Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Schapire, Rosa: Ausstellung ostasiatischer Kunst aus Hamburger Privatbesitz
DOI Artikel:
Dr. Albert Figdor † / Kunstabwanderung aus England / Die Welt der Gelehrten / Ein neuentdeckter Rubens / Aus der Künstlerwelt / Aus dem nordischen Kunstleben / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Die Munch-Ausstellung der National-Galerie in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0313

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der Trieb zurn Samrneln angeboren sein und zuletzi zur Passion
werden, die das Leben bereichert und für die man Opfer zu brin-
gen bereit ist. Diese Eigenschaften sind wesentlicher und seltener
als das große Vermögen, das bei Sammlungen eines bestimmten Aus-
maßes selbstverständlich notwendig ist. Es hat sich denn auclr
herausgesteilt, daß in Hamburg die schönsten Werke ostasiatischer
Kunst in den Händen jener sind, die nie in Ostasien waren, dafiir
aber ihr Gefühl fiir künstlerische Werte in Europa geschult haben.

Die Ausstellung umfaßt 437 Nummern, die auf 27 Besitzer
cntfallen. Auf der siamesischen Plastik im Besitze von Herrn
Richard Samson liegt der Schwerpunkt. Der steinerne, ganz
flächenhaft behandelte Torso einer Buddhastatue aus Aynthia von
fast metallisch wirkender Glätte, Buddhaköpfe aus Bronze und
Stein (zum Teil aus Lopburi, unter dem Einfluß der Khemakunst)
liaben die undurchdringliche Ruhe und geheimnisvolle Süße, die
allein ostasiatischer Plastik eignet. Die Buddhaköpfe sowie der
Torso (Nr. 423—430, von Salmony in „Sculpture in Siam“, Lon-
don 1925 veröffentlicht) wurden von Dr. Voretzsch nach Europa
gebracht; sie ergänzen den aus gleicher Quelle stammenden Besitz
siamesischer Plastik im Museum fiir Kunst und Gewerbe aufs gliick-
lichstc. Herrn Samsons Sammlung siamesischer Plastik ist weit
reicher, als man nach dem ausgestellten schließen könnte; im Inter-
esse der Ausstellung ist es sehr zu bedauern, daß er sich nur von
einem Teil zu trennen vermochte.

Mit Keramik ist China in der Hauptsache auf der Ausstellung
vertreten. Aus der T’ang-Zcit interessiert besonders die schöne
Figur eines Kriegers in reicher Rüstung aus unglasiertem Ton
(Nr. 5, Besitzer Herr Georg Tillmann), ferner Tierplastiken der
gleichen Zeit: ein liegendes Schwein aus unglasiertem Ton mit
Resten von Bemalung (Nr. 16) und zwei Pferde von sehr aus-
drucksvoller Silhouette (Nr. 14 und 15). Großen Reiz liaben
stehende weibliche Grabfigürchen (Nr. 6 und Nr. 8) aus der glei-
chen Epoche; strenger in Umriß und Aufbau ist die Tonfigur eines
eine Gabel haltenden Mannes im Stil der Han-Zeit (Nr. 4).

Unter den Seladonen aus der Sung-Zeit ist besonders wirk-
sam eine große Schiissel mit unter der Glasur eingeschnittenem
Ornament (Nr. 21, Besitzer Herr Paul Rosenbacher), sowie eine
sitzende Kuan-jin (Nr. 43) und eine männliche Gottheit (Nr. 44).
Die Fleischteile in braunrot (besonders bei Nr. 44) stehen wirkungs-
voll gegen die graugrtine Glasur. Vier Temmoker-Teeschalen (Nr.
47—50) aus dunklerem Steinzeug mit metallischem Lustre und mit
Silberfassung versehenem oder uuglasiertem Rand, sowie eine
Reihe schöner Sung-Gefäße aus den sehr gewählten keramischen
Saminlungen der Herren J. M. P. Hermanns und Th. Matthiesen,
Altona, fallen besonders auf.

Mit Ausnahme der bereits erwähnten Plastik fehlt es der Aus-
stellung an bedeutenden Stücken; Kleinkunst, namentlich Keramik,
ist gut vertreten, während iiberraschenderweise die Hamburger
Sammler den Reiz von alten Jadearbeiten oder skythosibirischen
kleinen Bronzen noch nicht entdeckt haben.

Unter den ausgestellten 25 japanischen Farbenholzschnitten
(im wesentlichen aus der Sammlung von Dr. J. Derenburg) fallen
die bezaubernden koketten Blätter von Utamaro auf (besonders
Nr. 413: Junges Mädchen vor dem Spiegel) und die großen Schau-
spielerköpfe von Toshusai Sharaku; sie sind viel eindringlicher
als Shunshos gleichfalls ausgestellte Schauspielerbilder.

Im ganzen hat die Ausstellung ein völlig anderes Gesicht als
jene, die 1904 aus Hamburger Privatbesitz vom Museum veran-
staltet worden war. Stand damals Japan an erster Stelle, so gilt
das Hauptinteresse ernsthafter Sammler heute dem kiinstlerisch
so viel bedeutenderen China.

Kommt man aus der Ausstelhmg in die angrenzende ostasiati-
sche Abteilung des Museums fiir Kunst uttd Gewerbe, so stellt
man mit Bedauern fest, was sich der Privatsammler infolge unge-
niigender Schulung des Auges alles entgehen läßt. Möge die Aus-
stellnug dazu beitragen, den Sammlertrieb in Hamburg anzuregen
und das Gefühl fiir Qualität zu schärfen.

Der Katalog wurde von Dr. M. Feddersen verfaßt; die Kiinst-
lernamen hat Prof. Sh. Hara gelesen.

Dtc Aibect ptgdot? f

Am 22. Februar starb in Wien Dr. Albert Figdor. Mit ihm
ging wohl eine der letzten repräsentativen Sammlerpersönlichkeiten
des vornehmen Wiener Biirgertums von hinnen. Ein schönheits-
freudiger Kenner und Liebhaber alter Kultur und Kunst brachte Dr.
Figdor in unermüdlicher, von außerordentlichem Geschmack und
wohlfundiertem Wissen geleiteter Sammeltätigkeit, während eines
Zeitraums von mehr als sechs Jahrzehnten, ein ebenso qualitativ
als quantitativ hervorragendes Kunstgut zusammen. Auf ausge-
dehnten Studienfahrten, durch rege, oft freundschaftliche Beziehun-
gen zur internationalen Gelehrtenwelt, in ununterbrochenem Ver-
kehr mit den bedeutendsten Sammlern und Kunsthändlern fast aller
europäischer Kunstzentren trug Dr. Figdor die unterschiedlichsten
kunstschöpferischen Zeugnisse alter Kulturen zusammen, ließ er
sich von der Strenge und dem feierlich ernsten Glanz gotisclier
Gemälde und Skulpturen, von der aparten Schönheit und bizarren
Formengebung mittelalterlicher oder aus der Friihrenaissance stam-
menden Kleinkunst gefangennehmen, ftigte er seinen Sammelbestän-
den seltenes Renaissancemobiliar und kostbare italienische Gold-
schmiedearbeiten liinzu, holte er aus der Verborgenheit eines nicht
leiclit erreichbaren in- oder ausländisclien Adelsbesitzes Majoliken
von erlesenster Formgebung und Farbigkeit, seltene Porzellane
und Gläser liervor, wandte er nicht zuletzt seine fiirsorgliche Liebe
spezifisch wienerischer Kunst zu. Die Kunstwerke einheimischer
Provenienz, ohne Unterschied der Zeit und Richtung spielen in der
Sammlung Figdor eine nicht unwesentliche Rolle. Es bedeutete
fiir den kunstfreundlichen Besucher stets einen besonderen Genuß,
wenn Dr. Figdor die Schätze seiner „Viennensien“ vorzulegen be-
reit war. Da rückten die bedeutenden Oelbilder oder Aquarelle
eines Waldmiiller, Fendi, Danhauser, Pettenkofer oder Alt in ein
besonderes Liclit, da leuchteten von den ’Wänden herab oder tauch-
ten aus den wohlverwahrten Truhen die auserwählten, frischfar-
bigen Miniaturen eines Füger, Daffinger, Kriehuber, Lieder oder
Agricola hervor. Namhafte Fachgelehrte, wie Bode, Friedländer,
Marc Rosenberg, Stegmann, Pazaurek, Frimmel, 'Walcher v. Molt-
lieim, Betty Kurth u. a. liaben in ausführlichen Monographien oder
in kleineren Spezialarbeiten des öfteren auf die hervorragenden
Sondergebiete der Figdorschen Sammlung liingewiesen.

Als Mann von vornehmster Gesinnung und bewundcrungswiir-
digem Taktgefiihl besaß Dr. Figdor ein spriihendes Temperament
mit anheimelndem wienerischem Einschlag, das bisweilen aber aucli
in stillere Abkehr und eine fa-st ängstliche Zuriickhaltung mtindeii
konnte. Ein aufrichtiger und stets hiffsbereiter Freund ernster
wissenschaftlicher Forschung, brachte er nocli in seiner letzten
Lebenszeit den bedeutendsten Erscheinungen der europäischen
Kunstliteratur ein iiberaus warmes und persönliches Interesse
entgegen.

Dr. Figdor erreichte ein Alter von 84 Jahren. Er starb als
Junggeselle und vermachte seine Sammlungen seiner Niclite Frau
Margarete von Walz-Figdor, der Gattin des Oberbtirgermeisters
von Heidelberg.

1. gr.

Kunffabtoandecung aus €ng(and.

London, im Februar.

Jctzt erst lassen sich die Verhältnisse, wie sie im Kunstleben
Englands anno 1926 lagen, genauer iibersehen. Das Jahr 1926 ist
hier cin sehr bewegtes gewesen. Die durcli den Krieg bedingte
driickende Steuerlast wurde durch die lange Dauer des Kohlen-
streikes verschärft, so daß man schon um die Kunstschätze bangt,
die sich noch in England im Privatbesitz befinden. Durch Tradition
geheiligte Stücke sind schon aus den Schlössern, Land- und Stadt-
sitzen verschwunden. An Stelle der Meisterwerke hängen oft
Kopien, noch öfter werden die Palais selbst verkauft, und wenn
jemals ein Land unter einem gewonnenen Krieg geseufzt hat, s°
ist es Großbritannien, das Land des Privatsammlcrs und Kemiers.

Von befugter Seite ist nachgeforscht worden, was ungefäht
iin Jahre 1926 in England an Kunstschätzen abgewandert -ist-

282
 
Annotationen