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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Juliheft
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Pelka, Otto: "Europäisches Kunstgewerbe": Ausstellung in Leipzig
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Gronau, Georg: Das "Geheimnis" der Sixtinischen Madonna
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0496

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Kinder. Die Kindereien und Subtilitäten aber, die
stellenweise hier auftreten, sind so ohne jeden Zusam-
menhang mit dem wirklichen Leben und seinen Anfor-
derungen, daß sie in den Händen der präsumtiven Ver-

braucher die Existenzdauer einer Halbtagsfliege kaum
erreichen dürften. Vor derartigen Entgleisungen in die
Einöden der Dekorationsware und des Kitsches wird
sich Deutschland 1930 sehr zu hüten haben.

Das Aiebetmms" dec Sixttntlcben Madonna

oon

Qcocg Quoriau

|n einer verbreiteten rheinischen Tageszeitung*) ist
unlängst ein Aufsatz erschienen, welcher das
„Geheimnis der sixtinischen Madonna“ den Verehrern
dieses Bi'ldes — und welches Bild in der Welt besitzt
deren so viele? — zu enthüllen unternimmt. Danach
hätte es der Kardinal Antonio del Monte, der den Titel
eines Kardinals von San Sisto in Piacenza führte, für die
oberitalienische, 1511 vollendete Kirche gestiftet. Wir
wissen oder glauben zu wissen, daß dieser Kirchenfürst
zu Raphael in persönlichen Beziehungen gestanden hat;
wenigstens hat bereits Vasari in dem Fresko der Ueber-
reichung der Dekretaten sein Bildnis gefunden.

Wie einfach lösen sich doch die Dinge, wenn an die
Stelle des Fachmannes,, dessen Blick vielfach durch vor-
gefaßte Meinungen gehemmt ist, der unbefangene Laie
tritt! Aber waren wir, die wir uns, vielfach seit Jahr-
zehnten, mit Raphael beschäftigen, wirklich alle so blind,
daß wir an dem Naheliegenden vorbei gegangen sind,
trotzdem schon von den zuverlässigen Forschern Crowe
und Cavalcaselle auf diesen Namen hingewiesen wor-
den war?

*) Düsseldorfer Nachrichten, Unterhaltungsblatt vom 12. März.

Leider muß man feststellen, daß ein kleines Ver-
sehen dieser Autoren — ein Versehen, dessen Ursprung
zu erklären mir nicht gelungen ist — die Ursache zu
einem viel gröberen geworden ist. Crowe und Caval-
caselle nämlich sagen nur, Antonio del Monte habe den
Titel eines Kardinals von San Sisto geführt, womit sie
natürlich die r ö m i s c h e Kirche dieses Namens mei-
nen. Einen Kardinalstitel von S. Sisto in Piacenza hat
es nie gegeben und konnte es nie geben, denn alle Titel
der Kardinäle sind mit römischen Kirchen ver-
bunden.

Tatsächlich aber wurde Antonio del Monte von
Julius II. 1511 der Titel eines Kardinals von San Vitale
verliehen; in der an der heutigen Via Nazionale dicht
neben der Galleria d’Arte Moderna gelegenen Kirche
kann man noch eine Inschrift finden, die sich auf Wieder-
herstellungsarbeiten durch Antonio del Monte bezieht:
man findet sie in Forcellas Werk über die römischen
Inschriften im XI. Band abgedruckt. Später scheint er
diesen Titel mit dem Titel eines Kardinals von Sta.
Prassede vertauscht zu haben, welcher 1514 durch den
Tod des bisherigen Inhabers, eines Engländers, frei ge-
worden war; es ist der Titel, der in der Familie del

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