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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1/2. Novemberheft
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Darmstaedter, Ludwig: Georg Raphael Donner: vom Laienbruder zum bildenden Künstler
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Dresdner, Albert: Joachim Skovgaard: zu seinem 70. Geburtstage, 18. November
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0116

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Die beiden außerordentlichen Wiener Werke waren
des Meisters Schwanengesang; in den ers.ten Tagen des
Jahres 1741 wurde er, wie das Protokoll des Wiener
Totenschauamtes sagt, von einem allgemeinen inneren
Brand ergriffen, dem er ain 15. Februar 1741, nur
48 Jahre alt. erlag. Donner wurde am 17. Februar auf
dem Nikolaikirchhof beigesetzt. 43 Jahre später mußten
auf Befehl Kaiser Josephs. II. alle innerhalb der Linien
Wiens befindlichen Kirchhöfe geräumt werden; Don-

ners Gebcine wurden nach dem St. Marxer Kirchhof ge-
bracht; kein Denkmal, kein Kreuz bezeichnet die Stelle,
wo der große Meister seine Ruhe gefunden hat.

Wenn aber auch über seinem Grabe Vergessenheit
ruht, so künden doch seine Meisterwerke, die nicht ver-
gclien werden, allen künftigen Generationen den Ruhm
des, genialen Künstlers, der im Leben vicle Enttäuschun-
gen erfahren mußte und dem aucli in materieller Be-
ziehung von der Mitwelt nicht Genüge geschehen ist.

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rotz des reich entfalteten Kunstlebens im europäi-
A schen Norden gibt es doch unter den lebenden
nordischen Künstlern nur zwei, deren Schaffen wider-
spruchslos das vollgiltige europäische Großformat zuge-
billigt wird. Der eine ist Edvard Munch, dessen Arbeiten
ja vielfach, und ganz besonders in Deutschland, herum-
gekommen sind. Aber von Joachim Skovgaard hat man
im Auslande, wenn überhaupt, so sicher nur sehr selten
etwas gesehen. Wenn er dennoch als europäischer Mei-
ster allgemein anerkannt ist, so verdankt er das dem
Ruhme, der sein magnum opus, den Gemäldeschmuck der
Kathedrale in der stillen jütischen Stadt Wiborg, um-
straht. Joachim Skovgaard ist und bleibt der Meister
von Wiborg.

Die Generation, der er angehört und die gegen 1880
auf denSchauplatz trat — Skovgaard hat 1878 zum ersteu
Male ausgestellt —, besaß nicht die Voraussetzungen zur
Monumentalmalerei und hatte aucli keine Neigung dazu.
Reinigung und Erneuerung der Palette und unmittelbare
Wiedergabe der Natur unter Ausschaltung der Werk-
statt-Konvention bildeten in erster Linie ihre Interessen
und ihre Aufgaben. Es war, kann man in Bausch und
Bogen sagen, eine Generation von Naturalisten. Wenn
eben aus dieser Generation ein religiöser Monumental-
maler hervorging, so mußte die Entwicklung dieser Per-
sönlichkeit unter besonderen, von denen seiner Alters-
genossen abweichenden Bedingungen stehen. Auch be-
merkt man, daß Skovgaard sich erst allmählich zu seiner
Aufgabe gefunden hat. Er war bereits 32 Jahre alt, als
er sein erstes religiöses Bild ausstellte. Ein Jahrzehnt
später hat er Hand an sein großes Lebenswerk gelegt.

Die künstlerische Begabung hat Skovgaard von sei-
nem Vater P. C. Skovgaard geerbt, der in der Geschichte
der neueren dänischen Landschaftsmalerei einen her-
vorragenden Platz einnimmt. Auch Joachim Skovgaard
begann mit Landschaften, die übrigens keine besondere
Beachtung fanden. Wie andere junge Künstler seiner
Generation suchte auch er im Atelier Bonnats Anschluß
an die moderne französische Malerei; es wird indes

schwer halten, in seinem Werk einen Niederschlag der
französischen Schulung zu entdecken, man müßte denn
etwa die lockere Pinselführung und den verfeinerten
Farbensinn seiner Interieurs auf ihre Rechnung setzen
wollen. Von ungleich größerer Bedeutung für seine Ent-
wicklung wurden seine Studienreisen nach Italien und
Griechenland (seit 1882 und 1884). Ihre künstlerische
Frucht waren Bilder aus dem italienischen Volksleben
und griechische Landschaften, oder richtiger: Motive der
klassischen grlechischen Architektur. Diese griechischen
Architekturbilder wurzeln in guter altdänischer Ueber-
lieferung: sie erinnern an die unbefangen wahrhaften
Darstellungen römischer Szenerien, die gut zwei Men-
sehenalter früher Eckersberg, der Begründer der däni-
schen Schule, gemalt hatte. Die Bilder aus dem italieni-
schen Volksleben, besonders der „Markt in Sora“ von
1884, besitzen eine bei Skovgaard seltene breite Lebens-
fülle und Kraft der Farbe; man darf darin vielleicht einen
Einfluß seines Kameraden, des vollblütigen Christian
Zahrtmann erkennen. Gute Arbeiten zweifellos, diese
italienischen und griechischen Bilder, aber mit ihnen
hatte sich Skovgaard doch noch nicht über den Kreis
seine.r Altersgenossen herausgehoben.

Will man den Wesenszug, durch den er zuletzt zu
sich selbst geführt wurde, mit der kürzesten Formel
kennzeichnen, so kann man den Namen Grundtvig
nennen. Julius Lange hat Skovgaard geradezu als'den
Grundtvig der dänischen Malerei bezeichnen wollen. In
Skovgaards Elternhause war der Geist dieses merkwür-
digen, in seinem Wesen und seinen Werken höchst un-
gleichmäßigen Volksapostels lebendig. Mit seinen geist-
lichen Dichtungen („Salmer“) ist Joachim Skovgaard
aufgewachsen und sie haben ihn durchs ganze Leben be-
gleitet; hat er sich doch für das Apsismosaik im Dome zu
Lund, an dem er gegenwärtig arbeitet, wieder dnrch eine
Strophe. Grundtvigs anregen lassen. Aus dieser Atmos-
phäre hat Skovgaard einen starken, unerschütterlichen
Christenglauben eingesogen. Aber dieser Glaube hängt
nicht am Dogma des Christentums, sondern nährt sich

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