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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Juniheft
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Kern, Guido Josef: Die verschollene "Kreuztragung" des Hubert oder Jan van Eyck, [3]
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Schmitz, Hermann: Schloß Freienwalde als Walter Rathenau-Stiftung: Zur geplanten Eröffnung am 10. Juni
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0463

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vollkommen naturalistisch und perspektivisch gezeich-
net sind; man sieht wirkliche, naturwahre Landschaften,
aber nur durch Hallen und Fenster, oder, jenseits einer
komponierten Landschaft, als Ausblicke in weiter Ferne.

Zwischen diesen naturalistischen Landschaftsaus-
schnitten und den Landschaften der Eyckschen Minia-
turen besteht kein Unterschied. Man kann aus dem
Bilde „Der Streiter Christi“ die hohen Gebirgsketten,
der „Verkündigung“ des Genter Altares den Blick in
die Straße (Abb. 2), aus der Petersburger „Kreu-
zigung“ das Stadtbild mit der Alpenlandschaft, aus der
Antwerpener „Heil. Barbara“ den ganzen Mittel- und
Hintergrund (Abb. 3 u. 4), aus der „Heil. Katharina“
des. Dresdener Altärchens und der „Madonna des Kanz-
lers Rolin“ (Abb. 5) die Städtebilder herausnehmen und
sie ohne weiteres mit den Eyckschen Miniaturen in
Parallele setzen. Man erkennt dann deutlich die
Übereinstimmung des Stiles und der ganzen Auffassung.

Das Rätsel der Brüder van Eyck ist zwar gleich-
bedeutend mit dem Rätsei der Miniaturen, doch nicht im
hergebrachten Sinne. Es handelt sich nic'ht um den
Ausgleich eines Gegensatzes zwischen der Eigenart der

Miniaturen und der Bilder, der, in Bezug auf das
Empfinden und Können der Künstler, gar nicht vorhan-
den ist, sondern um die E n t s c h e i d u n g d e r
F r a g e n a c h d e r Herkunft d e r „n a t u r a -
1 i s t i s. c h e n M i n i a t u r“. Woher nahmen die
Brüder van Eyck die Auffassungen und Fähigkeiten,
die Werke wie die „Landung des Herzogs Wilhelm“
(Abb. 6)14) oder „Das Boot der hl. Martha“ (Abb. 7)14)
bekunden? Schöpfen sie nur aus Eigenem oder führen
sie auch das Werk anderer fort? Hier liegt die Schick-
salsfrage für die Eyckforschung. Gewiß bleibt die Ent-
scheidung „Hubert oder Jan“ eine Frage von höchster
Wichtigkeit, denn es kann nicht gleichgültig sein, wer
die „Kreuztragung“, die Stifterbildnisse des Genter Alta*
res oder das Rolin-Bild gemalt hat. Gegen die erste
Frage tritt aber die zweite an Bedeutung zurück. Nach
allem, was wir heute von den Brüdern van Eyck wissen,
ist anzunehmen, daß sie ihre Vorläufer weit überholt
haben, und daß ihnen der Ruhm, die Begründer der
neueren Malerei zu sein, ungeschmälert verbleibt.

14) P. Durrieu, „Heures de Turin“ etc., Nr. XXXVII und
Nr. XXX. Vergl. hierzu die den van Eyck zugeschriebenen Minia-
turen in den „Heures de Milan“, a. a. 0.

Scf)toß fveienwalde als LÜattev Ratbonau=Sttftung

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Het?mann Sd)mit£

| ie von der Press.e bereits gemeldete Schenkung
des Schlosses Freienwalde an der Oder von Sei-
ten der Erben Walter Rathenaus an den Kreis Ober-
barnim ist inzwischen vertraglich vollzogen worden,
und die Stiftung wird in den nächsten Tagen in einem
feierlichen Akt zum Gedächtnis Walter Rathenaus der
Oeffentlichkeit übergeben werden, nachdem die not-
wendigsten Abänderungen in Schloß und Park durch-
geführt worden sind.

Aus diesem Anlaß seien einige Andeutungen über
Zweck und Form der Rathenau-Stiftung gestattet. Das
von Walter Rathenau im Jahre 1909 von der Krone
erworbene Schloß Freienwalde, eine Schöpfung
der Königin Friederike Luise, Gemahlin Friedrich
Wilhelms, II., nebst dem 12 Hektar 7 Ar großen Park
sind von dem Kreise Oberbarnim wesentlich in dem
Zustande zu erhalten, in dem sie von Walter Rathenau
hinterlassen worden, und der Oeffentlichkeit zugänglich
zu machen. Zur Pflege und zum Ausbau der Schöpfung
im Sinne des Verstorbenen ist von den Erben Rathe-
naus ein Stiftungskapital geschenkt worden, das durch
Beiträge des Kreises. Oberbarnim und der Provinz
Brandenburg eine Erhöhung erfahren hat. Die
Rathenau-Stiftung in der jetzigen Form stellt die end-
gültige Verwirklichung eines Gedankens Walter
Rathenaus dar, der bereits nach der Staatsumwälzung

im Jahre 1919 durch Errichtung einer „Rathenau-Stift
A.-G.“, der er den Besi’tz käuflich abtrat, dafiir Sorge
trug, ihn als öffentliches Kulturdenkmal zu erhalten.
Zur Durchführung seiner Ideen wird für die Verwaltung
der als.o nunmehr vom Kreise Oberbarnim übernom-
menen „Rathenau-Stift A.-G.“ ein Aufsichtsrat gebildet,
bestehend aus Mitgliedern der Familie Rathenau, in
erster Linie seiner Schwester, Frau Edith Andreae, aus
Vertretern der Kreisverwaltung und des Kreistages
sowie kunstfreundlichen kreisangesessenen Herren und
einigen Beamten der staatlichen Denkmalpflege und
Museumsverwaltung als sachverständigen Beratern.
Durch diese Einrichtung ist einmal die Änteilnahme des
engeren Kreises und der Stadt an dem Werke gewähr-
leistet, die für die Fruchtbarmachung des. Unterneh-
mens im Dienste der örtlichen Bevölkerung die Voraus-
setzung bildet, andererseits ist aber auch durch die Ver-
bindung mit den Berliner Zentralbehörden auf dem Ge-
biete der Kunst eine den denkmalpflegerischen und
künstgeschichtlichen Anforderungen entsprechende
Erhaltung und Entwicklung der Schenkung gesichert.
Die Stiftung ist eine vorbildliche Schöpfung echten Bür-
gersinnes im Geiste Walter Rathenaus und zugleich ein
Muster für das Zusammenwirken der Kreis- und ört-
lichenBehörden, der angesessenenBevölkerung und der
Zentralorgane. In dieser Beziehung hat das Unterneh-

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