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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Juniheft
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Clemen, Paul: Hubert Wilm
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0451

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Es ist das erstemal, daß Geheimrat Professor Dr.
Paul Clemen in Bonn sich iiber einen lebenden jungen
Künstler äußert. Die Redaktion.

\\y enn ein graphisches Talent zum Pinsel greift oder
* * ein malerisches zum Zeichenstift und zur Radier-
nadel, so wird man gemeinhin etwas von dem beson-
deren Formenwillen, von der Art, zu sehen und sich
auszudrücken, aus der einen Kunstsprache auch in der

lemen

und die Schleusen des rein malerischen Sehens hoch-
gezogen hat. An solcher Schicksaiswende mag man das
Lebenswerk des in diesem Herbst das vierte Jahrzehnt
vollendenden Künstlers als ein Ganzes sich vorstellen
und Facit wie Horoskop zu stellen suchen.

Es ist der beste Typus des kraftvollen und unver-
wüstlichen Bajuvarentums in seiner Naturnähe und
Ursprünglichkeit, das in diesem Sohne der Ailgäustadt

Hubert Wilm, Rhemlanidschaft. Naoh dem Regen. Im Besitz des Bayerischen Staatcs

anderen spüren — und auch die Kunstmittel werden
zumeist irgendwie eine innere Verwandtschaft zeigen.
Es ist das Verblüffende in dem Fall Hubert W i 1 m , das
hier der Maler ein so völlig anderer ist als der Radierer.
Der Erste überrascht durch eine erstaunliche, sich immer
noch weitende Breite und Flächigkeit und durch eine
souveräne Kunst der Abbreviatur. Der Graphiker dem-
gegenüber ist von peinlicher Umrißtreue, ein Sucher
der detaillierten Form — in dem einen ist etwas von
dem Geist Corinths lebendig, in dem anderen scheint
ein Ausläufer der Linie Dürer-Runge-Klinger sich wei-
terspinnen zu wollen. Wenn jetzt der Drang zur male-
rischen Form plötzlich ein so gewaltiger in dem Künst-
ler geworden ist, wenn dieser Drang sich dazu in solch
fruchtbarer, sich an sich selbst berauschendek Fülle
äußert, darf man annehmen, daß eben hier eine innere
Notwendigkeit die alten graphischen Wege versperrt

Kaufbeuren uns entgegentritt. Sicheres handwerkliches
Können, auf der Münchener Kunstgewerbeschule ge-
formt, in Paris und Holland bestätigt, bildet die gesunde
Grundlage seiner Kunst. In allerlei anmutigen dekora-
tiven Arbeiten hat sich sein Talent zuerst versucht.
Diese Neigung führt ihn zur hohen Kunst des Buch-
schmucks, zur Illustration. Er erweitert seine Kunst-
mitte'l, er findet als halber Autodidakt die Technik des
Radierens für sich — und nun setzt ein Jahrzehnt einer
ersten sich verschwendenden, scheinbar mühelos aus
dem Ueberfluß der Einfälle schaffenden graphischen
Tätigkeit ein, die auch die Teilnahme am Kriege nicht
unterbrechen, sondern nur vertiefen kann, so daß 1919 in
dem reizvollen Büchlein über das graphische Werk des
Künstlers (Lübeck, Verlag von Ludwig Möller), dem ein
so erlesener Kenner wie der Custos des Münchener
Kupferstichkabinetts E. W. Bredt ein Geleitwort vor-

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