Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 8./9.1926/27
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0498
DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:Wolfsfeld, Erich: Mein Lehrer Böse
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0498
jYleitx Böfe
oon
Qticb lÜolfsfeid
Der Zeiohner Konrad Böse beging iin Berlin am
23. Juni seinen 75. Geburtstag. Sein Sohüler und Freund
Erich Wolfsfeld charakterisiert hier das Wesen des
Kiinstlers, der im Herbst zum erstenmal seine Meister-
zeichnungen ausstellen wird.
[ns nahe — doch im Verborgenen — steht echt und
bedeutend ein Lebenswerk, auf welches die
Wortströme anwendbar wären, die heute oft dürftigen
Belanglosigkeiten, die unbeweint den dunklen Weg
durch den Papierkorb antreten könnten, gewidmet
Konrad Böse, Weinende Frau
werden. In selbstgewählter Abgescln'edenheit arbeitet
der große Zeichner Konrad Böse. Wenn manche Be-
gnadete die „Klaue“ besaßen, hat Böse die „Finger-
spitzen“. Um ihn stauen sich die Stöße kostbarer
Zeichnungen, wie sie nur die sichere Kraft einer großen
naturgewachsenen Begabung schaffen kann. Mit ge-
schärftesten, unbestechlichen Augen, denen allerdings
eine funktionierende Hand zu Gebote steht, die uns
Maler wie ein Geheimnis anmutet, versenkt und ver-
goß sicii Konrad Böse mit bienenhaftem Arbeitstrieb
in schlichte Erscheinungen, die ilmi die Welt bedeu-
ten. Selbstverständlich ist während der nach tausen-
den von Zeichnungen zählenden Lebensarbeit dem
Meister der Zeichenstift ein so vollkommenes Aus-
drucksmittel geworden, daß ihm auch jede Natur-
erscheinung „liegt“. Der Zeichenstift ist in seiner Hand
nicht vorbereitendes Material; Böse ist von dem Reiz
und den Möglichkeiten des Schwarzweiß geradezu be-
sessen, so daß der Trieb zur Farbe zu greifen bei ihm
seltener Raum findet. Mit dem Griffel entstand die
unlernbare, allem Virtuosen fremde, abgeklärte Schön-
heit seiner Arbeiten.
■J
?■
Konrad Böse, Bäuerin am Fenster
Wunderbar ist, wie ßöses Hand, die eine bequeme,
ausweichende Andeutung nicht kennt, auch die flüch-
tige Erscheinung mit derselben Gründlichkeit erhascht.
Seine Tierstudien sprühen von raschem Leben und
jeder Strich sitzt, großartig gekonnt. Niemals nervöse
Arbeit! Dem Gegenstand, dem er sich hingibt, 'gehört
er ganz. Seine Bildnisse, mit den Augen unserer Zeit
gesehen, haben die Qualitäten altmeisterlicher Darstel-
lungen. Es liegt nahe, daß Konrad Böse sich zu Land
und Leuten hingezogen fühlt, die ursprünglich und
rassig gewachsen wie gekleidet sind. So lebt er denn
gerne in Tirol, in der Nähe Meraner Bauern, die er in
451
oon
Qticb lÜolfsfeid
Der Zeiohner Konrad Böse beging iin Berlin am
23. Juni seinen 75. Geburtstag. Sein Sohüler und Freund
Erich Wolfsfeld charakterisiert hier das Wesen des
Kiinstlers, der im Herbst zum erstenmal seine Meister-
zeichnungen ausstellen wird.
[ns nahe — doch im Verborgenen — steht echt und
bedeutend ein Lebenswerk, auf welches die
Wortströme anwendbar wären, die heute oft dürftigen
Belanglosigkeiten, die unbeweint den dunklen Weg
durch den Papierkorb antreten könnten, gewidmet
Konrad Böse, Weinende Frau
werden. In selbstgewählter Abgescln'edenheit arbeitet
der große Zeichner Konrad Böse. Wenn manche Be-
gnadete die „Klaue“ besaßen, hat Böse die „Finger-
spitzen“. Um ihn stauen sich die Stöße kostbarer
Zeichnungen, wie sie nur die sichere Kraft einer großen
naturgewachsenen Begabung schaffen kann. Mit ge-
schärftesten, unbestechlichen Augen, denen allerdings
eine funktionierende Hand zu Gebote steht, die uns
Maler wie ein Geheimnis anmutet, versenkt und ver-
goß sicii Konrad Böse mit bienenhaftem Arbeitstrieb
in schlichte Erscheinungen, die ilmi die Welt bedeu-
ten. Selbstverständlich ist während der nach tausen-
den von Zeichnungen zählenden Lebensarbeit dem
Meister der Zeichenstift ein so vollkommenes Aus-
drucksmittel geworden, daß ihm auch jede Natur-
erscheinung „liegt“. Der Zeichenstift ist in seiner Hand
nicht vorbereitendes Material; Böse ist von dem Reiz
und den Möglichkeiten des Schwarzweiß geradezu be-
sessen, so daß der Trieb zur Farbe zu greifen bei ihm
seltener Raum findet. Mit dem Griffel entstand die
unlernbare, allem Virtuosen fremde, abgeklärte Schön-
heit seiner Arbeiten.
■J
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Konrad Böse, Bäuerin am Fenster
Wunderbar ist, wie ßöses Hand, die eine bequeme,
ausweichende Andeutung nicht kennt, auch die flüch-
tige Erscheinung mit derselben Gründlichkeit erhascht.
Seine Tierstudien sprühen von raschem Leben und
jeder Strich sitzt, großartig gekonnt. Niemals nervöse
Arbeit! Dem Gegenstand, dem er sich hingibt, 'gehört
er ganz. Seine Bildnisse, mit den Augen unserer Zeit
gesehen, haben die Qualitäten altmeisterlicher Darstel-
lungen. Es liegt nahe, daß Konrad Böse sich zu Land
und Leuten hingezogen fühlt, die ursprünglich und
rassig gewachsen wie gekleidet sind. So lebt er denn
gerne in Tirol, in der Nähe Meraner Bauern, die er in
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