein talent-
v o 11 e r S c h ü1e r d i e Aachener „K r e u z-
t r a g u n g“ n a c h e i n e m 0 r i g i n a 1 d e s

H u b e r t o d e r J a n v a n Eyck g e m a 11 h a t.

Die stilistischen Eigentümlichkeiten des Aachener Bildes
mit seinen archaisch-primitiven Einzelheiten unter-
stützen noch diese Annahme. Man braucht nur Ein-
zelheiten wie den echt Eyck’schen Felsen des Aachener
Bildes zu betrachten, um s c h o n a 11 e i n a u s d e m
Aachener Bilde heraus das Eyck’sche
V o r b i 1 d z u e r k e n n e n.

Schwieriger ist die Entscheidung über die Frage,
die durch den Aachener Fund ebenfalls aufgeworfen

wird, ob es nicht statt e i n e r verschollenen Eyck-
schen „Kreuztragung“ zwei verschollene
W e r k e d i e s e r A r t gibt. Wir neigen der letzte-
ren Annahme zu, denn das Aachener Bild, die Wiener
Zeichnung und die Kreuztragung aus den „Heures de
Turin“, die Winkler im Jahrbuch der Preußischen Kunst-
sammlungen brachte, bilden eine eng geschlossene
Gruppe, die, bei mancher Verwandtschaft im Einzelnen,
ja Uebernahme einzelner Motive, mit der auf van
Eyck ebenfalls zurückgehenden Budapester „Kreuz-
tragung“ gar zu wenig gemein hat. Soll die Budapester
„Kreuztragung“ direkt zum Vergleich mit dem Aachener
Bilde herangezogen, so hat dies nur Sinn, wenn Einzel-
heiten, wie etwa die ganz vom Rücken gesehenen Rei-
ter und die Trachten mit den entsprechenden Partien
des Aachener Bildes verglichen werden. In diesem
Sinne freilich bildet das Budapester Bild eine weitere,
wichtige Bestätigung für den Eyck’schen Ursprung des
Aachener Werkes.

Die Aachener Tafel stellt somit eine unerwartete,
ü b e r a u s wertvo-lle B e r e i c h e r u n g u n -
seres Wissens um van Eyck und die
Anfänge der Alt-Niederländischen
K u n s t d a r. Es wird noch eingehender Einzelunter-
suchungen bedürfen, bis alle Fragen beantwortet sind,
die sich an das Erscheinen dieses Werkes knüpfen. Es
scheint fast, als rücke auch die Kardinalfrage der Eyck-
schen Forschung „Hubert oder Jan?“ in eine neue
Beleuchtung. Uns kam es für heute nur darauf an, die
Aufmerksamkeit der Fachwelt und Kunstliebhaber auf
den einzigartigen Aachener Fund hinzulenken, eine aus-
führlichere Darlegung behalten wir einer anderen Gele-
genheit vor.

ßUdcüßücmccet und ketn Snde

Bu Stübefs Bucb übet? die (ixtmiicbc ]vtadonna

oon

6mtl tDaldmann

\Tor einigen Jahren machte van Dyke einen Vorstoß
* gegen Rembrandt. Es seien nur etwa 80 seiner
Bilder echt. Vor einem Menschenalter sollte Rembrandt
überhaupt kein Maler, sondern nur ein Unternehmer ge-
wesen sein, der nur signierte, während der Rembrandt-
Maler in Ferdinand Bol zu 'suchen sei. In den neunziger
Jahren wurde versucht, Raffaels sixtinische Madonna zu
cntthronen und an ihre Stelle eine bekannte in der
Schweiz befindliche, unvollständige Kopie zu setzen.
Jetzt ist die Sixtina wieder dran: Moritz Stübel, der auf
Grund bisher unbekannter Akten im Dresdner Archiv die
Krwerbungsgeschichte zum ersten Mäle vollständig und
zuverlässig erzählt, behauptet, die sixtinische Madonna,
üach Vasaris Notiz für die Mönche von San Sisto in
Piacenza als Altarbild g-emalt, sei gar nicht für die

Mönche gemalt, sondern für Papst Julius den Zweiten.
Beweis: In Piacenza habe sich laut einem Brief aus der
Mitte des 18. Jahrunderts eine Tradition erhalten, nach
der auf diesem Bilde der Papst ein Porträt Julius des
Zweiten sei und die heilige Barbara ein Porträt seiner
Nepotin, der Herzogin von Urbino. Schlußfolgerung:
Das Bild sei erst später zum Altarbild der Klosterkirche
von Piacenza gemacht worden. Von Raffael seien über-
haupt nur die drei Figuren, alles Andere sei von späterer
Hand, die Heiligenscheine, der Turm hinter der Barbara,
die Wolken und aucli die Engel unten, sowie, natürlich,
der Vorhang an der Stange von der man ohnehin nicht
sagen könne, wo sie befestigt sei.

Das muß ja ein reizendes Bild gewesen sein, dieser
von allen fremden Zutaten gereinigtc Raffael. Das

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