Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 8./9.1926/27
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0403
DOI Heft:
1./2. Maiheft
DOI Artikel:Schmidt, Robert: Über die Kunstgewerbe-Museen
DOI Artikel:Weigert, Hans: Die Erneuerung des Zwickauer Museums
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0403
schlußreicher ist, als es gerade die Dinge sind, die die
Umgebung, die Kleidung und das Gebrauchsgerät des
Menschen ausmachen.
Aber vielieicht ist diese ganze ,,Apologie“ der
Kunstgewerbemuseen gar nicht nötig; vielleicht ist es
eben doch nur der diskretierende Ausdruck „Kunst-
gewerbe“, der zu der schiefen Einstellung gegenüber
den Kunstgewerbe-Museen geführt hat. Daher käme
man fast in Versuchung, nach einem neuen Namen ftir
diese Art von Museen zu suchen. Ich kann Ihnen ver-
sichern, daß ich selbst schon lange und oft danach ge-
sucht und keine absolut treffende neue Bezeichnung ge-
funden habe. Am ehesten käme vielleicht der Name
„Museum für angewandte Kunst“ in Frage, aber auch
das ist keine Bezeichnung, die den ganzen Komplex der
Dinge umfaßt, die in unseren Kunstgewerbe-Museen ge-
sammelt werden und gesammelt werden müssen.
So wird es vielleicht das Beste sein, an dem einmal
eingebiirgerten Namen ruhig festzuhalten und zu hoffen,
aaß das Omen, das aus einer gewissen unklaren Ein-
stellung und aus einem gewissen unangebrachten Ueber-
legenheitsgefiihl heraus dem Worte „Kunstgewerbe“
aufgebiirdet worden ist, ihm bald wieder abgenommen
wird.
Jedenfalls aber bin ich persönlich nicht nur von
dem kiinstlerischen und kulturellen Wert der Kunst-
gewerbe-Museen, sondern auch von ihrer gesteigerten
zukiinftigen Geltung fest überzeugt. Und ich hoffe, daß
Sie, die Freunde unseres Museums, darin mit mir über-
einstimmen.
Beethoven-Tasse
Entwurf von
E. R. Weiss
Staatliche
Porzellan-Manufaktur
Berlin
Dtc Qmeuemng, des Htüickaucc jYlufcums
üon
fians UDetgect
J\l1 an hätte dieses Museum von Zwickau nicht erwar-
^ * 1 tet. Zwickau und Kunst scheinen sich dem flüch-
tigen Beobachter auszuschließen. Wer an der Stadt
vorbeifährt, sieht ein ödes Land, das viele Kohlen, aber
wenig Schönheiten besitzt. Und wer in die Stadt hin-
eingeht, tut es um seiner Geschäfte willen, aber er nimmt
sich kaum die Zeit, einen Blick in die alte Marienkirche
zu tun, die ehrwürdige Mutter der erzgebirgischen
Hallenkirchen, die sich von hier aus nach Annaberg,
Schneeberg, Pirna verbreitet haben und, den im
Dresdner Zwinger gipfelnden Bauten des Barock nicht
nachstehend, die großartigste Leistung sächsischer Bau-
kunst bilden. Zwickau war nicht nur Wirtschafts- son-
dern auch Kulturzentrum gewesen, als um 1500 der
plötzlich in geradezu amerikanischem Tempo auf-
blühende Bergbau am Nordhang des Erzgebirges von
Freiberg bis Annaberg eine Gründerzeit hervorbrachte.
Von jener Glanzzeit Zwickaus, einer Blüte altbürger-
liclier Kultur, zeugt die noch heute für die Inkunabeln der
Buchdruckerkunst berühmte Stadtbibliothek.
Der Bergbau hielt später nicht, was er versprochen
hatte, und die Stadt sank in kleinbürgerliche Schläfrig-
kcit zurück. Der neue Aufschwung, den Zwickau in
jüngerer Zeit genommen hat, schuf sich einen Kultur-
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Umgebung, die Kleidung und das Gebrauchsgerät des
Menschen ausmachen.
Aber vielieicht ist diese ganze ,,Apologie“ der
Kunstgewerbemuseen gar nicht nötig; vielleicht ist es
eben doch nur der diskretierende Ausdruck „Kunst-
gewerbe“, der zu der schiefen Einstellung gegenüber
den Kunstgewerbe-Museen geführt hat. Daher käme
man fast in Versuchung, nach einem neuen Namen ftir
diese Art von Museen zu suchen. Ich kann Ihnen ver-
sichern, daß ich selbst schon lange und oft danach ge-
sucht und keine absolut treffende neue Bezeichnung ge-
funden habe. Am ehesten käme vielleicht der Name
„Museum für angewandte Kunst“ in Frage, aber auch
das ist keine Bezeichnung, die den ganzen Komplex der
Dinge umfaßt, die in unseren Kunstgewerbe-Museen ge-
sammelt werden und gesammelt werden müssen.
So wird es vielleicht das Beste sein, an dem einmal
eingebiirgerten Namen ruhig festzuhalten und zu hoffen,
aaß das Omen, das aus einer gewissen unklaren Ein-
stellung und aus einem gewissen unangebrachten Ueber-
legenheitsgefiihl heraus dem Worte „Kunstgewerbe“
aufgebiirdet worden ist, ihm bald wieder abgenommen
wird.
Jedenfalls aber bin ich persönlich nicht nur von
dem kiinstlerischen und kulturellen Wert der Kunst-
gewerbe-Museen, sondern auch von ihrer gesteigerten
zukiinftigen Geltung fest überzeugt. Und ich hoffe, daß
Sie, die Freunde unseres Museums, darin mit mir über-
einstimmen.
Beethoven-Tasse
Entwurf von
E. R. Weiss
Staatliche
Porzellan-Manufaktur
Berlin
Dtc Qmeuemng, des Htüickaucc jYlufcums
üon
fians UDetgect
J\l1 an hätte dieses Museum von Zwickau nicht erwar-
^ * 1 tet. Zwickau und Kunst scheinen sich dem flüch-
tigen Beobachter auszuschließen. Wer an der Stadt
vorbeifährt, sieht ein ödes Land, das viele Kohlen, aber
wenig Schönheiten besitzt. Und wer in die Stadt hin-
eingeht, tut es um seiner Geschäfte willen, aber er nimmt
sich kaum die Zeit, einen Blick in die alte Marienkirche
zu tun, die ehrwürdige Mutter der erzgebirgischen
Hallenkirchen, die sich von hier aus nach Annaberg,
Schneeberg, Pirna verbreitet haben und, den im
Dresdner Zwinger gipfelnden Bauten des Barock nicht
nachstehend, die großartigste Leistung sächsischer Bau-
kunst bilden. Zwickau war nicht nur Wirtschafts- son-
dern auch Kulturzentrum gewesen, als um 1500 der
plötzlich in geradezu amerikanischem Tempo auf-
blühende Bergbau am Nordhang des Erzgebirges von
Freiberg bis Annaberg eine Gründerzeit hervorbrachte.
Von jener Glanzzeit Zwickaus, einer Blüte altbürger-
liclier Kultur, zeugt die noch heute für die Inkunabeln der
Buchdruckerkunst berühmte Stadtbibliothek.
Der Bergbau hielt später nicht, was er versprochen
hatte, und die Stadt sank in kleinbürgerliche Schläfrig-
kcit zurück. Der neue Aufschwung, den Zwickau in
jüngerer Zeit genommen hat, schuf sich einen Kultur-
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