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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1/2. Novemberheft
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Dresdner, Albert: Joachim Skovgaard: zu seinem 70. Geburtstage, 18. November
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0117

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von seinem C*eiste. Skovgaard lebt in dem Mensch-
lichen, Versöhnenden, Tröstlichen, Erhebenden des
Christentums. Er holt seine Motive nicht aus der Welt
apokalyptischer Schrecken; wenn er die Kain- und Abel-
geschichte behandelt, so wählt er als Motiv das Opfer
der Brüder und nicht den Totschlag, und selbst an der
Passionstragödie gleitet er in den Wiborger Fresken mit
einem Kreuzigungsbilde vorüber. Aber Christus, der ins
Totenreich hinabsteigt, der den reuigen Sünder ins Para-
dies aufnimmt, der die Erlösten mit weit ausgebreiteten
Armen im Himmel empfängt, Christus, der die Blinden
und die Krüppel zu sich lädt: das ist sein Christus. Man

Joachim Skovgaard, Selbstporträt 1899

wird in seinem religiösem Werke keine Allegorie finden
und keine schwer deutbare symbolische Darstellung. Alle
seine Bilder bewegen sich vielmehr in einem Kreise
menschlicher Urmotive, die jedem verständlich sind. Das
ist der tief volkstümliche Zug seiner Kunst, in dem die
Mission Grundtvigs deutlich erkenubar bleibt. Seine Bil-
der sind, wie die des Mittelalters, eine Schrift fiir die
Illiteraten, für die Ungelehrten, und gleich den Künstlern
des Mittelalters legt er den größten Wert auf das Erzäh-
lerische: der Vorgang muß sich in allen seinen Teilen
und Beziehungen klar und in sich iiberzeugend entfalten.

Man kann von der religiösen Grundeinstellung Skov-
gaards, wie ich meine, selbst in jener Gruppe seiner Bil-
der etwas fühlen, in denen er Familieninterieurs behan-
delt hat. Es sind eclit dänische Interieurstücke, voll von
traulicher Heimlichkeit und von stillem innigem Behagen
an Haus und Familie. Weich und gedämpft ist die Farbe,

milde schwebt das Licht durch den Raum. Während bei
Hammershöj die vom Lichte erweckten toten Dinge die
Melodie zu führen pflegen, bleibt es bei Skovgaard immer
der Mensch, dessen Leben die Räume füllt und be-
herrscht. Zärtlich lächelnd säugt die Mutter ihr Jüng-
stes; das kleine Mädchen lernt lesen oder es wird zum
Ausgange angezogen; oder Mutter genießt bei ihrer
Handarbeit ein ruhiges Stündchen: wie diese Motive zart
und behutsam, von jeglicher genrehafter Aufputzung frei,
behandelt sind, so spricht sich darin die schlichte und tiefe
Frömmigkeit einer Seele aus, die beglückt und voll ehr-
fürchtiger Ahnung im kleinen Kreise des Heims das
große Lebenswunder sich entfalten sieht.

Skovgaards erste religiöse Bilder waren: „Der
Engel rührt das Wasser des Teiches Bethesda“ 1888;
„Christus führt den Räuber ins Paradies“ 1890 und
„Christus im Reiche der Toten“ 1894. Diese Werke
waren alle von einer starken religiösen Spannung erfüllt,
die sich in dem Bethesda-Bilde bis zum Dramatischen
steigert. In diesem bediente sich Skovgaard nocli derb
naturalistischer Mittel, aber die späteren Arbeiten zei-
gen, wie er nach einer idealen und monumentalen Dar-
stellungsform sucht, und alsbald bekennt er, daß es in
erster Linie die italienische Kunst des Quattrocentos ist,
an der und aus der er seine Form zu entwickeln bestrebt
ist. Die Arbeiten erregten lebhafte Aufmerksamkeit,
wurden jedoch durchaus nicht ohne Widerspruch auf-
genommen. Der große Kenner Julius Lange wollte
„Christus im Totenreiche“ die dekorative Wirkung nicht
aberkennen, aber für die Behandlung der menschlichen
Gestalt fand er recht scharfe Worte der Ablehnung. In-
des der große Schwung des Gefühls, der das Bild in allen
seinen Teilen stürmisch durchströmt, siegte über alle
Bedenken, und das Jahr nach seiner Ausstellung erging
vom dänischen Kultusministerium an Skovgaard die Ein-
ladung zur Uebernahme der malerischen Ausschmückung
des Wiborger Domes.

Die altehrwürdige, dem 12. Jahrhundert entstam-
mende, bis auf die Grundmauern verfallene Kathedrale
der einstigen Hauptstadt Jütlands war in den Jahren
1864 bis 1876 in möglichst engem Anschluß an die ur-
sprüngliche Form neu aufgebaut worden. Es ist eine
dreischiffige flachgedeckte Basilika mit Querschiff und
abgerundeter Apsis. Ihre Ausschmückung stellte Skov-
gaard vor eine ganz gewaltige Aufgabe: waren es doch
über 2500 Ouadratmeter, die mit Malerei gedeckt werden
sollten. Nach einigem Schwanken entschied der Künst-
ler sich fiir die Anwendung der Freskotechnik, zu dereu
Studium er 1900 eine Reise nach Italien machte. Im
Jahre 1901 wurde nach mehreren Probeversuchen die
Arbeit in der Mittel-Kuppel und im südlichen Querschiffe
begonnen, 1906 war die Ausmalung der Schiffe und der
Ghorpartie beendet; in den Jahren 1912 bis 1914
wurden die Gemälde für die flache Holzdecke
des Mittelschiffs ausgeführt. 1914 konnte Skov-
gaard dem Minister den Abschluß des Unterneh-
mens anzeigen; etwa zwei Jahrzehnte seines Lebens
sind von dem großen Werke ausgefüllt worden. Nur
durch die verständnisvolle Mitarbeit treuer und tüchtiger

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