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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1/2. Novemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Der Frankfurter Glasschnitt und die Familie Heß, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0110

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P\ie Geschichte des Glasschnitts ist lioch recht
dunkel; namentiich über die Anfänge des deut-
schen Glasschnitts und iiber das ganze 17. Jahrhundert
ist die bisherige Literatur noch mehr als lückenhaft, und
tief eingewurzelte Irrtümer schleppen sich von einem
Buche zum anderen fort. Wenn erst der Zusamrnenhang
mit dem technisch fast übereinstimmenden Edelstein-
schnitt besser ins Auge gefaßt werden wird, dann wird
man auch erkennen, daß Prag, wo allerdings unter Kai-
ser Rudolf II. beide Techniken vielversprechend blühten,
doch nicht der alleinige Ausgangspunkt der deutschen
Glasgravierung war, wie man noclr immer, der einseiti-
gen Darstellung Sandrarts folgend, annehmen zu sollen
glaubt, daß vielmehr der Steinschnitt, wie der Glas-
schnitt auch an anderen Stätten mit mehr oder weniger
Erfolg geübt wurde, ja an einzelnen Punkten im Laufe
des 17. Jahrhunderts eine selbständige Entfaltung gefun-
den hat.

So entstammt der erste bahnbrechende Berg-
krystall- und Glasschneider der Reichsstadt Nürnberg,
Georg Schwanhardt d. Ä. (1601 — 1667), einer thürin-
gischen Familie aus Heldburg im Hennebergischen, von
wo nach Nürnberg auch andere Fäden führen1). Und
ebenfalls von der Herrschaft Henneberg, deren Grafen
allerdings schon 1583 ausgestorben waren, nämlich aus
Waldau, Amt Schleusingen (wozu auch Langenbach, die
„Stammutter aller thüringischer Glashütten“2 *) gehörte
— also nördlich, nicht wie Heldburg südlich von Hild-
burghausen — stammt ein Glasschneider ,,H a n n ß“
H e ß mit seiner Frau Susanna, der am 22. April 1646 in
Frankfurt a. M. den Bürgereid schwört und 13 Reichs-
taler erlegP)- Und dieser Johann Heß, der vielleicht auch

0 Der Quarzsand („Glaserde“) aus Kalchreuth bei Nürnberg
war noch im 16. Jahrhundert, ähnlich wie heutzutage der Sand von
Hohenbocka (Lausitz, Schlesien), ein beliebter Exportartikel nicht
nur nach dem Hennebergischen, sondern auoh in zahlreiche süd-
deutsche Giashiitten, namenilich Wiirttembergs, ja bis an den Rhein
und nach Straßburg. (Th. Hampe: „Das Altniirnberger Kunstglas
und seine Meister“, Neujahrsblätter der Gesellschaft fiir fränkische
Geschichte, Miinchen u. Leipzig, 1919, S. 12.)

2) Wilhelm Stieda: Thtiringische Glashiitten in der Vergangen-
heit (Leipzig 1910) S. 11.

Ä) Frankfurt a. M., Stadtarohiv, Bürgerbuch IX von F634
fol. 147. - Auch erwähnt von Carl Gebhardt im Repertorium fiir
Kunstwissenschaft XXXI (1908) S. 410 gelegentlich seiner Arbeit
iiber den damals besten Maler von Frankfurt, Martin Heß, dem
Freund und vielleicht Scluiler Albrecht Diirers. — An einen näheren
Zusammenhang dieseS Martin mit dem Glasschneider Hans Heß
braucht bei der ungemeinen Häufigkeit dieses Namens keineswegs
gedacht zu werden. Allein in den Frankfurter Bürgerbüchern werden
neben „Haß“, „Hoß“, ,,Heuß“ (darunter ein Diamantschneider und
ein Goldschmied aus Antwerpen) zahlreiche H e ß aufgeführt, wie ein
„Rheiffgießer“ Wilhelm (1586; VII, 18), ein Taglöhner Hannß aus

Lißberg (1588; VII, 39), ein Taglöhner Hannß Adam aus Lieck (1596;
VII, 64), ein Taglöhner Peter aus Ortenburg (1593; VII, 115), ein
Schiffknecht Balthasar aus Ochsenfurt (1606; VII, 307), ein heimi-

mit dem in Diensten Rudolfs II. gewesenen Steinschnei-
der Willibald Hesse4) im Riesengebirge zusammenhängen
mag, begriindet in der alten Reichsstadt Frankfurt eine
Glas- und Edelsteinschneider-Familie, die wir durch
mehrere Geschlechtsfolgen näher verfolgen können.

J. Heß ist nicht der erste Vertreter dieses Berufes,
dem wir in Frankfurt begegnen. Im Totenbuche findet
sich zum 8. September 1631 das Begräbnis eines Glas-
schneiders G e o r g W e i g a n d t aus Coburg, also
wieder aus Thüringen, verzeichnet, der im Hause des
Schreiners Georg Mentzel in Frankfurt starb; es dürfte
sich, da die Bürgerbücher seinen Namen nicht kennen,
um einen vorübergehenden Gast handeln, der — nach
dem Datum — wolil anläßlich der Herbstmesse für die
noch junge Glasveredelungstechnik Freunde und Käu-
fer werben wollte'1). Aber während wir über Leben und
Wirken dieses Glasschneiders, auch über seine evtl.
Erfolge in Frankfurt gar nichts wissen, steht die Glas-
meisterfamilie Heß, wenigstens in ihren Hauptvertretern,
schon ganz greifbar vor unseren Augen. Wir beginnen
mit dem Biographischen:

„J o h a n H e ß von Walda, von der Kunst des
Glasschneidens“, wie er sich in dem eigenhändigen Ge-
such (Rats-Suppl.) vom 14. Oktober 1643 unterschreibt,

scher Schuhmacher Johanu (1606; VII, 317), ein Steindecker Hanns
Ludwig (1607; VII, 327), ein pfälzischer Schneider Johann (1607;

VII, 322), die drei heimischen Sclmhmacher Hans Heinrich (1615;

VIII, 69), Matthäus (1632; VIII, 307) und Hans Adam (1632; VIII;
310), der Schneider Johann (1636; IX, 24 u. 90. v.), der Schuhmacher
Hieronymus (1641; IX, 96. v.), ein Fuhrknecht Hans Gonrad aus
Weißfeld (1648; IX, 168), ein Maurer Hans Conrad aus. Straßburg
(1654; IX, 240), ein Kutscher Johann Nikolaus aus Marburg (1654;

IX, 250) und andere. — Wenn auch der Vorname Hans mehrfach
vorkommt, so wiederholt sich nicht der Glasschneider-Beruf.

4) Diesem Hesse wird die schwarze Achatbüste (Antipather) im
Kunsthistorischen Staatsmuseum in Wien (XIX, Vitr. III, Nr. 35)
zugeschrieben (Fiihrer durch die Sammlung der kunstindustriellen
Gegenstände, 1891, S. 60). — Ebenso unbestimmt ist auch ein etwai-
ger Familienzusammenhang mit dem Augsburger Goldschmied Bern-
hard Höss, der 1561 für den Mtinchner Hof tätig war (Schauss,
Schatzkammern in München, S. 65), und mit jenem Paul Hess (Hesse,)
der im Dienste der beiden sächsischen Juweliere Chr. Biber und
V. Bötiger (1605) die Vermittlung des Kurfürsten Christian bei
Kaiser Rudolf in Anspruch nimmt (Wiener Jahrbuch der a. h. Kunst-
sammlungen, XIX, Reg. 16600 u. 16881).

8) Giitige Mitteilung des überau-s fleißigen und erfolgreichen
Frankfurter Urkundenforschers Dr. pliil. W. K. Züleh, der mir
auch in selbstloser Weise das ganze reichhaltige biographische
Material iiber die Familie Hess zur Verfügung stellte, durch welches
die Forschungen der älteren Frankfurter Kunst-Historiographen,
nämlich von H. Sch. H ii s g e n (Artistisches Magazin, Frankfurt,
1790, S. 211—222), der sicli auf alte Familienaufzeichnungen stützt,
und Friedrich G w i n n e r (Kunst und Kiinstler in Frankfurt a. M„
1862, S. 202 ff.) ganz bedeutend ergänzt und vielfach richtiggestellt
werden. Ich sage dem liebenswürdigen Kollegen fiir diese entschei-
dende Förderung der vorliegenden Arbeit auch an dieser Stelle
meinen wärmsten Dank.

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