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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Max Liebermann: Zum 80. Geburtstage am 20. Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0488

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Herausgßber: /VClOlptl DonQtfl

7ahrgang 1927

1./2. JuIihLCtt

Jvtax Liebemnann

Bum 80. Qebuütstagc am 20. lutt
oon

SmÜ tÜaldmann

[ Jas größte Geheimnis in Liebermanns Künstler-
persönlichkeit ist ihre Gabe der ewigen Verjün-
gung, der unablässigen Verwandlung. So wie Lieber-
manns anschauende und schöpferischer Phantasie das
sichtbare Weltbild in jedem neuen Gemälde verwandelt,
so verjüngt er sich, seine Person, seinen Menschen mit
unverdorbener Seele stets von neuem, von Jahrzehnt
zu Jahrzehnt, ja vielleicht noch öfter. Weil er in der
Kunst immer nur an den Wert des Lebendigen glaubte,
nahm er, unbewußt vielleicht, sicher aber ganz naiv
an allem teil, was das künstlerische Leben der Zeit be-
wegt. Das „Familienbild im Zimmer“, in seinem
achtzigsten Lebensjahre entstanden, würde man seiner
ganzen äußeren Erscheinung nach für das Werk eines
Vierzigjährigen halten können, so „modern“ mutet es
an in der Stärke und dem Reichtum seiner reinen Far-
bigkeit, in der stählernen Energie seines Baus, in der
von allen Seiten runden Geschlossenheit seiner Gesamt-
erscheinung. Und erst beim Nähersehen merkt man,
daß dieses Werk eines Vierzigjährigen nur die Weisheit
und nur die Erfahrung eines langen künstlerischen
Lebens schaffen konnte. Diesen Reichtum der reinen
Farbe mit derart intensiver Ausdruckskraft konnte nur
Einer finden, der innerlich längst auf dem Wege zu die-
sen Zielen war, längst bevor solches Ziel als Doktrin
aufgestellt und, eben wegen der Doktrin, als akade-
mische oder dekorative Schulung ein wenig überall
verfolgt wurde. Diese Alterswerke Liebermanns sind
von ihrer Zeit und drücken unsere Zeit aus. Aber

sie sind es auf natürliche und auf voilkommen unge-
suchte und ungekünstelte Weise, als logische Endpunkte
einer Entwicklung, die der Historiker zurückverfolgen
könnte in jene Zeit vor einem halben Jahrhundert, da
dieser Künstler in „grauen“ Zeiten die „Linnenkammer“
und den „Hof des Mädchenwaisenhauses“ malte und
seine eigene Farbe entdeckte. Aber Liebermann ist
zu jung, um sich selbst historisch zu nehmen und sein
80. Geburtstag darf deshalb nicht der Anlaß für Andere
werden es gar zu sehr zu tun. Die Freude darüber,
daß der Meister immer wieder, von Jahr zu Jahr,
schönste Dinge malt. ist im Augenblick wichtiger, als
die kunsthistorische Aufspürung von entwicklungs-
geschichtlichen Zusammenhängen im Einzelnen, die
spätere Generationen vornehmen mögen. Am 80. Ge-
burtstag interessiert vornehmlich das Gesamtwerk.

Man ehrt große Künstler an solchen Tagen am
besten durch eine Ausstellung ihrer Werke. Die Künst-
ler selbst, auch wenn sie froh und stolz sind über solche
Ehrung, mögen in stiller Stunde bei dieser Gelegenheit
von einer leichten Befangenheit überfallen werden und
sich mit dem Gedanken beschäftigen, ob solche Ausstel-
lung nicht am Ende doch ein wenig den Charakter einer
historischen Ausstellung oder gar eine verfrühte
Gedächtnis-Ausstellung annehme. Wenn man im
Jahre 1895 alles Beste in der Berliner Akademie ver-
sammelte, was der damals achtzigjährige Menzel ge-
malt oder radiert, gezeichnet oder ifustriert hatte, dann
war da gewiß ein Saal mit Bildern, die zu dem Herr-

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